Erläuternde Bemerkungen

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Erläuternde Bemerkungen
zum Entwurf eines Gesetzes, mit dem das Gesetz vom 12. Juni 1900 betreffend die besonderen
Rechtsverhältnisse geschlossener Höfe, wirksam für die gefürstete Grafschaft Tirol geändert wird
I.
Allgemeines
A.
Das Gesetz vom 12. Juni 1900 betreffend die besonderen Rechtsverhältnisse geschlossener Höfe,
wirksam für die gefürstete Grafschaft Tirol, LGBl. Nr. 47/1900, hat in seiner mehr als ein Jahrhundert
langen Geschichte in der Judikatur und Rechtsprechung, aber auch umgangssprachlich als „Tiroler
Höfegesetz“ Eingang gefunden.
In seinem Kernbereich blieb das Tiroler Höferecht bis in die Gegenwart erhalten: Unter dem Schutz des
Höferechtes stehende oder neu zu bildende geschlossene Höfe sollten bislang zur angemessenen
Erhaltung einer zumindest fünfköpfigen Familie ausreichen. Es scheint nunmehr unerlässlich, auf die
Änderungen der wirtschaftlichen Gegebenheiten in der Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten durch
technologische Fortschritte, die Zunahme der Bedeutung anderer Wirtschaftszweige und die damit
verbundenen sozialen Umwälzungen im ländlichen Raum Bedacht zu nehmen und die MindestErtragsleistung geschlossener Höfe herabzusetzen. Trotz aller Entwicklungen ist die Land- und
Forstwirtschaft hierzulande nach wie vor klein- und mittelständisch strukturiert. Auch hat der
gesellschaftliche Wandel das Familienbild grundlegend geändert. Arbeitskräfte in den
landwirtschaftlichen Betrieben wanderten zusehends in andere Wirtschaftsbereiche ab. Die traditionellen
bäuerlich geprägten Familienverbände wurden beständig kleiner. Daneben konnten die aus der
landwirtschaftlichen Bewirtschaftung erzielbaren Erträgnisse nicht im gleichen Maße gesteigert werden
wie sich die Lebenshaltungskosten erhöhten. So ist ein wesentliches Ziel der vorgeschlagenen Novelle
des Tiroler Höfegesetzes eine Anpassung an geänderte wirtschaftliche und soziale Verhältnisse.
Korrespondierend zu dieser Herabsetzung der Mindest-Ertragsleistung geschlossener Höfe soll ein
Katalog von Ausnahmetatbeständen geschaffen werden. Derartige Änderungen am Bestand und Umfang
geschlossener Höfe sollen bewilligungsfrei erfolgen können.
Schließlich sollen legistische und verwaltungsvereinfachende Änderungen erfolgen.
B.
Die Kompetenz des Landes zur Erlassung eines dem Entwurf entsprechenden Gesetzes ergibt sich aus
Art. 15 Abs. 1 B-VG. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass ausschließlich Regelungen des
rechtsgeschäftlichen Verkehrs mit geschlossenen Höfen (Höferecht im engeren Sinn) getroffen werden;
die erbrechtlichen Bestimmungen, die dem Bundesrechtsbestand angehören, bleiben unverändert.
C.
Für den Bund, das Land Tirol und die Tiroler Gemeinden ergeben sich aus Beschlussfassung eines dem
vorliegenden Entwurf entsprechenden Gesetzes keine finanziellen Auswirkungen.
II.
Bemerkungen zu den einzelnen Bestimmungen
Zu Artikel I:
Zu Z 1 (Titel):
Der ursprüngliche räumliche Geltungsbereich des Gesetzes vom 12. Juni 1900 betreffend die besonderen
Rechtsverhältnisse geschlossener Höfe, wirksam für die gefürstete Grafschaft Tirol umfasste die
historischen Landesteile der Monarchie. Auch nach der Teilung Tirols durch den Vertrag von St. Germain
1919 blieb das Tiroler Höfegesetz in Südtirol während der ersten zehn Jahre italienischer Herrschaft
aufrecht (vgl. Schennach, Geschichte des bäuerlichen Besitz- und Erbrechts in Tirol – ein Überblick, in
Hofgeschichten der 2002 und 2003 verliehenen Erbhöfe, Schriftenreihe Tiroler Erbhöfe Nr. 21 (2003) 9
(11). Aus historischen Gründen scheint eine derartige Anknüpfung an die gefürstete Grafschaft von Tirol
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nicht mehr zeitgemäß. Um zu vermeiden, dass eine Geltung über die Landesgrenzen hinaus (für die
historischen Landesteile) auch nur anscheinsweise impliziert wird, soll der Titel entsprechend reduziert
werden. Außerdem soll der im Rechtsverkehr geläufige Titel „Tiroler Höfegesetz“ als Kurztitel eingeführt
werden.
Zu Z 2 (§ 1):
Die Beschreibung des Begriffes des geschlossenen Hofes als „jede landwirtschaftliche mit einem
Wohnhaus versehene Besitzung“ trifft insoweit auf die tatsächlichen Gegebenheiten der Tiroler
Landwirtschaft und insbesondere auf jene der geschlossenen Höfe nicht zu: Zwar überwiegt in vielen
Fällen der landwirtschaftliche Betriebszweig mit Tierhaltung und Erzielung tierischer Erzeugnisse,
dennoch gehört eine Ausstattung mit Forstflächen – wenn auch in sehr unterschiedlicher Ausprägung –
zum Regelbetrieb. Gleichermaßen entspricht das Kriterium des Vorhandenseins eines Wohnhauses nicht
(mehr) den tatsächlichen Verhältnissen der Landwirtschaft. Für die bauliche Mindestausstattung scheint
der Begriff der Hofstelle zutreffender. Darunter werden nämlich die für die Land- und Forstwirtschaft
erforderlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäude verstanden, wogegen ein Wohnhaus nicht in jedem Fall
erforderlich ist. Diesen tatsächlichen Gegebenheiten soll die Terminologie des Tiroler Höfegesetzes
angepasst werden.
Die Sonderstellung der geschlossenen Höfe in Tirol fand ursprünglich im Gesetz vom 17. März 1897,
Gesetz- und Verordnungsblatt für die gefürstete Grafschaft Tirol Nr. 9, betreffend die Anlegung von
Grundbüchern und die innere Einrichtung der Grundbücher ihren rechtlichen Niederschlag. Die schon bis
dahin gesetzlichen Teilungsbeschränkungen unterliegenden geschlossenen Höfe waren in einer
gesonderten Abteilung des Hauptbuches jeder Katastralgemeinde einzutragen. Dieses Gesetz ist
mittlerweile außer Kraft getreten, das noch in Geltung stehende Allgemeine Grundbuchsanlegungsgesetz
ist materiell an dessen Stelle getreten. Gemäß § 69 dieses Gesetzes hat in Tirol das Hauptbuch in zwei
gesonderten Abteilungen die geschlossenen Höfe „neben den Einlagen aller anderen Liegenschaften“ zu
enthalten. Bei der Umstellung des Grundbuches auf automationsunterstützte Datenverarbeitung infolge
des Grundbuchsumstellungsgesetzes wurden in Tirol die gesonderten Abteilungen des Hauptbuches
dadurch gebildet, dass den Einlagen der geschlossenen Höfe die Einlagezahlen von 90000 aufwärts
vorbehalten wurden (§ 18 des Grundbuchsumstellungsgesetzes). Im Hinblick auf diese geänderten
grundbuchsrechtlichen Gegebenheiten war das Zitat entsprechend anzupassen.
Zu Z 3 (§ 2):
Es wird vorgeschlagen, nicht mehr jedwede Änderung am Bestand und Umfang geschlossener Höfe einer
Bewilligungspflicht zu unterstellen. Die bereits bislang geltende Bewilligungspflicht soll der Bestimmung
als Abs. 1 vorangestellt werden. In Abs. 2 soll ein Katalog an Ausnahmetatbestände geschaffen werden,
bei deren Vorliegen es keiner höferechtlichen Bewilligung bedarf (diese umfassen insbesondere die
bereits bislang bewilligungsfreien Tatbestände nach den §§ 2 und 6 zweiter Satz).
Zu Z 4 (§ 3):
Die bislang vorgesehene Mindest-Ertragsleistung eines geschlossenen Hofes, zumindest eine fünfköpfige
Familie erhalten zu können, entspricht nicht mehr den geänderten faktischen Gegebenheiten der Tiroler
Landwirtschaft. Zahlreiche Betriebe werden im Nebenerwerb betrieben. Durch die geringe
durchschnittliche Flächenausstattung der Tiroler Landwirtschaft und die geänderten Marktverhältnisse
scheint es unabdingbar, die Mindest-Ertragsleistung geschlossener Höfer herabzusetzen. Dabei wird
vorgeschlagen, diese dem Anerbengesetz anzupassen (Erhaltung von zwei erwachsenen Personen).
Zu den Z 5, 6, 7, 9, 10 und 12 (§§ 4, 5, 7, 9 und 11):
Hier erfolgen lediglich terminologische und redaktionelle Anpassungen.
Zu Z 8 (§ 6):
Die Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen keine höferechtliche Genehmigung erforderlich ist, sollen
systematisch in § 2 Abs. 2 (siehe Z. 3) zusammengefasst werden. Dem bisherigen zweiten Satz des § 6
entspricht der neue Ausnahmetatbestand des vorgeschlagenen § 2 Abs. 2 lit. c.
Zu Z 11 (§ 10):
Bestehen Zweifel, ob eine Änderung am Bestand oder Umfang eines geschlossenen Hofes entsprechend
den Ausnahmetatbeständen nach § 2 Abs. 2 (siehe Z. 3) bewilligungsfrei ist oder nicht, soll ein
Feststellungsverfahren durch die Bezirksverwaltungsbehörde von Amts wegen oder auf Antrag geführt
werden. Damit soll diese Frage rechtsverbindlich geklärt werden, um Rechtssicherheit für die
Vertragsparteien eines beabsichtigten Rechtsgeschäftes, das Teile eines geschlossenen Hofes umfasst, zu
gewährleisten. In Zweifelsfällen kann so auch gegenüber dem Grundbuchsgericht eine endgültige
Klärung herbeigeführt werden.
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Zu Z 13 (§ 14):
Mit Art. III des Gesetzes LGBl. Nr. 36/1962 wurde die Bewilligungspflicht für Teilungen walzender
Grundstücke (vormals § 8) aufgehoben. Dabei wurde offenbar übersehen, auch die darauf Bezug
nehmende Wendung „und Teilungen von walzenden Grundstücken“ im § 14 erster Satz aufzuheben.
Durch die Neufassung des zweiten Satzes soll die bereits bisher geltende „Grundbuchssperre“
ausdrücklich angeordnet werden. Das Fehlen einer höferechtlichen Bewilligung hatte schon bisher die
Abweisung des Grundbuchsgesuches zur Folge (vgl. Webhofer, Tiroler Höfegesetz [1956] 70). Diese
Grundbuchssperre gilt nicht für bewilligungsfreie Tatbestände nach § 2 Abs. 2 (siehe Z. 3), da nur
„erforderliche“ Bewilligungen vorzulegen sind. Bestehen Zweifel an der Bewilligungsfreiheit, kann ein
Feststellungsverfahren angestrengt werden (siehe § 10, Z. 11).
Aus systematischen Gründen soll § 14 künftig in Absätze gegliedert werden. Außerdem erfolgen im
neuen Abs. 3 Zitatanpassungen: Betreffend die Ausdehnung bestehender Hypothekarrechte auf alle
Bestandteile des Hofes im Falle der Vereinigung von lastenfreien und nicht belasteten Liegenschaften soll
auf die geltende Bestimmung des § 25 Abs. 2 des Liegenschaftsteilungsgesetzes verwiesen werden, die
sinngemäß anzuwenden ist. Die Gebührenfreiheit ergibt sich nunmehr unmittelbar aus dem Gesetz.
Zu Artikel II:
Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten.
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