Weiterlesen

Interview mit Verena Voß, Leitung Ev. Kindergarten Lichtenhof, Nürnberg
(Frankfurt / Nürnberg, 17.07.2015)
frühstart: Warum haben Sie sich bei frühstart beworben?
Verena Voß: Ich habe 2014 die Leitung in der Kita-Lichtenhof übernommen und das Team,
war gerade ein halbes Jahr zusammen. Natürlich war das erstmal eine große
Herausforderung. Wir sind 17 Fachkräfte, die bis dahin recht unterschiedliche Ansätze der
pädagogischen Arbeit hatten. Außerdem haben wir auch eine vielfältige Elternschaft mit
vielen unterschiedlichen Familienkonstellationen und Herkunftsländern.
frühstart: Was ist denn so besonders im Vergleich zu anderen Programmen?
Verena Voß: In der Regel schicke ich einzelne Mitarbeiter auf verschiedene Fortbildungen
und oft verpufft die Wirkung ziemlich schnell. Das Thema wird nur angerissen und hinterher
ist man mit seinen Herausforderungen wieder alleine. Bei frühstart profitiert das ganze Team
und jeder kann dazu beitragen, das Thema in der Einrichtung neu zu gestalten. Der lange
Zeitraum von zwei Jahren gibt endlich mal den Raum, sich intensiver mit den Inhalten zu
beschäftigen. Um dauerhaft etwas zu verändern, braucht es eben Zeit, sonst geht alles im
Alltagsstress wieder unter.
frühstart: Welchen Beitrag leisten die Praxisberatungen dabei?1
Verena Voß: Die Praxisberatungen sind enorm wichtig. Man erarbeitet
bei den
Fortbildungen neue Wege für die pädagogische Arbeit, kann sie in der Praxis ausprobieren
und wird dabei nicht allein gelassen. Die Team-Trainerin beobachtet die Situation im KitaAlltag, überlegt anschließend gemeinsam mit den Fachkräften, was schon geklappt hat und
was man noch verändern könnte. Diese Kombination aus Fortbildungen und
Praxisberatungen habe ich vorher noch bei keinem Weiterbildungsprogramm erlebt. Für
mich ist das der Schlüssel für dauerhafte Veränderungen im Alltag.
frühstart: Können Sie ein Beispiel für diese Veränderungen nennen?
Verena Voß: Bei der Fortbildung zum Thema „Vielfalt“ haben die Fachkräfte erkannt, wie oft
sie den Kindern unbewusst ihre eigenen Werte und Lebenskonzepte überstülpen. Es wurde
ihnen klar, dass Kinder, geprägt durch ihre Herkunftsländer, manchmal ganz andere
Aktivitäten als lehrreich und erfüllend empfinden. Die anschließende Praxisberatung zeigte
dann, wie sehr sich die Mitarbeiter verpflichtet fühlen, immer mehr Angebote für die Kinder
zu schaffen. Uns ist aber bewusst geworden, dass manche Kinder neben
Bildungsangeboten, mehr Raum und Zeit für Freispiel brauchen. Diese Kinder sind dann
1 Im Rahmen der Praxisberatungen besucht der Team-Trainer einzelne Team-Mitglieder bei der
täglichen Arbeit und gibt unterstützende Rückmeldung dazu.
1
völlig mit sich im Einklang und lernen dadurch viel Neues. Bei den Fachkräften hat diese
Erkenntnis spürbar Druck rausgenommen – und auch bei den Kindern.
frühstart: Hatten die Fachkräfte Bedenken, sich bei ihrer täglichen Arbeit „über die
Schulter schauen“ zu lassen?
Verena Voß: Der ein oder andere fühlte sich schon erstmal unwohl bei dem Gedanken.
Durch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit unserer frühstart-Trainerin, hat sich aber ein
Vertrauensverhältnis aufgebaut. Sie nimmt die täglichen Anforderungen und Probleme der
Mitarbeiter ernst. Diese Wertschätzung ist sehr wichtig für das Team und baut mögliche
Vorbehalte ab. Von einer Vertrauensperson nimmt man eher Rat an und öffnet sich mehr für
Veränderungen, als bei einem Referenten, der nur eine einzelne Fortbildung durchgeführt
hat.
frühstart: Wie bewerten Sie das Konzept der Themenpaten?2
Verena Voß: Das ist auf jeden Fall ein großer Mehrwert für uns. So fühlt sich jemand für das
Thema verantwortlich und es gerät nicht sofort wieder in Vergessenheit. Die Kollegen
bringen unseren Themenpaten eine eine Wertschätzung entgegen, weil sie ihnen vertrauen,
das jeweilige Thema in der Kita voranzubringen. Die Themenpaten-Fortbildungen
unterstützen dabei sehr, denn dort lernen die Teilnehmer auch, wie man die “Flamme am
Köcheln hält” und die Thematik ins Team bringt.
frühstart: Sie haben als Leitung eine Sonderrolle. Konnten Sie schon von den
Austauschtreffen und Fortbildungen der frühstart-Leitungen profitieren?
Verena Voß: Wir haben hier in Nürnberg eigentlich relativ wenig trägerübergreifende
Leitungsveranstaltungen. frühstart ermöglicht uns, nicht nur die Kollegen anderer Kita-Träger
zu treffen, sondern auch an den gleichen Themen intensiv zu arbeiten. Dadurch lernt man
sich viel besser kennen und tauscht sich offener über Probleme aus. Natürlich tausche ich
mich auch intensiv mit meinem Team aus, aber man ist eben immer die Vorgesetzte. Durch
die Veranstaltungen für die frühstart-Leitungen bekomme ich viele neue Anregungen für die
Alltagspraxis und blicke über den Tellerrand hinaus.
frühstart: Welche Aufgaben werden die ehrenamtlichen Brückenbauer 3 in der
Einrichtung übernehmen?
Verena Voß: Die Aufgaben sind ganz unterschiedlich. Eine Brückenbauerin hilft bei der
Vorbereitung des Elternfrühstücks, eine andere ist inzwischen eine wichtige
Ansprechpartnerin für viele Eltern, wenn sie Fragen oder Probleme haben. Sie erklärt ihnen
2 Einzelne Fachkräfte des Kita-Teams, die vertiefende Fortbildungen zu den frühstart-Themen
besuchen, um so als Themenpate ihr erweitertes Wissen ins Team zu bringen.
3 Die Brückenbauer arbeiten ehrenamtlich und unterstützen die Zusammenarbeit zwischen Eltern und
Erziehern in den einzelnen Einrichtungen.
2
zum Beispiel den Sinn und Ablauf eines Elterngesprächs. Gerade unsichere Eltern fühlen
sich bei ihr gut aufgehoben, da sie direkt aus der Elternperspektive berichten kann. Davon
profitieren wir natürlich auch als Fachkräfte, denn die Hemmschwellen mancher Eltern uns
anzusprechen, sind nach dem Kontakt mit der Brückenbauerin deutlich niedriger. Und das
funktioniert auch trotz der unterschiedlichen Sprachen unserer Familien. Irgendwie können
sich unsere Brückenbauerinnen verständlich machen oder sie bitten andere Eltern, zu
übersetzen. Das klappt erstaunlich gut.
frühstart: Welchen Beitrag erhoffen Sie sich von den Bildungs-Bausteinen 4 in diesem
Zusammenhang?
Verena Voß: Unsere Eltern sind schon interessiert, zu erfahren, wie sie ihr Kind beim Lernen
unterstützen können. Bei vielen ist aber die Hürde zu hoch, solche Veranstaltungen
außerhalb der Kita zu besuchen. Das Format der Bildungs-Bausteine finde ich ideal, es sind
Themen direkt aus dem Familienalltag, es kostet die Eltern nichts, die Kinder sind betreut
und sie finden dort statt, wo die Eltern sowieso jeden Tag hingehen. Während der einzelnen
Bildungs-Bausteinen laden wir die Teilnehmer noch zu Kaffee und Kuchen ein, um eine
angenehme Atmosphäre zu schaffen. Außerdem stellt sich unsere Referentin auf mehreren
Elternveranstaltungen vor, damit die Eltern auch ein “Gesicht” mit den Bildungs-Bausteinen
verbinden können. Das ist doch viel einladender als wenn man nur einen Zettel aushängt.
frühstart: Geben Sie uns einen Ausblick. Welche Veränderungen versprechen Sie
sich für Ihre Einrichtung nach zwei Jahren frühstart?
Verena Voß: Wichtig wäre mir die Erkenntnis des Teams,
dass die Arbeit an neuen
Prozessen keine Belastung bedeutet, sondern letzten Endes zu einer Entlastung der
Mitarbeiter führt. Die Arbeit am Kind wird sich immer wieder verändern müssen. Ich bin aber
sicher, dass sich die Mitarbeiter nach Ablauf des Programms bewusst machen, wie sehr
jeder Einzelne, aber auch die gesamte Einrichtung von frühstart profitiert hat. Dadurch
werden sie motiviert sein, die Themen weiter voranzutreiben und den neuen
Herausforderungen anzupassen.
frühstart: Frau Voß, herzlichen Dank für das Gespräch!
4 Dieses Angebot für die Eltern findet in den Räumen der einzelnen Kitas statt. In 14 Treffen à 2
Stunden erhalten die Eltern durch einen Referenten Informationen über das kindliche Lernen.
3