GESICHTER EUROPAS Boden, Bauern und Barone – Das Ringen

Deutschlandfunk
GESICHTER EUROPAS
Samstag, 16. Mai 2015 / 11:05 – 12:00 Uhr
Boden, Bauern und Barone
–
Das Ringen um Ungarns Agrarland
Eine Sendung von Jan-Uwe Stahr
Moderation und Redaktion: Britta Fecke
Musikauswahl: Babette Michel
(DLF 2013)
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©
- unkorrigiertes Exemplar –
1
Trailer: Gesichter Europas
MOD
Eine junge Biobäuerin, die in Ungarn um
ihre Existenz kämpft, obwohl ihr die
Regierung alle Unterstützung verspricht:
O-Ton 2 Ungarisch mit Overvoice (Judit). Als ich meinen Antrag
eingereicht habe, haben sie am selben Tag,
ein paar Stunden später die Ausschreibung
ohne Begründung zurückgezogen und mir
mitgeteilt, dass mein Antrag ungültig ist.
MOD
…. und ein adeliger Landwirt, der sich
vor staatlichem Feudalismus fürchtet.
O-Ton 3
(Zichy, sehr erregt) es wird einfach
weggenommen!…(klopft auf den Tisch) das
passiert jetzt, im so genannten
demokratischen Ungarn!
MOD: Gesichter Europas: „Boden Bauern und Barone – Ringen um
Ungarns Agrarland“
Eine Sendung von Jan-Uwe Stahr
Am Mikrophon begrüßt sie Britta Fecke.
Mod 1:
Zu Zeiten der KuK-Monarchie war Ungarn die Speisekammer des
Kaiserreiches. Das fruchtbare Agrarland befand sich überwiegend in der
Hand adeliger Großgrundbesitzer. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden
sie enteignet, die landwirtschaftlichen Flächen verstaatlicht. Bis heute
2
hält der ungarische Staat großen Landbesitz. Doch die nationalkonservative Regierung von Viktor Orbán hat sich offiziell vorgenommen
auch jungen ungarischen Familien einen Teil der fruchtbaren Krume zu
überlassen.
Tatsächlich so tadeln Kritiker zielt die Agrarpolitik der Fidesz-Regierung
eher darauf ab verdiente Parteifreunde zu bedienen und somit die
feudalen Verhältnissen bei der Landverteilung wieder herzustellen.
Noch prüft auch Brüssel, ob das EU-Recht auf Investitionsfreiheit mit
den umstrittenen ungarischen Bodengesetzten vereinbar ist. Bisher wird
es ausländischen Investoren erschwert in Ungarn Agrarland zu kaufen.
Dabei wolle man doch nur Ungarns fruchtbare Böden vor Spekulanten
und dem internationalem Ausverkauf bewahren, beteuert Regierungschef
Orbán...
Atmo: (Wellenschlag am Balaton. Mit Kinderstimmen... Ohne Stimmen)
Die Furcht vor Bodenspekulanten schürt Victor Orban vielleicht auch aus
populistischen Gründen, doch die jüngere Vergangenheit gibt ihm recht,
denn nach der Wende kostete ein Hektar Land in Ungarn nur ein
hundertstel dessen was der der Hektar im benachbarten Österreicher wert
war. Und so kauften österreichische Landwirte und Spekulanten bei ihren
ungarischen Nachbarn Flächen im großen Stil auf. Erst 1994 wurde
diesem Ausverkaaf offiziell Einhalt geboten. Bis zu 20% so die
Schätzungen der landwirtschaftlichen Fläche wird in Ungarn von
Ausländern beackert. Doch nicht alle sind Bodenspekulanten und nicht
alle kommen aus Österreich. Jens Clausen ist Däne, er hat sich in
Ungarns schönster und fruchtbarster Landschaft, am Balaton ein kleines
Fleckchen Idylle gekauft nur soviel wie er selbst bewirtschaften kann:
3
REP 1:
Liebe und Kartoffeln – ein Dänischer Bauer in
Ungarn
Autor
Jens Clausen steigt in seinen Volvo.
Schraubenschlüssel und andere Werkzeuge
liegen verstreut in dem dreißig Jahre alten
Wagen herum, Boden und Sitze sind
eingestaubt mit Ackerboden, genauso wie
Jens oranges Polohemd und die
abgeschnittenen Jeans.
Atmo 2
Autor
Volvo startet…fährt los
Seit gut 20 Jahren lebt der gelernte
Maschinenschlosser aus Dänemark in
Karmács, einem kleinen Dorf nördlich des
Balatons, betreibt in Ungarn Landwirtschaft.
O-Ton 1
(Jens im fahrenden Auto) 800 Leute wohnen
hier. Und ich glaube: wir sind 4 oder 5, die
Landwirte sind. Aber die arbeiten auch noch
etwas anderes, also nicht nur als Landwirt … (Autogeräusch…)
Autor
Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte hier
alles dem Grafen von Keszthely.
Zehntausend Hektar Land waren in seinem
Besitz. Er ließ ihn von abhängigen
Lohnbauern bewirtschaften, sagt Jens..
4
Selbstständige Landwirte gab es hier weder
zu KuK-Zeiten noch im Sozialismus. Hinter
dem Dorf-Ende biegt Jens nach links ab. Er
will zu seinem Kumpel Peter fahren – einem
Österreicher. Der produziert hier in Ungarn
Industrietextilien, hat einen Reiterhof und
betreibt nebenbei auch ein wenig
Landwirtschaft. Jens fährt eine kleine
Anhöhe hinauf, dann langsam auf ein altes
Gutsgelände. Hier ist Peters Firma. Vor
einem der ehemaligen Schweineställe steht
ein frosch-grüner Mähdrescher.
O-Ton 3
(Jens im Auto) … Meine Frau weiß es
nicht, aber das will ich kaufen, aber das
weiß meine Frau nicht!
Autor
Mähdrescher.
Jens parkt seinen Volvo neben dem
Der Mähdrescher. Der ist schon genauso alt
wie sein staubiges Auto. Aber das stört den
stämmigen 50jährigen nicht - im Gegenteil.
O-Ton 4
(Atmo aussteigen aus dem Auto) so, das
hat… Aber ich bin Maschinenarbeiter, das
bedeutet: ich muss alles selber machen.…
Autor
Jens geht um das grüne Ungetüm herum,
seine blauen Augen strahlen. Peter Kulier
kommt jetzt über den Hof, begrüßt seinen
Freund. Der schlanke Österreicher und der
5
korpulente Däne verstehen sich: Beide sind
um die 50, beide lieben die Landschaft am
Balaton und beide sind mit ungarischen
Frauen verheiratet.
Atmo 3
(Peter lacht) Ja genau, die Frau darf das
nicht wissen…
Autor
Jens klettert in das Führerhaus des
Mähdreschers. Er will sich den Klang des
Motors anhören, sagt er.
Atmo 4
(Atmo) klettern ins Führerhaus. Starten des
Motors.
Autor
Das alte Gerät schüttelt sich widerwillig aber dann springt es an. Auch der
Mähbalken dreht sich einwandfrei. Zufrieden
klettert Jens wieder herunter. Wenn der
Mähdrescher sein ist, soll er künftig für ein
Stück Unabhängigkeit sorgen. Nicht nur für
ihn, auch für die ungarischen Bauern im
Dorf.
O-Ton 5
(Jens) … So das bedeutet, das Dorf hat
eigene Maschinen. Die arbeiten nur hier im
Dorf. Das ist auch eine Neuheit, nach 20
Jahren dass wir müssen nicht warten
Autor
Bisher mussten Peter, Jens und die anderen
6
Klein- und Nebenerwerbsbauern im Dorf
immer warten, bis die benachbarten
Großgrundbesitzer mit ihrer Ernte fertig
waren. Die haben nicht 50 Hektar Land wie
Peter oder 20 Hektar wie Jens, sondern
gleich mehrere Tausend. Vor allem
Österreicher haben sich hier in Ungarn
gleich nach der Wende mit riesigen Flächen
Agrarland eingedeckt, sagt Peter.
O-Ton 6
(Peter) Das ist immer nach dem gleichen
Schema gelaufen: die ehemaligen
Kommunisten haben gesagt: Okay, mein
Freund, offiziell darfst du als Ausländer die
Grundstücke nicht kaufen. Mir zahlst du XY
in die Tasche und dafür bekommst du einen
Pachtvertrag auf 100 Jahre für einen Appel
und ein Ei, sagt man bei euch, (lacht)
Autor
So war es auch bei einem Bekannten, sagt
Peter. Achttausend Hektar hat der. Was der
österreichische Landwirt dem ungarischen
Kolchosen-Chef schwarz zugesteckt hat,
weiß er nicht. Doch die Pacht für die riesigen
Agrarflächen beträgt insgesamt nur
lächerliche zweihundertfünfzig Euro pro
Jahr. Die Einnahmen , alleine aus den
jährlichen Agrarsubventionen der EU, sind
dagegen beträchtlich.
O-Ton 7
Ich habe mir das ausgerechnet, wenn man
den minderwertigsten Grundstückstarif pro
7
Hektar rechnet, kassieren sie 650.000 Euro
pro Jahr.
Autor
Die Regierung von Viktor Orbán hat diese
sogenannten Taschenverträge jetzt für null
und nichtig erklärt. Diesen Ausländern soll
das Land nun wieder abgenommen werden.
Peter zeigt auf sich und dann auf Jens.
O-Ton 8
(Peter) uns zumindest, mir und auch ihm
(zeigt auf Jens) kann das nicht passieren,
weil wir sind ja die richtigen Bauern hier
Autor
Jens und er haben ihren vergleichsweise
kleinen Landbesitz 1994 ganz legal
erworben und sind als Bauern in Ungarn
amtlich registriert.
O-Ton 9
und wenn das so ist, dann kann momentan muss sagen momentan - nichts passieren.
Autor
Doch niemand weiß, was der Regierung in
Zukunft noch in den Sinn kommt, meint
Peter und verabschiedet sich. Auch Jens
muss los, er will noch nach seinen Kartoffeln
schauen.
Atmo 5
(Einsteigen, losfahren im Volvo…)
Autor
Ich wollte schon als Junge Bauer werden,
erzählt Jens. Mit dem Interrailticket der Bahn
reiste er als junger Mann quer durch Europa.
Kam auch nach Ungarn, verliebte sich.
8
Entschloss sich ein paar Jahre später nach
Ungarn auszuwandern, hier zu heiraten und
den Jugendtraum wahr zu machen. Denn
das Agrarland in Ungarn war spottbillig im
Vergleich zu Dänemark. 1994 kaufte Jens
sich zwei Hektar.
O-Ton 11
Ich war nicht so mutig, wie andere Leute,
das will ich sagen…
Autor
Inzwischen sind aus den zwei Hektar
zweiundzwanzig geworden. Wir sind ganz
vorsichtig gewachsen, sagt Jens und stoppt
am Rande eines Feldes: Kartoffeln. Das
Kraut der Pflanzen ist schon ganz braun.
Das muss so sein, sagt Jens, kommt vom
Spritzmittel, das den Reifungsprozess
künstlich stoppen soll.
O-Ton 13
(Jens im stehenden Auto) Das sieht
verbrannt aus, das ist so, das hat eine
Portion Reglone bekommen, denn das sind
Liegekartoffeln, das sind Samen.
Autor
Saatkartoffeln bringen ihm zehnmal so viel
Ertrag wie Weizen, sagt Jens. Auch auf
kleiner Fläche lässt sich damit ausreichend
Geld verdienen. Vorausgesetzt man
investiert viel Arbeit und viel Zeit. Gerne
würde er noch mehr Kartoffeln anpflanzen,
9
sagt Jens, doch dann bekäme er wohl Ärger
mit seiner Frau.
O-Ton 14
(Jens) diese Zeit, wie ein Landwirt war,
früher - Zusammenleben mit der Natur und
immer etwas machen und man ist niemals
fertig… Diese Zeit ist vorbei Mein Vater sagt
immer, man kann nicht eine Frau finden, so
zu leben. Das kann man nicht.
Autor
Jens ungarische Frau ist Lehrerin in
Budapest wohnt mit den Kindern lieber dort
als auf dem kleinen Dorf am Balaton. Drei
Tage in der Woche fährt Jens zu ihr in die
Stadt. Dann spielt er zur Abwechslung
Blasmusik - zusammen mit ungarischen
Freunden. Die Tuba mag der dänische
Kartoffelbauer genauso wie seinen Traktor
und seine Frau.
Lit auf Musik:
Sie war auch in Ungarn nicht so gut wie die Erinnerung oft vortäuscht,
die gute alte Zeit und und Zsigmond Moricz machte die Not der kleinen
Leute der einfachen Bauern und Pächter zum Thema seiner Erzählungen.
Der Band Das Rindvieh mit dem Adelsbrief , ist 1979 Berlin Verlag der
Nation erschienen
S.24 ff
Der Bauer schaute auf das Bett, wo
seine Mutter in schmutzigen Kissen lag,
sie war ausgemergelt, blass und dürr. Als
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sie den Sohn erblickte bekam sie einen
Hustenanfall, und es dauerte eine
geraume Zeit, bis sie sich beruhigt hatte.
„Setz dich“, sagte sie mit dünner kranker
Stimme.
Der kraftstrotzende, rotwangige Mann
stand verwirrt da. (…)
Endlich kam die Alte darauf zu sprechen,
was sie bewegte. „Ich hörte, dass du …
das Land um Tószeg pachten
möchtest…“
Der Mann neigte den Kopf zur Seite und
räusperte sich. Er atmete auf, da die
Mutter etwas Alltägliches in das
Gespräch brachte.
„Ich möchte schon…“
„Na und?“
„Aber ich kriege es nicht.“
„Nicht?“
„Nein!“
„Der verdammte Hund, der verdammte Hund!“ kreischte die Alte
unerwartet. Ihre Worte wurden vom
Husten erstickt.
Der Mann blickte erstaunt auf seine
Mutter.
„Warum sollte er es mir geben“, sagte er,
eigentlich nur, um die Mutter zu ärgern,
„wenn ihm nunmal meine Visage nicht
gefällt. Er ist der Herr, der
hochwohlgeborene Herr Gencsy, und das
schon seit achtzig Jahren! Ich dagegen
bin lediglich ein elender Bauer, eben der
Gyuri Varga.“
11
„Der Hund, der Hund!“ zischte die Alte,
„der niederträchtige Hund!“
„Wer?“
„Dieses alte Aas! Jawohl! Gott möge den
Himmel über ihm zusammenstürzen
lassen. Joj der gemeine Hund.“
„Wer kann ihm schon befehlen, mir den
Boden zu geben oder nicht“, knurrte der
Sohn.
„Wer? Ich … ich! Ich kann es dem Hund
befehlen. Ich!“ kreischte die gebrechliche
Alte und erhob sich aus den Kissen.
„Dich will er nicht haben? Nein? Aber
mich wollte er haben! Und er hat mich
gehabt. Was denn, he? Du bist hässlich,
dich verachtet er. Aber auf mich hatte er
Appetit, das alte Aas, der räudige Hund.
Nach mir stand ihm der Sinn. Mich hat er
genommen. Die Mutter wollte er haben,
den Sohn will er nicht. Den eigenen
Sohn, das schäbige Aas, das schäbige
Aas!“
Mod 2:
Zu Zeiten der österreichisch-ungarischen Monarchie hatten adelige
Familien das fruchtbare Land Ungarns weitgehend unter sich aufgeteilt,
beackert wurde es allerdings von zahlreichen Lohnbauern oder Pächtern.
Im Sozialismus wurde das Land dann enteignet und von staatlichen
Betrieben bestellt. Freie und selbstständige Bauern haben sich aufgrund
dieser historischen Entwicklung in Ungarn kaum etabliert. Das will die
gegenwärtige
Regierung
nun
ändern:
Ihre
„Nationale
12
Landwirtschaftsstrategie“ soll besonders bäuerliche Familienbetriebe und
junge Existenzgründer fördern, ( auch mit finanzieller Unterstützung).
Mit dieser Strategie wäre die ungarische Regierung der europäischen
Landwirtschaftspolitik um Längen voraus. Zumindest theoretisch.
Atmo:
Der Nordosten Ungarns gilt als rückständig und arm. Die Landschaft
zwischen
Matra
und
Bükk-Gebirge
aber
ist
reich
bzw.
abwechslungsreich: Sanft geschwungene Hügel und Berge, Eichen- und
Buchenwäldern – dazwischen weite Wiesenflächen. Ackerbau, wie zu
sozialistischen Zeiten, gibt es hier kaum noch – er ist heute unrentabel,
denn die Böden sind nur mäßig fruchtbar. Als Weideland für Rinder
dagegen sind sie gut geeignet. Die Viehherden leben hier fast wie in freier
Wildbahn - Weidezäune gibt es nicht, dafür Kuhhirten mit Hunden. So ist
es auch bei Peter und Tünde Irgovics in Fedémes. Vor gut 20 Jahren
haben sich die beiden als Landwirte im einsamen Nordosten selbstständig
gemacht. Sie sind die Art Existenzgründer, die die ungarische Regierung
meint, wenn sie von ihrer nationalen Landwirtschaftsstrategie spricht.
Zumindest theoretisch:
Rep2: Glückliche Kühe, geplagte Bauern – ein
Familienbetrieb
Autor
„Ich schau mal, wo man am besten
langfahren kann“, sagt Tünde Irgovics und
schon springt sie raus dem Auto. Geht
suchend vorweg über die buckelige Weide,
13
die sich vom Tal einen sanft ansteigenden
Hang hinaufzieht.
Atmo 1
Autor
(Wir rumpeln mit dem Auto über die Weide….
Das rosa T-Shirt und die blauen
Jogginghosen der 40jährigen Bauersfrau
leuchten wie die wilden Blumen im Grün
der Weiden. Tünde zeigt auf die Kühe, die
sich langsam hangaufwärts Richtung
Buschwerk und Niederwald bewegen. „Hier
anhalten!“ bedeutet sie mit flacher Hand.
Atmo 2
(Motor abstellen, Hund jault, Tünde
lacht.Tünde ruft etwas zu dem Hirten, der
antworte. Hund kläfft)
Autor
Ein Hirte begleitet die wandernde Herde.
Sein struppiger schwarzer Hund macht den
lahmen Kälbern Beine.
Atmo 2
(Kühe muhen)…
Autor
Etwa 150 Hektar Land hat Familie Irgovics
als Auslauf und Weideflächen für ihre 140
Rinder zur Verfügung. Umgerechnet mehr
als ein Hektar pro Tier - das ist viel
14
verglichen mit Deutschland. Doch an freier
Fläche herrscht kein Mangel hier im
wirtschaftlich armen Nordosten von Ungarn.
Atmo 2
(Kuh muht, leise Stimmen)… (Ruhige
Atmo)…
Autor
Die Kälber wachsen bei ihren Müttern auf.
Wenn sie groß genug sind, werden sie an
einen Händler verkauft. Kommen dann nach
Griechenland, werden dort geschlachtet.
Griechenland – ich selbst bin da noch nie
gewesen, sagt Tünde
Atmo 3
Autor
(Tünde lacht)
Ein schwarzer Pick-up kommt über die
Weide den Berg herunter: Peter, Tündes
Mann. Er hat auf der anderen Seite des
Berges Heu gemacht.
Atmo 4
(Peter ist angekommen, lacht, Begrüßung)
Autor
Das pausbäckige Gesicht des 50jährigen
leuchtet rot, sein kurzärmeliges Hemd hat er
durchgeschwitzt. Wo sind die Tiere will er
wissen. „Weg mit dem Hirten“ sagt Tünde.
15
Atmo 5
(Tünde lacht, Peter lacht; sagt etwas)
Autor
Der Hirte bleibt am Liebsten ungestört in der
freien Natur, sagt Peter, genau wie die
Tiere:
O-Ton 2
Ungarisch mit Overvoice (Peter)… Die
Kühe brauchen den weiten Auslauf, wollen
sie sich frei bewegen wie Wildtiere. … Im
tiefen Winter, als wir sehr schlechtes Wetter
hatten, wollten wir sie in den Stall eintreiben.
Pfffohh...wir mussten die wieder
herauslassen: Sie versuchten sogar durch
das Dach abzuhauen, um zurück an die
frische Luft zu gelangen….
Autor
Unsere Kühe mögen auch kein künstliches
Kraftfutter, sagt Peter. So, wie es das
Stallvieh in der industriellen Tierproduktion
fressen muß. Klar, sie sind hier Besseres
gewohnt:
O-Ton 3
Ungarisch mit Overvoice Das ist Ur-Rasen,
auf dem sie hier weiden. … Ich kann nicht
sagen, wie viele Kräutersorte hier zu finden
sind, von Heilkräutern bis...ich weiß nicht
was - hier gibt es alles. … Die weiden hier
auf blumenübersäten Wiesen und geben
eine Milch.... den Blumenduft kann man bei
der Milch buchstäblich riechen, bzw.
schmecken :…
Autor
Leider will keine Molkerei diese wunderbare
Milch kaufen. Bzw. entsprechend dafür
bezahlen. Deshalb sind die Tiere
16
ausschließlich für die Fleischproduktion. Im
Winter bekommen sie das Heu von den
wilden Kräuterwiesen zu fressen. Das ist
allerdings härter und deshalb schwerer zu
ernten als das von künstlich gedüngten
Wiesen, sagt Peter. Deshalb ist auch der
Heuwender mal wieder defekt. Peter will
hinunter zum Hof, Ersatzteile suchen.
Atmo 6
0:28 Motor aus, aussteigen, Türen klappen,
Hund bellt 0:36 Schritte über den Hof, Hund
bellt
Autor
Drei alte Hunde schleichen kläffend über
den lehmigen Hof des Anwesens: Es
besteht aus einem hölzernen, alter
Werkzeugschuppen, einem nicht ganz zu
Ende gebauten Stall - und einem neu
renovierten, traditionellen Wohnhaus. Es
strahlt unter den alten Kastanienbäumen - in
leuchtendem Orange.
Atmo 7
(Hineingehen in das Haus, Stimmen von
Peter und Tünde… Schlüssel-Geräusch,
Haustür quietschend auf. Peter: Kommt
rein...
Autor
Peter bittet in die Stube. Sie ist ausstaffiert
mit Hirschgeweihen und Rehbockgehörnen.
17
Die Jagd ist seine Leidenschaft. Dort kann
er abschalten und die Alltagsprobleme
vergessen. Sorgen bereiten ihm und Tünde
zum Beispiel die viel zu niedrigen
Fleischpreise.
Atmo
10:13 (Atmo) Gläser auf den Tisch.
Autor
Peter und nimmt einen Schluck aus dem
Wasserglas, das Tünde ihm hingestellt hat.
„Die Griechen wollen jetzt auch kein
Kalbsfleisch mehr kaufen“, sagt er. „Und die
meisten Ungarn essen sowieso nur
Schweinefleisch. Dabei ist Kalbsfleisch
gesünder.“ Besonders das von den Tieren,
die nur draußen in der freien Natur leben.
O-Ton 5
Ungarisch mit Overvoice (Peter) Klar Man
könnte das Fleisch für mehr Geld verkaufen,
wenn man so einem Bio-Fachkreis oder wie
das heißt, beitreten würde. Auch in Ungarn
wurden solche Fachkreise gegründet, die
von Futtermitteln bis Tierhaltung alles
kontrollieren. Jedoch da Einlass zu
erhalten, hmmm... das wäre sehr
zeitaufwendig.
Autor
Und natürlich kostet die Zertifizierung als
Bioproduzent erst einmal Geld. Doch das ist
18
seit einigen Jahren ziemlich knapp in dem
Familienbetrieb. Peter nimmt noch einen
tiefen Schluck Wasser. Außerdem lassen
die Fördergelder von der Europäischen
Union neuerdings auf sich warten.
O-Ton 6
Ungarisch mit Overvoice (Peter) die
Gelder fließen nur mit riesiger Verspätung.
Ich weiß nicht, was der ungarische Staat
damit macht. Die EU hat das Geld doch
schon längst überwiesen und sie zahlen es
einfach nicht aus!
Autor
Peter schüttelt den Kopf, Tünde nickt. Die
gelernte Verkäuferin macht die Buchhaltung
für den Hof. Die Regierung von Viktor
Orbán hatte ausdrücklich versprochen, die
bäuerlichen Familienbetriebe zu fördern,
auch mit ungarischem Geld. Aber die Politik
ist doch nur ein Witz, ärgert sich der Bauer:
O-Ton 7
Autor
Ungarisch/Overvoice (Peter) ´ In den
Amtsblättern, in der Zeitschrift für
Tierzüchter und im Fernsehen betonen der
Agrarminister und die anderen immer
wieder: Wir fördern die Tierhaltung. Aber es
ist nicht wahr. Seit etwa 20 Jahren warten
wir schon darauf, dass es besser wird..
Peter steht auf. Er will noch das Ersatzteil für den
19
defekten Heuwender suchen und danach auf die
Wildschwein-Jagd. Tünde lächelt milde. Sie weiß: Ihr
Mann braucht die Freiheit – genau wie die Kühe.
Lit 2:
S.28
Der Bauer sprang auf, er stampfte heftig
auf und stieß mit der Faust in die Luft. Es
war ein Hieb, mit dem man einen Stier
hätte fällen können. Und wie ein Stier
blies er die Luft durch die Nasenlöcher.
„Geh zu ihm hin“, kreischte die Alte, „geh
zu dem Hund. Richte ihm aus, dass er
Toszég dir in Pacht geben soll. Das lasse
ich ihm sagen! Das ist meine letzte
Botschaft an ihn vor meinem Tod. Seine
Knochen sollen die Hunde fressen, falls
er mir das verwehrt. Richte ihm das aus!“
Die Stimme der Alten war heiser, sie
röchelte, ihre Augen quollen hervor, ihre
Hände zitterten. Sie wurde vom Zorn
eines langen elendigen und
ohnmächtigen Lebens geschüttelt.
Musik
20
Mod 3:
Der Name Zichy ist in Ungarn auch lange nach der k. u. k. Monarchie
noch ein Begriff. Die Adelsfamilie, deren Stammbaum in das
13.Jahrhundert zurückreicht, gehörte einst zu den reichsten und
einflussreichen Familien des Landes. Die Zichys bekleideten in Ungarn
wichtige Staatsämter, sie besaßen Schlösser, Sommerresidenzen und vor
allem viel Land: Rund 1600 Quadratkilometer Agrarland und Wälder
gehörte zu ihrem Grundbesitz. Damit war es nach dem Zweiten
Weltkrieg, im kommunistischen Ungarn, vorbei. Sie wurden enteignet,
wie alle Großgrundbesitzer. Und auch als diese Ära vorbei war lebte ihre
Zeit nicht wieder auf, sie bekamen ihre alten Güter nicht zurück.
Atmo:
Trotzdem versuchte ein Spross der Familie, der heute 75jährige Aladar
Zichy an die Landwirtschafts-Tradition seiner Vorfahren anzuknüpfen, er
hat einen Teil des alten Landes zurückgekauft und fürchtet erneut um
seinen Besitz…
REP 3: Landnahme - ein ungarischer Adeliger
fürchtet Staats-Feudalismus
Autor
Dr. Aladar Zichy, Landwirt in Sárhatvan,
zeigt sein Domizil. Mit ruhig gemessenem
Schritt und aufrechten Gang gäbe der
weißhaarige ältere Herr einen
standesgemässen Schlossherren ab. Sein
rotweiß-gestreiftes Hemd, die hellen Hosen
21
und die eleganten, handgenähten Schuhe
unterstreichen seine Erscheinung. Nur die
kleinen Abmessungen der Räumlichkeiten
passen nicht dazu…
Atmo/O-Ton 2
(Atmo, Zichy) Schauen Sie, das ist kein
Schloss, sondern das ist eines von den
Verwalterhäusern meines Urgroßvaters….
(Atmo läuft weiter)
Autor
Um 1880 haben meine Vorfahren dieses
Anwesen erbaut, erläutert der 75jährige. Die
Zichys waren damals adelige Feudalherren,
gehörten zu Ungarns Großgrundbesitzern.
Sie bewohnten prunkvolle Schlösser und
Palais in Wien und Budapest. Doch das ist
Geschichte, die Gegenwart fällt
bescheidener aus. Wie hier in dem soliden
aber schmucklosen Verwalterhaus.
O-Ton 1
(Zichy) Es ist entweder zu groß oder zu
klein: wenn ich alleine hier bin, wie heute, ist
es zu groß. Wenn meine Enkel kommen…
Dann ist es natürlich zu klein. Dann schlafen
wir überall, mit den Kindern.
Autor
Zichy zeigt sein Esszimmer. Auf einem weiß
eingedeckten Tisch stehen handbemalte
Schüsseln und Teller
O-Ton 2
(Zichy)… Das Porzellan, das hat meiner
Mutter gehört. Und dann kamen die
schweren Zeiten und eine von meinen
Lehrerinnen hat es versteckt. Und jetzt nach
vielen, vielen Jahren hat sie es
22
zurückgegeben.
Autor
1951 hatten die Kommunisten Ungarns
Großgrundbesitzer enteignet. Schickten
auch Grafen und Barone zur Zwangsarbeit
in die verstaatlichte Industrie und
Landwirtschaft. Der 12jährige Aladar und
seine jüngeren Geschwister wurden ins
Waisenhaus gesteckt. Später arbeitete der
Adelsspross als Kuhhirte. 1956 schließlich,
nach dem gescheiterten Aufstand gegen die
Kommunisten, flüchtete der junge Ungar
dann in den Westen, nach Österreich.
O-Ton 3
(Zichy) und dann habe ich die erste warme
Suppe im Keller von einem Schloss
bekommen, nicht wissend, dass das Schloss
meinem Urgroßvater gehörte. Und der
Schlossherr war mein Cousin.
Autor
Aladar Zichy blieb in Österreich. Ohne
Besitz aber mit guten Beziehungen – und
Ehrgeiz. Studierte Volkswirtschaft und
Soziologie in Wien, Paris und New-York.
Trat ab 1967 in den Dienst der UNO, als
Finanz- und Wirtschaftsberater. Verbrachte
viele Jahre in Afrika. 1990, gleich nach dem
Ende des Sozialismus, kam Aladar Zichy
dann zurück in das Land seiner Vorfahren.
23
Als Aufbauhelfer für Marktwirtschaft und
Demokratie.
Atmo 3
(Atmo) gehen in den Garten… Hund klafft...
Autor
Zichy bittet nach draussen in eine
schilfgras-gedeckte Laube, pflückt im
Vorbeigehen noch ein paar Birnen vom
Baum.
Atmo 4
(Atmo: Zichy kommt zurück mit den Birnen)
Die sind nicht gewaschen aber alle vom
Baum…
Autor
Rund 1000 Hektar Ackerland und Wald
bewirtschaftet der Pensionär heute rund um
Sárhatvan. Er hat es nach der Wende
gekauft. Denn das enteignete Eigentum
wurde in Ungarn nicht zurückgegeben. Der
Staat schickte lediglich ein
Entschuldigungsschreiben, dazu gab es auf
Antrag ein Gutschein: Eine kleine
Entschädigung verbunden mit einem
Vorkaufsrecht für Aktien der staatlichen
Betriebe und für Ländereien.
Atmo 5
Autor
Draußen (Taube ruft..)
Hauptsächlich Sonnenblumen und Mais
stehen heute auf Zichys Feldern. Schlechte
Monokultur, wie er selber sagt:
24
O-Ton 4
(Zichy) ich kam her mit großartigen Ideen mit Fruchtfolge. Es geht nicht, es funktioniert
nicht.
Autor
Der Preisdruck auf den Agrarmärkten ließen
seiner Meinung nach keine traditionellen
Methoden mehr zu. Zichy beißt in eine
Birne, greift zu seinem mitgebrachten
Ordner.
Atmo 6
(Zichy blättert in Unterlagen)
Autor
Eigentlich wolle er jetzt lieber von einer
anderen Sache erzählen, die ihn sehr
bewegt: Von dem ländlichen SparkassenVerbund, den er, Aladar Zichy, nach der
Wende in Ungarn wiederaufgebaut hat. Im
Auftrag und mit finanzieller Hilfe der EU.
Und so wurde ein genossenschaftlicher
Sparkassenverbund gegründet, wie die
Raiffeisenkassen in Österreich und
Deutschland, bei dem die Sparer, zumeist
Landwirte, auch Anteilseigner sind und
Mitspracherecht haben. Das hat den
zuständigen EU-Kommissar überzeugt:
O-Ton 5
(Zichy) bevor er weggegangen ist hat er
gesagt, das ist das beste Projekt in ganz
Ost-Europa!
Autor
Zichy zieht Grafiken und Tabellen aus dem
Ordner. Sie zeigen: Die kleinen
25
Genossenschafts- Sparkassen, die Takarék,
entwickelten sich gut. Sind in der
Finanzkrise sogar stabiler als die
kommerziellen Banken
O-Ton 6
(Zichy)… Ich hab das hier! Ich kann Ihnen
zeigen.… hier, hier! Das sind die Takarék.
Autor
Doch jetzt hat die Regierung von Viktor
Orbán beschlossen, dass der Staat dieses
dezentrale, demokratische Netzwerk
übernimmt. Sie behaupten, die kleinen
Sparkassen wären zu schwach, hätten keine
Zukunft und bräuchten staatliche Hilfe,
erregt sich der pensionierte Finanzexperte.
O-Ton 7
(Zichy, sehr erregt) die sind nicht gut genug,
ich will Ihnen helfen! Ich will sie verbessern!
Aber im Gesetz steht drin: nachher, wenn es
gut geht, will ich es, Staat, verkaufen! Steht
im Gesetz drin, ich zeige es Ihnen!
Autor
Erst verstaatlichen und dann erneut
privatisieren also.
O-Ton 8
(Zichy, sehr erregt) ja! Ja! Ohne die jetzigen
Besitzern, Privatleuten, wie ich auch, ich bin
Mitbesitzer - es wird einfach
weggenommen!…(klopft auf den Tisch) das
passiert jetzt, im so genannten
demokratischen Ungarn!
Autor
Er wolle keine Namen nennen, sagt Zichy,
aber einigen Leuten ginge es darum, bei der
Zerschlagung der kooperativen
26
Genossenschaftsbanken viel Geld zu
machen. In Ungarn herrsche heute eine
Mafia-Wirtschaft, schimpft Zichy. Aber er
werde das nicht hinnehmen, er werde sich
dagegen wehren. Obwohl er fürchte, dann
selbst in Schwierigkeiten zu geraten.
O-Ton 9
(Zichy) wenn man von den Kooperativen
wegnehmen kann, dann kann man vielleicht
von mir auch. Man wird mir helfen: man wird
sagen: Na, ja! Aber schließlich ist dieses
ungarische Land nicht wirklich effizient
genutzt, wir werden dir helfen! Wir geben dir
so und so viel Kapital und dann sind wir
mehrheitlich und dann werden wir diktieren!
Ja. Ja!
Autor
Eine Art staatlicher Feudalismus, murmelt
Aladar Zichy noch und klappt seinen Ordner
zu. Blickt aus seiner Laube über die Felder,
die sich vor dem Verwalterhaus erstrecken.
Er sieht jetzt ein wenig müde aus…
Musik
Mod 4:
In der EU sind immer mehr Agrarflächen in immer weniger Händen. Eine
Entwicklung
die auch
Ungarn
erfasst
hat.
Ein
internationales
Expertenteam stellte jüngst die Ergebnisse ihrer Analyse in Brüssel vor.
Demnach bewirtschaften in der EU zwar nur 3 Prozent der Betriebe mehr
27
als 100 Hektar, aber diese 3 Prozent verfügen über mehr als die Hälfte der
gesamten Ackerflächen. Diese Entwicklung, auch gefördert durch die
Subventionspolitik der EU, entzieht Kleinbauern ihre Existenzgrundlage,
sie werden vom Markt gedrängt. In Ungarn sind die Zahlen nach Angabe
der Studie besonders alarmierend. Dort haben nur 8,6 Prozent der
Landwirtschaftsbetriebe mehr als zwei Drittel, nämlich 72 Prozent, der
EU-Subventionen erhalten. Diesen Trend will die ungarische Regierung
stoppen. „Wir wollen den Kleinen eine Chance geben, damit sie besser
gedeihen. Und wir werden den Großgrundbesitz einschränken“. So
versprach es Ministerpräsident Orbán im Frühjahr 2013 bei der Tagung
des
ungarischen
Bauern-Verbandes.
Zweihunderttausend
Hektar
Agrarland aus einem „Nationalen Bodenfond“ soll nun ausschließlich an
einheimische Landwirte verpachtet werden, Exitenzgründer bevorzugt.
Atmo: Kinder, krähende Hähne....
Mit gesunden Lebensmitteln aus der heimischen Speisekammer statt mit
Importen, will Orbáns Regierung das Volk ernährt wissen. Die kleine
Farm der Familie Horvath könnte ein Musterbeispiel für die neue
ungarische Agrarpolitik abgeben. Gut fünfzig Kilometer südlich von
Budapest produziert sie Gemüse, Ziegenkäse und Obstsäfte für Bioläden
in der Hauptstadt. Zudem sind die Horvaths junge Existenzgründer…
REP 4:
Autor
Bio ohne Boden – Jungbäuerin kämpft um
ihre Existenz
Aron liebt es, zusammen mit seinem Vater
die zu Tiere füttern: Hühner und Gänse, ein
Schwein, ein paar Ziegen und zwei Pferde
müssen versorgt werden auf dem kleinen
28
Hof der Horvaths. Und das ist ein MännerJob, findet der Dreijährige.
Atmo 1
Autor
… Tiere füttern.
Arons Mutter kümmert sich dafür um den
Obst- und Gemüseanbau und um die
Bilanzen ihres Biohofes in. Vor einigen
Minuten ist sie in dem weinumrankten, alten
Bauernhaus der Familie Horvath
verschwunden.
Atmo 2
Autor
….Stimmen aus dem Haus
Sie wolle noch schnell ins Internet, hat sich
Judit Horvath entschuldigt, ein Gebot
abgeben für eine Landversteigerung. Jetzt
kommt sie kopfschüttelnd zurück.
O-Ton 1
Autor
(Judit) ungarisch
„Ausgeschrieben wurde diese 8 ha Land für
8 Millionen Forint, jetzt liegen die Gebote
schon bei 11 Millionen, also rund 4.800 Euro
pro Hektar“, sagt Judit. Sie versucht ein
29
Lächeln aber auf ihrer Stirn bleiben
Sorgenfalten. Agrarland wird immer knapper
und teurer, hier im Umland von Budapest.
Atmo 3
auf Horvath-Farm
Autor
Das geblümte Kleid, die Perlenkette, ihr
elegant frisierter Pagenkopf – wie eine
typische ungarische Landfrau sieht die
gelernte Agraringenieurin nicht aus. Viele
Jahre arbeitete die Budapesterin als
Dozentin an der Agrarhochschule und als
Beraterin für landwirtschaftliche
Kleinbetriebe. Vor knapp drei Jahren
beschlossen sie und ihr Mann, ein
arbeitsloser Akademiker , selbst Bauern zu
werden. Hier, in Tabajd, im ländlichen
Komitat Fejér, wo sie schon seit zehn
Jahren leben.
Atmo 4
auf dem Hof
Autor
„Ein kleiner Öko-Bauernhof, das war schon
lange unser Traum“, sagt Judit. Da passte
es gut, dass die neue Regierung von Viktor
30
Orbán ein spezielles Förderprogramm für
junge landwirtschaftliche Existenzgründer
auflegte, mit Hilfe von Geldern aus der EU.
Atmo 4
auf dem Hof
Autor
Judit will noch mal raus auf das Gemüsefeld.
Aaron muss mit.
Atmo 5
Autotür klappt zu…Stimme des kleinen
Jungen… Judit Horvath schließt die Tür des
eingezäunten Garten Geländes auf…
Autor
Das Gemüsefeld der Horvath-Farm liegt ein
paar hundert Meter unterhalb des Dorfes. Es
ist mit einem hohen Maschendraht umzäunt.
Dahinter wedelt ein junger, weißer Hund
freudig mit dem Schwanz.
O-Ton 2
Ungarisch. Judit Horvath erzählt etwas…
Autor
„Den Hund haben wir neu“, sagt Judit und
schließt das Tor zu ihrem eingezäunten
Gemüsefeld auf. „Den Zaun haben wir auch
erst jetzt gebaut“. Das Gemüse der HorvathFarm ist sehr begehrt, nicht nur in
Budapester Bioläden – auch bei manchen
Nachbarn im Dorf.
Tomaten, Gurken,
Paprika, Aubergine reifen hier gut. Und jetzt
31
auch noch süße Honigmelonen. Aber das
Feld misst gerade mal 1500 Quadratmeter –
so viel wie ein größerer Garten.“ Wir düngen
hier nur mit dem Mist von unseren Tieren“.
Judit bückt sich, greift ein Häufchen des
trockenen Bodens, lässt ihn durch die Finger
rieseln
O-Ton 4
Ungarisch mit Overvoice (Judit) Das hier
ist Schwarzerde-Boden. Leider wegen der
schlechten Bewässerung etwas staubig
geworden. ... Von der Qualität her ist er aber
sehr gut.
Autor
Die Bewässerung ihres Gemüsefeldes
besorgen die Horvaths jeden Morgen in aller
Herrgottsfrühe – per Hand. Ein
automatisches Bewässerungssystem - im
Gartenbau eigentlich unerlässlich - gibt es
hier nicht. Denn dafür fehlt das Geld.
„Eigentlich wollten wir die
Bewässerungsanlage aus den staatlichen
Fördermitteln für Existenzgründer
anschaffen“, sagt Judit. Doch dann reichten
die bewilligten 9,5 Millionen Forint, gut
32Tausend Euro, doch nicht aus.
O-Ton 5
Ungarisch mit Overvoice. (Judit) Ich habe
diese Folienkonstruktion für ca. 1,5-2 Mill
32
Forint gebraucht gekauft, außerdem habe
1,5 Hektar Ackerland hier in der Nähe
erworben, ich pachte eine Weide, ein Jahr
lang habe ich einen Angestellten beschäftigt
und ein Drittel davon habe ich dem Staat
zurückgegeben (lacht bitter).
Autor
Ein Drittel der überwiegend europäischen
Fördermittel kassierte der ungarische Staat
als Steuern wieder ein. Damit hatte die
erfahrene Agrarberaterin nicht gerechnet.
Atmo 6
…auf Feld, Trecker fährt vorbei
Autor
Der Traktorfahrer, ein Bauer aus der
Nachbarschaft, grüßt im Vorbeifahren. Judit
nickt zurück. Traurig blickt die junge
Ökobäuerin dann auf ihre ziemlich kleinen
Auberginen, bückt sich, knippst mit kräftigen
Fingern einen überflüssigen Nebentrieb ab.
Atmo 7
(Atmo: Judit hustet heiser)
Autor
„Die fehlende Bewässerungsanlage ist nicht
unser größtes Problem“, sagt sie, „sondern
das fehlende Land“. Immer wieder hatte die
Orbán-Regierung öffentlich beteuert, dass
junge Existenzgründer und kleine
33
Familienbetriebe bei der Verpachtung von
staatlichen Agrarland aus dem sogenannten
„Nationalen Bodenfonds“ vorrangig bedacht
werden.
O-Ton 6
Ungarisch mit Overvoice.(Judit) Ja, ich
habe mich auch darauf verlassen und
meinen Antrag gestellt: Vor Ort wohnhaft,
Jungbäuerin, qualifiziert, Mutter mit drei
Kindern, routiniert - nach all den Jahren. Ja,
ich habe mich auf die Slogans und die
offiziellen Richtlinien der nationalen
Bodenpolitik verlassen, aber in der Praxis
funktioniert es nicht
Autor
Die Vergabe-Praxis der Pachtverträge für
das staatliche Agrarland ist nicht transparent
und voller Widersprüche, sagt die
Agraringenieurin.
O-Ton 7
Ungarisch mit Overvoice (Judit). Als ich
meinen Antrag eingereicht habe, haben sie
am selben Tag, ein paar Stunden später die
Ausschreibung ohne Begründung
zurückgezogen und mir mitgeteilt, dass mein
Antrag ungültig ist.
Autor
Dies kein Einzelschicksal. Auch andere
Kleinbetriebe gingen leer aus bei der
Landverpachtung. Statt dessen konnten
sich vor allem Großbauern mit guten
Beziehungen zu Orbáns Fidesz-Partei aus
dem Nationalem Bodenfonds mit günstigen
34
Pachtverträgen bedienen. So stellte es
inzwischen ein Untersuchungsbericht für das
Komitat Fejér fest.
Atmo
Trecker fährt vorbei, Judit hustet heiser
Autor
Angefertigt hat den kritischen Bericht
ausgerechnet der Urheber von Orbáns
Kleinbauern-Förderprogramm, der
Agrarwissenschaftler Jozsef Angyan. Aus
Protest gegen diese skandalöse AmigoWirtschaft bei der Landvergabe trat der
Professor von seinem Amt als
Landwirtschafts-Staatssekretär zurück.
Sogar seine Mitgliedschaft in Orbáns
Fidesz-Partei kündigte er auf. Die Familie
Horvath dagegen muss weitermachen mit
ihrer kleinen Öko-Farm.
O-Ton 7
Ungarisch mit Overvoice (Judit) Ich bin
dazu gezwungen, durchzuhalten. Denn die
Förderperiode dauert bis zum 31. Dez 2015.
Wenn nicht, dann muss ich das ganze
staatliche Fördergeld plus Zinsen
zurückzahlen. Ich muss also weitermachen egal ob ich es will oder nicht.
Autor
Damit der kleine Biobetrieb auch ohne das
dringend benötigte Land über die Runden
35
kommt, berät die junge Agraringenieurin
jetzt andere Landwirte bei Förderanträgen.
Sie bietet im nahe gelegenen Budapest
Ayurveda-Massagen an und züchtet in ihrem
Keller Pilze. „Von den Pilzen habe ich leider
eine Allergie bekommen“, sagt Judit Horvath
traurig.
Atmo
(Judit hustet heiser) 2:28 Schritte,
Kinderstimme
Lit 3:
( S.29)
Der Gutsherr, ein achtzigjähriger Greis,
saß in einer abgewetzten ungarischen
Tracht in einem Lehnstuhl und rauchte
Pfeife. Gleichmütig betrachtete er den
Eindringling, der kurz gegrüßt hatte und
vor ihm stehengeblieben war.
„Was willst Du?“ fragte er barsch. (…)
„Meine Mutter läßt sagen, dass Herr Pál
Gelencsy noch heute Tószeg dem Gyula
Varga zur Pacht gibt.“
„So? Hm.“ Der Alte stopfte mit seinem
schwarzen Zeigefinger die feurige Asche
in der Pfeife fest. „Nun, ich verehre deine
Mutter mein lieber Sohn, aber sie kommt
reichlich spät mit ihrer Botschaft.
Schade, dass du ihr nicht sagtest, was du
gestern von mir gehört hast. Ich habe
nämlich bereits gestern Toszég dem
36
Samu Schwarz versprochen.“
„Und wenn!“ brüllte der Bauer und
schlug mit solcher Wucht auf den Tisch,
dass das dicke Eichenbrett barst. „Einst
haben Sie meiner Mutter ihr Versprechen
gegeben. Damals haben Sie ihr Wort
nicht gehalten, und jetzt werden Sie es
ebenfalls nicht halten!“ (…)
Der Gutsherr saß ruhig in seinem Sessel,
nicht eine Muskelfaser zuckte in seinem
Gesicht.
„Nun rück schon heraus mit der Sprache,
was habe ich denn deiner Mutter
versprochen?“ fragte er ironisch, aber
ernst.
„Ein buntes Seidentuch!“ zischte der
Bauer.
Der Alte überlegte. (…)Mal blinzelte er,
mal zog er die Braunen zusammen.
Endlich sagte er: „Nun freilich. Wenn sie
das Tuch nicht bekommen hat dann steht
ihr noch was zu…“. Dann fragte er den
Bauern schroff: „Wirst Du auch zahlen,
was mir der Jude versprochen hat?“
Die Augen des Bauern sprühten Funken
vor Zorn. Am liebsten hätte er dem alten
Strolch die ganze Wahrheit ins Gesicht
geschleudert … Doch letztlich siegte das
Blut der Mutter in seinen Adern. Das
Bauernblut.
„Was nun?“ herrschte ihn der Alte wieder
an.‘
Der Bauer senkte den Kopf, sein Gesicht
war vom aufwallenden Blut blau
37
angelaufen.
„Wenn der die Pacht zahlen kann, dann
wird ich´s wohl auch können …“
„Dann ist ja alles in Ordnung. Geh hin
zum Verwalter.“
Der Alte griff nach seiner Tabakpfeife und
beachtete den Bauern nicht mehr.
Musik
Mod 5:
Ob Ungarns Agrarpolitik mit europäischem-Recht zu vereinbaren ist,
wird noch diskutiert. Doch Kritik kommt nicht nur aus Brüssel, sondern
auch von der linken Opposition in Budapest. Die werfen der
nationalkonservativen Regierung vor, dass die staatlich enteigneten
Flächen nicht etwa an Kleinbauern verpachtet werden, sondern an
Verwandte und Freunde der Fidesz-Funktionäre
Atmo : Tierstimmen
Versteckt zwischen zwei grasbewachsenen Hügelketten und nur über
einen langen Schotterweg zu erreichen, liegt die Bolya-Ranch. . Benannt
nach einem Cousin des heiligen König Stephan. Die gepflegte Ranch im
nordostungarischen Komitat Heves, sieht aus wie eine idealisierte Version
aus vergangenen Zeiten: Pferde und Esel grasen auf den Koppeln, es gibt
Schweine,
Kühe,
allerlei
Federvieh,
einen
großen
Obst-
und
Gemüsegarten sowie einen Fischteich.
Das abgelegene Anwesen wird streng bewacht: Elf weiße Komondoren –
große altungarische Hirtenhunde – sind in Hütten auf dem Gelände
stationiert. Einst war das Land rund um die Bolya-Ranch im FamilienBesitz des heiligen Stefan. Heute gehört hier alles einem jungen
38
Geschäftsmann aus Tarnalelesz.
REP 5
(K)ein grüner Baron – ein Unternehmer
entdeckt die Landwirtschaft
O-Ton 1
(Bozó) ungarisch
Autor
„Das hier ist unsere Schänke, offiziell heißt
es „das Weinhaus““, Oliver Bozó steht vor
einem niedrigen, schilfgedeckten Gebäude
aus unverputztem Naturstein, zeigt auf die
hölzerne Flügeltür. Sie ist ein
kunsthandwerkliches Meisterstück: Verziert
mit handgeschnitzten Tier- und
Pflanzenmotiven.
O-Ton 2
(Bozó).ungarisch
Autor
„Diese Türen haben wir extra für uns
anfertigen lassen. Ein alter Tischlermeister
aus Siebenbürgen hat sie hergestellt.“
Olivér Bozó streicht über das Relief eines
ungarischen Graurindes. Der schlanke
38jährige trägt Jeans und Polohemd. Seine
mit bedacht formulierten Sätze lassen ihn
zurückhaltend fast ein wenig schüchtern
erscheinen. Aber seine wachen blauen
Augen mustern die fremden Besucher
genau. Alles ist hier in einem authentischen,
39
altungarischen Stil. gebaut – nicht wahr?
Bozó nickt, nun zeigt sich ein Lächeln auf
seinem runden, rotwangigen Gesicht.
O-Ton 4
Ungarisch mit Overvoice (Bozó) Es freut
mich sehr, dass sie das bemerkt haben. Das
war mein Ziel, alles zu traditionell wie
möglich und aus natürlichen Baustoffen zu
errichten. Zum Beispiel haben wir bei den
Stallgebäuden weit gehend auf Metall
verzichtet. In dieser Scheune dort zum
Beispiel haben wir runde Balken verbaut, so
wie es traditionell war und wie man das Holz
der Natur vorfindet.
Autor
Bozó nimmt einen Schluck Wasser, lässt
den Blick über sein Anwesen wandern. Es
ist alles neu: Das eidottergelbe Bauernhaus
mit mächtigem Säulenportal und der
Solarstrom-Anlage, die Viehställe und
Scheunen aus Akazienholz, der Obst- und
Gemüsegarten, der Fischteich und die
hölzernen Koppelzäune, die kilometerlang
von dem hügeligem Weideland Besitz
ergreifen. Auch bei den Tieren, die auf der
Boya-Ranch gehalten werden, spielt die
Tradition eine wichtige Rolle.
O-Ton 5
Ungarisch/Overvoice(Bozó) Als Nutztiere
halten wir hier ungarische Graurinder.
Außerdem - denke ich - sind alle Tierarten
hier vorzufinden, die charakteristisch für
Ungarn sind. Aber wir halten sie nicht zu
Produktionszwecken sondern als
Sehenswürdigkeit: Verschiedene
Pferderassen – Lipizaner und Magyar
40
Sodrott, eine Kreuzung aus Warm- und
Kaltblütern, Esel, Hühner, Enten, Gänse
mehrere Putenrassen. Meiner Meinung nach
sind hier alle Tierrassen vertreten, die zu so
einem Familienbauernhof gehören…
Autor
Bewirtschaftet wird die Boya-Ranch
allerdings nicht von der Familie Bozó
sondern von einem jungen Verwalter-Paar
aus dem rumänischen Siebenbürgen. Oivér
Bozó selbst ist kein Landwirt. Aber wann
immer es seine Zeit erlaubt, kommt er mit
seinem schwedischen Geländewagen auf
die abgelegene Ranch heraus gefahren, um
nach dem Rechten zu schauen. „Der
Bauernhof ist mein Hobby“, sagt er, „und ein
Kindheitstraum“. Statt Bauer lernte Bozó
Buchhalter, wurde erfolgreicher
Unternehmer in der Forst- und Holzbranche.
Aber die Verbindung zur Landwirtschaft war
da, sagt er:
O-Ton
Ungarisch/Overvoice (Bozó)..Unsere
Familie ist eine alte, eingesessene
Landwirtsfamilie. Aber nach dem Ende des
Sozialismus, als die Landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaften aufgelöst
wurden, bzw. in Konkurs gingen, wurde die
Agrarwirtschaft in dieser Region komplett
eingestellt. Eine ökonomische
Betriebsführung war vor allem wegen der
minderwertigen Böden nicht mehr möglich.
Auch meine Familie hat ihre bäuerliche
41
Tätigkeit damals aufgegeben. 20 Jahre lang
war der Hund das größte Haustier bei uns.
Erst nach der Einführung des neuen
Systems, des EU-Systems, ließen wir die
Landwirtschaft wieder aufleben.
Autor
Mit Ungarns Beitritt zur Europäischen Union,
2004, eröffnen sich neue landwirtschaftliche
Perspektiven - auch für wenig fruchtbare
Regionen. Nun kann jeder, der Agrarland
besitzt, Fördergeld aus Brüssel bekommen.
Für viele der sogenannten Direktbeihilfen ist
es unerheblich, was auf dem Boden
produziert wird. Oder ob überhaupt etwas
produziert wird. Es zählt allein die
Flächengröße. Ein Glück für die Familie
Bozó mit ihrem riesigen Landbesitz von
rund 2000 Hektar. Gleich nach der Wende
hatten sie in der ganzen Region Wald- und
Ackerflächen aufgekauft - zu sehr günstigen
Preisen, wie Ranch-Besitzer Bozó sagt:
O-Ton 7
(Bozó) Nach der Wende, Anfang der 90er
Jahre wollten die Leute hier von ihrem
Landbesitz nichts wissen, bzw. ihn eher
loswerden. Diese Einstellung hat sich in
letzter allerdings Zeit geändert.
Autor
Ab 2007 steigt der gelernte Buchhalter und
Holzunternehmer zusammen mit seinem
Bruder in die Landwirtschaft ein. Beginnt mit
42
der stilvollen Neuerrichtung der schon 1993
erworbenen, aber völlig vergammelten
Boya-Ranch, baut eine kleine Herde von
160 ungarischen Graurindern auf und
bekommt nun für Investitionen und
Landschaftspflege Geld aus europäischen
und nationalen Agrarfördertöpfen. Rund eine
halbe Million Euro in fünf Jahren, so ist es
auf den Internetseiten des
Agrarministeriums nachzulesen. In Ungarn
werden alle Agrarsubventionsempfänger mit
Namen und Adresse veröffentlicht.
Atmo:
Wasser eingießen in Glas … ein Lkw mit
Heuballen fährt vorbei…
Autor
Olivér Bozó gießt sich noch ein Glas Wasser
ein. Schaut zu dem großen LKW, der mit
frisch gemähten Heuballen über den Hof
fährt. Der Truck gehört zu seinem HolzFuhrunternehmen. Das Heu ist Winterfutter
für die Rinder. Leider bringen die einzigen
Nutztiere auf seiner schönen Ranch bisher
noch keinen Gewinn, räumt der
erfolgsverwöhnte Geschäftsmann ein.
O-Ton
Ungarisch/Overvoice
(Bozó stöhnt) …
Das ist sehr schwer.....ich würde die
Landwirtschaft nicht als dominanter
Wirtschaftszweig bezeichnen,aber sie passt
43
gut zu unseren anderen Unternehmen.
Autor
Die Bretter und Balken für die Scheunen und
Ställe für Bozós Ranch und für die
kilometerlangen Weidezäune – werden in
Bozós Sägewerk hergestellt. Das Holz dafür
kommt aus seinen Wäldern. Eine profitable
Wertschöpfungskette für den
Großgrundbesitzer. Sie sorgt aber auch für
Arbeit in der wirtschaftlich sonst
abgehängten Region.
Atmo
Truck mit Heu fährt vorbei
Autor
„Grüne Barone“ werden die neuen
Großgrundbesitzer von vielen Ungarn
genannt. Landkäufer, die es vor allem auf
die Agrarsubventionen abgesehen haben.
Ist Oliver Bozó nicht einer von ihnen? Der
junge Eigentümer der Boya-Ranch schiebt
sein Wasserglas zur Seite. Seine Stirn zieht
sich kraus. Seine blauen Augen fixieren ihr
Gegenüber.
O-Ton 8
Ungarisch/Overvoice
(Bozó) Falls Sie
bei grünen Baronen an solche Leute
denken, die das Land gekauft oder
gepachtet haben, ohne darauf effektive
landwirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, will
ich auf gar keinen Fall, dass jemand mir das
unterstellt.
44
Autor
Der gelernte Buchhalter macht jetzt sogar
noch eine Ausbildung zum Agrarwirt – per
Fernstudium. Denn nur qualifizierte
Landwirte dürfen in Ungarn zukünftig noch
größere Agrarflächen kaufen oder pachtenso will es das neue Bodengesetz der
Regierung von Viktor Orbán.
Musik
„Boden Bauern und Barone – Ringen um Ungarns Agrarland“
Eine Sendung von Jan-Uwe Stahr.
Die Musikauswahl traf Babette Michel
Redaktion und Moderation: Britta Fecke
Sie hörten eine Wiederholung aus dem Jahr 2013
45