Fortschritte bei den Weiderechten

Fortschritte bei den Weiderechten
Vorteile für Alm und Wald unter Dach und Fach
Die Staudacher Alm in Staudach-Egerndach, LKR Traunstein, ist seit 1992 bereinigt. Der Bewirtschafter Wolfgang Lackerschmied, dürfte jetzt bis zu 80 %
Fremdvieh auftreiben, wenn das eigene Vieh irgendwann mal nicht mehr ausreicht.
Fotos: M. Hinterstoißer
U
nter der Überschrift „Neues bei
den Weiderechten“ haben wir im
Almbauer 5/15 bereits angekündigt, dass es künftig Lockerungen bei den
Fremdviehbestimmungen und den Weidezeiten geben wird, um damit die traditionelle Almwirtschaft zu stützen und
eine weitere Entlastung des Waldes von
der Beweidung zu erreichen. Beide Ziele
können nun noch besser erreicht werden.
In einem Schreiben an die Bayerischen
Staatsforsten (BaySF) fasste das Bayerische Staatsministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten (StMELF) die
künftige Sachbehandlung von Forstrechten zusammen und bat die BaySF-Zentrale, diese Hinweise in geeigneter Weise
den Forstbetrieben bekannt zu machen.
Im Vorfeld zu den neuen Regelungen bei
der Ausübung von Weiderechten gab es
mehrere Termine im StMELF mit intensiven
Diskussionen, die von großer Sachlichkeit
geprägt waren. Während bei den Besprechungsrunden des Jahres 2013 vor allem
Rechtsfragen im Vordergrund standen, war
heuer das Ziel die Erarbeitung von praxis­
orientierten Grundsätzen für eine Sachbehandlung, die dann einheitlich für alle
Betriebe der BaySF angewendet werden
soll. Beteiligt an den Besprechungsrunden
zu den Fragen des Fremdviehauftriebs und
der Weidezeiten waren neben dem StMELF
der Almwirtschaftliche Verein Oberbayern
(AVO), der Verband der Forstberechtigten im Chiemgau (VdF), die Bayerischen
Staatsforsten (BaySF), die Forstrechtestelle an der Regierung von Oberbayern und
die Weiderechtskommission. Als Ergebnis
wurden folgende Grundsätze für die künftige Sachbehandlung erarbeitet:
Fremdviehauftrieb
Bedingt durch den Strukturwandel wird
der Mitaustrieb von Fremdvieh für eine
ordnungsgemäße
Almbewirtschaftung
immer wichtiger. Die Fremdviehklausel
gilt auf Berechtigungsalmen fast immer
und wird auch bei Weiderechtsregelungen nicht vollständig frei gegeben.
Bislang war ein Mitaustrieb von Fremdvieh bis zu 125 % des Eigenviehs zulässig (Beispiel: 5 NKG Fremdvieh + 4 NKG
eigenes Vieh), wenn im Rechtstitel nichts
anderes bestimmt ist.
Fremdviehauftrieb auf
bereinigten Almen
In vielen Fällen ist die Waldweide durch
Weiderechtsbereinigung inzwischen so
weit reduziert, dass von der Beweidung
keine nachteiligen Auswirkungen auf die
Funktionen des Waldes mehr zu befürch-
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Der Almbauer Juni 2015
Die Schwarzbachalm in Berchtesgaden ist eine nicht bereinigte Niederalm. Typisch
für das BGL treiben mehrere Beteiligte auf verschiedene Hochleger weiter. In diesem
Fall auf die Anthaupten-, Moosen- und Kallbrunnalm. Diese können künftig die
Verlängerung der Weidezeit in Anspruch nehmen, vorausgesetzt es herrscht Einigkeit.
ten sind. Unter dieser Voraussetzung soll
künftig der Grundsatz gelten, dass nur
noch ein Eigenviehanteil von mindestens
einem Fünftel, d. h. 20 % erreicht werden muss (Beispiel: 4 NKG Fremdvieh +
1 NKG eigenes Vieh).
Für die praktische Umsetzung ist es
notwendig, dass jeweils im Einzelfall eine
Vereinbarung über die künftige Regelung
des Fremdviehanteils geschlossen wird,
um die ordnungsgemäße Bewirtschaftung
und Erhaltung der Alm zu gewährleisten.
Bei Bedarf sollte der Berechtigte hierzu
rechtzeitig auf den jeweils zuständigen
Forstbetrieb zugehen.
Auf Gemeinschaftsalmen ist eine einvernehmliche Regelung mit allen Berechtigten erforderlich.
ler eintritt und das Graswachstum früher
einsetzt, als auch im Herbst der Wintereinbruch oft stark verzögert ist. Nach
Feststellungen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft führt das insgesamt zu höheren Weideerträgen, die
mit mehr Vieh und längeren Weidezeiten
genutzt werden sollten.
Nach den Festlegungen in den jeweiligen Rechtstiteln und den Bestimmungen
des Forstrechtegesetzes (FoRG) sind folgende Vorgaben zu beachten:
Sind die Weidezeiten im Rechtstitel
eindeutig festgelegt, gelten die Bestimmungen des Rechtstitels. Ist dies nicht
der Fall, gilt nach Art. 9 Abs. 3 c des Forstrechtegesetzes als Weidezeit bei Almweiden die Zeit vom 1. Juni bis 20. September. Möglich nach dem Gesetz ist eine
Verschiebung der Weidezeiten, wenn
dadurch die Gesamtzahl der Weidetage
nicht überschritten wird. Damit sind hier
einer flexiblen Handhabung enge Grenzen gesetzt.
Einen Ausweg bot bisher ausschließlich
eine vollständige Weiderechtsbereinigung
(das Weiterbestehen und die Einbeziehung unkritischer Restwaldweide in die
Weidefläche ist möglich), bei der die Weidezeit freigegeben wird.
Um sowohl almfachliche (bessere
Nutzung und Pflege der Weide) als auch
forstfachliche (Entlastung des Waldes
von Beweidung insbesondere zu Vegetationsbeginn) Gesichtspunkte besser
zu berücksichtigen, kann künftig der
Auftrieb um bis zu drei Wochen vorverlegt werden, wenn bis zu sechs Wochen
nach Beginn des Auftriebs eine wirksame Weidelenkung zur Lichtweide erfolgt.
Geeignete Maßnahmen zur zeitlich begrenzten Weidelenkung sind z. B.
⦁⦁Koppelhaltung auf der Lichtweidefläche,
⦁⦁Auszäunung sensibler Waldbereiche,
⦁⦁Behirtung, wo Erfolg versprechend.
Bei der Ausgestaltung der Maßnahmen
zur Weidelenkung sollen die örtlichen
Erfahrungen berücksichtigt werden. Bei
Bedarf kann die Weiderechtskommission
eingebunden werden.
Die neuen Weidezeiten und die Maßnahmen zur zeitlich begrenzten Weide-
Empfohlen wird der Abschluss eines
notariellen Nachtragsvertrages zum notariellen Bereinigungsvertrag. Eine entsprechende vertragliche Vereinbarung
vermittelt die Weiderechtskommission.
Die Neuregelung des Fremdviehauftriebs
erfolgt entgeltfrei, die Kosten für die notarielle Beurkundung trägt der Freistaat
Bayern. Bei aktuellen Verfahren zur Weiderechtsbereinigung wird der zulässige
Fremdviehanteil bereits im Bereinigungsvertrag festgelegt.
In bestimmten Fällen kann auch auf
nicht bereinigten Almen befristet der
Mitaustrieb von Fremdvieh in bemessenem Umfang erhöht werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Bereitschaft
zur Durchführung einer Weiderechtsbereinigung und ein Grundkonzept für die
Umsetzung bestehen. Außerdem dürfen
sich aus der befristeten Erhöhung des
Fremdviehanteils keine nachteiligen Auswirkungen für den Wald und seine Funktionen ergeben. Die Beurteilung erfolgt
durch den zuständigen Betrieb der BaySF
und das zuständige AELF.
Bei der Umsetzung wird jeweils im
Einzelfall eine auf fünf Jahre befristete
vertragliche Vereinbarung zur Erhöhung
des Fremdviehanteils geschlossen. Bei einem Rückgang des Eigenviehanteils muss
künftig nur noch ein Drittel nachgewiesen werden (Beispiel: 2 NKG Fremdvieh
+ 1 NKG Eigenvieh). Der bisher nach
dem Rechtstitel zulässige Gesamtauftrieb
kann nicht überschritten werden. In dieser Vereinbarung wird der Abschluss einer
Weiderechtsbereinigung innerhalb der
Vertragsdauer angestrebt, weshalb eine
Verlängerung der Vereinbarung grundsätzlich nicht möglich ist.
Auf Gemeinschaftsalmen ist eine einvernehmliche Regelung mit allen Berechtigten erforderlich.
Eine entsprechende vertragliche Vereinbarung vermittelt auch hier die Weiderechtskommission. Die Erhöhung des
Fremdviehanteils erfolgt entgeltfrei.
Die für die Bereinigung erforderliche
Berechnung des 10- oder 30-jährigen
Durchschnittsauftriebs erfolgt – wie bei
allen Weiderechtsbereinigungen – rückwirkend vom Beginn der Vereinbarung
zur Erhöhung des Fremdviehanteils. Das
heißt, der vertraglich vereinbarte höhere
Fremdviehanteil hat keinen Einfluss auf
den für die Bereinigung maßgeblichen
Durchschnittsauftrieb. Hier kann maximal ein Anteil von 125 % des Eigenviehs
angerechnet werden.
Weidezeiten
In den letzten Jahren ist als Folge des
Klimawandels feststellbar, dass sowohl
im Frühjahr die Schneeschmelze schnel-
Foto: S. Krapfl
Fremdviehauftrieb auf noch
nicht bereinigten Almen
lenkung sind zwischen Weideberechtigten und dem jeweils zuständigen
Forstbetrieb schriftlich zu vereinbaren. Bei
mehreren Berechtigten ist das Einvernehmen aller Beteiligten erforderlich.
Als Vertragslaufzeit werden zunächst
etwa fünf bis zehn Jahre empfohlen. Nach
fünf Jahren sollten Forstbetrieb und Weideberechtigte gemeinsam bewerten, ob
die Weidelenkung erfolgreich war oder
gegebenenfalls nachgebessert werden
muss. Eine Änderung des Vertrages hinsichtlich der Maßnahmen zur Weidelenkung vor Ablauf der Vertragsdauer bedarf
des Einvernehmens aller Vertragsparteien.
Die Verlängerung der Weidezeit wird
bei nachfolgenden Berechnungen für
Weiderechtsbereinigungen und/oder Ablösungen nicht angerechnet.
Das Vorgehen ist grundsätzlich auch
für Staffelweiden möglich, die Weidezeiten in der Staffel können dadurch flexibel gehandhabt werden. Voraussetzung
ist jedoch auch hier Einvernehmen aller
Berechtigten der gesamten Weidestaffel.
Die Verlängerung der Weidezeit erfolgt
entgeltfrei.
Fazit
Die Regelungen zeigen, dass es neben den Zugeständnissen zugunsten
der Berechtigten auch klare Anreize zur
Durchführung einer Trennung von Wald
und Weide gibt. Auf bereinigten Almen
gab es nämlich bisher schon mit Ausnahme des Fremdviehauftriebs keine
Rechtsbindungen mehr. Künftig kann
hier der Eigenviehanteil auf bis zu 20 %
abgesenkt werden (also z. B. 1 NKG Eigenvieh und 4 NKG Fremdvieh, bislang
war nur ein Verhältnis von 4 NKG Eigenvieh zu 5 NKG Fremdvieh möglich).
Und bei der Verlängerung der Weidezeiten auf nicht bereinigten Almen mit
der Auflage der Abzäunung sensibler
Waldteile können die Almbauern jetzt
sozusagen im Vorfeld ausprobieren, wie
die Bewirtschaftung nach einer Weiderechtsregelung aussehen und vor allem
ob sie funktionieren würde. Ein notarieller Vollzug wäre dann der wünschenswerte nächste Schritt. M. Hinterstoißer
Bei einer
Trennung von
Wald und
Weide wird die
Zaunführung
mit allen
Beteiligten
im Gelände
festgelegt.
Hier die
seltene
Variante einer
Bereinigung
im Privatwald
auf der
Rappinalm.
Der Almbauer Juni 2015
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