Karlsruhe weist den Weg: Neueste Entscheidungen rund um

Karlsruhe weist den Weg:
Neueste Entscheidungen rund
um das
Wohnungseigentumsrecht
Prof. Dr. Martin Häublein
Universität Innsbruck
Gemeinschaftsbezogene Rechte
und Pflichten
23. Deutscher Verwaltertag
Referent: Martin Häublein
Berlin, 18.09.2015
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BGH v. 24.7.2015 – V ZR 167/14
Zum Sachverhalt:
K kauft 2010 eine Wohnung von einem (kommunalen?)
Wohnungsunternehmen in einem Gebäudekomplex aus
den 1950er Jahren. Bereits 1987 war dieser im Auftrag der
Muttergesellschaft auf seine Standsicherheit hin untersucht
worden. Die daraufhin vorgenommene Sanierung blieb
hinter den Vorgaben des Sachverständigen (SV) zurück.
2003 führte ein weiterer SV zu einem anderen Gebäude
der Anlage aus, es sei kritisch zu bewerten, dass ein
geschlossenes Abdichtungssystem für das Kellergeschoss
(KG) fehle. Im Kaufvertrag wurde die Haftung für Mängel
ausgeschlossen, aber auf erhöhte Feuchtigkeitswerte im
KG hingewiesen. K fühlt sich über das Ausmaß der Mängel
getäuscht und begehrt Ersatz des mangelbedingten
Minderwerts der Wohnung.
23. Deutscher Verwaltertag
Referent: Martin Häublein
Berlin, 18.09.2015
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Hintergrund
§ 444 BGB:
Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des
Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder
beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht
berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen
oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache
übernommen hat.
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Berlin, 18.09.2015
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BGH v. 24.7.2015 – V ZR 167/14
Das Problem:
• K verlor in den ersten beiden Instanzen.
• Der Anspruch auf Minderung bzw. „kleinen Schadensersatz“ aus dem Kaufvertrag sei gemeinschaftsbezogen
i.S.v. § 10 Abs. 6 S. 3 WEG.
• Deswegen könne K diesen ohne vorherigen Beschluss
der Eigentümerversammlung nicht geltend machen.
• Die Besonderheit des Falles bestand darin, dass K –
anders als bei typischen Kauf vom Bauträger – keinen
Werkvertrag, sondern einen Kaufvertrag abgeschlossen
hat. Zu klären war, ob für diesen das Gleiche gilt wie für
einen Werkvertrag beim Bauträgerkauf.
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§ 10 Abs. 6 S. 3 WEG
Sie (die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer)
übt die gemeinschaftsbezogenen Rechte der
Wohnungseigentümer aus und nimmt die
gemeinschaftsbezogenen Pflichten der
Wohnungseigentümer wahr, ebenso sonstige
Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer,
soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht
werden können oder zu erfüllen sind.
23. Deutscher Verwaltertag
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Berlin, 18.09.2015
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BGH v. 24.7.2015 – V ZR 167/14
Die Entscheidung:
• Der BGH widerspricht den Vorinstanzen und lehnt einen
Gemeinschaftsbezug ab.
• Gemeinschaftsbezogen seien nur Ansprüche, die im
Interesse der WE oder aus Gründen des Schutzes des
Verkäufers eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern.
• Beides sei beim Kauf einer „gebrauchten“ ETW nicht der
Fall. Typischerweise seien gleichgerichtete Ansprüche
der Käufer auf mangelfreie Erstherstellung der Anlage
beim Kauf nicht gegeben.
• Sofern der typische Gewährleistungsausschluss im
Einzelfall wegen Arglist nicht zum Tragen komme (§ 444
BGB), sei dieser Umstand ohne Gemeinschaftsbezug.
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BGH v. 24.7.2015 – V ZR 167/14
Die Entscheidung:
• Der Fall lag insofern besonders, als die Verkäuferin wohl
(vermutlich als Aufteilerin) mit mehreren Käufern
vergleichbare Verträge geschlossen hatte.
• Dennoch, so der BGH, könne der Einzelne seine vertraglichen
Ansprüche allein geltend machen.
o Der Verkäufer werde dadurch geschützt, dass er dem Käufer nur
eine dem MEA entsprechende Quote des Minderwerts des GE zu
ersetzen habe, nicht aber die gesamten Beseitigungskosten.
o Die Summe der einzelnen Schäden könne dabei nicht größer sein
als der am GE insgesamt entstandene Minderwert.
o Beseitigt der Verkäufer den Mangel, stehen ihm Ansprüche aus
ungerechtfertigter Bereicherung gegen solche WE zu, denen er die
Mangelbeseitigung nicht schuldet.
o Hinweis: Wird der Schaden nicht an den Reparaturkosten bemessen
(zB weil diese unverhältnismäßig hoch sind), kommt es mE auf den
individuellen Minderwert jeder Wohnung an (ungeklärt!).
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„gekorene“
Gemeinschaftszuständigkeit?
• Anders als im Fall des BGH ist es auch denkbar, dass die
Gemeinschaft konzertiert gegen den aufteilenden
Eigentümer vorgehen will.
o Die Eigentümer hatten versucht, der Aufteilerin durch Beschluss
die Sanierungskosten aufzuerlegen, was diese mit Erfolg anfocht.
• Es fragt sich, ob die Ausübung der Ansprüche durch
Beschluss (§ 10 Abs. 6 S. 3 Var. 2 WEG) zur Sache der
Gemeinschaft gemacht werden kann.
• Der BGH lässt das offen, verneint aber ein Interesse an
der gemeinschaftlichen Durchsetzung an anderen
Stellen der Entscheidung – ein Fingerzeig?
o Für die Verwaltungspraxis fragt sich, wie mit dieser Unsicherheit
umzugehen ist.
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Lösungsversuch
• Da unklar ist, ob die Mehrheit die Kompetenz hat, in
Ansprüche aus Kaufverträgen mit der Folge einzugreifen,
dass der Einzelne sie dann nicht mehr geltend machen
kann (dazu BGH v. 5.12.2014 – V ZR 5/14), schwebt über
dem Beschluss das Nichtigkeitsrisiko.
• Als Alternative kommt eine Abtretung der Ansprüche aus
dem Kaufvertrag an die Gemeinschaft in Betracht oder
eine gewillkürte Prozessstandschaft (letzteres ist offen).
• Über die Annahmeerklärung des Verbandes durch den
Verwalter ist zu beschließen (§ 27 Abs.3 S.1 Nr.7 WEG).
o Beachte: Stimmrechtsausschluss des betroffenen Eigentümers,
da Rechtsgeschäft mit ihm (§ 25 Abs. 5 WEG).
• So kann eine einvernehmliche Lösung mit der Aufteilerin
gesucht und auch die Kostenfrage geregelt werden.
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Verwalterbestellung
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BGH v. 27.2.2015 – V ZR 114/14
Zum Sachverhalt:
Weil die Amtszeit des Verwalters zum 31.12. endete, wurde
er am 21.12.2012 in der ETV erneut zum Verwalter gewählt.
Ferner wurde zum folgenden TOP beschlossen:
„Der VBR erhält das Mandat, mit der Verwaltung über den
Verwaltervertrag zu verhandeln. Ein Verwaltervertrag wird
auf der Basis des von RA Dr. K. vorgeschlagenen Vertrages
mit dem VBR verhandelt und in einer außerordentlichen
ETV, vorgeschlagen bis zum 28.2.2013, beschlossen. Sollte
es keine Mehrheit für den verhandelten Verwaltervertrag
geben, endet die Amtszeit des Verwalters am 28.2.2013.“
Ein Eigentümer ficht den Bestellungsbeschluss an. Mit
Erfolg?
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BGH v. 27.2.2015 – V ZR 114/14
Die Entscheidung:
• Ausgangspunkt ist der Unterschied zw. Bestellung des
Verwalters als Organ (Amt) und Abschluss des Verwaltervertrages (Anstellungsverhältnis) - Trennungstheorie.
• Grundsätzlich, so der BGH, übt die Mehrheit ihr Ermessen
nur dann ordnungsgemäß aus, wenn in derselben ETV,
in der die Bestellung erfolgt, auch die Eckpunkte des
Vertrages (Laufzeit und Vergütung) in wesentlichen Umrissen geregelt werden. Nur unter besonderen Umständen könne übergangsweise abgewichen werden.
• Achtung: Mit der Festlegung der Amtszeit ist nicht
automatisch über die Laufzeit des Vertrages
entschieden. Daher sind auch insofern Vorgaben nötig.
o Es dürfe nicht offenbleiben, ob der Vertrag auf unbestimmte Zeit
oder befristet geschlossen werden soll.
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BGH v. 27.2.2015 – V ZR 114/14
Die Entscheidung:
• Obwohl es sich um eine Wiederbestellung handelte, war
die Vergütung zwischen den Parteien noch offen.
• Der BGH hob den Bestellungsbeschluss daher auf.
• Eine zulässige übergangsweise Abweichung liege nicht
vor, weil die Bestellung bis zum 31.12.2017 fix erfolgte.
• Es fehle an einer klaren Befristung der Amtszeit für den
Fall, dass keine vertragliche Einigung erzielt wird.
o Zwar enthalte der folgende TOP eine solche Regelung. Der
Bestellungsbeschluss sei jedoch isoliert zu betrachten, weil sich
die Eigentümer dafür entschieden haben, über die an sich
zusammenhängenden Fragen getrennt zu beschließen.
o Dafür gab es keinen sachlichen Grund.
o Merke: Was zusammen gehört sollte so beschlossen werden!
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Folgefrage
• Problem: Vergütungsstruktur!
o Der BGH spricht davon, die Vergütung müsse „in wesentlichen
Umrissen“ festgelegt werden.
o Ist nur die Grundvergütung bekannt, droht bei umfangreichen
Sondervergütungskatalogen nicht nur der Vorwurf, dass die
Vorgaben des BGH nicht erfüllt sind.
o Der ermächtigte VBR steht auch vor der Frage, ob sein
Verhandlungsmandant solche „Zuschläge“ umfasst.
• Lösung: Die Vergütungsstruktur sollte ebenfalls mit beschlossen werden, was im Rahmen ordnungsmäßiger
Verwaltung voraussetzt, dass entspr. Kataloge den
Eigentümern bei Beschlussfassung bekannt sind.
• Änderungen an einzelnen Positionen können dem
VBR aber m.E. überlassen werden.
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BGH v. 25.3.2015 – VIII ZR 243/13
Zum Sachverhalt:
Die durch die Verwaltungs-GmbH vertretene WE-Gem.
schloss mit U einen Rahmenvertrag über die Versorgung
mit Erdgas und hierzu später einen Einzelvertrag. Nach
Beendigung des Vertrages verlangt die WE-Gem. knapp
200.000 Euro, weil die Preisanpassungsklausel im Vertrag
unwirksam sei und U daher mehrfach zu Unrecht die Preise
erhöht habe. Dabei beruft sich die WE-Gem. auf eine nur
für Verbraucher geltende Rechtsprechung des BGH,
weshalb der BGH zu entscheiden hatte, ob die
Gemeinschaft Verbraucher ist.
Beachte: Bejaht man das, hat dies Auswirkungen auf die
Gestaltung auch von Verwalterverträgen!
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Hintergrund
§ 13 BGB:
Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein
Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die
überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer
selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet
werden.
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BGH v. 25.3.2015 – VIII ZR 243/13
Die Entscheidung:
• Im Interesse des Verbraucherschutzes der in WE-Gem.
zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden
natürlichen Personen stellt der BGH diese dann einem
Verbraucher gem. § 13 BGB gleich, wenn ihr wenigstens
ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft zu
einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen
noch einer selbständigen beruflichen Tätigkeit dient.
• Daran ändere der Umstand nichts, dass die WE-Gem.
bei Abschluss des Versorgungsvertrages durch die gewerblich handelnde - Verwalterin vertreten war.
o Allerdings macht der BGH hier eine (gewichtige) Ausnahme, wenn der
Verbraucherschutz gerade an die Umstände des Vertragsschlusses
anknüpft, wie das etwa beim sog. „Haustürgeschäft“ der Fall ist.
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Konsequenzen
• Wichtiger als die wohl oft bereits verjährten Ansprüche
der WE-Gem. gegen Versorgungsunternehmen sind
andere Auswirkungen, die etwa den Abschluss von
Darlehensverträgen Namens der WE-Gem. betreffen
oder den Verwaltervertrag.
o Dabei geht es vor allem um das Widerrufsrecht der WE-Gem.
• Während sich die Banken ganz überwiegend bereits
darauf eingestellt haben, dass für die WE-Gem. das
VerbrKr-Recht gilt, enthalten Verwalterverträge eher
selten eine Widerrufsbelehrung.
• Sie ist dann geboten, wenn der Verwalter Unternehmer
ist und den Vertrag außerhalb seiner Geschäftsräume
schließt (s. § 312b BGB).
o Auch wenn der Verwalter den beschlossenen Vertrag letztlich in
seinem Büro im Beisein des VBR unterzeichnet empfiehlt sich bis
auf weiteres die Aufnahme einer Widerrufsbelehrung.
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Erforderliche Mehrheit
iSv § 16 Abs. 3 WEG
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BGH v. 10.7.2015 – V ZR 198/14
Zum Sachverhalt:
In der aus zwei WE bestehenden Gemeinschaft gilt für ads
Stimmrecht das Objektprinzip, weshalb WE1 nur eine
Stimme hat, WE2 aber zwei, weil ihm zwei Wohnungen
gehören. Auf der ETV wurde mit den Stimmen von WE2
eine Änderung der Verteilung der Beko beschlossen.
WE1 meint, beide Eigentümer hätten gem. § 16 Abs. 3
WEG nur eine Stimme, weshalb der Verwalter zu Unrecht
einen positiven Beschluss verkündet habe.
Stimmt das?
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Hintergrund
§ 16 WEG:
(3) Die Wohnungseigentümer können … durch
Stimmenmehrheit beschließen, dass die Betriebskosten des
gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums
im Sinne des § 556 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches,
die nicht unmittelbar gegenüber Dritten abgerechnet
werden, und die Kosten der Verwaltung nach Verbrauch
oder Verursachung erfasst und nach diesem oder nach
einem anderen Maßstab verteilt werden, soweit dies
ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.
(5) Die Befugnisse im Sinne der Absätze 3 und 4 können
durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht
eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
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BGH v. 10.7.2015 – V ZR 198/14
Die Entscheidung:
• Bis zur Entscheidung des BGH war umstritten, ob bzw. in
welchem Ausmaß das gesetzliche Kopfprinzip bei
Beschlüssen gem. § 16 Abs. 3 WEG durch das
vereinbarte (hier: Objektprinzip) verdrängt wird.
• Diese Frage entscheidet der BGH nunmehr wie folgt:
• Das Kopfstimmprinzip nach § 25 Abs. 2 WEG ist auch im
Sachbereich des § 16 Abs. 3 WEG abdingbar.
• Enthält die GO eine allgemeine Regelung zur Stimmkraft (Objekt- oder Wertprinzip), findet diese also auch
bei Abstimmungen gem.§ 16 Abs. 3 WEG Anwendung.
o Die Entscheidung ist sehr knapp begründet, was dem Problem
m.E. nicht gerecht wird. Ganz nebenbei wird dann auch noch
zu einer anderen, konroversen Frage Position bezogen.
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Folgefrage
• Der BGH brauchte zwar nicht darüber zu entscheiden,
ob das Kopfprinzip im Rahmen der doppelt qualifizierten
Mehrheiten in §§ 16 Abs.4, 22 Abs.2 WEG ebenfalls
abdingbar ist. Immerhin heißt es aber in dem Urteil:
• „Die Frage der Stimmkraft beantwortet das Gesetz an
anderer Stelle, nämlich mit der dispositiven Bestimmung
des § 25 Abs.2 WEG. Zwingende Vorgaben zur Stimmkraft pflegt das Gesetz – wie ein systematischer Seitenblick auf die Regelungen des § 16 Abs.4 und des § 22
Abs.2 WEG ohne weiteres (sic!) erhellt - eigens
hervorzuheben.“
• Damit dürfte klar sein, wo die Reise hingeht.
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Rücklagen in der
Mehrhausanlage
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BGH v. 17.4.2015 – V ZR 12/14
Zum Sachverhalt:
Die Anlage besteht aus zwei unterschiedlich großen
Gebäudekomplexen. Für diese war nach der GO eine
einheitliche Rücklage zu bilden. Die GO kann mit ¾Mehrheit geändert werden. 2004 beschlossen die WE mit
ca. 80% der Stimmen eine Aufteilung der Rücklage
entsprechend den beiden Gebäudekomplexen. 2012
vertrat der Verwalter die Auffassung, der Beschluss aus
dem Jahr 2004 sei nichtig und die getrennten Rücklagen
müssten daher zusammengeführt werden. Aus diesem
Grund wurden Ausgleichszahlungen zulasten der
Eigentümer des einen Komplexes mit einfacher Mehrheit
beschlossen und nach Ablauf eines Monats von der
Gemeinschaft eingeklagt. Mit Erfolg?
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BGH v. 17.4.2015 – V ZR 12/14
Die Entscheidung:
• Nein; denn der Beschluss über die Zusammenlegung der
Rücklage und die Zahlungen ist nichtig.
• Zwar habe die GO ursprünglich eine einheitliche
Rücklage vorgesehen.
• Jedoch sei diese 2004 wirksam geändert worden.
o Die allg. Öffnungsklausel erlaube einen solchen Beschluss.
• Da fortan gesonderte Rücklagen vereinbart waren und
auch keine (erneute) Zusammenlegung beschlossen
worden war, gab es für die beschlossenen Zahlungen
keine rechtliche Grundlage; eine gemeinsame
Rücklage, für die die Zahlungen vorgesehen waren,
existierte gar nicht.
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Konsequenzen
• Die Entscheidung verdeutlicht, wie gefährlich es sein
kann, wenn der Verwalter einen Beschluss der ETV „für
nichtig erklärt“.
o Zwar wurden dem Verwalter die Kosten des Verfahrens nicht
nach § 49 Abs. 2 WEG auferlegt. Jedoch sind dadurch
Regressansprüche gegen den Verwalter nicht ausgeschlossen;
die Gemeinschaft musste für die eigenen Gerichts- und
Anwaltskosten ebenso aufkommen wie für die der Beklagten.
• Gerade bei Existenz einer Öffnungsklausel kommen
nichtige Beschlüsse selten vor.
• Eine verbindliche Klärung kann nur durch
Nichtigkeitsfeststellungsklage herbeigeführt werden.
o Ob der Verwalter insofern klagebefugt ist, ist nicht geklärt (ich
meine ja). Allerdings dürfte es ohnehin nur wenige Verwalter
geben, die in einem solchen Fall (gegen alle WE!) klagen.
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Störerhaftung
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BGH v. 8.5.2015 – V ZR 178/14
Zum Sachverhalt:
Dem beklagten WE gehört u.a. ein Teileigentum, das in der
TE als „Räumlichkeiten im Souterrain bestehend aus drei
Hobbyräumen, Vorratskeller, Flur und einem weiteren
Kellerraum“ ausgewiesen ist. Dem klagenden WE gehört
seit 2007 das Sondereigentum an zwei Wohnungen. Der
Beklagte vermietet seine Einheit als Wohnraum. Nach dem
Jahr 2007 erfolgten zwei Neuvermietungen.
Dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, es zu
unterlassen, seine Einheit als Wohnraum zu nutzen oder
nutzen zu lassen, haben die ersten beiden Instanzen
entsprochen.
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BGH v. 8.5.2015 – V ZR 178/14
Die Entscheidung:
• Dem folgt der BGH.
• Der Unterlassungsanspruch jedes Miteigentümers (s. § 15
Abs.3 WEG), der die Gebrauchsüberlassung an Dritte (§
14 Nr.2 WEG) einschließe, sei begründet.
• Die in der TE genannten Nebenräume (Hobbyräume
etc.) dürften jedenfalls dann nicht dauerhaft zu
Wohnzwecken genutzt werden, wenn dies die Anlage
um eine weitere Wohneinheit vergrößert.
o Solange die rechtswidrige Nutzung andauere, beginne die
Verjährung nicht zu laufen.
• Kann der Vermieter den Vertrag nicht kündigen, muss er
den Mieter – bis zur Opfergrenze – notfalls aus dem
Vertrag hinauskaufen (s. BGH v. 16.5.2014 - V ZR 131/13).
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BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14
Zum Sachverhalt:
In dem Anfang der Siebzigerjahre errichteten Gebäude
befinden sich u.a. Appartements. Die Beklagten erwarben
das über der Wohnung der Kläger liegende Appartement.
Sie ließen den vorhandenen Teppichboden entfernen und
Parkett einbauen. Die Kläger beanstanden eine hieraus
resultierende Erhöhung des Trittschalls.
Das AG hat die Beklagten verurteilt, Teppichboden oder
einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen
Bodenbelag zu verlegen. Auf die Berufung der Beklagten
hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der von
einem Sachverständigen ermittelte Pegel von 59 dB
überschreite nicht die Anforderungen der zur Zeit der
Gebäudeerrichtung maßgeblichen DIN 4109 in der
Ausgabe von 1962 (Trittschallgrenze: 63 dB).
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BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14
Die Entscheidung:
• Der BGH sieht das ebenso.
o Werde ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen
ersetzt, richte sich der zu gewährende Schallschutz grundsätzlich
nach der zur Zeit der Gebäudeerrichtung geltenden Ausgabe
der DIN 4109 (dazu bereits BGH v. 1.6.2012 – V ZR 195/11).
• Ein höheres Schallschutzniveau könne sich etwa aus der
GO ergeben, sofern diese hinreichend bestimmte
Regelungen enthalte. Die Baubeschreibung sei aber
regelmäßig nicht Bestandteil der GO!
• In seiner Entscheidung aus dem Jahr 2012 hatte der BGH
ferner angedeutet, eine Erhöhung könne sich auch aus
tatsächlichen Umständen ergeben, wie der bei der
Errichtung vorhandenen Ausstattung.
• Daran hält er nicht mehr fest!
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BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14
Die Entscheidung:
• Er folgt damit einer Kritik der Lehre, die auf die mit der
Feststellung der Erstausstattung verbundenen
tatsächlichen Schwierigkeiten insbesondere bei älteren
Gebäuden hingewiesen hatte.
• Die Baubeschreibung sei insofern ungeeignet. Zum
einen sei sie vor allem späteren Erwerbern oft
unbekannt. Zum anderen gebe sie nur eine Planung,
nicht aber verlässlich den Ist-Zustand wieder.
• Außerdem spreche gegen ein dauerhaftes Gepräge
der Anlage durch derartige Vorgaben, dass sich die
geschmacklichen Vorlieben für bestimmte
Bodenbeläge im Laufe der Zeit verändern.
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Haftung der Eigentümer für
unterlassene Instandsetzung und
das Stimmverhalten
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BGH v. 17.10.2014 – V ZR 9/14
Zum Sachverhalt:
K möchte von den übrigen WE Schadensersatz wegen Verzögerung einer Sanierungsmaßnahme. Die Anlage besteht aus drei
Wohnungen, von denen eine 1996 durch nachträglichen
Ausbau des Kellers seitens des Rechtsvorgängers des K
entstand. 2002 erwarb K diese Wohneinheit, die seit 2008
Feuchtigkeitsschäden aufweist und unbewohnbar geworden ist.
Die Ursachen hierfür liegen im GE, das infolge fehlerhafter
Planung beim Umbau der Keller- in Wohnräume mangelhaft ist.
K wandte sich an die drei anderen WE mit dem Ziel, die
Baumängel gemeinschaftlich beseitigen zulassen. Durch entspr.
Beschluss sollte zugleich eine Sonderumlage in Höhe der
Baukosten und deren Verteilung nach MEA beschlossen
werden. Die übrigen WE erklärten, die Mangelbehebung sei
Sache des K und ihnen nicht zuzumuten, weil die Sonderumlage
sie zum Verkauf zwinge. Wer hat Rechts?
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BGH v. 17.10.2014 – V ZR 9/14
Die Entscheidung:
• Der BGH bestätigte den Anspruch des K.
• Da die Räume seiner SE-Einheit nach der TE Wohnräume
sind, könne K grds. einen Zustand des GE verlangen, der
diese Nutzung ermöglicht.
• Das Ermessen der Mehrheit hinsichtlich des „Ob“ der
Maßnahme sei jedenfalls dann auf Null reduziert, wenn
die Nutzbarkeit einer SE-Einheit aufgehoben ist.
o Das Argument der Vorinstanz, K habe ungeprüft mangelhaftes
Wohnungseigentum erworben, verwirft der BGH, weil auch
anderen Eigentümer mangelhaftes gemeinschaftliches
Eigentum erworben und die Parteien nicht für Handlungen des
Rechtsvorgängers der Kl. einzustehen haben.
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BGH v. 17.10.2014 – V ZR 9/14
Die Entscheidung:
• Irrelevant seien ferner das fortgeschrittene Alter und die
finanziellen Schwierigkeiten der anderen WE.
• Im Rahmen des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG sei eine solche
subjektive Opfergrenze unzulässig sei, weil sonst die
Erhaltung gefährdet würde.
o Nur für Modernisierungen erlaube § 22 Abs. 2 WEG den Einwand
einer individuellen unbilligen Beeinträchtigung.
• Für die Verletzung der Pflicht zur Mitwirkung an den
erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen hafte nicht die
Gemeinschaft, sondern diejenigen Eigentümer seien
ersatzpflichtig, die sich der Maßnahme versperrt haben.
o Beachte: Die Pflichtverletzung sieht der BGH nicht in der
verzögerten Sanierung, sondern im Abstimmungsverhalten!
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Haftung für das Abstimmungsverhalten
• Es seien diejenigen WE zum Ersatz verpflichtet, die sich
mit ihrem Abstimmungsverhalten nicht auf die Seite des
K gestellt haben, also schuldhaft entweder untätig
geblieben sind oder gegen die erforderliche
Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben.
• Im Grundsatz, so der BGH, seien die WE zur Teilnahme an
der Eigentümerversammlung und zur Mitwirkung an der
Willensbildung zwar nicht verpflichtet.
• Anders liege es aber jedenfalls dann, wenn nur die
sofortige Vornahme einer bestimmten Maßnahme
ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und diese von
einem Wohnungseigentümer verlangt wird.
o Allerdings sind solche Maßnahmen praktisch selten alternativlos
und die vollständige Verweigerung der WE eher selten.
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Folgefragen
• Bleibt ein Eigentümer der ETV fern, wird man ihm eine
schuldhafte Pflichtverletzung nur vorwerfen können,
wenn für ihn bereits im Vorfeld bei gebotener Sorgfalt
erkennbar war, dass sein Erscheinen erforderlich ist.
o M.E. darf jeder WE zunächst davon ausgehen, dass diejenigen,
die ein Interesse an einer dringenden Maßnahme haben, diese
mit ihren Stimmen beschließen können. Nur in seltenen
Ausnahmefällen kann eine Anwesenheitspflicht bestehen.
o Anwesende Eigentümer, die nicht für die Maßnahme stimmen,
laufen nur dann Gefahr, in die Haftung zu kommen, wenn sich
ihr Abstimmermessen auf Null reduziert hat.
• Ob vor diesem Hintergrund namentlich abgestimmt
wird, liegt im Ermessen des Versammlungsleiters.
o M.E. auf Antrag grundsätzlich: Ja.
o Hierzu mehr im Vortrag von Jacoby heute Nachmittag!
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Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
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