Buntes Team mit starken Charakteren

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Die Internationalen
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Buntes Team
mit starken Charakteren
Die Beschäftigten in der Pflege und die Hebammen sind international. Ist „Multikulti“ wirklich
kein Problem? Wir haben nachgefragt. Zum Beispiel im Kreißsaal.
E
in Blick in die Personaldaten der MHH
lässt staunen: Die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter in der Pflege und
die Hebammen kommen aus 52 unterschiedlichen Geburtsländern. Da treffen
viele Kulturen, Sprachen und Religionen
aufeinander. Besonders multikulturell ist
das Hebammen-Team in der Frauenklinik.
Hier arbeiten 30 Frauen mit Wurzeln in
elf unterschiedlichen Staaten zusammen.
Vertreten sind Afghanistan, Deutschland,
Iran, Kasachstan, Niederlande, Peru, Polen,
Portugal, Syrien, Türkei und Weißrussland.
Viel Individualität
Wie erleben sie den Berufsalltag in
so einem bunten Team? „Ehrlich gesagt,
spielt das überhaupt keine Rolle“, sagt
Halina Lewinski, die Leiterin des Kreißsaals. Wer sie und ihre Mitarbeiterinnen
erlebt, glaubt ihr das sofort. Die Stimmung im Team ist harmonisch, alle gehen
offen und locker miteinander um. „Wir
sind starke Charaktere. Jede bringt ihre
Individualität ein und ist gleichzeitig für
die anderen da“, erklärt die Leiterin des
Kreißsaals, die selbst aus Polen kommt.
Die anderen Hebammen sehen das ähn-
n
Hebammenstudiengang
An der MHH gibt es derzeit die einzige
Möglichkeit in Deutschland, einen Masterabschluss in Hebammenwissenschaft zu
erhalten. Die Hochschule bietet gemeinsam
mit den Universitäten in Maastricht und
Lausanne einen Europäischen Masterstudiengang für Hebammenwissenschaft an.
Durch die akademische Weiterbildung können Hebammen die international anerkannte Zusatzqualifikation „Master of Science“
erwerben. Mit dem Titel qualifizieren sie sich
unter anderem für Leitungsfunktionen, Hebammenforschung und Hebammenausbildung. Der Studiengang wird von Professorin
Dr. Mechthild Groß geleitet. In diesem Jahr
haben sechs Studierende ihr Studium erfolgreich abgeschlossen. Elf Studierende werden
im Herbst beginnen. tg
Zu Hause in Hannover
Zu Hause in Hannover
Olympia Vlachantoni (47)
E. Jessie Orpilla (42)
Die Gruppenleiterin der Station 53a und b
arbeitet seit 1993 in der MHH: „Ich fühle
mich durch und durch deutsch, bin hier
geboren, habe immer hier gelebt und nie
in einer anderen Sprache gedacht. Eine
Ausnahme waren die vier Jahre, in denen
ich in Griechenland Krankenpflege studiert
habe. Da war es für mich ein Vorteil, dass
ich fließend Griechisch sprechen kann, weil
mir das meine Eltern beigebracht haben.“
Der Gruppenleiter der Stationen 43 und
43c ist seit 1995 an der MHH tätig: „Ich
lebe seit meinem siebten Lebensjahr in
Deutschland, bin hier beheimatet und vollständig integriert. Wenn ich Urlaub auf den
Philippinen mache, sagen die Menschen
dort auch, dass ich typisch deutsch bin.
Doch auch die Philippinen sind meine
Heimat, denn ich habe mir die Sprache angeeignet und kenne die Kultur sehr gut.“
lich wie Halina Lewinski. „Viel wichtiger
als das Herkunftsland sind doch die persönlichen Eigenschaften einer Kollegin“,
stellt beispielsweise Shala Taslimi aus dem
Iran fest. Sie machte die Ausbildung zur
Hebamme in ihrer Heimat. In Deutschland
seien jedoch die technischen Möglichkeiten im Kreißsaal viel besser. „Daran
musste ich mich anfangs erst gewöhnen.
Im Kolleginnenkreis habe ich mich schnell
wohlgefühlt.“
Die Beleghebamme Anne Schmidt
ist davon überzeugt, dass ein gutes kollegiales Miteinander nicht so sehr vom
kulturellen Hintergrund, sondern viel
mehr vom gegenseitigen Erfahrungsaustausch abhängt. „Wenn ältere, erfahrene
Kolleginnen und junge Kolleginnen gut
zusammenarbeiten, profitiert das ganze
Team davon“, sagt sie.
Esther Morgenroth (49) ist so eine
erfahrene Kollegin. Seit 25 Jahren ist sie
Hebamme, seit zweieinhalb Jahren arbeitet sie im Kreißsaal der MHH-Frauenklinik.
Samira Sherzay (26) aus Afghanistan hingegen hat ihre Ausbildung zur Hebamme
erst vor einigen Monaten beendet und
gehört seit April zum Team. „Ich lerne
hier von den älteren Kolleginnen jeden
Tag etwas Neues dazu“, erklärt die junge
Frau, die mit sieben Jahren nach Deutschland kam. Zu Hause lebt sie nach den Regeln des Islam, trägt aber kein Kopftuch
und ist im Kreißsaal gekleidet wie ihre
anderen Kolleginnen. Esther Morgenroth
empfindet die Arbeit mit Samira Sherzay
und den anderen jüngeren Hebammen
ebenfalls als bereichernd: „Es ist immer
wieder interessant, was sie beispielsweise
über andere Geburtskliniken und Ausbildungsstätten berichten.“
Arbeitssprache Deutsch
Die Arbeitssprache im Kreißsaal ist
Deutsch. Daran müssen sich alle Hebammen halten. „Die Sprache ist eines
unserer wichtigsten Instrumente“, erklärt
Esther Morgenroth. „Wir kommunizieren
ständig und tauschen uns untereinander
und mit den Ärzten über den Fortgang
der einzelnen Geburten aus. Nichts darf
unbemerkt und nichts unkommuniziert
bleiben.“ Bei der Übergabe zum Schicht-
4/2015
Pflegekräfte und Hebammen an der MHH
Große Vielfalt
An der MHH gibt es nicht nur 1.808
Pflegekräfte mit einem deutschen
Pass, sondern auch 80, die einer
anderen Nationalität angehören: Beispielsweise 17 polnische und 16 spanische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch Beschäftigte mit einer
der 25 weiteren Nationalitäten – zum
Beispiel der iranischen, italienischen
oder estländischen. Unabhängig von
der Staatsangehörigkeit gibt es an der
Hochschule 240 Pflegekräfte, die in
einem anderen Land als Deutschland
geboren wurden.
Und ausländische Patienten? 2014
reisten 305 Patienten aus dem Ausland in die MHH, um sich behandeln
zu lassen. Die drei Kliniken, die am
meisten ausländische Patienten behandelten, waren die Hals-, Nasenund Ohrenheilkunde, die Allgemein-,
Viszeral- und Transplantationschirurgie sowie die Neurochirurgie. bb
Zu Hause in Hannover
Fühlen sich gut im internationalen Team: die Hebammen Esther Morgenroth und Samira Sherzay.
wechsel um 6, 12 und 19.30 Uhr werde
detailliert besprochen, was war und womit noch zu rechnen ist. „Unser Dienstzimmer ist unsere Kommunikationszentrale“, sagt die Hebamme.
Kommunikation und Verständigung
sind auch bei jeder einzelnen Geburt gefordert. „Unsere kulturelle Vielfalt kommt
unseren Patientinnen natürlich am meisten
zugute“, sagt Halina Lewinski. Denn genauso international wie das HebammenTeam sind die Gebärenden in der Frauenklinik. Gut 2.500 Babys kommen dort pro
Jahr zur Welt, und immer mehr Mütter
sprechen beispielsweise Arabisch, Syrischarabisch oder Englisch. „Wenn eine der
Hebammen sich mit einer fremdsprachigen
Patientin in deren Muttersprache unterhalten kann und deren Kultur und Mentalität
kennt, fühlt die Patientin sich natürlich
sofort besser betreut“, erläutert die Leiterin des Kreißsaals. Die Vielsprachigkeit
des Hebammen-Teams ist in der gesamten
Frauenklinik gefragt – die Geburtshelferinnen werden oft auch als Dolmetscherinnen
auf andere Stationen gebeten. tg
Lydiah Schulz-Symon (37)
Die Gesundheits- und Krankenpflegerin
der Station 43 arbeitet seit 2008 in der
MHH: „Ich denke deutsch, fühle mich als
Deutsche und kann mich sehr gut mit
Deutschland identifizieren. Und meine
Heimat bleibt Kenia. Wenn ich dort bin,
merke ich zum Beispiel, dass ich nicht
mehr so ruhig und gelassen bin wie die
anderen. Ich denke, dass hier wie dort
eine gute Bilanz zwischen Ruhe und
Zügigkeit wichtig ist.“
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