zum erfolg - Finanz Informatik

Fokus
Gastreferent
DURCH VERÄNDERUNG
ZUM ERFOLG
Können Führungskräfte von erfolgreichen Leistungssportlern lernen?
Ganz sicher, meint der Sportpsychologe Professor Dr. Hans-Dieter
Hermann. Und erläuterte in seinem Vortrag, worauf es ankommt – von
Mentalstrategien bis hin zur »Mutivation«.
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eränderungen verlangen Mut. Den hat Jürgen Klinsmann bewiesen, der zur Vorbereitung auf die FußballWeltmeisterschaft (WM) 2006 vieles hinterfragte und erstmals Fitnesstrainer und Sportpsychologen ins Betreuerteam
holte. Einer davon war Professor Hans-Dieter Hermann, der
bis heute die deutsche Fußball-Nationalmannschaft als
Sportpsychologe betreut und für die »mentale Fitness«
der Spieler sorgt. In seinem Vortrag auf dem FI-Kongress
berichtete er von den folgenden »riesigen Entwicklungen
und Veränderungsprozessen« der deutschen Fußballer
unter Bundestrainer Joachim Löw. Der wollte sich nicht
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auf dem Erfolg ausruhen, sondern das Team weiter verbessern. Denn im Sport – wie auch in der Wirtschaft – gilt:
Stillstand ist Rückschritt. Wer an der Spitze mitmischen
möchte, muss Leistungen bringen und diese immer wieder
steigern. Und so forderte Joachim Löw bei seinem Amtsantritt, dass das Spiel schneller werden müsse. Er steigerte das
Tempo auf 3-fache Geschwindigkeit, um 30 Prozent mehr
Laufwege und senkte den durchschnittlichen Ballkontakt
von 2,9 auf 0,9 Sekunden. Der Erfolg blieb nicht aus. Nach
Platz 3 in den Jahren 2006 und 2010 folgte schließlich die
Krönung mit dem WM-Titel 2014.
Finanz Informatik ITmagazin · 02 · 2015
Doch wie gelingen Veränderungen? Dazu ist nach Aussage von Hans-Dieter Hermann neben Mut auch eine hohe
Motivation notwendig (»Mutivation«). Dabei trifft jeder
Mensch persönlich die Entscheidung, ob er sich motivieren
lässt. Dafür braucht es als Grundlage einen erkennbaren
Sinn hinter dem Ganzen, ferner ambitionierte Ziele und
bleibende Freude an der Tätigkeit, erklärte der Sportpsychologe. Und erläuterte, wie es gelingt, Leistungen zu
einem bestimmten Zeitpunkt unter enormem Druck abzurufen: Dazu muss der Einzelne die jeweilige Situation für
sich individuell interpretieren. Negative Selbstgespräche
sind hier fehl am Platz. Stattdessen rät er Sportlern dazu,
aus der Situation heraus eine Herausforderung oder auch
eine Bedrohung zu konstruieren, der er jetzt begegnen muss.
Dies funktioniert übrigens nicht nur im Sport, sondern
beispielsweise auch vor einer Präsentation vor großem
Publikum, so der Coach aus eigener Erfahrung. »Die Welt
entsteht im Kopf« – damit unterstrich Hans-Dieter Hermann, wie bedeutend die psychologischen Vorgänge für
das eigene Handeln sind.
Wie gut man nun als Trainer oder Führungskraft
andere motivieren kann, liegt nach seiner Einschätzung
daran, wie überzeugend man argumentiert und die Situation analysiert. Dazu zähle, dass man eine Lösung mitliefere
und sich selbst mit einbeziehe. Dies geschieht logischerweise nicht per Arbeitsanweisung. Stattdessen sind viele
persönliche Gespräche nötig. So berichtete der Sportpsychologe vom erfolgreichen Trainer der spanischen FußballNationalelf, Vicente del Bosque, der nach eigenen Worten
mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit dem Gedankenaustausch mit seinen Spielern widmet. Auch Joachim Löw
sucht permanent das Gespräch mit seinen Spielern. HansDieter Hermann bezeichnet dies als eine Art ModeratorenRolle, die auch für Verantwortliche in anderen Branchen
gelte. Dabei sei es wichtig, dass »Führungskräfte nahbar
sind. Von den Mitarbeitern, die ein Unternehmen verlassen, geben 70 Prozent Probleme mit ihrem Vorgesetzten
an«, betonte er und stellte klar, dass »Nahbarkeit eine Bringschuld der Führungskräfte ist«.
Weitere Infos zu Hans-Dieter Hermann
unter www.ccc-network.de oder einfach
dem QR-Code folgen:
Finanz Informatik ITmagazin · 02 · 2015
Hans-Dieter Hermann, der neben Sportlern auch Unternehmen, Institutionen sowie Politiker und Vorstände als
Coach begleitet, machte deutlich, was eine gute Team- und
Personalführung ausmacht: Elementar sei, dass Menschen Respekt für ihren Job bekommen. Wichtig sei außerdem, dass sie angstfrei arbeiten können und Entscheidungsfreiräume erhalten. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist,
dass sie sich wertgeschätzt fühlen. Dabei muss allen klar
sein: Jeder im Team ist wichtig. So erzählte er von Alt-Bundestrainer Sepp Herberger, der vor dem Spiel jedem Spieler
persönlich mit auf den Weg gab: »Auf dich zähl´ ich heute
besonders!« Obschon alle Spieler von diesem Ritual wussten, verfehlte der Satz seine Wirkung nicht. Dies bestätigt
auch die gängige Erkenntnis, dass »meistens die Ersatzbank gewinnt«. Denn von 23 Nationalspielern bei einer
WM stehen nur 11 in der Anfangsformation, die anderen
müssen sich erst einmal mit der Rolle des Ergänzungsspielers zufriedengeben. Wie wichtig aber deren Bedeutung ist,
erklärte Hans-Dieter Hermann am Beispiel von Per Mertesacker. Der Innenverteidiger habe bei der WM 2014 in Brasilien im Hintergrund entscheidend am Erfolg mitgewirkt.
Denn das macht Teamplayer aus: Jeder muss was für seine
Mannschaft tun, die Einstellung jedes Einzelnen zählt,
und die Bereitschaft muss da sein, die Fehler anderer auszuräumen, sofern es im eigenen Wirkungskreis liegt. »Das
alles bedeutet Arbeit, ganz klar, Erfolg stellt sich nicht von
alleine ein.« Die gute Nachricht von Hans-Dieter Hermann:
Teamgeist und mentale Stärke sind entwickelbar. Mit der
Bereitschaft zur Veränderung kommt auch der Erfolg! S
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