LOKALES EK Nr. 36, Samstag/Sonntag, 13./14. Februar 2016 29 Waldspaziergang der besonderen Art: Jeden Karfreitag schauen sich die Seuversholzer Jagdgenossen ihren Wald ganz genau an, gemeinsam mit Förster Peter Wohlfahrt und ihren Jägern. Der Wildverbiss ist deutlich zurückgegangen, sagen sie. Die jungen Bäumchen kommen durch, die Naturverjüngung des Waldes funktioniert. Foto: Breitenhuber Bauern holen sich das Jagdrecht zurück Seuversholz (EK) Bis vor fünf Jahren lief in Seuversholz (Gemeinde Pollenfeld) alles wie überall: Die Grundstücksbesitzer, die allesamt automatisch in der Jagdgenossenschaft organisiert sind, verpachteten alle neun Jahre das angestammte Jagdrecht auf ihrer Flur an den Jäger und hatten fortan nicht mehr viel mit der Sache zu schaffen. Der Jäger hegVon Richard Auer te und pflegte und schoss das Wild, und trotzdem hatte der Jungwald ohne Umzäunung so gut wie keine Chance gegen den Verbiss durch die allgegenwärtigen Rehe. Als man aber bei den Verhandlungen über die Neuverpachtung mit den beiden bisherigen Jägern nicht mehr handelseinig wurde – die beiden wollten deutlich weniger Pacht zahlen –, stellten sich die Jagdgenossen unter der langjährigen Führung von Konrad Breitenhuber auf eigene Beine. Die Bauern beschlossen, ihr Jagdrecht zurückzuholen, zu behalten. „Wir haben eine schöne, waldreiche Flur. Ein Drittel ist Wald, es gibt relativ viele Wiesen“, sagt Breitenhuber. „Und trotzdem wollten die den Wissen, was sie wollen: der Vorstand der Jagdgenossenschaft Seuversholz (von links Leonhard Pachtpreis um knapp die HälfSchlamp, Nikolaus Schneider, Martin Pfaller und Konrad Breitenhuber) mit den Jägern Herbert te reduzieren.“ Beisitzer MarHufsky (2. von rechts) und Michael Eichenseer (rechts) bei der Planung einer Saujagd. Foto: Auer tin Pfaller pflichtet bei: „Wir haben permanent zu hören bekommen, wie schlecht unser Revier ist.“ Die Genossen hörten sich das eine Weile an, dann machten sie sich über das Thema „Eigenbewirtschaftung“ schlau. Breitenhuber hatte schon lange die Streitigkeiten zwischen Jägern und Förstern über zu hohen Wildverbiss im EICHSTÄTTER KURIER verfolgt, Wildverbiss war auch in Seuversholz ein großes Problem, und so kam die Idee auf, sich Jäger auf Anstellungsbasis und Aus Lärchenholz gezimmert stehen die Drückjagdstände in Reih und Glied und warten auf den mit Jahresvertrag in die Flur zu Abtransport. Angefertigt haben sie nicht die Jäger, sondern die Jagdgenossen. Foto: Breitenhuber holen. Im bayerischen Voralpenland hat diese Art der Jägerei Tradition, und so fuhFünf Jahre lang betreiben die es ohne Zaun gar nicht ge- immer dieselben Stellen unren die Seuversholzer nach Seuvershol- geben.“ Heute zeichne sich bei ter die Lupe genommen. Der Griesstätt bei Rosenheim, wo selbstbewussten es das Modell schon seit 18 Jah- zer, etwa 60 ortsansässige Bür- allen Baumarten eine deutli- Verbiss nimmt tatsächlich ab. ren gibt. „Da hat man eine ger, nun schon die Jagd in Ei- che Verbesserung ab, auch die Die Seuversholzer sind seit„Überzeugungstäter“. genregie, und der Vorstand Tanne verjünge sich ohne Zaun. dem Wahnsinns-Naturverjüngung zieht bei einem „Das bestätigt uns auch der Konrad Breitenhuber sagt: „Die gesehen“, erFörster“, sagt Pfaller. „Man einhellige Meinung der JagdPressegespräch zählt Martin gemeinsam mit sieht, dass die Naturverjün- vorstandschaft und vieler JagdPfaller begeis- „Man fühlt sich als den beiden an- gung funktioniert. Das Holz genossen ist die, dass wir uns tert, berichtet Jäger nicht so frei. gestellten Jägern kommt von allein.“ Ziel sei, ei- eine Verpachtung nicht mehr aber von einer großen Skepsis Das ist wie ein Ange- Michael Eichen- nes Tages ganz vom System der vorstellen können.“ Die Arbeit für die Jagdgeseer (Ingolstadt- Neupflanzung wegzukommen. der Teilnehmer: stelltenverhältnis; Dünzlau) und Schon verzichten die ersten nossenschaft allerdings nimmt „Sind wir geHufsky Bauern probeweise auf die Ein- im gleichen Maße zu. Die Seuscheiter als alle diese Einschränkung Herbert (Ingolstadt) zum zäunung von kleineren An- versholzer kümmern sich nämanderen?“ ist nicht immer ersten Mal Bi- pflanzungen – aber dafür lich schlichtweg um alles. Sie Am Ende entlanz. Ihre wich- braucht’s auch in Seuversholz bauen die Jägerstände und stelschied sich die angenehm.“ len sie auf, sie erstellen zutigste Aussage: Der noch Mut. MitgliederverMichael Eichenseer Die Seuversholzer Jagdge- sammen mit den Jägern den Wildverbiss in den sammlung für die Jäger in Seuversholz nossen betonen, dass sie ihre Abschussplan fürs Jagdgebiet, Bauernwäldern Einführung des sei schon nach Aussagen beweisen können. sie organisieren auch – ganz akGriesstätter Jagdmodells, und entschei- kurzer Zeit deutlich zurück- Einmal im Jahr, immer am Kar- tuell – zusammen mit dem Jädend war dafür der gute Zu- gegangen. „Früher war bei uns freitag nach der Kreuzweg- ger des Nachbarreviers Peeine stand des Waldes, wo junge klar, dass ohne Zaun gar nichts andacht, begehen sie mit Förs- tersbuch-Heiligenkreuz Bäumchen ganz selbstver- geht, sowohl bei Fichten wie ter und Jäger den Wald. Das Drückjagd auf Wildschweine. bei Buchen. Und Tannen hat hat Tradition, und es werden Sie kümmern sich selbst um ständlich überleben. Das gibt es nur ein einziges Mal in der Region Ingolstadt: Die Seuversholzer Jagdgenossen verpachten ihre Flur nicht wie üblich an Jäger, sondern organisieren die Jägerei komplett selbst – mit „angestellten“ Jägern. Seit fünf Jahren läuft das schon. Die Seuversholzer sind vom Erfolg überzeugt. die Regulierung von Wildschä- verständnis: „Man fühlt sich als den. Und: Sie vermarkten das Jäger nicht so frei. Das ist wie Fleisch des erlegten Wildes ein Angestelltenverhältnis, und komplett selbst. Jagdvorsteher diese Einschränkung ist nicht Breitenhuber hat das als rich- immer angenehm.“ Auch bei tiges, privates Unternehmen den anderen Jägern gibt es unübernommen, weil er bereits übersehbare Vorbehalte geeine Saftmosterei betreibt und genüber den beiden Kollegen, dadurch einen Hofladen hat. die sich da von den Bauern so Dort gibt es das Wildfleisch – deutlich in die Pflicht nehReh und Wildschwein – aus der men lassen. Und es kann sein, eigenen Flur dass sogar das ganzjährig aus „Meine Vorstellung unfreundliche dem WildkühlWort „Knecht“ schrank oder ist: Man soll eine fällt. „Die Akzeptiefgefroren in Jagdgenossenschaft tanz bei anderen HaushaltsportiJägern ist schwieonen zum Kauf. führen wie ein gutes rig, das ist für uns Die Jäger haben Unternehmen.“ zwei schon ein mit dem Verkauf bisschen blöd“, nichts mehr zu Konrad Breitenhuber sagt Eichenseer. Jagdvorstand Seuversholz Eine tun. Einladung Aber wie geht von Kollegen zur es den Jägern dabei? Michael Treibjagd – nach SeuversEichenseer hat sich eine klei- holz? Da muss er sich auf die ne Liste mit Pro und Kontra an- ein oder andere höfliche Abgelegt. Auf der Habenseite steht sage gefasst machen. Das muss für ihn ein entspannteres Ver- man erst einmal aushalten hältnis zu den Grundstücks- können – zumal nicht zu überbesitzern, wenn die letzte Ver- sehen ist, dass Jagdvorstand antwortung bei der Jagdge- Konrad Breitenhuber eine sehr nossenschaft liegt. Der Bau von klare Vorstellung von Wald- und 25 nagelneuen Kanzeln vor zwei Wildmanagement hat. „Meine Jahren – top Qualität aus Lär- Vorstellung ist: Man soll eine chenholz – ist gleichfalls ein di- Jagdgenossenschaft führen wie ckes Plus, und ein gutes Unterzeigt, wie gut die nehmen.“ Kooperation ist: „Man sieht, dass die Unter diesen „Eine so große Naturverjüngung Vorzeichen ist Nähe zu den klar, dass die Eifunktioniert. Jagdgenossen genbewirtschafhatten wir als Jä- Das Holz kommt tung eine kniffger noch nie“, lige Sache ist – für sagt Eichenseer. von allein.“ Bauern wie für JäUnd das neue Martin Pfaller, Beisitzer ger. „GegenseitiSystem kommt der Jagdgenossenschaft ger Respekt und die Jäger finan- Seuversholz Wertschätzung ziell deutlich sind wichtig“, sagt günstiger als früher die Pacht. Eichenseer. Und Martin PfalKurzum: Eichenseer und Huf- ler von den Jagdgenossen besky sparen vor allem Zeit und tont: „Wenn jeder anerkennt, Geld. „Uns bleibt die Zeit wirk- was der andere macht, und lich zum Bejagen des Wal- wenn jeder seinen Part erdes.“ füllt, dann ist das eine Win-winAber die Sache hat auch Situation.“ Und wenn nicht? Die Schattenseiten für die Jäger: Der Jäger Hufsky und Eichenseer Erfolgsdruck und der Erwar- sind erst vor einem Jahr in Seutungsdruck der Waldbesitzer – versholz angetreten. Für ihund des Wildbret-Verkäufers ren Vorgänger im Dienste der Breitenhuber (zum Beispiel Bauern, auch das gehört zu diekurz vor Weihnachten) – sei ser Geschichte, war am Ende groß. Das größte Problem aber auf Dauer doch nicht alles „im sieht Eichenseer im Selbst- grünen Bereich“ gewesen. Weidmannsheil: die Jäger Michael Eichenseer (links) und Herbert Hufsky mit einem erlegten Wildschwein – aufgehängt im Schlachtraum auf dem Hof von Jagdvorstand Konrad Breitenhuber. Foto: Breitenhuber
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