Schweizer Familie April 2015

SCHÖNER LEBEN
Anna Saarinen
Teppich «Paperi», dunkelrot (oben links), Papier und
Baumwolle, 80 × 185 cm,
870 Fr. Teppich «Onni»,
blau-weiss-grau (unten
links), 100 % Baumwolle,
75 × 170 cm, 690 Fr.
SCHMUCKER BODEN
unter den Füssen
Aus Seide oder Wolle, gewoben oder geknüpft: Handgefertigte
TEPPICHE verschönern das Zuhause. Wir stellen zwei Frauen und
einen Mann vor, die das kunstvolle Metier pflegen.
Text Nicole Tabanyi Fotos Christine Benz
Anna Saarinen
fertigt Teppiche an
ihrem Webstuhl.
ANNA SAARINEN, 57
ZÜR ICH
i
m Sommer ist hier viel
los», sagt Anna Saarinen,
57, die seit fünf Jahren in der
Altstadt von Zürich Teppiche
webt. Mittags eilen die Leute
hungrig an ihrem Atelier
vorbei – in den Garten der
Wirtschaft Neumarkt. «Auf
dem Rückweg entdecken sie
mich durch das geöffnete
Fenster. Sehen mich weben
und werden neugierig.»
In Anna Saarinens Atelier,
das Büro, Showroom und
Geschäft ist, finden Passan­
ten finnische Teppiche in
allen möglichen Grössen und
Farben. Und da sie alle
waschbar sind, passen sie
auch in die Küche und ins
Bad. «Bei uns in Finnland
haben wir die Teppiche
früher am See oder am Fluss
gewaschen. Heute kommen
sie in die Waschmaschine»,
sagt Anna Saarinen. Vor
30 Jahren kam die Textildesi­
gnerin von Janakkala nach
Zürich. Seit 2010 widmet sie
sich ihren Teppichen. «Das
ist ein Eisblau», sagt Anna
Saarinen und zeigt
auf einen Teppich
aus Jersey, den
man auch in
Rostrot bestellen
kann. Andere
Teppiche versieht
sie mit finnischen
Mustern, aller­
dings modern
interpretiert.
Manche Teppiche
webt sie sogar aus
Papier. Die Kunst
des Teppichwebens
hat in Finnland
eine lange Tradi­
tion. Auch Anna
Saarinen stammt
Teppich «Värikäs»,
100 % Baumwolle,
75 × 150 cm, 490 Fr.
«IN MEINER finnischen
Familie haben die Frauen alles
Mögliche GEWOBEN.»
aus einer Familie, «in der
Frauen alles Mögliche
gewoben haben». Als ihr
Urgrossvater Kyösti Kallio
1937 finnischer Staatspräsi­
dent wurde, folgte ihm seine
Frau Kaisa nur unter der
Bedingung in den Präsiden­
tenpalast nach Helsinki, dass
sie ihren Webstuhl mitneh­
men durfte. «Das machte den
Umzug erträglicher», sagt die
Urenkelin. Der Teppich, den
sie derzeit webt, heisst «Ilta».
Das ist Finnisch und bedeu­
tet Abend.
Adresse
Atelier & Showroom,
Neumarkt 3, 8001 Zürich. Di bis
Fr, 10 bis 18.30 Uhr. Sa, 10 bis
16 Uhr. Tel. 079 249 71 11.
Für Beratung vorher anrufen.
www.annasaarinen.ch
Schweizer Familie 16/2015
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SCHÖNER LEBEN
SALOMÉ BÄUMLIN, 35
Teppich «Nach
der Kälte», in
Marokko handgeknüpft, Hochflor,
117 × 167 cm,
8300 Fr.
Salomé Bäumlin
Teppich «Störung»
(die Designerin ist
darin eingewickelt),
Wolle, 100 × 120 cm,
5600 Fr. Teppich
«Grau» (an der Wand),
Wolle naturbelassen,
120 × 210 cm, 6300 Fr.
BER N
s
alomé Bäumlins Wandund Bodenteppiche sind
voller Details. Der eine zum
Beispiel besteht aus mindes­
tens acht verschiedenen
Schwarztönen und ist mit
knallbunten Zotteln ver­
sehen, die dem Teppich eine
zuckersüsse Note verleihen.
Auf einem anderen – Grund­
farbe Beige-Weiss – sind
Linien zu sehen, in Blau,
Grün und Braun, die sich wie
Spuren in einer Sandwüste
verlieren. «Wir färben
die Schafwolle mit Indigo,
Avocado und Kaffee. Mit
Zwiebeln, Lorbeer, Ginster,
Granatäpfeln, Rotholz,
Randen und Russ», sagt
Salomé Bäumlin, 35, in
ihrem kleinen Atelier in
Bern. An ihren Turnschuhen
klebt immer noch etwas Sand
von ihrer letzten Reise nach
Marokko. Dort, wo inzwi­
schen 17 Frauen vom Stamm
der Ait Tamassin für die
Designerin und Künstlerin
Teppiche knüpfen und
weben. Mitten im Hohen
Atlas. Im abgelegenen Bergund Berberdorf Anzal. In
einer Landschaft, die karg ist
und in der Teppiche mehrere
Leben haben: Sie hängen als
Zierde an der Wand, oder
man schläft auf ihnen. Findet
im Dorf eine Hochzeit statt,
nimmt man ihn kurzerhand
mit und setzt sich drauf. Und
ist der Teppich mal beschä­
«DIE ELEMENTE Wasser, Erde,
Luft, Feuer und Metall SIND IN
MAROKKO unmittelbar erlebbar.»
digt, wird ein Kissen daraus.
«Als ich vor 18 Monaten
meine ersten Entwürfe
dorthin mitbrachte, machten
die Frauen mehr oder
weniger, was sie wollten»,
sagt Salomé Bäumlin. «Diese
Schweizer Genauigkeit war
ihnen sehr fremd.» Mittler­
Das Atelier von Salomé Bäumlin in Bern. Teppich «Labyrinth»
(hinter dem Pult), Wolle, Pflanzfarbe, 121 × 191 cm, 7300 Fr.
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Schweizer Familie 16/2015
weile aber seien
sie als Team
eingespielt. Sie
waschen die
Schafwolle,
spinnen und
färben sie. Dann
geht es ans
Knüpfen und
Weben. «An­
schliessend
spannen wir die
Teppiche, weil
sie oft schief sind, verarbeiten
die Fransen und waschen sie
nochmals.» Bis zu drei
Monate dauert dieser Prozess
vom Spinnen der heimischen
Wolle bis zum fertigen
Teppich. Und je nach
Knüpf- und Webtechnik
fühlen sich die Teppiche so
weich an, als würde man
einem jungen Kamel über
den Rücken streicheln.
Salomé Bäumlins neueste
Kollektion heisst «Fünf
Elemente». Eine kleine
modulierbare Serie, die es
dem Kunden ermöglicht,
verschiedene Teppichtechni­
ken und -motive frei zu
kombinieren. «Der Name
kommt daher, weil alle fünf
Elemente, Wasser, Erde,
Luft, Feuer und Metall, in
Marokko unmittelbar
erlebbar sind», sagt Salomé
Bäumlin. Der Quadratmeter
Teppich ist ab 1200 Franken
erhältlich.
Adresse
Production & Vente de Tapis,
Kasthoferstrasse 10, 3006 Bern.
Tel. 031 381 31 28
www.aitselma.com
Verschiedene
Einzelstücke,
Gewebe und
Hochflor,
aus der Edition
Salomé
Bäumlin.
Fotos: Name
SCHÖNER LEBEN
Teppich
«Filzbach»,
in Anatolien
gefilzt.
215 × 151 cm,
395 Fr.
Teppich «Ennenda», handgewobener Sumak aus Schur- und
Baumwolle, 240 × 170 cm, 695 Fr.
CHRISTOPH HEFTI, 47
PAR IS, BRÜSSEL , MAILAND
b
einahe jeder Tag birgt für
Christoph Hefti eine
Überraschung. Denn derzeit
treffen die ersten Teppiche,
die er in Nepal rund um das
Kathmandu Valley knüpfen
liess, bei ihm ein. Einzeln
verpackt, einer nach dem
andern. Gerade kam ein
grosses Paket mit einem
Teppich an, der 3 auf 2 Meter
misst. Er ist aus unterschied­
licher Schafwolle geknüpft.
«Die Naturgarne habe ich
Christof Hefti
produziert in
Nepal oder
Anatolien.
«ES PASSIERT MIR OFT, dass ich
MIT FREUNDEN auf dem Teppich
lande und nicht AUF DEM SOFA.»
vorher rot eingefärbt», sagt
der 47-jährige Designer
aus Zürich, der zwischen
Paris, Brüssel und Mailand
pendelt. «So wird die weisse
Schafwolle knallrot und
die braune Wolle bordeaux.»
Dort, wo Christoph Hefti
seine Teppiche knüpfen lässt,
herrscht ein reger Handel.
Schafwolle aus Tibet, Nepal
und der Mongolei wird
hin- und hertransportiert,
Körbe voller Seide wechseln
die Hände, und in den
Teppichmanufakturen
herrscht Hochbetrieb. Denn
auch Amerikaner lassen
hier Teppiche produzieren, ­
jedoch in viel grösserem
Format als Christoph Hefti.
Oft messen diese Teppiche
8 auf 12 Meter. «Meine
Teppiche sind verhältnis­
mässig klein», sagt
Christoph Hefti. «Weil sie
Teppichpflege
LANGES LEBEN FÜR DIE BODENSCHÄTZE
Um an einem Teppich lange
Freude zu haben, braucht
er die richtige Pflege. Insbesondere Woll- und Orient­
teppiche bedürfen sorgfältiger
Behandlung.
Teppiche bei normalem
Gebrauch regelmässig mit dem
Staubsauger reinigen. Höchstens zweimal die Woche. Beim
Saugen mit einer glatten Düse
immer in Florrichtung über
den Teppich fahren. Drehbewegungen schaden dem Gewebe.
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Schweizer Familie 16/2015
Essensreste und Schmutz
immer zuerst mit einem
Messerrücken entfernen.
Verschüttete Flüssigkeit sofort
mit einem Haushaltpapier
auftupfen. Nicht reiben! Den
Flor in noch feuchtem Zustand
in Strichrichtung bürsten.
Dann den Fleck mit handwarmem Wasser behandeln und
den Teppich trocknen lassen.
Wenn der Fleck nicht weg­
geht, Teppich in eine Teppich­
wäscherei bringen.
Teppich
«Fashion
waist»,
handgeknüpft
in Nepal,
100 Knoten
pro Quadratzentimeter,
80 × 240 cm.
für Europäer gedacht sind
und das Design komplex
ist. Die Teppiche sind eine
Leidenschaft von mir.» Die
Christoph Hefti Rugs, wie
seine Teppich­kollektion heisst
– «Rug» ist Englisch und
bedeutet Teppich –, sollen
Stücke sein, mit denen man
lebt. Und die man möglichst
lange braucht und geniesst.
«Auf dem Teppich sitze ich
und trinke Tee», sagt
Chris­toph Hefti. «Wenn ich
Freunde einlade, dann
passiert es oft, dass wir auf
dem Teppich landen und
niemand auf dem Sofa sitzt.»
Seine allerersten Teppiche
entwarf Christoph Hefti 2014
in Anatolien für Atelier
Pfister. Atelier Pfister ist ein
eigenständiges Unternehmen
unter dem Dach des Möbel­
herstellers Möbel Pfister.
«Durch diese Filzteppiche
kam ich auf den Geschmack»,
sagt Christoph Hefti. Die
Teppiche «Ennenda» und
«Filzbach», designt von
Christoph Hefti, sind bei
Möbel Pfister erhältlich.
Ausstellung
Die Kollektion Christoph Hefti
Rugs ist in Mailand am Salone
del mobile vom 14. bis 19. April
2015 im Palazzo Clerici bei der
Maniera Design Gallery Brussels
erstmals zu sehen. Ebenso an
der Design Miami Basel vom
16. bis 21. Juni 2015.
www.atelierpfister.ch