Louise Schroeder Schule | Inklusion, Ganztagsgrundschule

www.louise-schroeder-schule.hamburg.de
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Louise Schroeder
Ein Leben für Demokratie, soziale Gerechtigkeit
und Völkerverständigung
Louise Schroeder Schule
Thedestraße 100 | 22767 Hamburg
Telefon 428 88 69 - 0 | Telefax 428 88 69 - 10
[email protected] | www.louise-schroeder-schule.hamburg.de
1. Auflage 12|09
Titelblatt: Portrait Louise Schroeder, PopArt, Kinderarbeiten aus dritten und vierten Klassen
Abbildung oben: Haupteingang mit der Skulpturengruppe „Schräge Vögel”, Foto von Britta Hüning
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Vorwort
Als unsere Schule - nach ihrem Umzug von der Chemnitzstraße in die Thedestraße - einen neuen Namen suchte, sprachen zwei Dinge dafür, sie nach Louise
Schroeder zu benennen. Nahe lag es, weil Louise Schroeder vor über 100 Jahren,
am 2. April 1887, hier in der Thedestraße geboren wurde. Der viel entscheidendere Grund, warum sich die Schulgemeischaft nach intensiver Diskussion für diesen Namen entschied, ist aber, dass Louise Schroeder sich beispielhaft für Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Völkerverständigung eingesetzt hat. Sie war
eine der bedeutendsten deutschen Politikerinnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ihr Lebenswerk kann uns auch heute Orientierung und Maßstab sein.
Louise Schroeder wurde 1919 von der SPD Altona-Ottensen als eines der jüngsten Mitglieder in die verfassungsgebende Versammlung von Weimar entsandt
und war von 1920 - 1933 Mitglied im Berliner Reichstag. Sie arbeitete früh parteiübergreifend um sozialpolitische Ziele wie die Mutterschutzgesetzgebung durchzusetzen. Aber auch außerhalb des Parlaments standen für Louise Schroeder die
sozialen Probleme der Menschen im Mittelpunkt: Mit der von ihr initiierten „Altonaer Notgemeinschaft” leistete sie in der Hochphase der Inflation aktiv Nachbarschaftshilfe für Arme und Bedürftige. In ihren Reden und Schriften ist immer
der Gedanke der sozialen Gerechtigkeit, der Menschlichkeit und der Völkerverständigung spürbar. Als Mitbegründerin der Arbeiterwohlfahrt, als engagierte
Kämpferin für Frauen- und Kinderrechte und als mutige Demokratin ist Louise
Schroeder auch heute noch vorbildlich. Ihr Lebensweg zeigt, dass es gelingen
kann
• aus Armut, Not und Abhängigkeit herauzuwachsen
• ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen und sich
gleichzeitig
• auch unter schwierigen Umständen politisch dafür einzusetzen,
dass dies für immer mehr Menschen, für immer mehr Frauen,
Männer und Kinder möglich wird.
Michael Rieger, Schulleiter
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So sah es noch bis Ende des 19. Jahrhunderts im Stadtviertel an der Grenze zu Hamburg aus. Blick von
Hamburg durch die Paul-Roosen-Straße, vorbei am Grenzpfahl, nach Altona. Damals hieß die Straße noch
Große Roosenstraße. (um 1870; Abbildung: Schulmuseum Hamburg)
Wer war Louise Schroeder?
Louise Schroeder wurde Ende des 19. Jahrhunderts in der „Bürgerstraße Nr. 11, im Hinterhaus“ als Tochter einfacher Leute geboren. Bürgerstraße, das ist der alte Name der
Thedestraße. Die Straße wurde 1951 umbenannt, das Haus steht schon lange nicht mehr.
Im südlichen Abschnitt, nahe der Großen Bergstraße, muss es gewesen sein. Altona war
damals noch eine selbstständige, preußische Großstadt, nach Hamburg wird die
Stadt erst 1937 eingemeindet werden.
Das Altonaer Stadtviertel an der Grenze
zu Hamburg wurde in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts dicht bebaut. Rund
um die Thedestraße lebten Arme, Arbeiter
und Kleinhandwerker in beengten Wohnverhältnissen. Oft teilten sich zehn- und
mehrköpfige Familien eine kleine ZweiSo viele Kinder lebten um 1900 oft in einem Hinterhof (um 1910;
Abbildung: St. Pauli-Archiv)
oder Dreizimmerwohnung. Mehrere Kinder schliefen in einem Bett, die Ärmsten
manchmal auch auf alten Decken oder
Strohsäcken auf dem Fußboden. Viele Familien vermieteten noch ein Zimmer unter oder
teilten sich das Bett mit sogenannten Schlafgängern, alleinstehenden Arbeitern, deren Ar-
beitsschicht zu einer anderen Uhrzeit begann als die der Familienmitglieder.
Wie heute wohnten hier Menschen unterschiedlichster Herkunft und Lebenswelten. Für
viele Zuwanderer vom Lande mit ungewisser Zukunft bot der Stadtteil damals eine erste,
preiswerte Bleibe. Gleichzeitig war er letzte Zuflucht für die, die es nicht „geschafft“ hatten. Ein zwielichtiges Milieu aus Gewalt, Kriminalität, Trunksucht und Prostitution war
entstanden, aber auch eine Nachbarschaft, die sich gegenseitig half und gegen die Obrigkeit zusammenhielt. Später in den 1920er Jahren wird diese Wohngegend bei Teilen der
Polizei und Stadtverwaltung, im Bürgertum, als das berüchtigte „Abruzzenviertel“ verschrieen sein, eine Hochburg der KPD und SPD bei den Wahlen.
Auch Louise Schroeders Eltern waren Zuwanderer vom Land. 1882 kamen sie mit den
drei Kindern aus Dorothea Schroeders erster Ehe in die Großstadt, um hier ein neues
Leben, Arbeit und Auskommen zu suchen.
Tatkräftig und mutig hatten sie bereits einige Schicksalsschläge gemeistert. Dorothea Schroeder hatte ihren ersten Mann
und ihren ältesten Sohn bei Arbeitsunfällen verloren. Karl Schroeder, ein Freund
und Arbeitskollege ihres verstorbenen
Mannes, war ungelernter Bauarbeiter und
aktiver Sozialdemokrat - trotz des 1878 in
Preußen
erlassenen
Sozialistengesetzes,
mit dem Gewerkschafter und Sozialdemokraten noch bis 1890 verfolgt wurden. Dorothea und Karl Schroeder, Louise Schroeders Eltern (undatiert; Foto:
Karl Schroeder fand bald Arbeit auf dem
Privater Familiennachlass)
Bau. Im Winter sägte er auf dem Diebsteich Eis für die Brauereien, um die fünfköpfige
Familie zu ernähren. In der Sozialdemokratie fanden sie Freunde, sozialen Halt und moralische Unterstützung und werden dies schon bald auch selbst weitergeben. Ein erstes
gemeinsames Kind starb ihnen in Altona kurz nach der Geburt. Die Säuglingssterblichkeit war hoch, besonders in den armen Wohnvierteln. Am 2. April 1887 wird Louise
Schroeder in einem Hinterhaus in der Thedestraße geboren. In den nächsten Jahren zog
die Familie mehrfach im Viertel um, immer auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen für sich und die Kinder.
Louise Schroeder war ungefähr fünf Jahre alt, als sie eine Neubauwohnung in Ottensen
mieteten. Das Haus in der Voelckersstraße war ein Mietetagenhaus mit kleinen Wohnungen für Arbeiter, in umittelbarer Nähe von Fabriken. Gegenüber den bisherigen Wohnbedingungen eine deutliche Verbesserung, auch wenn das Geld zunächst nur für eine der
beiden Souterrainwohnungen reichte. Louises Mutter eröffnete in der Wohnung, um
dazu zu verdienen, einen kleinen Gemischtwarenladen. Ladenwohnungen in Kellern und
Souterrains gab es damals in vielen Straßen.
In der zunehmenden Industrialisierung war die Einwohnerzahl Altonas explosionsartig
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angewachsen. 1890 wurde die zweite Stadterweiterung in Angriff genommen, ein neues Wohnviertel zwischen Allee (der heutigen Max-Brauer-Allee) und Altona-KielerBahnlinie gebaut. Im gleichen Jahr wurde
Ottensen eingemeindet. Auch hier entstanden neue Stadtteile; Mischgebiete, in denen
Wohnhäuser und Dreck, Lärm und Gestank
verbreitende Fabriken eng nebeneinander
standen. Die Löhne der Arbeiterinnen und
Arbeiter waren niedrig, die tägliche Arbeitszeit lang. Es gab noch keinen AchtDie Belegschaft der Firma Zeise vor der Fabrikhalle in Ottensen. Die Arbeiter stellen Schiffsschrauben für die großen Werften her (um 1880; Abbildung: Stadtteilarchiv Ottensen)
stundentag, gearbeitet wurde an sechs Tagen die Woche, häufig auch sonntags. Arbeits-, Mutter- und Kündigungsschutz wa-
ren noch nicht erkämpft. Der uns heute selbstverständliche Anspruch auf Leistungen aus
gesetzlich verankerten Sozialversicherungen ebenfalls noch nicht, stattdessen gab es nur
die Armenfürsorge.
In diesen Lebensbedingungen wuchs Louise Schroeder auf. Sie war aufgeweckt und
wissbegierig. Das Lernen fiel ihr leicht, sie ging gerne zur Schule, das Lesen machte ihr
Freude. Die Tageszeitung „Hamburger
Echo“ hat sie schon als Kind verschlungen
- wie sie selbst später berichtete. Zu Hause
wurde, wie in vielen Arbeiterfamilien,
meistens plattdeutsch gesprochen. Mit dem
Hochdeutsch der Schule hatte sie aber keine Schwierigkeiten, auch Fremdsprachen
lernte sie später leicht. Als sie etwas größer
war, nahm ihr Vater sie in die Parteiversammlungen und zu den Erste-Mai-Feiern
mit. Eltern und Geschwister förderten ihre
schulische Laufbahn. Als einziges der Kinder konnte sie die Mittelschule besuchen.
Sie sollte es einmal besser haben und nicht
als Dienstmädchen oder Fabrikarbeiterin
arbeiten müssen. Eine Bürotätigkeit war
das angestrebte Ziel. Nach dem Schulabschluss besuchte Louise Schroeder deshalb
ein Jahr lang die kaufmännische Gewerbeschule für Mädchen in Hamburg.
Dass dieses Mädchen eine der bedeutendsLouise Schroeder als junge Frau (ca. 1910; Foto:
Privater Familiennachlass)
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Die Tageszeitung Hamburger Echo liest Louise Schroeder bereits seit ihrer Kindheit regelmäßig. Louise
Schroeder pendelt als junges Mitglied des Dt. Reichstages regelmäßig zwischen Berlin und Altona (ca.
1922; Foto: Privater Familiennachlass)
ten deutschen Sozialreformerinnen und Politikerinnen werden würde, ahnte damals noch
niemand. Auch wenn die Eltern Schroeder nach Kräften ihre Kinder in ihren Interessen
förderten.
Mit fünfzehn Jahren wurde sie berufstätig. Sie begann als Stenotypistin bei einer Versicherung und arbeitete sich dort bis zur Privatsekretärin hoch.
Es war für sie selbstverständlich, dass sie ihre Talente und durch Bildung erworbenen Fähigkeiten nicht nur für ihren persönlichen Aufstieg, sondern auch im Kampf für die sozialen und demokratischen Rechte aller Menschen einsetzte. 1910 trat sie in die SPD ein,
seit 1915 arbeitete sie im Ortsvorstand der Partei mit.
Erst 1908 war Frauen - zum ersten Mal in der deutschen Geschichte - das Recht gewährt
worden, sich in politischen Parteien zu betätigen. Das parlamentarische Wahlrecht wurde
ihnen weiterhin vorenthalten. Politisches Engagement von Frauen war damals selbst in
Altona und Hamburg, den Hochburgen der Arbeiter- und Frauenbewegung, noch sehr
umstritten. Louise Schroeder brachte den Mut und die notwendige Beharrlichkeit dazu
auf. Und sie war neugierig, vorurteilsfrei, offen für Menschen und Ideen, mitfühlend und
besaß ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl. Weitsicht, klares Denken und unerschrockenes Handeln zeichneten sie außerdem schon als junge Frau aus. - Gute Eigenschaften für
eine Politikerin.
1918 erhielten die Frauen endlich das Wahlrecht. 1919 wurde Louise Schroeder, von ihrem Altonaer SPD-Ortsverband für die Schleswig-Holsteinische Landesliste aufgestellt, in
die deutsche Nationalversammlung gewählt. Dort wurde die demokratische Verfassung
der Weimarer Republik vorbereitet. Anschließend gehörte sie bis 1933 als Abgeordnete
dem Deutschen Reichstag in Berlin an, daneben war sie von 1929 bis 1933 Altonaer
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Stadtverordnete.
Neben Aufklärung und Bildung sah sie Gesetzesreformen als wichtiges Mittel, um Leid
und Not zu lindern. Ein rechtlicher Rahmen musste geschaffen werden, durch den ein
selbstbestimmtes Leben aller Menschen überhaupt erst möglich werden konnte, durch
den soziale Ungerechtigkeit oder durch Arbeitslosigkeit verursachtes Elend verhindert
werden konnte. In beiden Bereichen engagierte sie sich erfolgreich.
Im Reichstag setzte sie sich für sozialpolitische Gesetzesreformen ein, vor allem für die
Gleichberechtigung der Frauen, für den Mutterschutz und und für die Rechte lediger
Mütter und ihrer Kinder, für Kinderschutz und Erwerbslosenversicherung, für Reformen
in der Jugendgerichtsbarkeit und in der Gesundheitspflege. Wie notwendig diese Reformen waren, können wir uns heute kaum noch vorstellen:
Vor Einführung der Mutterschutzgesetzgebung mussten z. B. schwangere erwerbstätige
Frauen bis zur Geburt und sofort danach weiterarbeiten oder sie verloren ihren Arbeitsplatz. Nach den vorherrschenden bürgerlichen Moralvorstellungen brauchten Mütter
nicht erwerbstätig zu sein, da sie ja verheiratet waren und es einen Familienernährer gab.
Die Realität vieler armer Familien, die auf den Verdienst der Frauen angewiesen waren,
sah völlig anders aus. Ihnen blieb nur die zynische Wahl zwischen Risiko für Leib und
Leben von Mutter und Baby oder völliger Verarmung.
Völlig aussichtslos war die Lebenssituation lediger Mütter. Sie wurden unter Fürsorge gestellt und rechtlich entmündigt. Oft wurden ihnen sogar die Kinder weggenommen. Uneheliche Geburten galten damals als Schande, den Begriff Alleinerziehende gab es noch
nicht.
Aufmerksam und mit offenem Blick suchte
Louise Schroeder im Reichstag auch über
Parteigrenzen hinweg nach Verbündeten
für die wichtigen Gesetzesreformen. Das
Parlament beeindruckte sie dabei durch ihre
große Sachkompetenz, die sie durch ihre
praktische Arbeit gewonnen hatte und beständig erweiterte:
Bereits 1919 hatte sie, gemeinsam mit Marie
Juchacz und Helene Simon, die Arbeiter-
Die Preise stiegen 1923 ins Unvorstellbare: Von der Stadt Altona ausgegebener Fünf-Millionen-Mark-Geldschein (Originalgeldschein: Sammlung
Marx)
wohlfahrt mitgegründet. Bis 1922 Mitglied
im Hauptausschuss der Organisation und
von 1925 bis 1933 als Dozentin an der AWO-Wohlfahrtsschule in Berlin tätig, engagierte
sie sich darüberhinaus auch bis 1922 im Vorstand des Altonaer AWO-Ortsverbandes, anschließend bis 1933 als Vorsitzende des AWO-Landesverbandes Schleswig-Holstein. Und
in den Jahren 1923 bis 1925 leitete sie die von ihr mitbegründete „Altonaer Notgemeinschaft“ und das Altonaer Pflegeamt.
Während sie sich in der AWO und im Altonaer Pflegeamt aktiv um die Einführung eines
neuen Begriffes von Fürsorge - staatliche Bevormundung und Maßregelung sollte durch
eine fachlich begründete, beratende, unterstützende und fördernde Sozialarbeit ersetzt
werden - verdient machte, organisierte sie in der „Altonaer Notgemeinschaft“ karitative
Hilfsmaßnahmen zur Linderung der größten durch die Inflation verursachten Not. In der
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Notgemeinschaft hatten sich die meisten staatlichen, konfessionellen und privaten Wohlfahrtseinrichtungen Altonas zusammen geschlossen, um ihre Hilfsmaßnahmen zu bündeln. Durch öffentliche Aufrufe und Benefizveranstaltungen wurden Geldspenden, Schuhe, Kleidungsstücke und Lebensmittelspenden gesammelt und an Hilfsbedürftige verteilt, um die größte Not zu lindern. Vor allem die Altonaer Kinder profitierten davon.
Täglich wurden in Kinderspeisungen, dezentral auf ganz Altona verteilt, in den Wintermonaten 1.400 Essen ausgegeben.
Louise Schroeder verknüpfte bis 1933 politische Gesetzgebungsarbeit im Berliner Reichstag eng mit dem praktischem Einsatz gegen wirtschaftliche und soziale Not der
Menschen in ihrer Heimatstadt. Dies entsprach ihrem Politikverständnis, in ihren
Augen waren dies zwei Seiten der gleichen
Medaille, die zusammen gehörten. Hierdurch verlor sie nie die Bodenhaftung, wie
wir heute sagen würden. Großen Mut bewies Louise Schroeder nicht nur in ihrer
sozialpolitischen Arbeit, sondern auch in
einem anderen Themengebiet, für das sie
sich ein Leben lang einsetzte. Zu ihren großen Verdiensten gehört ihr kontinuierli-
Louise Schroeder, 2. von links, und ihre Mutter im Garten in Altona - Rechts
cher Einsatz für Frieden und Völker- und links im Bild: die Schwester und Nichte, mit denen sie besonders engen
Kontakt pflegt (ca. 1930/31; Foto: Privater Familiennachlass)
verständigung.
Während des Ersten Weltkrieges, als politische Anfängerin, soll sie sich in ihrem Ortsverband, in Opposition zur Mehrheit ihrer Parteigenossen, zum ersten Mal entschieden gegen den Krieg und für Frieden ausgesprochen haben. Bereits 1918, Deutschland hatte den
Krieg gerade erst verloren, rief sie mutig öffentlich zu Versöhnung und Völkerverständigung auf. Neben der internationalen Zusammenarbeit der Parlamentarier, an der sie in
den 1920iger Jahren mitwirkte, gehörte hierzu auch, dass sie früh die Gefahren des heraufziehenden Nationalsozialismus für Frieden und Demokratie erkannte. Bis zuletzt, im
Wahlkampf für die Altonaer Stadtverordnetenwahl, versuchte sie die Menschen ihrer
Heimat öffentlich auf die große Gefahr hinzuweisen und aufzurütteln. Und am 23. März
1933 sorgte Louise Schroeder mit ihrem mutigen Eingreifen in der SPD-Fraktion dafür,
dass sie selbst und die 93 verbliebenen sozialdemokratischen Abgeordneten in namentlicher Abstimmung, bedroht von SA und SS, in der Reichstagssitzung in der Berliner Krolloper gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz stimmten.
1933 nahmen ihr die Nationalsozialisten alle Ämter und jeden Anspruch auf Erwerbslosenunterstützung. Die demokratischen Parteien wurden verboten, Verbände gleichgeschaltet, die Arbeiterwohlfahrt aufgelöst. Unter Polizeiaufsicht gestellt und bespitzelt,
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versuchte sie sich zunächst mit einem angemieteten Brotladen in Hamburg-Hamm
durchzuschlagen. Beharrlich verweigerte sie dabei den „Deutschen Gruß“ und das Hissen der Hakenkreuzfahne an Festtagen. Das kleine Geschäft lief schlecht, die neuen
Machthaber boykottierten es. Immer weniger Menschen wagten dort einzukaufen. 1938
fand sie eine Anstellung als Schreibkraft in einer Baufirma in Berlin. Als der Firmenchef
von ihrer politischen Vergangenheit erfuhr, hielt er zu ihr und übertrug ihr die soziale Betreuung der Beschäftigten.
1945, nach dem Ende des Krieges und der Naziherrschaft, half sie sofort mit beim demokratischen Wiederaufbau Deutschlands und übernahm politische Verantwortung, obwohl sie gesundheitlich schwer angeschlagen war.
Die Liste ihrer Tätigkeiten aus den letzten zwölf Lebensjahren ist beeindruckend: 1947/48 steuerte sie als Amtierende Oberbürgermeisterin von Berlin die Geschicke der
Stadt während der schwierigen Zeit der Blockade durch
die sowjetische Besatzungsmacht. Sie wurde zur „Mutter
Berlins“. Von 1949 bis zu ihrem Tod war sie Mitglied des
Deutschen Bundestages und gestaltete noch einmal die
deutsche Gesetzgebung mit. Daneben übernahm sie führende Ämter in der Arbeiterwohlfahrt, im Deutschen Roten Kreuz, im Deutschen Städtetag und im Bundesvorstand ihrer Partei, der SPD. Seit 1950 gehörte sie außerdem der beratenden Versammlung des Europarates
an. Im gleichen Jahr wurde sie zur Vizepräsidentin der
Union deutscher und französischer Bürgermeister gewählt. Wieder engagierte sie sich für Frieden, Versöh-
Louise Schroeder als alte, aktive Politikerin (Anfang der 50er nung und Völkerverständigung.
Jahre; Foto: Privater Familiennachlass)
Louise Schroeder war 1950 die bekannteste und belieb-
teste deutsche Politikerin. In ihren letzten Lebensjahren erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, im Ausland genoss sie hohes Ansehen und großen Respekt. Am 04.06.1957, nur
wenige Wochen nach ihrem 70. Geburtstag, starb sie in Berlin. Die Stadt verabschiedete
sich mit einem Staatsakt von der Verstorbenen. Anschließend wurde ihre Urne feierlich
nach Hamburg überführt. Sie hatte sich gewünscht, in ihrer alten Heimatstadt neben ihren Eltern begraben zu werden. Auf dem Altonaer Friedhof Am Holstenkamp fand sie
ihre letzte Ruhestätte.
Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Völkerverständigung - Themen, die bis heute
aktuell sind.
Lebendige Demokratie braucht das Beispiel, das Vorbild.
Louise Schroeders große Lebensleistung, aus einfachen Verhältnissen stammend,
die eigene Herkunft nie verleugnend, ist für uns Ansporn und Verpflichtung zugleich.
(Text: Helga Magdalena Thienel)
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Louise Schroeder verlor 1933 ihre berufliche Existenz und stand unter Polizeiaufsicht. In Hamburg-Hamm
eröffnete sie einen kleinen Brotladen, der aber von den Nationalsozialisten boykottiert wurde. Louise
Schroeder musste ihn aufgeben und fand in Berlin eine neue Lebensgrundlage in einer Baufirma. Ihr Chef,
der von ihrer früherin politischen Tätigkeit wußte, vertraute ihr die Sozialarbeit des Betriebes an.
Louise Schroeder mit Nancy Adam, der Frauensprecherin der britischen Transportarbeitergewerkschaft,
im Transport-House in London
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Louise Schroeder tauft das nach ihr benannte Schiff des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB)
Zitate
Vor meinen Augen erscheint das gütige Gesicht Louise Schroeders, aus deren
Mund ich keine intellektuell zugespitzte möglicherweise verletzende Formulierung vernommen habe, eine sanfte Frau der leisen warmen Töne, die in scheinbarem Gegensatz dazu ihren Standpunkt mit einer unbeirrbaren Festigkeit und
Härte vertrat.
Egon Bahr, Bundesminister von 1972 - 1974, prägte die Ostpolitik von Bundskanzler Willy Brandt
Es war schwierig die Stärke in dieser ruhigen, mütterlich wirkenden Frau wahrzunehmen.
Lucius D. Clay, Militärgouverneur der US-amerikanischen Besatzungszone (1947 - 1949), gilt als Initiator der Berliner Luftbrücke
Louise Schroeder kommt von der Politik, in der es allezeit um Realitäten ging. Gebürtig in Altona, Tochter
eines Bauarbeiters (sie besuchte die Mittelschule und
war in jungen Jahren als kaufmännische Angestellte
tätig), hat sie in den Arbeitervierteln Altonas ihren
ausgeprägten, hochentwickelten Sozialsinn empfangen.
Walter Henkels (aus: Zeitgenossen. Fünfzig Bonner Köpfe, Hamburg 1953)
Na – wenn dat man wat ward!
Eine ältere Gesinnungsgenossin auf Louise Schroeders erster öffentlicher Altonaer Versammlung 1918 anlässlich der Ankündigung, die junge Louise werde sprechen.
Louise Schroeder lehnte es in den Nazijahren strikt ab, den sogeannten Ariernachweis zu erbringen, nicht deshalb, weil sie überzeugt war, dass sie keine jüdischen Vorfahren hatte, sondern weil sie in dieser Forderung eine Ächtung der Juden im allgemeinen und ihrer jüdischen Freunde im besonderen sah. Um so
mehr ist sie überzeugt, dass ihr Leben, so wie es geworden ist, nicht nur dem
Schicksal, noch weniger ihrem eigenen Werk, sondern besonders Ihrer Abstammung mit zu verdanken ist.
Paul Löbe, Reichstagspräsident von 1920 - 1924 und von 1925 - 1932
Louise Schroeder ist Ende der Vierziger, Anfang der Fünfziger Jahre, die bekannteste Frau Deutschlands. Als sie im September 1950 an einer Sitzung des Straßburger Europarates teilnimmt und Winston Churchill für die westdeutsche Delegation ein Frühstück gibt, sagt er zu dem Delegationschef Plünder:
Die Auswahl der Einzuladenden überlasse ich Ihnen – unter
einer Bedingung: Frau Schroeder muss meine Tischnachbarin
sein.
Eine bewundernswerte großartige Frau, die zu allem noch in
einer Verbindung lebte, die von der bürgerlichen Gesellschaft
sehr abschätzig »unschicklich« genannt wurde. Sie lebte diese
Gemeinschaft mit Paul Löbe, ohne zu provozieren. Kein Medium und kein Gegner hat diesen Umstand benutzt oder auch
nur darauf angespielt. Es war in vielerlei Hinsicht eben eine andere Zeit.
Egon Bahr, Bundesminister von 1972 - 1974, prägte die Ostpolitik von Bundskanzler Willy Brandt
Das soziale Gewissen. Die Arbeit auf dem Sozialgebiet gab ihrem Leben Sinn
und Inhalt.
Max Brauer, Oberbürgermeister Altonas (1924 - 1933) und Hamburger Bürgermeister (1946 - 1953)
Lebendige Demokratie braucht das Beispiel, das lebendige Vorbild. Louise
Schroeders Lebensweg und Lebenswerk kann auch heute Orientierung und Maßstab sein.
Prof. Franklin Kopitzsch, Leiter der Arbeitsstellle für Hamburgische Geschichte am Historischen Seminar
der Uni Hamburg
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Unser Schulgebäude in der Thedestraße 100
Aus dem Beschluss der Schulkonferenz vom 3. Juli 2008
Louise Schroeder als Namensgeberin erscheint uns für unsere Schule besonders passend
und geeignet, weil sie zweifellos als Vorbild für unsere Schülerinnen und Schüler dienen
kann. Sie gibt dem Schulprofil ein Gesicht, das von einer vorbildhaften Persönlichkeit
zeugt.
Gerade in unserem pädagogischen Alltag bieten sich viele Möglichkeiten, es Louise
Schroeder nachzutun und das Wirken dieser Persönlichkeit an die Kinder zu vermitteln:
• Louise Schroeder setzte sich stets mutig und tapfer für Freiheit und Recht,
Menschlichkeit und Solidarität ein.
• Louise Schroeder widmete sich unermüdlich der eigenen Weiterbildung.
• Louise Schroeder setzte sich für die Gleichberechtigung und Emanzipation der
Frauen als einem unverzichtbaren Bestandteil einer gerechten Gesellschaftsordnung ein.
• Louise Schroeder war immer bereit Verantwortung zu übernehmen.
• Louise Schroeder setzte sich mit ihrer tatkräftigen Art für die Völkerverständigung ein.
• Louise Schroeder war frei von unangebrachtem Ehrgeiz und stellte persönliche
Ansprüche stets hinter die Sache.
• Louise Schröder arbeitete früh parteiübergreifend, zum Beispiel für die Altonaer
Notgemeinschaft während der Inflationszeit in den zwanziger Jahren, und ist
Mitbegründerin der Arbeiterwohlfahrt (AWO).
• Das Wohlergehen und der Schutz von (ledigen) Müttern und ihren Kindern standen Zeit ihres Lebens im Mittelpunkt ihres politischen Handelns.
• Louise Schröder ist trotz ihrer Verbundenheit zu Altona und ihrer bemerkenswerten Leistungen, die zweifellos als Vorbild dienen können, nicht ausreichend in
Hamburg gewürdigt. Welcher Ort ist dafür passender als der Geburtsort – die
Thedestraße?
Das neue Gebäude der Louise Schroeder Schule vom Schulhof aus gesehen.
In der Mensa der Ganztagsschule wird mittags gemeinsam gegessen.
Fotos: Britta Hüning
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