Pfälzer mit Kraut und Wurzelbürste TRADITION Für Ludwig Her- mann begann das Oberndorfer Krautfest mit einer intensiven Fußwaschung. Einen Rat aus der Zuschauermenge ignoriert er lieber. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● VON GABI HUEBER-LUTZ ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● OBERNDORF. Die Bierbänke vor dem Stadl waren gut besetzt. Der Oberndorfer Krieger- und Soldatenverein hatte zum traditionellen Krautfest geladen, und das „Gmüadlich Blech“ spielte auf. Ganz so groß wie in manchen anderen Jahren war der Andrang heuer nicht. Pfälzer mit Kraut bei 35 Grad sind dann doch nicht jedermanns Sache. Aber den Veranstaltern geht es nicht darum, immer neue Besucherrekorde zu vermelden. „Es soll ganz einfach ein schönes Fest sein“, sagt Hans Gleixner. Und das ist es. Als sich die Sonne anschickt, hinter den Oberndorfer Hängen unter zu gehen, breitet sich hochsommerliche Abendstimmung aus. Am Wasser wird nicht gespart Das ist der Zeitpunkt, auf den Ludwig Hermann gewartet hat. Mit zwei Wassereimern bewaffnet, setzt er sich auf einen Stuhl und fängt hingebungsvoll an, seine Füße mit einer Wurzelbürste zu bearbeiten. Schnell ist er von Menschen umringt und die spaßigen Zurufe hören nicht auf: „Dua fei de Kasbolzn ordentlich aussa waschn!“ Das wird ihm nachdrücklich ans Herz gelegt. Denn mit den Wurzlbürstn gereinigten Füßen muss er später in den großen, irdenen Topf steigen und Kraut eintreten. Aber noch ist es nicht so weit. Franz Reil kommt und übernimmt die Reinigung der Hermann’schen Krauteintreter. Erst nimmt er eine Geruchsprobe. Und bürstelt dann ein wenig fester. Einen guten Rat aus der Menge der Zuschauer ignorieren die beiden: „Je mehr Dreck, desto besser das Kraut!“ Der Knittl Johann, alias der Miezerer, bringt eine Kiste voller Krautköpfe und eiImmer schön drehen: Ludwig Hermann beim Einstampfen des Krautes. Sind die Füße schon sauber? Franz Reil nimmt eine Geruchsprobe bei Krauteintreter Ludwig Hermann der Miezerer hobelt, die erste Ladung der dünnen Krautfäden landet in dem Gefäß, und der Hermann beginnt zu stampfen. Der 15-jährigen Verena ist die Ehre zuteil geworden, das Salz zum Kraut geben zu dürfen. Immer rund herum im Zuber, und das Kraut beginnt zu brechen. „So hat ma früher as Tanzen g’lernt“, frotzelt der Reil, und der nen großen Hobel. Anna Bierek breitet ein blütenweißes Tuch unter dem Hobel aus, auf das gleich das geschnittene Kraut fallen wird, und der Reil beendet seine Fußwaschung, denn nun muss er beim Kraut mithelfen: Die Strunken aus den Krautköpfen stechen und die Köpfe mit einem langen Messer zerteilen. Der Reil sticht, ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● DAS KRAUT UND DAS FEST DAZU ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ➤ Geschichte: Beim historischen Festzug 1984 stellten ein paar Oberndorfer auf einem Festwagen das Krauteintreten dar. Am Ende des Festzugs blieb die Frage, was mit dem ganzen Kraut geschehen soll. Es wurde schließlich gemeinsam verspeist, und daraus entwickelte sich das Krautfest, das bald viele Liebhaber auch von außerhalb fand. ➤ Tradition: In diesem Jahr führten die Oberndorfer bei ihrem Fest ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● wieder einmal das Krauteintreten vor. Das eingesalzene Kraut wird bei den derzeit herrschenden Temperaturen ungefähr zehn Tage brauchen, bis es fertig ist. Bis dahin will es fein gepflegt werden, klärt Anna Bierek auf. ➤ Prozedere: Mindestens alle zwei Tage müssen der Deckel und die Schicht aus Krautblättern abgenommen werden. Sorgsam werden dann die Rückstände des Gärungsprozesses entfernt und alles wieder zugedeckt bis zur nächsten Reinigung. (lhl) Krauteintreter ist der meist fotografierte Mann des Tages. Weil die Männer die „trockene Arbeit“ monieren, bringt Krautfest-Chef Herbert Karl geschwind eine Runde vom guten Berghammer Bier und noch ein paar Obstler dazu. Weiter geht’s, bis die Arbeit schließlich erledigt ist, das eingestampfte Kraut mit großen Krautblättern zugedeckt wird und ein Holzdeckel oben drauf kommt. Die Emanzipation wirkt sichaus An den Ausgabestellen für das schon fertige Kraut und die Pfälzer ist es ruhig geworden, eine Männerriege hat an einer der Buden heuer das Regiment übernommen: „Ja, wissen’s, des is de Emanzipation“, stellt der Weitzer Roland brösltrocken fest. Manches ändert sich, anderes bleibt gleich. Auch wenn das Kraut für das Fest nicht mehr alles selbst eingestampft ist, hat das Krautfest seinen Charakter doch nie geändert. Und das mögen die Leute.
© Copyright 2024 ExpyDoc