Karlsruhe weist den Weg: Neueste Entscheidungen rund um das Wohnungseigentumsrecht Prof. Dr. Martin Häublein Universität Innsbruck Gemeinschaftsbezogene Rechte und Pflichten 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 2 BGH v. 24.7.2015 – V ZR 167/14 Zum Sachverhalt: K kauft 2010 eine Wohnung von einem (kommunalen?) Wohnungsunternehmen in einem Gebäudekomplex aus den 1950er Jahren. Bereits 1987 war dieser im Auftrag der Muttergesellschaft auf seine Standsicherheit hin untersucht worden. Die daraufhin vorgenommene Sanierung blieb hinter den Vorgaben des Sachverständigen (SV) zurück. 2003 führte ein weiterer SV zu einem anderen Gebäude der Anlage aus, es sei kritisch zu bewerten, dass ein geschlossenes Abdichtungssystem für das Kellergeschoss (KG) fehle. Im Kaufvertrag wurde die Haftung für Mängel ausgeschlossen, aber auf erhöhte Feuchtigkeitswerte im KG hingewiesen. K fühlt sich über das Ausmaß der Mängel getäuscht und begehrt Ersatz des mangelbedingten Minderwerts der Wohnung. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 3 Hintergrund § 444 BGB: Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 4 BGH v. 24.7.2015 – V ZR 167/14 Das Problem: • K verlor in den ersten beiden Instanzen. • Der Anspruch auf Minderung bzw. „kleinen Schadensersatz“ aus dem Kaufvertrag sei gemeinschaftsbezogen i.S.v. § 10 Abs. 6 S. 3 WEG. • Deswegen könne K diesen ohne vorherigen Beschluss der Eigentümerversammlung nicht geltend machen. • Die Besonderheit des Falles bestand darin, dass K – anders als bei typischen Kauf vom Bauträger – keinen Werkvertrag, sondern einen Kaufvertrag abgeschlossen hat. Zu klären war, ob für diesen das Gleiche gilt wie für einen Werkvertrag beim Bauträgerkauf. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 5 § 10 Abs. 6 S. 3 WEG Sie (die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) übt die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 6 BGH v. 24.7.2015 – V ZR 167/14 Die Entscheidung: • Der BGH widerspricht den Vorinstanzen und lehnt einen Gemeinschaftsbezug ab. • Gemeinschaftsbezogen seien nur Ansprüche, die im Interesse der WE oder aus Gründen des Schutzes des Verkäufers eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern. • Beides sei beim Kauf einer „gebrauchten“ ETW nicht der Fall. Typischerweise seien gleichgerichtete Ansprüche der Käufer auf mangelfreie Erstherstellung der Anlage beim Kauf nicht gegeben. • Sofern der typische Gewährleistungsausschluss im Einzelfall wegen Arglist nicht zum Tragen komme (§ 444 BGB), sei dieser Umstand ohne Gemeinschaftsbezug. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 7 BGH v. 24.7.2015 – V ZR 167/14 Die Entscheidung: • Der Fall lag insofern besonders, als die Verkäuferin wohl (vermutlich als Aufteilerin) mit mehreren Käufern vergleichbare Verträge geschlossen hatte. • Dennoch, so der BGH, könne der Einzelne seine vertraglichen Ansprüche allein geltend machen. o Der Verkäufer werde dadurch geschützt, dass er dem Käufer nur eine dem MEA entsprechende Quote des Minderwerts des GE zu ersetzen habe, nicht aber die gesamten Beseitigungskosten. o Die Summe der einzelnen Schäden könne dabei nicht größer sein als der am GE insgesamt entstandene Minderwert. o Beseitigt der Verkäufer den Mangel, stehen ihm Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen solche WE zu, denen er die Mangelbeseitigung nicht schuldet. o Hinweis: Wird der Schaden nicht an den Reparaturkosten bemessen (zB weil diese unverhältnismäßig hoch sind), kommt es mE auf den individuellen Minderwert jeder Wohnung an (ungeklärt!). 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 8 „gekorene“ Gemeinschaftszuständigkeit? • Anders als im Fall des BGH ist es auch denkbar, dass die Gemeinschaft konzertiert gegen den aufteilenden Eigentümer vorgehen will. o Die Eigentümer hatten versucht, der Aufteilerin durch Beschluss die Sanierungskosten aufzuerlegen, was diese mit Erfolg anfocht. • Es fragt sich, ob die Ausübung der Ansprüche durch Beschluss (§ 10 Abs. 6 S. 3 Var. 2 WEG) zur Sache der Gemeinschaft gemacht werden kann. • Der BGH lässt das offen, verneint aber ein Interesse an der gemeinschaftlichen Durchsetzung an anderen Stellen der Entscheidung – ein Fingerzeig? o Für die Verwaltungspraxis fragt sich, wie mit dieser Unsicherheit umzugehen ist. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 9 Lösungsversuch • Da unklar ist, ob die Mehrheit die Kompetenz hat, in Ansprüche aus Kaufverträgen mit der Folge einzugreifen, dass der Einzelne sie dann nicht mehr geltend machen kann (dazu BGH v. 5.12.2014 – V ZR 5/14), schwebt über dem Beschluss das Nichtigkeitsrisiko. • Als Alternative kommt eine Abtretung der Ansprüche aus dem Kaufvertrag an die Gemeinschaft in Betracht oder eine gewillkürte Prozessstandschaft (letzteres ist offen). • Über die Annahmeerklärung des Verbandes durch den Verwalter ist zu beschließen (§ 27 Abs.3 S.1 Nr.7 WEG). o Beachte: Stimmrechtsausschluss des betroffenen Eigentümers, da Rechtsgeschäft mit ihm (§ 25 Abs. 5 WEG). • So kann eine einvernehmliche Lösung mit der Aufteilerin gesucht und auch die Kostenfrage geregelt werden. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 10 Verwalterbestellung 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 11 BGH v. 27.2.2015 – V ZR 114/14 Zum Sachverhalt: Weil die Amtszeit des Verwalters zum 31.12. endete, wurde er am 21.12.2012 in der ETV erneut zum Verwalter gewählt. Ferner wurde zum folgenden TOP beschlossen: „Der VBR erhält das Mandat, mit der Verwaltung über den Verwaltervertrag zu verhandeln. Ein Verwaltervertrag wird auf der Basis des von RA Dr. K. vorgeschlagenen Vertrages mit dem VBR verhandelt und in einer außerordentlichen ETV, vorgeschlagen bis zum 28.2.2013, beschlossen. Sollte es keine Mehrheit für den verhandelten Verwaltervertrag geben, endet die Amtszeit des Verwalters am 28.2.2013.“ Ein Eigentümer ficht den Bestellungsbeschluss an. Mit Erfolg? 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 12 BGH v. 27.2.2015 – V ZR 114/14 Die Entscheidung: • Ausgangspunkt ist der Unterschied zw. Bestellung des Verwalters als Organ (Amt) und Abschluss des Verwaltervertrages (Anstellungsverhältnis) - Trennungstheorie. • Grundsätzlich, so der BGH, übt die Mehrheit ihr Ermessen nur dann ordnungsgemäß aus, wenn in derselben ETV, in der die Bestellung erfolgt, auch die Eckpunkte des Vertrages (Laufzeit und Vergütung) in wesentlichen Umrissen geregelt werden. Nur unter besonderen Umständen könne übergangsweise abgewichen werden. • Achtung: Mit der Festlegung der Amtszeit ist nicht automatisch über die Laufzeit des Vertrages entschieden. Daher sind auch insofern Vorgaben nötig. o Es dürfe nicht offenbleiben, ob der Vertrag auf unbestimmte Zeit oder befristet geschlossen werden soll. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 13 BGH v. 27.2.2015 – V ZR 114/14 Die Entscheidung: • Obwohl es sich um eine Wiederbestellung handelte, war die Vergütung zwischen den Parteien noch offen. • Der BGH hob den Bestellungsbeschluss daher auf. • Eine zulässige übergangsweise Abweichung liege nicht vor, weil die Bestellung bis zum 31.12.2017 fix erfolgte. • Es fehle an einer klaren Befristung der Amtszeit für den Fall, dass keine vertragliche Einigung erzielt wird. o Zwar enthalte der folgende TOP eine solche Regelung. Der Bestellungsbeschluss sei jedoch isoliert zu betrachten, weil sich die Eigentümer dafür entschieden haben, über die an sich zusammenhängenden Fragen getrennt zu beschließen. o Dafür gab es keinen sachlichen Grund. o Merke: Was zusammen gehört sollte so beschlossen werden! 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 14 Folgefrage • Problem: Vergütungsstruktur! o Der BGH spricht davon, die Vergütung müsse „in wesentlichen Umrissen“ festgelegt werden. o Ist nur die Grundvergütung bekannt, droht bei umfangreichen Sondervergütungskatalogen nicht nur der Vorwurf, dass die Vorgaben des BGH nicht erfüllt sind. o Der ermächtigte VBR steht auch vor der Frage, ob sein Verhandlungsmandant solche „Zuschläge“ umfasst. • Lösung: Die Vergütungsstruktur sollte ebenfalls mit beschlossen werden, was im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung voraussetzt, dass entspr. Kataloge den Eigentümern bei Beschlussfassung bekannt sind. • Änderungen an einzelnen Positionen können dem VBR aber m.E. überlassen werden. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 15 BGH v. 25.3.2015 – VIII ZR 243/13 Zum Sachverhalt: Die durch die Verwaltungs-GmbH vertretene WE-Gem. schloss mit U einen Rahmenvertrag über die Versorgung mit Erdgas und hierzu später einen Einzelvertrag. Nach Beendigung des Vertrages verlangt die WE-Gem. knapp 200.000 Euro, weil die Preisanpassungsklausel im Vertrag unwirksam sei und U daher mehrfach zu Unrecht die Preise erhöht habe. Dabei beruft sich die WE-Gem. auf eine nur für Verbraucher geltende Rechtsprechung des BGH, weshalb der BGH zu entscheiden hatte, ob die Gemeinschaft Verbraucher ist. Beachte: Bejaht man das, hat dies Auswirkungen auf die Gestaltung auch von Verwalterverträgen! 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 16 Hintergrund § 13 BGB: Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 17 BGH v. 25.3.2015 – VIII ZR 243/13 Die Entscheidung: • Im Interesse des Verbraucherschutzes der in WE-Gem. zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden natürlichen Personen stellt der BGH diese dann einem Verbraucher gem. § 13 BGB gleich, wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbständigen beruflichen Tätigkeit dient. • Daran ändere der Umstand nichts, dass die WE-Gem. bei Abschluss des Versorgungsvertrages durch die gewerblich handelnde - Verwalterin vertreten war. o Allerdings macht der BGH hier eine (gewichtige) Ausnahme, wenn der Verbraucherschutz gerade an die Umstände des Vertragsschlusses anknüpft, wie das etwa beim sog. „Haustürgeschäft“ der Fall ist. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 18 Konsequenzen • Wichtiger als die wohl oft bereits verjährten Ansprüche der WE-Gem. gegen Versorgungsunternehmen sind andere Auswirkungen, die etwa den Abschluss von Darlehensverträgen Namens der WE-Gem. betreffen oder den Verwaltervertrag. o Dabei geht es vor allem um das Widerrufsrecht der WE-Gem. • Während sich die Banken ganz überwiegend bereits darauf eingestellt haben, dass für die WE-Gem. das VerbrKr-Recht gilt, enthalten Verwalterverträge eher selten eine Widerrufsbelehrung. • Sie ist dann geboten, wenn der Verwalter Unternehmer ist und den Vertrag außerhalb seiner Geschäftsräume schließt (s. § 312b BGB). o Auch wenn der Verwalter den beschlossenen Vertrag letztlich in seinem Büro im Beisein des VBR unterzeichnet empfiehlt sich bis auf weiteres die Aufnahme einer Widerrufsbelehrung. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 19 Erforderliche Mehrheit iSv § 16 Abs. 3 WEG 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 20 BGH v. 10.7.2015 – V ZR 198/14 Zum Sachverhalt: In der aus zwei WE bestehenden Gemeinschaft gilt für ads Stimmrecht das Objektprinzip, weshalb WE1 nur eine Stimme hat, WE2 aber zwei, weil ihm zwei Wohnungen gehören. Auf der ETV wurde mit den Stimmen von WE2 eine Änderung der Verteilung der Beko beschlossen. WE1 meint, beide Eigentümer hätten gem. § 16 Abs. 3 WEG nur eine Stimme, weshalb der Verwalter zu Unrecht einen positiven Beschluss verkündet habe. Stimmt das? 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 21 Hintergrund § 16 WEG: (3) Die Wohnungseigentümer können … durch Stimmenmehrheit beschließen, dass die Betriebskosten des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums im Sinne des § 556 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, die nicht unmittelbar gegenüber Dritten abgerechnet werden, und die Kosten der Verwaltung nach Verbrauch oder Verursachung erfasst und nach diesem oder nach einem anderen Maßstab verteilt werden, soweit dies ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. (5) Die Befugnisse im Sinne der Absätze 3 und 4 können durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 22 BGH v. 10.7.2015 – V ZR 198/14 Die Entscheidung: • Bis zur Entscheidung des BGH war umstritten, ob bzw. in welchem Ausmaß das gesetzliche Kopfprinzip bei Beschlüssen gem. § 16 Abs. 3 WEG durch das vereinbarte (hier: Objektprinzip) verdrängt wird. • Diese Frage entscheidet der BGH nunmehr wie folgt: • Das Kopfstimmprinzip nach § 25 Abs. 2 WEG ist auch im Sachbereich des § 16 Abs. 3 WEG abdingbar. • Enthält die GO eine allgemeine Regelung zur Stimmkraft (Objekt- oder Wertprinzip), findet diese also auch bei Abstimmungen gem.§ 16 Abs. 3 WEG Anwendung. o Die Entscheidung ist sehr knapp begründet, was dem Problem m.E. nicht gerecht wird. Ganz nebenbei wird dann auch noch zu einer anderen, konroversen Frage Position bezogen. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 23 Folgefrage • Der BGH brauchte zwar nicht darüber zu entscheiden, ob das Kopfprinzip im Rahmen der doppelt qualifizierten Mehrheiten in §§ 16 Abs.4, 22 Abs.2 WEG ebenfalls abdingbar ist. Immerhin heißt es aber in dem Urteil: • „Die Frage der Stimmkraft beantwortet das Gesetz an anderer Stelle, nämlich mit der dispositiven Bestimmung des § 25 Abs.2 WEG. Zwingende Vorgaben zur Stimmkraft pflegt das Gesetz – wie ein systematischer Seitenblick auf die Regelungen des § 16 Abs.4 und des § 22 Abs.2 WEG ohne weiteres (sic!) erhellt - eigens hervorzuheben.“ • Damit dürfte klar sein, wo die Reise hingeht. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 24 Rücklagen in der Mehrhausanlage 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 25 BGH v. 17.4.2015 – V ZR 12/14 Zum Sachverhalt: Die Anlage besteht aus zwei unterschiedlich großen Gebäudekomplexen. Für diese war nach der GO eine einheitliche Rücklage zu bilden. Die GO kann mit ¾Mehrheit geändert werden. 2004 beschlossen die WE mit ca. 80% der Stimmen eine Aufteilung der Rücklage entsprechend den beiden Gebäudekomplexen. 2012 vertrat der Verwalter die Auffassung, der Beschluss aus dem Jahr 2004 sei nichtig und die getrennten Rücklagen müssten daher zusammengeführt werden. Aus diesem Grund wurden Ausgleichszahlungen zulasten der Eigentümer des einen Komplexes mit einfacher Mehrheit beschlossen und nach Ablauf eines Monats von der Gemeinschaft eingeklagt. Mit Erfolg? 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 26 BGH v. 17.4.2015 – V ZR 12/14 Die Entscheidung: • Nein; denn der Beschluss über die Zusammenlegung der Rücklage und die Zahlungen ist nichtig. • Zwar habe die GO ursprünglich eine einheitliche Rücklage vorgesehen. • Jedoch sei diese 2004 wirksam geändert worden. o Die allg. Öffnungsklausel erlaube einen solchen Beschluss. • Da fortan gesonderte Rücklagen vereinbart waren und auch keine (erneute) Zusammenlegung beschlossen worden war, gab es für die beschlossenen Zahlungen keine rechtliche Grundlage; eine gemeinsame Rücklage, für die die Zahlungen vorgesehen waren, existierte gar nicht. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 27 Konsequenzen • Die Entscheidung verdeutlicht, wie gefährlich es sein kann, wenn der Verwalter einen Beschluss der ETV „für nichtig erklärt“. o Zwar wurden dem Verwalter die Kosten des Verfahrens nicht nach § 49 Abs. 2 WEG auferlegt. Jedoch sind dadurch Regressansprüche gegen den Verwalter nicht ausgeschlossen; die Gemeinschaft musste für die eigenen Gerichts- und Anwaltskosten ebenso aufkommen wie für die der Beklagten. • Gerade bei Existenz einer Öffnungsklausel kommen nichtige Beschlüsse selten vor. • Eine verbindliche Klärung kann nur durch Nichtigkeitsfeststellungsklage herbeigeführt werden. o Ob der Verwalter insofern klagebefugt ist, ist nicht geklärt (ich meine ja). Allerdings dürfte es ohnehin nur wenige Verwalter geben, die in einem solchen Fall (gegen alle WE!) klagen. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 28 Störerhaftung 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 29 BGH v. 8.5.2015 – V ZR 178/14 Zum Sachverhalt: Dem beklagten WE gehört u.a. ein Teileigentum, das in der TE als „Räumlichkeiten im Souterrain bestehend aus drei Hobbyräumen, Vorratskeller, Flur und einem weiteren Kellerraum“ ausgewiesen ist. Dem klagenden WE gehört seit 2007 das Sondereigentum an zwei Wohnungen. Der Beklagte vermietet seine Einheit als Wohnraum. Nach dem Jahr 2007 erfolgten zwei Neuvermietungen. Dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, seine Einheit als Wohnraum zu nutzen oder nutzen zu lassen, haben die ersten beiden Instanzen entsprochen. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 30 BGH v. 8.5.2015 – V ZR 178/14 Die Entscheidung: • Dem folgt der BGH. • Der Unterlassungsanspruch jedes Miteigentümers (s. § 15 Abs.3 WEG), der die Gebrauchsüberlassung an Dritte (§ 14 Nr.2 WEG) einschließe, sei begründet. • Die in der TE genannten Nebenräume (Hobbyräume etc.) dürften jedenfalls dann nicht dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt werden, wenn dies die Anlage um eine weitere Wohneinheit vergrößert. o Solange die rechtswidrige Nutzung andauere, beginne die Verjährung nicht zu laufen. • Kann der Vermieter den Vertrag nicht kündigen, muss er den Mieter – bis zur Opfergrenze – notfalls aus dem Vertrag hinauskaufen (s. BGH v. 16.5.2014 - V ZR 131/13). 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 31 BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14 Zum Sachverhalt: In dem Anfang der Siebzigerjahre errichteten Gebäude befinden sich u.a. Appartements. Die Beklagten erwarben das über der Wohnung der Kläger liegende Appartement. Sie ließen den vorhandenen Teppichboden entfernen und Parkett einbauen. Die Kläger beanstanden eine hieraus resultierende Erhöhung des Trittschalls. Das AG hat die Beklagten verurteilt, Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag zu verlegen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der von einem Sachverständigen ermittelte Pegel von 59 dB überschreite nicht die Anforderungen der zur Zeit der Gebäudeerrichtung maßgeblichen DIN 4109 in der Ausgabe von 1962 (Trittschallgrenze: 63 dB). 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 32 BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14 Die Entscheidung: • Der BGH sieht das ebenso. o Werde ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt, richte sich der zu gewährende Schallschutz grundsätzlich nach der zur Zeit der Gebäudeerrichtung geltenden Ausgabe der DIN 4109 (dazu bereits BGH v. 1.6.2012 – V ZR 195/11). • Ein höheres Schallschutzniveau könne sich etwa aus der GO ergeben, sofern diese hinreichend bestimmte Regelungen enthalte. Die Baubeschreibung sei aber regelmäßig nicht Bestandteil der GO! • In seiner Entscheidung aus dem Jahr 2012 hatte der BGH ferner angedeutet, eine Erhöhung könne sich auch aus tatsächlichen Umständen ergeben, wie der bei der Errichtung vorhandenen Ausstattung. • Daran hält er nicht mehr fest! 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 33 BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14 Die Entscheidung: • Er folgt damit einer Kritik der Lehre, die auf die mit der Feststellung der Erstausstattung verbundenen tatsächlichen Schwierigkeiten insbesondere bei älteren Gebäuden hingewiesen hatte. • Die Baubeschreibung sei insofern ungeeignet. Zum einen sei sie vor allem späteren Erwerbern oft unbekannt. Zum anderen gebe sie nur eine Planung, nicht aber verlässlich den Ist-Zustand wieder. • Außerdem spreche gegen ein dauerhaftes Gepräge der Anlage durch derartige Vorgaben, dass sich die geschmacklichen Vorlieben für bestimmte Bodenbeläge im Laufe der Zeit verändern. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 34 Haftung der Eigentümer für unterlassene Instandsetzung und das Stimmverhalten 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 35 BGH v. 17.10.2014 – V ZR 9/14 Zum Sachverhalt: K möchte von den übrigen WE Schadensersatz wegen Verzögerung einer Sanierungsmaßnahme. Die Anlage besteht aus drei Wohnungen, von denen eine 1996 durch nachträglichen Ausbau des Kellers seitens des Rechtsvorgängers des K entstand. 2002 erwarb K diese Wohneinheit, die seit 2008 Feuchtigkeitsschäden aufweist und unbewohnbar geworden ist. Die Ursachen hierfür liegen im GE, das infolge fehlerhafter Planung beim Umbau der Keller- in Wohnräume mangelhaft ist. K wandte sich an die drei anderen WE mit dem Ziel, die Baumängel gemeinschaftlich beseitigen zulassen. Durch entspr. Beschluss sollte zugleich eine Sonderumlage in Höhe der Baukosten und deren Verteilung nach MEA beschlossen werden. Die übrigen WE erklärten, die Mangelbehebung sei Sache des K und ihnen nicht zuzumuten, weil die Sonderumlage sie zum Verkauf zwinge. Wer hat Rechts? 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 36 BGH v. 17.10.2014 – V ZR 9/14 Die Entscheidung: • Der BGH bestätigte den Anspruch des K. • Da die Räume seiner SE-Einheit nach der TE Wohnräume sind, könne K grds. einen Zustand des GE verlangen, der diese Nutzung ermöglicht. • Das Ermessen der Mehrheit hinsichtlich des „Ob“ der Maßnahme sei jedenfalls dann auf Null reduziert, wenn die Nutzbarkeit einer SE-Einheit aufgehoben ist. o Das Argument der Vorinstanz, K habe ungeprüft mangelhaftes Wohnungseigentum erworben, verwirft der BGH, weil auch anderen Eigentümer mangelhaftes gemeinschaftliches Eigentum erworben und die Parteien nicht für Handlungen des Rechtsvorgängers der Kl. einzustehen haben. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 37 BGH v. 17.10.2014 – V ZR 9/14 Die Entscheidung: • Irrelevant seien ferner das fortgeschrittene Alter und die finanziellen Schwierigkeiten der anderen WE. • Im Rahmen des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG sei eine solche subjektive Opfergrenze unzulässig sei, weil sonst die Erhaltung gefährdet würde. o Nur für Modernisierungen erlaube § 22 Abs. 2 WEG den Einwand einer individuellen unbilligen Beeinträchtigung. • Für die Verletzung der Pflicht zur Mitwirkung an den erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen hafte nicht die Gemeinschaft, sondern diejenigen Eigentümer seien ersatzpflichtig, die sich der Maßnahme versperrt haben. o Beachte: Die Pflichtverletzung sieht der BGH nicht in der verzögerten Sanierung, sondern im Abstimmungsverhalten! 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 38 Haftung für das Abstimmungsverhalten • Es seien diejenigen WE zum Ersatz verpflichtet, die sich mit ihrem Abstimmungsverhalten nicht auf die Seite des K gestellt haben, also schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder gegen die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben. • Im Grundsatz, so der BGH, seien die WE zur Teilnahme an der Eigentümerversammlung und zur Mitwirkung an der Willensbildung zwar nicht verpflichtet. • Anders liege es aber jedenfalls dann, wenn nur die sofortige Vornahme einer bestimmten Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und diese von einem Wohnungseigentümer verlangt wird. o Allerdings sind solche Maßnahmen praktisch selten alternativlos und die vollständige Verweigerung der WE eher selten. 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 39 Folgefragen • Bleibt ein Eigentümer der ETV fern, wird man ihm eine schuldhafte Pflichtverletzung nur vorwerfen können, wenn für ihn bereits im Vorfeld bei gebotener Sorgfalt erkennbar war, dass sein Erscheinen erforderlich ist. o M.E. darf jeder WE zunächst davon ausgehen, dass diejenigen, die ein Interesse an einer dringenden Maßnahme haben, diese mit ihren Stimmen beschließen können. Nur in seltenen Ausnahmefällen kann eine Anwesenheitspflicht bestehen. o Anwesende Eigentümer, die nicht für die Maßnahme stimmen, laufen nur dann Gefahr, in die Haftung zu kommen, wenn sich ihr Abstimmermessen auf Null reduziert hat. • Ob vor diesem Hintergrund namentlich abgestimmt wird, liegt im Ermessen des Versammlungsleiters. o M.E. auf Antrag grundsätzlich: Ja. o Hierzu mehr im Vortrag von Jacoby heute Nachmittag! 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 40 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 23. Deutscher Verwaltertag Referent: Martin Häublein Berlin, 18.09.2015 41
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