136 Schöpfung – Gerechtigkeit – Frieden © Cornelsen Verlag, Berlin • FG Ethik/Religion Zum Thema „Tierversuche“ Was sagt die Ehrfurcht vor dem Leben über die Beziehungen zwischen Mensch und Kreatur? Wo ich irgendwelches Leben schädige, muss ich mir darüber klar sein, ob es notwendig ist. Über das Unvermeidliche darf ich in nichts hinausgehen, auch nicht in scheinbar Unbedeutendem. (…) Diejenigen, die an Tieren Operationen oder Medikamente versuchen oder ihnen Krankheiten einimpfen, um mit den gewonnenen Resultaten Menschen Hilfe bringen zu können, dürfen sich nie allgemein dabei beruhigen, dass ihr grausames Tun einen wertvollen Zweck verfolge. In jedem einzelnen Falle müssen sie erwogen haben, ob wirklich Notwendigkeit vorliegt, einem Tiere dieses Opfer für die Menschheit aufzuerlegen. Und ängstlich müssen sie darum besorgt sein, das Weh, so viel sie nur können, zu mildern. (…) Gerade dadurch, dass das Tier als Versuchstier in seinem Schmerz so Wertvolles für den leidenden Menschen erworben hat, ist ein neues, einzigartiges Solidaritätsverhältnis zwischen ihm und uns geschaffen worden. Ein Zwang, aller Kreatur alles irgend mögliche Gute anzutun, ergibt sich daraus für jeden von uns. (…) Keiner darf die Augen schließen und das Leiden, dessen Anblick er sich erspart, als nicht geschehen ansehen. Keiner mache sich die Last der Verantwortung leicht. Wenn so viel Misshandlung der Kreatur vorkommt, wenn der Schrei der auf dem Eisenbahntransport verendenden Tiere ungehört verhallt, wenn in unseren Schlachthäusern so viel Rohheit waltet, (…) wenn Tiere durch unbarmherzige Menschen Unmögliches erdulden oder dem grausamen Spiele von Kindern ausgeliefert sind, tragen wir alle Schuld daran. Albert Schweitzer: Kultur + Ethik, ISBN 978-3-406-34946-1, C.H. Beck Verlag © Cornelsen Verlag, Berlin • FG Ethik/Religion Webcode: FR233366-020 Zahl der Tierversuche deutlich gestiegen Mahnmal gegen Tierversuche an der Uni Das geht aus dem Tierschutzbericht der Bundesregierung hervor. Der Anstieg wird unter anderem mit dem „Ausbau des Forschungsstandortes Deutschland sowie dem verstärkten Einsatz von transgenen Tieren in der Forschung“ begründet. 50 Holzkreuze, die die Studentengruppe „Veganer Fortschritt“ auf dem Campus der Heine-Uni errichtet hat, sollen „daran erinnern, dass seit Jahren tausende Tiere für das Zoologiepraktikum im Fachbereich Biologie gezüchtet, gequält und getötet werden. Webcode: FR233366-020 Schöpfung – Gerechtigkeit – Frieden 137 Zum Thema „Fortschritt“ Trunken von den Fortschritten des Wissens und Könnens, die über unsere Zeit hereinbrachen, vergaßen wir, uns um den Fortschritt in der Geistigkeit der Menschen zu sorgen. Gedankenlos glitten wir unversehens in den Pessimismus, an alle Fortschritte zu glauben, nur nicht mehr an den geistigen Fortschritt des Menschen und der Menschheit. (…) Mit dem Mute der Verzweiflung müssen wir uns zu ihm zwingen. Alle miteinander wieder den geistigen Fortschritt des Menschen und der Menschheit wollen und wieder auf ihn hoffen: Dies ist das Herumwerfen des Steuers, das uns gelingen muss, wenn unser Fahrzeug im letzten Augenblick noch vor den Wind gebracht werden soll. Fähig zu dieser Leistung werden wir nur in denkender Ehrfurcht vor dem Leben. Fängt Ehrfurcht vor dem Leben an, irgendwo am Denken und an der Gesinnung zu arbeiten, dann ist das Wunder möglich. Albert Schweitzer: Kultur + Ethik, ISBN 978-3-406-34946-1, C.H. Beck Verlag Aufgaben • Was bedeutet geistiger Fortschritt? Vervollständigt den Satz: „Die Menschen sind dann geistig fortgeschritten, wenn …“ • Stellt in einer Tabelle gegenüber: technischer Fortschritt – geistiger Fortschritt. • Kann beides identisch sein? Nennt Beispiele. © Cornelsen Verlag, Berlin • FG Ethik/Religion Zum Thema „Kinder und Zukunft“ Aus einer Ansprache vor Schulkindern und Lehrern 1954 Wenn ich heute hier in Europa zu euch Kindern spreche, so denke ich dabei an die vielen Kinder in Äquatorial-Afrika und in meinem Spital in Lambarene. (…) Wenn diese Kinder krank sind – und das ist so oft in dem feuchtheißen Klima der Urwaldniederung – dann kann die Mutter nicht schnell mit ihnen zum nächsten Arzt laufen, der ihnen ihre Schmerzen nimmt und sie wieder gesund macht. Oft müssen sie mehrere Tage oder gar wochenlang reisen, bis sie bei uns im Spital ankommen. Wir aber sind froh, dass wir ihnen immer wieder helfen können. Das können wir aber nur, weil in Europa so viele Menschen sind, die mir durch ihre großen und kleinen Gaben die Mittel dazu geben. Menschen, denen selber durch ärztliche Kunst geholfen wurde und die deshalb aus Dankbarkeit da helfen, wo sonst keine Hilfe wäre. Auch jedes kranke und mutterlose Tier, das in mein Spital gebracht wird, findet hier Aufnahme und Pflege. Das Spital soll allem Leben, das in Not ist, helfen, und damit soll es zugleich ein Beispiel sein für alle Menschen, wie sie – da, wo das Leben sie hingestellt hat – den Gedanken der „Ehrfurcht vor dem Leben“ befolgen können und sollen. Aus einer Broschüre der Albert-Schweitzer-Stiftung 138 Schöpfung – Gerechtigkeit – Frieden Aufgaben • Was können Jugendliche heute tun, um den Gedanken der Ehrfurcht vor dem Leben zu verbreiten? • Was können die Lehrer tun? Zum Thema „Atomspaltung“ Die erste Atombombenexplosion mit ihren verheerenden Folgen veranlasst Albert Schweitzer, sich noch als fast Achtzigjähriger in die Atomwissenschaft zu vertiefen. In einem Briefwechsel mit Albert Einstein bittet er diesen, ihm die Grundlagen der Kernphysik zu erklären. Mit Grauen wird ihm klar, dass die Atomforschung die „Apokalypse für die Menschheit“ bedeuten kann. Alle ihm noch verbliebene Kraft und die ganze Autorität seiner Persönlichkeit setzt er ein, um dieser bedrohlichen Entwicklung Einhalt zu gebieten. Sein berühmt gewordener „Appell an die Menschheit“ wurde am 23. April 1957 von 140 Radiostationen in aller Welt übertragen. „Nur Leute, die nie dabei waren, wenn eine Missgeburt ins Dasein trat, nie ihr Wimmern hörten, nie Zeugen des Entsetzens der armen Mutter waren, Leute, die kein Herz haben, vermögen den Wahnsinn der Atomspaltung zu befürworten.“ © Cornelsen Verlag, Berlin • FG Ethik/Religion Albert Schweitzer Aufgaben • Dieses Zitat führt mit drastischen Worten die Gefahr der Atomspaltung vor Augen. Sie war schon damals umstritten. Warum? • Nach der Atom-Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011 ist die kritische Haltung Schweitzers zur Kernspaltung wieder aktuell geworden. Informiert euch im Internet über das Unglück und die Folgen. • Welche konkreten politischen Veränderungen hat die Katastrophe in Deutschland und in anderen Ländern bewirkt? • Entwerft einen Appell an die Menschheit, der die gegenwärtige Entwicklung berücksichtigt. Webcode: FR233366-020
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