Jungfrauengeburt und andere Denkwürdigkeiten Was sagt das Neue Testament, was ist Teil unseres Glaubens Unnötige Glaubensbarrieren (5)1 A. Kein Engel flog nach Nazareth2 1. Bekanntermaßen sind es nur Lukas und Matthäus, die von einer Geburt Jesu aus einer Jungfrau schreiben. Ihre Texte sind rund 50 Jahre nach Tod und Auferstehung Jesu entstanden. Die ältesten Texte wie Paulusbriefe und Markus kennen eine solche Jungfrauengeburt nicht; auch in Lk und Mt wird nach dem Kindheits-Prolog mit keinem Wort mehr auf diese Besonderheit hingewiesen. Gal 4,4: Als aber die Zeit herangekommen war, sandte Gott seinen Sohn. Er wurde von einer Frau geboren und unter das Gesetz gestellt. Phil 2,5-8: Denn ihr sollt so gesinnt sein, wie Jesus Christus auch war, welcher, da er sich in Gottes Gestalt befand, es nicht wie einen Raub festhielt, Gott gleich zu sein; sondern sich selbst entäußerte, die Gestalt eines Knechtes annahm und den Menschen ähnlich wurde, und in seiner äußeren Erscheinung wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte und gehorsam wurde bis zum Tod, ja bis zum Kreuzestod. Mt 13,55f: Ist dieser nicht des Zimmermanns Sohn? Heißt nicht seine Mutter Maria und seine Brüder Jakobus und Joses und Simon und Judas? Und sind nicht seine Schwestern alle bei uns? Woher kommt ihm das alles? 2. Geburtsankündigungen im AT/NT: Es handelt sich um einen Topos, um große Persönlichkeiten herauszustellen. Sie sind kein historisches Ereignis! a. Ankündigung des Isaaks b. Ankündigung Simsons c. Die Bitten der Hannah um einen Sohn (Samuel) d. Die Ankündigung Johannes des Täufers Die Konkurrenz der Johannes-Anhänger zu den Jesus-Anhängern. Jesus ist der Größere. Johannes ist vom Mutterleib an vom Geist erfüllt (6. Monat), Jesus von Anfang an! Wenn es ein historisches Ereignis (Familiengeheimnis) gewesen wäre, drängen sich die Fragen auf: wann ist es von Maria (oder jemand anderem) gelüftet worden? Wie hätte es ohne Peinlichkeiten mitgeteilt werden können? Die ältesten Aussagen zur Kindheit Jesu in der Schrift betonen das „Normale“ der Kindheit. – So der o.g. Christushymnus. 3. Markus z.B. betont in seinem Evangelium vom Messias und Gottes Sohn, dass diesem seine Sohnschaft bei der Taufe des Johannes aufgegangen sei.3 4. Nach jüdischer Vorstellung gehören zum Zeugungsakt: Mann/Frau/Gott4. Je bedeutender der Mann (von Frauen gibt es keine Geburtsankündigungen), umso mehr (hl.) Geist kommt über ihn. 1 Vergleiche hierzu: Anton Vögtle, Unnötige Glaubensbarrieren, SBS (1998), S. 110ff. Titel eines Buches aus dem Kath. Bibelwerk 3 Vgl. Röm 1,2f.: „… verheißen wurde durch seine Propheten in heiligen Schriften, betreffs seines Sohnes, der hervorgegangen ist aus dem Samen Davids nach dem Fleisch und erwiesen als Sohn Gottes in Kraft nach dem Geiste der Heiligkeit durch die Auferstehung von den Toten, Jesus Christus, unser Herr.“ 2 Unnötige Glaubensbarrieren (5) Seite 1 von 3 5. Am Anfang des Nachdenkens über Jesus „Wer ist dieser“, steht die Erfahrung der Osterbotschaft, dass Gott ihn aus dem Tode errettet hat5. 6. Der Glaubensartikel, dass Maria Jungfrau und Gottesmutter ist, zielt auf Jesus!! Er will sagen, dass in ihm wirklich und wahrhaftig Gott unter den Menschen sichtbar und greifbar geworden ist. – Unsere heutigen Vorstellungen von der Jungfrauschaft Mariens haben nichts mit den biblischen Vorstellungen zu tun.6 Es ist keine historische und keine biologische Aussage, sondern eine theologische! Jesus ist kein Halbgott, sondern „wahrer Mensch und wahrer Gott!“ Im Laufe der Jahrhunderte jedoch hat die Vorstellung von Maria der Jungfrau und Gottesmutter eine Eigendynamik entwickelt7. Hinzu kam, dass die Vorstellungen von Gott sich zunehmend auf den Richter Gott hin entwickelten, der Vater Gott (Lk 15) trat zurück. Die Szene von Nazareth ist eine Fiktion mit theologischer Aussage, kein historischer Bericht (auch wenn man ihn auf Bildern hundertmal gesehen hat und er sich in Krippenspielen gut darstellen lässt!) „Die Gottessohnschaft Jesu beruht nach dem kirchlichen Glauben nicht darauf, dass Jesus keinen menschlichen Vater hatte; die Lehre vom Gottsein Jesu würde nicht angetastet, wenn Jesus aus einer normalen menschlichen Ehe hervorgegangen wäre. Denn die Gottessohnschaft, von der der Glaube spricht, ist kein biologisches sondern ein ontologisches [seinsmäßiges] Faktum…“ (Joseph Ratzinger, Einführung in das Christentum, München 1968). B. Wasser hat keine Balken 6,45-52 Gleich darauf nötigte Jesus seine Jünger, unverzüglich ins Boot zu steigen und an das gegenüberliegende Ufer Richtung Bethsaida vorauszufahren. Er wollte inzwischen die Leute nach Hause schicken. Nachdem er sich von der Menge verabschiedet hatte, stieg er auf den Berg, um zu beten. Beim Einbruch der Dunkelheit war das Boot mitten auf dem See und Jesus allein am Land. Er sah, wie sich seine Jünger beim Rudern abmühten, weil sie gegen den Wind ankämpfen mussten. Zwischen drei und sechs Uhr in der Nacht kam er dann zu ihnen. Er ging über den See, und es schien, als wollte er an ihnen vorüberlaufen. Als die Jünger ihn auf dem Wasser gehen sahen, meinten sie, es sei ein Gespenst, und schrien auf, denn alle sahen ihn und wurden von Furcht gepackt. Sofort rief er sie an: "Erschreckt nicht! Ich bin's! Habt keine Angst!" Dann stieg er zu ihnen ins Boot, und der Wind legte sich. Da gerieten sie vor Entsetzen ganz außer sich, denn selbst nach dem Wunder mit den Broten hatten sie noch nichts begriffen, weil ihre Herzen immer noch verschlossen waren. 4 Dies findet man noch in der Ansprache bei der Trauung an die Eheleute: Seid ihr bereit die Kinder, die Gott euch schenken wird, aus seiner Hand anzunehmen? 5 Das schließt natürlich die „Himmelfahrt“ und das Sitzen zur Rechten Gottes mit ein. 6 Der Gedanke der immerwährenden Jungfrauenschaft findet sich in den Vorstellungen der Muslime, die eine solche von den Huris im Paradies annehmen. 7 „Es spricht alles dafür und eigentlich nichts dagegen, dass die kirchliche Lehre, das Glaubensbekenntnis der Kirche, diese Jungfrauengeburt absolut lehrt, gleichsam auf eigene Rechnung und Gefahr … als Dogma, das eindeutig zu respektieren ist.“ (Karl Rahner, Dogmatische Bemerkungen zur Jungfrauengeburt, Seite 138). D.h., biblisch lässt sich eine solche Jungfrauenschaft nicht nachweisen! Unnötige Glaubensbarrieren (5) Seite 2 von 3 1. Die erste Frage an den Text muss heißen: Was ist das für eine Schriftgattung? Das Neue Testament ist eine heilige Geschichte: im Vordergrund steht der in Bildern und Geschichten vermittelte Glaubensinhalt, nicht eine Aktion.8 Es handelt sich um eine „christologisch hochentwickelte Epiphanie-Erzählung“. 2. Betont wird die Trennung der Jünger von Jesus („er nötigte sie“!) und mit dem Auftrag, vorauszufahren, wird das Ereignis vorbereitet. 3. Das Mühen der Jünger „sieht“ Jesus. Die Zeit von 3 – 6 Uhr ist die Zeit des Eingreifens Gottes. Dass Jesus vorüber gehen will unterstreicht den Epiphaniecharakter der Szene (vgl. das Vorübergehen der Herrlichkeit Gottes an Elija und Mose). Jesus erscheint, wie es nur Jahwe kann. Dies wird unterstrichen durch sein Wort „Ich bin es!“ Damit ist herausgestellt, dass Jesus über Gottes eigne Kraft und Vollmacht verfügt.9 4. Es ist eine exorbitante Erzählung von Jesus, die den Glauben an den Sohn Gottes voraus setzt. Ijob 9,8, wo Gott über das Meer geht wie über festes Land („Er breitet den Himmel aus allein und geht auf den Wogen des Meeres.“) und Psalm 18,17 („Er griff aus der Höhe herab und fasste mich, / zog mich heraus aus gewaltigen Wassern.“). Hier wird diese Fähigkeit (die man auch in heidnischen Erzählungen findet) auf den historischen Jesus zurück projiziert. 8 9 Vgl. A. Vögtle, a.a.O, S. 78; Rudolf Pesch, Markuskommentar, S. 359 So ist es konsequent, dass die Jünger in der Parallelerzählung von Mt sagen: „Wahrlich, Du bist Gottes Sohn!“ Unnötige Glaubensbarrieren (5) Seite 3 von 3
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