Kartellrecht: Neue Kommissionsleitlinien zum

Europäische Kommission - Factsheet
Kartellrecht: Neue Kommissionsleitlinien zum gemeinsamen Verkauf von
Olivenöl, Rindfleisch und Kulturpflanzen – Fragen und Antworten
Brüssel, 27. November 2015
Kartellrecht: Neue Kommissionsleitlinien zum gemeinsamen Verkauf von Olivenöl,
Rindfleisch und Kulturpflanzen – Fragen und Antworten
1. Was ist der Zweck der neuen Leitlinien?
Nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sind wettbewerbswidrige
Vereinbarungen verboten, es sei denn, sie tragen unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an
dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung bei. Nach Maßgabe
der einschlägigen Verordnungen gelten diese Bestimmungen mit bestimmten Ausnahmen auch für den
Agrarsektor.
Mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) 2013 wurden solche Ausnahmen für den Verkauf
von Olivenöl, Rindfleisch und Feldkulturen eingeführt. Nach der Verordnung über die gemeinsame
Marktorganisation („GMO-Verordnung“) können Erzeugerorganisationen und deren Vereinigungen in
diesen drei Sektoren ihre Erzeugnisse gemeinsam verkaufen und Preise, Mengen und andere
Vertragsbedingungen gemeinsam festsetzen, wenn durch andere gemeinsame Aktivitäten (z. B.
Vertrieb, Lagerung) erhebliche Effizienzgewinne erzielt werden.
Die neuen Leitlinien sollen Landwirten, Erzeugerorganisationen und deren Vereinigungen helfen zu
prüfen, ob sie die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelungen erfüllen. Sie
enthalten Flussdiagramme, in denen Schritt für Schritt erläutert wird, wie vorzugehen ist.
Ferner werden in den neuen Leitlinien anhand konkreter Beispiele aus den betreffenden Sektoren Fälle
erläutert, in denen Erzeugerorganisationen im Einklang mit den Vorschriften handeln bzw. dagegen
verstoßen.
Die neuen Leitlinien sollen außerdem gewährleisten, dass die Ausnahmeregelungen in allen
Mitgliedstaaten einheitlich angewandt werden. Sie werden den nationalen Wettbewerbsbehörden und
Gerichten als gemeinsame Referenz dienen.
1. Warum werden in den neuen Leitlinien drei Sektoren behandelt?
Die neuen Leitlinien konzentrieren sich auf die im Rahmen der jüngsten GAP-Reform eingeführten
neuen Vorschriften, die speziell diese drei Sektoren betreffen.
1. Unter welchen Voraussetzungen können Landwirte ihre Erzeugnisse gemeinsam
verkaufen?
Ein gemeinsamer Verkauf von Kulturpflanzen, lebenden Schlachtrindern oder Olivenöl ist zulässig,
wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der gemeinsame Verkauf muss über Erzeugerorganisationen oder Vereinigungen von
Erzeugerorganisationen (im Folgenden „Organisationen“) erfolgen, die von den nationalen
Behörden förmlich anerkannt worden sind. Wenn einzelne Landwirte ihre Erzeugnisse außerhalb
dieser Organisationen gemeinsam verkaufen, gelten für diese Tätigkeit die allgemeinen EU-Agrarund Wettbewerbsvorschriften.
- Die von den Organisationen gemeinsam vermarktete Menge darf bestimmte Obergrenzen nicht
überschreiten:
15 % des nationalen Marktes bei Rindfleisch und Kulturpflanzen oder
20 % des relevanten Marktes bei Olivenöl.
- Die Organisationen müssen neben dem gemeinsamen Verkauf weitere Tätigkeiten ausüben,
z. B. Lagerung oder Vertrieb.
- Diese zusätzlichen Tätigkeiten müssen die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte auf dem
Markt erheblich verbessern (d. h. erhebliche Effizienzgewinne bewirken).
Die neuen Leitlinien erläutern, wie die vermarkteten Mengen, die die jeweiligen Obergrenzen nicht
überschreiten dürfen, gemessen werden.
Zudem werden in den neuen Leitlinien für jeden der drei Sektoren klare Beispiele für Tätigkeiten
angeführt, die erhebliche Effizienzgewinne bewirken können, und Situationen beschrieben, in denen
diese Effizienzgewinne erzielt werden.
So wird erläutert, wie Olivenölerzeuger ihre Oliven gemeinsam verarbeiten können, um die hohen
Investitionskosten für den Erwerb einer Ölmühle zu teilen. Ein weiteres Beispiel zeigt, wie
Rindfleischerzeuger den Absatz ihrer Erzeugnisse gemeinsam fördern können, wenn sie ein besonderes
Erzeugnis schaffen wollen. Für beide Beispiele gelten die in Frage 3 dargelegten Voraussetzungen der
neuen Leitlinien.
1. Wie stärkt dies die Stellung der Landwirte in der Praxis?
Erstens: Wenn Landwirte im Rindfleisch- und im Kulturpflanzensektor bis zu 15 % der nationalen
Erzeugung und im Olivenölsektor bis zu 20 % des relevanten Marktes gemeinsam verkaufen,
entspricht diese Menge der Nachfrage der größten Abnehmer auf dem Markt. Sie stärken damit ihre
Verhandlungsposition gegenüber den Abnehmern erheblich und erreichen ein besseres Gleichgewicht,
als wenn sie einzeln verkaufen würden.
Zweitens: Landwirte, die unterstützende Tätigkeiten im Rahmen einer Organisation gemeinsam
ausüben, erhalten Zugang zu kostengünstigeren Betriebsmitteln (z. B. durch gemeinsame Beschaffung
von Futter oder Düngemitteln) und können ihre Transport- oder Vertriebskosten senken oder eine
flexiblere oder zuverlässigere Lieferung anbieten (z. B. durch Lagerung und/oder Vertrieb). Schließlich
können die Landwirte ihre Kosten senken und ihr Angebot verbessern, so dass sie auf dem Markt
wettbewerbsfähiger werden.
1. Ist für den gemeinsamen Verkauf eine vorherige Genehmigung erforderlich?
Nein. Die Landwirte und ihre Organisationen müssen selbst prüfen, ob der gemeinsame Verkauf die
oben aufgeführten Voraussetzungen erfüllt. Zu Beginn des gemeinsamen Verkaufs müssen die
Organisationen jedoch unverzüglich die von ihrem Mitgliedstaat benannte zuständige Behörde
unterrichten. Die Liste der zuständigen nationalen Behörden finden Sie hier:
http://ec.europa.eu/agriculture/producer-interbranch-organisations/index_en.htm
1. Welche Rolle spielen die Wettbewerbsbehörden?
Die Wettbewerbsbehörden haben die Aufgabe, die Märkte zu überwachen, um gleiche
Ausgangsbedingungen für alle Wettbewerber zu gewährleisten. Die Wettbewerbsbehörden sind
berechtigt, von allen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, – und damit auch von Landwirten –
Auskunft zu verlangen, um sich zu vergewissern, dass die Wettbewerbsvorschriften eingehalten
werden. Wenn eine Organisation ein solches Auskunftsverlangen erhält und die besonderen
Ausnahmeregelungen für den gemeinsamen Verkauf in Anspruch nehmen will, muss sie nachweisen,
dass die in der Antwort auf Frage 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
In Ausnahmefällen können die Wettbewerbsbehörden unter bestimmten eng gefassten
Voraussetzungen, die in den Leitlinien erläutert werden, beschließen, dass eine bestimmte Regelung
einer Organisation für den gemeinsamen Verkauf nicht zulässig ist oder angepasst werden muss.
1. Wie passen die Leitlinien zu den anderen Initiativen der Kommission zur Stärkung der
Zusammenarbeit zwischen Landwirten?
Die Leitlinien sollen die praktische Anwendung der neuen Vorschriften der GMO-Verordnung
erleichtern. Ihr Ziel ist es daher, Landwirte unter bestimmten Voraussetzungen beim gemeinsamen
Verkauf ihrer Erzeugnisse zu unterstützen und ihre Position in der Lebensmittelkette zu stärken.
Die Kommission wird die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette und die Position der
Landwirte in dieser Kette weiter beobachten. Die Kommission richte derzeit eine Einsatzgruppe
Agrarmärkte ein, die externe Beratung und Sachkenntnisse in Bezug auf das Funktionieren der
Agrarmärkte und die Position der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette einbringen und unter
Berücksichtigung der globalen Herausforderungen für eine nachhaltige Landwirtschaft Empfehlungen
und Vorschläge für etwaige Initiativen in diesem Bereich vorlegen wird.
MEMO/15/6188
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