Issue 2 – September 2015 Point of View Retail & Consumer Products Die Magie der Megacities Urbanisierung zwingt Unternehmen zur strategischen Umorientierung Liebe Leserinnen, liebe Leser, mehr als die Hälfte der Menschheit lebt inzwischen in Städten. Hier konzentriert sich der Wohlstand der Nationen, hier entstehen Ideen und Start-ups, Trends und Lebensstile. Gerade für die Konsumgüterwirtschaft entscheiden sich künftige Erfolge in den Metropolen. Lesen Sie in der zweiten Ausgabe unserer neuen Veröffentlichungsreihe Point of View, wie die Urbanisierung in eine neue Phase tritt, Konsum und Wirtschaft immer stärker prägt und welche Cities für Ihr Unternehmen wichtig sind. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre! Ihr Thomas Harms Retail & Consumer Products Sector Leader Germany Switzerland Austria, EY Im Urban Millennium In den Metropolen kulminieren Kapital, Konsum und Kreativität. Von hier gehen globale Impulse aus, ob Carsharing, Diversity oder die bequeme Leichtigkeit der To-go-Kultur. Jedes Unternehmen muss für sich eine eigene City-Strategie entwickeln. Wer vom Kopenhagener Flughafen in die City fährt, kommt an alten Industriebrachen vorbei, die sich in moderne Wohngebiete verwandeln. Der Bedarf ist groß, in Dänemarks Hauptstadt soll die Zahl der Einwohner in den nächsten fünf Jahren um zehn Prozent steigen. Kopenhagen hat die längste Fußgängerzone („Strøget“) und das größte Kaufhaus („Magasin“) in ganz Skandinavien. Mehr denn je konzentrieren sich Konsumenten und Kaufkraft in der Kapitale, während ländliche Regionen wie Lolland und Bornholm verlieren. Auch in Deutschland boomen die Ballungsräume, ob Berlin, München oder das Rhein-Main-Gebiet. Ähnliches ist in den USA, Großbritannien und Japan zu beobachten. Den stärksten Wandel verzeichnen jedoch die Schwellenländer: Shanghai und das Perlflussdelta, Delhi und Mumbai, Lagos und Luanda stellen in puncto Wachstum alles in den Schatten, was die Welt bisher erlebt hat. Die indische Hauptstadt zum Beispiel soll in den nächsten 15 Jahren um weitere 11 Millionen auf dann 36 Millionen Einwohner expandieren, heißt es im Weltbevölkerungsbericht der UNO, und wäre dann Tokio, mit 38 Millionen Einwohnern die größte Stadt der Welt, dicht auf den Fersen. Neu ist die Urbanisierung nicht. Seit über 150 Jahren gibt es sie. Und dennoch erreicht der Drang in die Städte eine neue Dimension, quantitativ und qualitativ. Zum ersten Mal leben mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land. Heute sind es 4 Milliarden, 1950 waren es erst 746 Millionen, und 2050 sollen 6,4 Milliarden in Städten leben. Mehr denn je kumulieren in den Metropolen Kapital, Konsum und Kreativität der Nationen. Auf die 600 größten Agglomerationen entfallen mittlerweile 60 Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes. Die UNO spricht vom „Urban Millenium“, in dem wir leben. Für Unternehmen, insbesondere in den Bereichen Handel und Konsumgüter, bedeutet diese neue Form der Urbanisierung: It’s all about the city, not the country! Statt Land um Land zu erobern und jeweils nach Schema F vorzugehen, hängt der Erfolg von Global Playern künftig davon ab, ob sie in den führenden Städten reüssieren, die im Zuge der neuen Urba- Das Bevölkerungswachstum im urbanen Raum 1990–2030 6.000 Bevölkerung in Mio. 5.000 Megacities: 10 Mio. und mehr Einwohner Großstädte mit 5 bis 10 Mio. Einwohnern 4.000 Mittelgroße Städte mit 1 bis 5 Mio. Einwohnern 3.000 Städte mit 500.000 bis 1 Mio. Einwohnern 2.000 Städtische Gebiete mit weniger als 500.000 Einwohnern 1.000 0 1990 2014 2030 Quelle: United Nations, Department of Economic and Social Affairs: World Urbanization Prospects, The 2014 Revision. United Nations, 2014. nisierung ein eigenständiges Profil entwickeln. Das erfordert eine strategische Neuausrichtung. Handelsund Konsumgüterunternehmen sollten hierbei Urbanisierung nicht nur als neuen Megatrend erkennen, sondern „Cities“ auch zu einem Grundpfeiler ihrer Strategie machen, um daraufhin die wichtigsten Städte/Metropolregionen der Welt für sich zu identifizieren und einzunehmen. Es geht darum, die neuen Super-Märkte zu verstehen, Trends zu erkennen, mitzugestalten und selbst zu generieren. „Winning consumers by winning in key cities“ lautet die Devise. Metropolen haben eine Leitfunktion, regional, national oder auch interkontinental. Das hängt mit ihrer Anziehungskraft zusammen und der daraus resultierenden Schaffung kritischer Massen – ob nun Verbraucher, Arbeitskräfte oder Geld. Die Urbanisierung führt zur Bildung von Zentren für Kommerz, Kapital, Kunst und Wissenschaft. Und da Stadtluft bekanntlich frei macht, sind viele Städte regelrechte Inkubatoren für Innovationen. Neue Lebensweisen, Wertvorstellungen und Konsummuster entwickeln sich hier. Nachhaltigkeit, Diversity, Carsharing, Public Viewing oder die To-goKultur befallen in der Regel zunächst urbane Avantgardisten, bevor sie den Rest der Welt infizieren. Convenience spielt in urbanen Gesellschaften eine besondere Rolle. Doppelverdiener kochen weniger und haben weniger Zeit zum Einkaufen. Metropolen sind auch weiblicher und berufstätiger als ihr Umland. Lebensmittelhändler können die besonderen Bedürfnisse der dort lebenden Menschen mit MultichannelAngeboten befriedigen. Lieferservice lohnt in Agglomerationen mit kurzen Wegen eher als auf dem Land (wo der Versandhandel seine Vorzüge aufgrund der ausgedünnten stationären Versorgung hat). Frische und leicht verderbliche Ware lässt sich in der Stadt binnen Minuten liefern. Das trifft im Übrigen auf den zunehmenden Verbraucherwunsch nach Lokalität. In New York zum Beispiel sorgt Fresh Direct für frische Lebensmittel und Mahlzeiten in Kooperation mit Bauern aus der umliegenden Region. Melonen müssen hier nicht mehr 14 Tage ab Acker halten, sie können in einem reiferen Zustand geerntet werden – mit allen aromatischen und ernährungsphysiologischen Vorzügen. Berliner können sich bei Bonativo mit Waren aus dem Speckgürtel eindecken, ob Vollkorn-Dinkelbandnudeln vom Ökohof Kuhhorst oder Cox-Apfelsaft aus dem Storchendorf Linum. Die Kehrseite der Medaille lautet für (etablierte) Unternehmen: mehr Wettbewerb, schärfer und schneller. Wachsende Märkte ziehen Konkurrenten an. Start-ups machen mit ihrem Ideenreichtum den Etablierten das Leben schwer. Aufgeschlossene Kon- Bevölkerung im städtischen und ländlichen Raum Ländliche Gebiete 46 % 2014 Städtische Gebiete 54 % Ländliche Gebiete 34 % 2050 Städtische Gebiete 66 % Quelle: United Nations, Department of Economic and Social Affairs: World Urbanization Prospects, The 2014 Revision. United Nations, 2014. sumenten probieren gerne Neues aus und verlangen besondere Anstrengungen bei der Kundenbindung. Nicht mitmachen ist dabei keine Alternative. In den Cities entscheidet sich die Zukunft der großen Unternehmen. Doch welche Cities sind die entscheidenden? New York, die klassische, ist anders als Shanghai, die brodelnde, oder Los Angeles, die sportive. Tendenziell gewinnen die Emerging Markets an Bedeutung – allein schon wegen ihres starken Wachstums müssen Global Player die neuen Metropolen in Asien, Afrika und Südamerika auf dem Radar haben. Auf nationaler Ebene sind die Verhältnisse oft klar. Paris, London, Moskau und Istanbul sind in ihren Ländern konkurrenzlos. In Deutschland sieht es schon anders aus: Neben Berlin gibt es München, Hamburg und das Rhein-Main-Gebiet, keine Metropolregion dominiert eindeutig. Jedes Unternehmen muss für sich die richtigen Cities finden und dort Flagge zeigen. Flagship Stores sind dabei eine Reaktion auf die Neo-Urbanisierung. Das reicht aber nicht. Designerteams müssen den Puls der Cities spüren. Das betrifft Luxury-, Fashion-, Lifestyleund Sportunternehmen ganz besonders, für sie haben Metropolen eine symbiotische Bedeutung. Aber wer soll wie wohin? Potenzialanalysen helfen bei der Standortsuche. Am Ende muss es nicht unbedingt die Megacity sein. Kann es auch nicht. Megacities sind per UNO-Definition Städte ab 10 Millionen Einwohnern. Davon gibt es derzeit rund 30 weltweit. Deutsche Namen tauchen ohnehin erst in der Kategorie „Medium-sized Cities“ (1 bis 5 Millionen) auf. Für viele Unternehmen reicht diese Größenordnung auch vollkommen aus. Dennoch gilt: Wer in der globalen Liga mitmischen will, der muss die XXL-Metropolen in Angriff nehmen. Wachstumsprognosen 2014–2030 für die Top-20-Megacities weltweit Los Angeles 2014: 12 Mio. 2030: 13 Mio. Istanbul 2014: 14 Mio. 2030: 17 Mio. New York 2014: 19 Mio. 2030: 20 Mio. Kairo 2014: 18 Mio. 2030: 25 Mio. +5 % +8 % +14 % +10 % +8 % +13 % Rio de Janeiro 2014: 13 Mio. 2030: 14 Mio. +44 % +33 % +85 % São Paulo 2014: 21 Mio. 2030: 23 Mio. +56 % +31 % +59 % Lagos 2014: 13 Mio. 2030: 24 Mio. Mexico City 2014: 21 Mio. 2030: 24 Mio. Kinki M.M.A. (Osaka) 2014: 20 Mio. 2030: 20 Mio. +40 % +21 % +39 % Beijing 2014: 20 Mio. 2030: 28 Mio. Delhi 2014: 25 Mio. 2030: 36 Mio. Karachi 2014: 16 Mio. 2030: 25 Mio. ±0 % −3 % +35 % Tokio 2014: 38 Mio. 2030: 37 Mio. +27 % +31 % Manila 2014: 13 Mio. 2030: 17 Mio. Mumbai 2014: 21 Mio. 2030: 28 Mio. Kalkutta 2014: 15 Mio. 2030: 19 Mio. Dhaka 2014: 17 Mio. 2030: 27 Mio. Buenos Aires 2014: 15 Mio. 2030: 17 Mio. Quelle: World Urbanization Prospects, 2014 Revision; United Nations, Department of Economic and Social Affairs Shanghai 2014: 23 Mio. 2030: 31 Mio. Chongqing 2014: 13 Mio. 2030: 17 Mio. EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory Die globale EY-Organisation im Überblick Die globale EY-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung. Mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Leistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Dafür sind wir bestens gerüstet: mit hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern, starken Teams, exzellenten Leistungen und einem sprichwörtlichen Kundenservice. Unser Ziel ist es, Dinge voranzubringen und entscheidend besser zu machen – für unsere Mitarbeiter, unsere Mandanten und die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht unser weltweiter Anspruch „Building a better working world“. Ihr Ansprechpartner Thomas Harms Retail & Consumer Products Sector Leader Germany Switzerland Austria, EY Telefon +49 211 9352 18502 [email protected] Sell in the City! Ein Kommentar von Thomas Harms Wer nachts aus dem Weltall auf die Erde schaut, erkennt sofort die Hotspots des menschlichen Treibens. Sie entwickeln eine immer größere Strahlkraft. Und sie weisen Global Playern den Weg. Im Zeitalter der Digitalisierung sind die Metropolen am besten geeignet, Online- und Brick-and-Mortar-Konzepte miteinander zu verschmelzen. Das nahtlose Erleben einer Marke über alle Kanäle hinweg wird zum Schlüssel des Erfolgs in der Stadt und löst viele Probleme, die herkömmliche Handelskonzepte heute noch haben. Der Fokus auf die Megacities ist für Unternehmen aus dem Bereich Handel und Konsumgüter jedoch alles andere als einfach. Viele Trends werden in den Metropolen der Mature World geboren, das Wachstum wird langfristig aber aus den Emerging Markets kommen. Wer am Wachstum teilhaben will, muss Städte identifizieren, die nicht nur groß genug sind, sondern eben auch die stärksten Steigerungsraten bringen. EY ist in allen Metropolen dieser Erde präsent und das globale Retail and Consumer Products Network unterstützt Unternehmen auch dabei, die geeignete Land- bzw. Stadteintrittsstrategie zu entwickeln. Gern begleite ich Sie auch persönlich auf der Tour zu Ihren MegacityMärkten. Ihr Thomas Harms Die globale EY-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für Mandanten. Weitere Informationen finden Sie unter www.ey.com. In Deutschland ist EY an 22 Standorten präsent. „EY“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited. © 2015 Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft All Rights Reserved. SKN 1508-103 ED None Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und/oder anderer Mitgliedsunternehmen der globalen EY-Organisation wird ausgeschlossen. Bei jedem spezifischen Anliegen sollte ein geeigneter Berater zurate gezogen werden. www.de.ey.com
© Copyright 2024 ExpyDoc