LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN 6. Wahlperiode Drucksache 6/5063 13.01.2016 GESETZENTWURF der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahlen im Land Mecklenburg-Vorpommern A. Problem Die Beteiligung an den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern nimmt seit Jahren stark ab. 1998 lag die Wahlbeteiligung bei 79,4 Prozent, 2002 bei 70,9 Prozent, 2006 bei 59,1 Prozent und 2011 schließlich bei 51,5 Prozent. Die unterdurchschnittliche Wahlbeteiligung der Erstwähler wirkt sich dabei negativ auf die langfristige Entwicklung der Wahlbeteiligung aus: Ist die Einstiegswahlbeteiligung niedrig, bleibt auch die Wahlbeteiligung im weiteren Leben niedrig. Umso mehr wird dadurch die Gesamtwahlbeteiligung nach unten gezogen. B. Lösung Eine Steigerung der Erstwählerbeteiligung kann durch eine Herabsetzung des Wahlalters erreicht werden. Gelingt es, durch frühes Wählen die Erstwählerbeteiligung zu erhöhen, wirkt sich dies positiv auf die Höhe der Gesamtwahlbeteiligung aus. Das belegen die Ergebnisse der Bertelsmann-Studie „Wählen ab 16“, die Ende vergangenen Jahres in Gütersloh vorgestellt wurde. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht daher die Herabsetzung der Altersgrenze für das aktive Wahlrecht bei Landtagswahlen vom vollendeten 18. auf das vollendete 16. Lebensjahr vor. Drucksache 6/5063 C. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Alternativen Keine. D. Kosten Da sich die Zahl der Wahlberechtigten durch die Einbeziehung der 16- und 17-jährigen um ca. 24.000 erhöht, entstehen dem Land zusätzliche Kosten, unter anderem für Wahlbenachrichtigungen, Briefwahlunterlagen und Stimmzettel. 2 Drucksache 6/5063 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode ENTWURF eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahlen im Land Mecklenburg-Vorpommern Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Das Gesetz über die Wahlen im Land Mecklenburg-Vorpommern vom 16. Dezember 2010 (GVOBl. M-V 2010, S. 690) wird wie folgt geändert: In § 4 Absatz 1 Nr. 1 wird die Angabe „18. Lebensjahr“ durch die Angabe „16. Lebensjahr“ ersetzt. Artikel 2 Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Jürgen Suhr und Fraktion 3 Drucksache 6/5063 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Begründung: Allgemeines Die Beteiligung an den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern nimmt seit Jahren stark ab. 1998 lag die Wahlbeteiligung bei 79,4 Prozent, 2002 bei 70,9 Prozent, 2006 bei 59,1 Prozent und 2011 schließlich bei 51,5 Prozent. Die unterdurchschnittliche Wahlbeteiligung der Erstwähler wirkt sich dabei negativ auf die langfristige Entwicklung der Wahlbeteiligung aus: Ist die Einstiegswahlbeteiligung niedrig, bleibt auch die Wahlbeteiligung im weiteren Leben niedrig. Umso mehr wird dadurch die Gesamtwahlbeteiligung nach unten gezogen. Auch bei einer konstanten Erstwahlbeteiligung künftiger Alterskohorten und einer wie bisher ansteigenden Wahlbeteiligung mit zunehmendem Alter wird die Wahlbeteiligung in Deutschland insgesamt weiter abnehmen. Das zeigt die in der Bertelsmann-Studie „Wählen ab 16“ vorgelegte langfristige Prognose der Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen in Deutschland. Die Studie zeigt auch, wie diesem Effekt begegnet werden kann. Durch eine Herabsetzung des Wahlalters kann eine Steigerung der Erstwählerbeteiligung erreicht werden. Gelingt es, durch frühes Wählen die Erstwählerbeteiligung zu erhöhen, wirkt sich dies positiv auf die Höhe der Gesamtwahlbeteiligung aus. Dass und wie eine Steigerung der Erstwählerbeteiligung durch eine Herabsetzung des Wahlalters erreicht werden kann, belegen die Erfahrungen aus Österreich und den drei deutschen Bundesländern Brandenburg, Bremen und Hamburg. Wahlen und Wahlteilnahme erzeugen politisches Interesse und stabilisieren die eigene Wahlwahrscheinlichkeit in der Zukunft. Gezeigt hat sich dies zum Beispiel in Österreich nach der Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre im Jahr 2007. Interessierten sich dort vor der Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre lediglich 8,1 Prozent aller 16- bis 17-Jährigen „sehr“ für Politik, stieg dieser Anteil nach Einführung des „Wählen ab 16“ auf 21,8 Prozent. Gleichzeitig verringerte sich der Anteil der „gar nicht“ Interessierten von 14 auf nur noch 6,6 Prozent aller 16- bis 17-Jährigen. In Österreich, Brandenburg, Bremen und Hamburg sind die 16- und 17-Jährigen durch begleitende Maßnahmen auf ihre ersten Wahlen vorbereitet worden. In den drei deutschen Bundesländern haben sich insbesondere die in den Schulalltag integrierten und didaktisch begleiteten Juniorwahlen als geeignete Begleitmaßnahme für eine Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre herausgestellt. Darüber hinaus gab es zahlreiche Projekte, Kampagnen und Aktionen, initiiert von unterschiedlichen Trägern wie Parlamenten, Regierungen, Schulen, Vereinen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Neben Informationsaktionen fanden in Hamburg an vielen Schulen Podiumsdiskussionen mit jungen Politikern statt. Die Bundeszentrale für politische Bildung und der Landesjugendring boten an Schulen und Jugendzentren die Teilnahme an einem analogen Wahl-O-Mat an. 4 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5063 In Bremen gab es ebenfalls Podiumsdiskussionen mit jungen Politikern, aber auch eine Wahlwette, bei der Schüler gegen junge Bürgerschaftsabgeordnete antraten. Zudem wurden Schüler ab 16 Jahren dazu aufgefordert, sich als Wahlhelfer zu melden - mit großem Erfolg: 2011 waren am Wahlsonntag die Wahlvorstände in den Bremer Wahllokalen zu 25 Prozent mit Schülern besetzt. In Brandenburg fand eine „Wahlwecker-Tour“ statt. Vor der Wahl tourten sieben Jugendliche 16 Tage lang durch alle brandenburgischen Landkreise und kreisfreien Städte. Unterstützt von 38 Kooperationspartnern wie Kirchen und Verbänden wurden unterschiedliche Aktionen wie Unterricht an Schulen oder Wahlwetten durchgeführt. Parallel dazu fuhr ein mobiles Filmstudio durch Brandenburg, in dem Schüler Videoclips und Interviews zum Thema Wahlen drehen konnten. Um Jugendliche über die Landtagswahlen zu informieren und sie bei ihrer Wahlentscheidung zu unterstützen, wurden im Internet kurze, animierte Erklärvideos angeboten. Die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung brachte zudem eine Broschüre mit Antworten auf „66 1⁄2 Fragen zur Landtagswahl“ heraus. „Wählen ab 16“ ist kein Selbstläufer, sondern bedarf einer aktiven Begleitung in den Schulen, den Medien und im sozialen Umfeld der Erstwähler. Die Landesregierung ist daher dazu aufgefordert, die Herabsetzung des Wahlalters durch entsprechende Begleitmaßnahmen zu flankieren. Zu den einzelnen Vorschriften Zu Artikel 1 Die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht bei Landtagswahlen wird vom vollendeten 18. auf das vollendete 16. Lebensjahr herabgesetzt. Die Altersgrenze für das passive Wahlrecht bei Landtagswahlen nach § 6 Absatz 1 bleibt unverändert. Zu Artikel 2 Die Änderungen sollen zum schnellstmöglichen Zeitpunkt in Kraft treten. 5
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