Jun.-Prof. Dr. Dr. Milan Kuhli Universität Mannheim Fortgeschrittenenübung im Strafrecht Besprechungsfall 3 (23. September 2015) Teil 1: T pflegt einen rasanten Fahrstil, der ihm allerdings regelmäßig Geldbußen einbringt. Da ihm diese auf Dauer zu teuer werden, sucht T einen Weg, um sich vor den „Wegelagerern“ von Polizei und Ordnungsamt zu schützen. Zunächst beklebt er das vordere Kennzeichen seines Fahrzeugs mit einer spiegelnden Folie, die das Lesen nicht unmittelbar behindert, ein Fotografieren in einer Radarfalle jedoch unmöglich machen soll. Tatsächlich verhindert er hierdurch in einem Fall, in dem er zu schnell fährt, dass sein Kennzeichen auf dem von der Radarfalle gemachten Foto erkennbar ist - stattdessen sieht man dort nur einen weißen Strich. Um jedoch in Zukunft noch unbekümmerter rasen zu können, besorgt sich T zwei andere Kennzeichen von einem Unfallwagen, auf denen die Zulassungssiegel und TÜVSiegel entwertet sind. Er schraubt diese an sein Fahrzeug. Das führt dazu, dass er in einem Fall zwar geblitzt wird, ihm der Bußgeldbescheid jedoch nicht zugestellt werden kann. Teil 2: D ist ein Arbeitskollege des 1975 geborenen T und hatte diesem auf einem Betriebsfest ein Darlehen über 100 € gewährt. Da T das Geld (trotz wiederholter Nachfrage durch D) nicht zurückzahlt, will D nun auf eigene Faust an das Geld gelangen, da er seiner Ansicht nach einen Anspruch auf Geldmünzen und -scheine in Höhe von 100 € hat. D betritt daher an einem Mittwochabend (als T sein Büro kurz verlassen hat und in die Teeküche gegangen ist) das offen stehende Büro des T und öffnet dort die auf dem Tisch liegende Geldbörse des T. Als D gerade zwei darin befindliche 50-Euro-Scheine entnehmen will, sieht er jedoch plötzlich in der Geldbörse ein Dokument, auf dem die Worte „Kennkarte des Deutschen Reiches“ aufgedruckt sind und das mit einem Reichsadler, einem Hakenkreuz, einem „Dienstsiegel“ und einem Passbild des T versehen ist. Diese „Kennkarte“ hatte sich T „zum Spaß“ im Internet bei einer nicht mehr feststellbaren Person bestellt, die sie für T persönlich anfertigte und mit seinen persönlichen Daten (z.B. Geburtsdatum) versehen hat. Als D sich verdutzt die „Kennkarte“ anschaut, hört er plötzlich, wie T zurückkommt. D legt rasch die Kennkarte und das Geld zurück in die Geldbörse und legt alles wieder auf den Tisch. Er sagt zu T, D habe sich im Büro geirrt (und fände es im Übrigen schön, wenn er demnächst sein Geld zurückbekommt) und verlässt daraufhin das Büro. Teil 3: Nach der „erfolgreichen“ Bestellung der „Kennkarte“ beschließt T, sich weitere Dokumente zu beschaffen. Um sich auf einfache Weise einen Doktortitel zuzulegen, kopiert er heimlich das im (offen stehenden) Büro des D aufgehängte Doktorzeugnis des D. Auf dieser Kopie überklebt er den Namen des D mit seinem eigenen (T) und ändert in entsprechender Weise das angegebene Geburtsdatum in „1. März 1973“. Von der auf diese Weise präparierten Kopie fertigt T nochmals eine Kopie. Hiermit begibt er sich zum zuständigen Straßenverkehrsamt, legt die Kopie dort bei der Sachbearbeiterin S mit den Worten vor: „Hier die Kopie meiner Doktorurkunde!“ und beantragt die Anfertigung eines neuen Führerscheins. Dieses Vorgehen hatte er von Anfang an geplant. Gegenüber S gibt er auch das Geburtsdatum an, das er auf dem „Doktorzeugnis“ eingetragen hat und das mit seinem tatsächlichen Geburtsdatum nicht übereinstimmt. D hat das falsche Datum gewählt, um sich in seinem Bekanntenkreis jünger zu machen. S erklärt, dass ihr eine Kopie nicht ausreiche; sie benötige das Original. T geht nach Hause, ohne den neuen Führerschein zu beantragen. Teil 4: Die Rückfahrt vom Straßenverkehrsamt unternimmt T mit der U-Bahn – eine Fahrt, die er möglichst „preisgünstig“ durchführen will. Zu diesem Zweck kauft er eine Fahrkarte, die üblicherweise an einem Stempelautomaten in der Bahn zu entwerten ist. Um die Fahrkarte jedoch in Zukunft nochmals verwenden zu können, beklebt T die Karte vor der Entwertung mit einer Klarsichtfolie, damit er den Stempel nach Fahrtende abwischen kann. T stempelt die derart präparierte Karte ab und fährt los. Nach der Fahrt wischt er den Stempel wieder ab. Fallfrage: Strafbarkeit der Beteiligten nach dem StGB? § 86a, § 132a und § 265a sind nicht zu prüfen.
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