Gastbeitrag 5 © Basler Papiermühle Beitragsreihe der Basler Papiermühle zur Buchstadt Basel Das Goldene Zeitalter des Basler Buchdrucks von Martin Kluge, Basler Papiermühle Hätte man in Basel jemanden vor 500 Jahren auf der Strasse nach dem Weg zu den Basler Humanisten gefragt, wäre die Antwort wahrscheinlich ernüchternd ausgefallen. Weitgehend unbemerkt frönten sie ihrem freien Geist in hochgebildeten Gelehrtenzirkeln hinter verschlossenen Türen. Wer waren also die Gelehrten und ihre Drucker, die Basel zu einem Buchdruckzentrum im 15. Jahrhundert machten? Als Johannes von Ragusa, Legat der Römischen Kurie, am 23. Juli 1431 das Basler Konzil eröffnete, blickte die Welt nach Basel. In einem letzten Anlauf sollte durch das Konzil die Einheit der Kirche wiederhergestellt werden, bevor sie in den Wirren der Reformationszeit gänzlich auseinanderbrach. Zu dieser Zeit war Basel mit seinen rund 8’000 bis 10’000 Einwohnern noch weit davon entfernt, als kulturelles oder intellektuelles Zentrum wahrgenommen zu werden. Ernüchtert berichtete damals der italienische Humanist Enea Silvio Piccolomini bei einem Konzilbesuch über die Stadt: «Für die Wissenschaften und schönen Künste haben sie nichts übrig und von Cicero oder einem anderen Redner haben sie noch nie etwas gehört. Auch um die Werke der Dichter kümmern sie sich nicht. Sie betreiben nur Grammatik und Dialektik.» Doch das Konzil brachte die Wende. Zahlreiche Handschriften für theologische und politische Disputationen gelangten zu dieser Zeit nach Basel, und aus einer für die Konzilsteilnehmer eingerichteten Hohen Schule entstand später die Basler Universität als erste auf dem Gebiet der heutigen Schweiz. Für den Aufstieg Basels zu einer gelehrten Bücherstadt waren nun alle Voraussetzungen gegeben. In dieses Umfeld kam Berthold Ruppel (?–1494/95), ein Geselle Gutenbergs, nach Basel und druckte 1468 sein erstes Werk. Ihm folgten bis zum Jahr 1500 rund 70 Drucker; etwa 580 Werke wurden bis dahin in Basel herausgegeben. Druckerverleger auf eigenes Risiko Das neu entstandene Buchdruckerhandwerk war ausgesprochen prestigeträchtig und bot gute Aufstiegschancen. Doch so verlockend das Gewerbe schien, so riskant war es durch seine Kapitalintensivität. Die Drucker waren Handwerker und Verleger zugleich und trugen das gesamte finanzielle Risiko alleine. Für die Edition 6 Gastbeitrag Seite vorher: Bibelkonkordanz, Basel, Johannes Froben, 1526. Winkelhaken aus Holz und Bein, Zürich, um 1700. Dahinter Druckballen. eines antiken Werks, dessen Herausgabe ein gutes Geschäft versprach, musste zunächst aus verschiedenen handschriftlichen Überlieferungen die definitive Druckvorlage erstellt werden. Dafür brauchte es geschulte Spezialisten, die honoriert werden wollten. Für den Druck mussten ausreichend neue Schriften gegossen und grosse Mengen Papier eingekauft werden. Vor allem der Papierankauf stellte eine grosse Investition dar, die rund die Hälfte der später zu erwartenden Einnahmen schon im Vorfeld verschlang. Der Aufwand war immens, leicht überstiegen die vorauszuzahlenden Kosten den Wert eines Stadthauses. Wurde die Auflage zu hoch eingeschätzt, konnte es leicht passieren, dass der ausbleibende Verkauf die hohen Vorausinvestitionen nicht deckte. Die ersten Drucker in Basel Die erste Generation der Basler Drucker um Berthold Ruppel orientierte sich bei der Herausgabe ihrer Bücher eng an den Institutionen, die schon das ganze Mittelalter hindurch mit Büchern zu tun hatten: Kirchen und Klöster. Einer dieser Drucker war Michael Wenssler (vor 1462– © Daniel Schvarcz humanistisches Gesicht. Einer dieser humanistischen Grössen war Sebastian Brant (1457–1521). Er unterrichtete sowohl in der artistischen wie auch in der juristischen Fakultät und gab systematisch, verteilt auf die wichtigsten Druckereien der Stadt, den Corpus Iuris Canonici, die massgeblichen Schriften des Kirchenrechts, heraus. Sein wohl bekanntestes Werk ist das Narrenschiff, gedruckt bei Johann Bergmann von Olpe im Jahr 1494. Diese mit über hundert Holzschnitten illustrierte Moralsatire, die der gesamten damaligen Gesellschaft den Spiegel vorhielt, erwies sich als erfolgreichstes deutschsprachiges Buch der Vorreformationszeit. In Umgangssprache verfasst, sprach das Narrenschiff auch eine neue kaufkräftige Kundschaft an, die sich zunehmend für Bücher zu interessieren begann: die städtischen Patrizier und wohlhabenden Kaufleute der Stadt. Ihre Lateinkenntnisse waren in der Regel bescheiden, ihr Interesse an Wissen hingegen gross. Schnell entpupp ten sich Werke wie der Gart der Gesundheit, das erste illus trierte deutschsprachige Kräuterbuch (erstmals 1485 in Mainz, bereits 1486 bei Michael Furter in Basel «Obwohl Mainz die Druckkunst erfunden hat, hat sie Basel eigentlich aus dem Dreck gezogen.» (Artem pressuare quanquam Moguncia finxit, e limo traxit hanc Basilea tamen). Michael Wenssler, 1472 nach 1499). Er kam 1462 als Student an die gerade erst gegründete Universität und druckte ab 1474 für ebendiesen Markt. Bald schon wurde er zu einem der bedeutendsten und reichsten Drucker der Stadt. Doch das kapital intensive Geschäft barg seine Risiken und Wenssler verkalkulierte sich gründlich. Bankrott floh er 1491 aus der Stadt und musste Haus und Druckerei zurücklassen. Einen sicheren Absatz versprach auch die Universität, die durch ihre Entstehung aus dem Konzil heraus stark auf das Kirchenrecht und die theologische Fakultät ausgerichtet war. Durch einige ihrer Professoren erhielt sie in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein neues, gedruckt), oder Hartmann Schedels Weltchronik zu wahren Bestsellern im ausgehenden 15. Jahrhundert. So druckte Johannes Amerbach (1440–1513) in Basel auch deutschsprachige Almanache, Kalenderblätter und Andachtsliteratur wie das Zeitglöcklein des Leben und Leidens Christi. Humanistische Drucke in Basel Johannes Amerbach war es auch, der als erster Drucker in Basel humanistische Autoren in sein Verlagsprogramm mit aufnahm und dazu nach italienischem Vorbild eine Antiqua-Schrift verwendete. Er gilt als der Wegbereiter Gastbeitrag © Roland Schmid des Humanismus in Basel. Aus der Werkstatt Amerbachs am Totengässlein, die sich dort befand, wo heute das Pharmazie-Historische Museum untergebracht ist, ging schliesslich einer der bedeutendsten Basler Drucker des Humanismus hervor, Johannes Froben (1460–1527). Er übernahm 1507 die Druckerei «im Sessel», wie die Liegenschaft heute noch heisst, und betrieb sie unter eigenem Namen weiter. Viel Geld gab Froben für Künstler wie Urs Graf und Hans Holbein aus, die in seiner Werkstatt Zierleisten, Titeleinfassungen und Initialen fertigten. Für seine hochqualitative Buchgestaltung gilt Froben heute für viele als «Fürst unter den Buchdruckern des 16. Jahrhunderts». Besonderen Aufwind bekam das Druckgeschäft mit der Ankunft Erasmus’ von Rotterdam in Basel, der bald schon eine enge Freundschaft zu Johannes Froben pflegte. «Wie die Bienen fliegen wir auf den bunten Wie- Historische Druckerstube mit Gutenberg-Holzpresse. sen der Wissenschaft umher und schwelgen bald in den Gärten der Philosophen, bald auf den Auen des Hesiod und Theokrit, bald am homerschen Quell», beschrieb Gerardus Listrius, ein Mitarbeiter aus Frobens Druckerei, die Arbeit dieser Jahre. Bald schon zogen die Gelehrtenzirkel im Umfeld der Drucker weit bedeutendere Gelehrte an als die noch junge Universität. Der freie, humanistisch geprägte Geist der Stadt war auf seinem Höhepunkt angekommen, Basel laut dem Mediziner Oswald Bär zur «inexhausta librorum mater», zur un ersättlichen Mutter der Bücher aufgestiegen. Die einzelnen Arbeitsschritte der Buchherstellung vom Schöpfen der Papiere, dem Giessen der Schriften und der Arbeit am Setzkasten lassen sich erleben und ausprobieren, ganz ohne verlegerisches Risiko – bei einem Besuch in der Basler Papiermühle. Basler Papiermühle – Schweizerisches Museum für Papier, Schrift und Druck Verteilt auf vier Stockwerke, bietet das Museum eine faszinierende Atmosphäre mit einer Mischung aus Ausstellung und Produktionswerkstätten. Als Besonderheit des Papiermuseums haben die Besucher Ge legenheit, sich in der «weissen» oder «schwarzen» Kunst zu versuchen. Das selbst geschöpfte Blatt Papier, eigene Versuche in der Handsetzerei und Schreibver suche mit Tinte und Federkiel gehören bei jedem Museumsbesuch dazu. www.papiermuseum.ch Basler Papiermühle, St. Alban-Tal 37, 4052 Basel 061 225 90 90, [email protected] Öffnungszeiten Di–Fr, So 11–17 Uhr; Sa 13–17 Uhr 7 © Daniel Schvarcz
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