Notwendigkeit von Rat und Tat enden nicht an der Tür einer

Notwendigkeit von Rat und Tat enden nicht an
der Tür einer Geburtsklinik.
Ab Juli 2016 könnten junge Familien ohne Hebammen dastehen.
WIESBADEN. Im August vergangenen Jahres kam Simone Roses erstes Kind zur Welt. Einen nicht unwesentlichen
Teil der Schwangerschaft hatte sie am Telefon verbracht: 25 Absagen kassierte die Wiesbadenerin, bis sie endlich
eine Hebamme gefunden hatte. Diese Erfahrung ist kein Einzelfall: In Wiesbaden ist es bereits seit Jahren ein
schwieriges Unterfangen, eine Hebamme zu organisieren, die Auslastung ist enorm. Nun wird sich die Lage
weiter verschärfen: Die Wiesbadener Hebammen bieten ab Juli 2016 keine freiberuflichen Hebammenleistungen
mehr an. „Auf die bisherigen Aktionen wie Kundgebungen, Infostände, Petitionen, Gespräche mit Kommunalpolitikern haben wir zwar positive Reaktionen erhalten, jedoch haben diese Solidaritätsbekundungen nur wenig
Druck auf Politik und Krankenkassen ausgeübt“, erklärt Hebamme Nadine Franzmann als Sprecherin ihrer Kolleginnen. Nach dem jüngsten Schiedsspruch zwischen dem GKV- Spitzenverband und dem Hebammenverband sei
die Lage für viele Hebammen existentiell bedrohlich. „Wir müssen jetzt agieren, sonst gibt es bald keine freiberuflich arbeitenden Hebammen mehr.“ Dr. Klaus Doubek, Bezirksvorsitzender Wiesbaden im Landesverband Hessen des Berufsverbandes der Frauenärzte, erklärt sich solidarisch: „Mag die ärztliche Mutterschaftsvorsorge noch
so einiges abfangen, so frage ich mich, wer in die junge Familie gehen soll. Notwendigkeit von Rat und Tat enden
nicht an der Tür einer Geburtsklinik.“ Darüber hinaus haben gesetzlich versicherte Frauen Anspruch auf Hebammenleistungen vor, während (ein Arzt darf nicht ohne Hebamme eine Geburt betreuen) und nach der Geburt.
„Wir dürfen rein rechtlich ab dem 1. Juli 2016 keine Frauen mehr annehmen und betreuen, da es aktuell noch
keine Unterzeichnung einer Haftpflichtversicherung gibt, was ein Berufsverbot bedeutet. Kommt sie zustande,
ist mit weiterer Kostensteigerung zu rechnen, somit die Berufsausübung für uns nicht wirtschaftlich“, so Judith
Jeron und Nadine Franzmann. Ihre Aktion sehen sie als eine Art Warnstreik. „Es muss sich eine Lösung finden,
dass die Haftpflichtversicherung langfristig bezahlbar und damit der Beruf der Hebamme ausübbar bleibt. Dazu
muss entweder die Bezahlung durch die Krankenkassen erhöht werden oder ein Haftungsfonds eingerichtet werden, um die Versicherungsbeiträge zu begrenzen. Bis für diese Probleme von Bundespolitik und Krankenkassen
eine Lösung gefunden ist, fordern wir Landeshauptstadt Wiesbaden auf, die Hebammen übergangsweise zu unterstützen.“ Konkret ist damit die Übernahme der Haftpflichtversicherung für alle Wiesbadener Hebammen mit
einer Gesamtsumme von auf 30.000 Euro gemeint, wie es bereits andere Kommunen vorgemacht haben. „Wir
beenden unsere Kampagne dann, wenn wir von der Stadt ein eindeutiges und verlässliches Angebot vorliegen
haben mit der Zusage, sich auch auf Landes- und Bundesebene für unsere Forderungen und eine Verbesserung
der Situation junger Familien einzusetzen.“
Julia Anderton