Vortrag - Polizei Hessen

15.10.2015
Maßregelvollzug in Deutschland // Rechtsgrundlagen
Menschen mit sogenannter geistiger
Behinderung im Maßregelvollzug
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Fachtag 15.10.2015 Darmstadt
STRAFFÄLLIGES VERHALTEN VON JUNGEN MENSCHEN MIT
BEHINDERUNG
Bundesgesetz:
Strafgesetzbuch (StGB), Strafprozessordnung (StPO)
Ländergesetze:
Strafvollzugsgesetze, Untersuchungshaftvollzugsordnungen,
Gesetze für den Maßregelvollzug
Die Ausgestaltung des Vollzuges unterliegt in den einzelnen Bundesländern
unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen (16 Landesgesetze)
SOGENANNTER GEISTIGER
Walter M. Schmidbauer
Ärztlicher Direktor
Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie
Eltville und Riedstadt
Regelungen für den Maßregelvollzug:
Maßregelvollzugsgesetze: Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,
Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein
Unterbringungsgesetze: Bayern, Baden-Württemberg
Gesetze für Psychisch Kranke Menschen (PsychKG): Berlin, Brandenburg, Bremen,
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen)
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Maßregelvollzug in Deutschland // Organisationsstruktur
Die Trägerschaft der Einrichtungen des Maßregelvollzuges ist in den Bundesländern
unterschiedlich geregelt:
Überörtliche Träger: z.B. Hessen (LWV), Nordrhein-Westfalen(LVR, LWL)
Regierungsbezirke: Bayern
Landeseigene Gesellschaften oder Betriebe des Bundeslandes: Rheinland Pfalz,
Niedersachsen, Saarland, Bremen, Hamburg, Berlin, Baden-Württemberg
Private Träger: Schleswig Holstein, Sachsen-Anhalt,
Private und öffentliche Träger: Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen
Die Fachaufsichtsbehörden sind die jeweiligen für die Krankenhausaufsicht
zuständigen Landesministerien
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Strafgesetzbuch // Schuldunfähigkeit
Rechtlicher Rahmen // Einweisung in den Maßregelvollzug
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird in einem Strafoder Sicherungsverfahren bei Schuldunfähigkeit anstelle einer zeitigen
Freiheitsstrafe oder zusätzlich (bei erheblich verminderte Schuldfähigkeit) von
einem Landgericht angeordnet,
wenn von dem Individuum störungsbedingt weitere erhebliche Straftaten zu
erwarten sind.
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist
unbefristet.
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Rechtlicher Rahmen // Überprüfung der Fortdauer und Entlassung
§ 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen
Störung (1), wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung (2) oder wegen
Schwachsinn (3) oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit (4) unfähig ist,
das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
(1) schizophrene, schizoaffektive, affektive und organische Psychosen, dementielle
Syndrome, Intoxikationen
(2) hochgradige affektive Aufladung (psychiatrisch wie juristisch unklares Konzept)
(3) angeborene Intelligenzminderung
(4) Persönlichkeitsstörungen, Abhängigkeitssyndrome
§ 21 Verminderte Schuldfähigkeit
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht
zu handeln, aus einem der in §20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat
erheblich vermindert, so kann die Strafe nach §49 Abs.1 gemildert werden
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Einmal jährlich wird die Notwendigkeit der weiteren Vollstreckung durch eine
Kammer des örtlich zuständigen Landgerichtes nach Einholung einer
gutachterlichen Stellungnahme und Anhörung des Betroffenen überprüft (§67e
StGB).
Entlassung bei günstiger Legalprognose (§ 67d Abs. 2 StGB): „ [...] wenn zu
erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine
rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Mit der Aussetzung tritt
Führungsaufsicht ein.“
Formaljuristische Entlassungsgründe (§67d Abs. 6 StGB):
Entlassung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit
Erledigung der Maßregel weil der „Zustand“ der zur Anordnung geführt
hat nicht mehr vorliegt
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Forensische Psychiatrie in Hessen // Angebot
Fachaufsichtsbehörde ist das Hessische Ministerium für Soziales und Integration
(HMSI)
Träger der Einrichtungen des Maßregelvollzuges ist die Vitos GmbH, die dem
Zusammenschluss der kommunalen Gebietskörperschaften
(Landeswohlfahrtsverband Hessen) gehört
Für ca. 6 Mio. Einwohner:
550 Behandlungsplätze für psychisch kranke Rechtsbrecher in forensischen
Kliniken
500 ambulante Nachsorgeplätze für psychisch kranke Rechtsbrecher in der
forensischen Fachambulanz
230 Behandlungsplätze für suchtkranke Rechtsbrecher in forensischen Kliniken
10 Behandlungsplätze für jugendliche psychisch kranke oder suchtkranke
Straftäter
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Impulsive Straftäter // Charakteristika
Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung // Charakteristika
Frühe Vorläufer
• egozentrisch
• ruhelos
• ablenkbar
• furchtlos
Erziehungsstil
• inkonsistente
Disziplin
• aggressive
Vorbilder
• kaum
“Lektionen fürs
Leben”
Misshandlung und
Vernachlässigung
Frühe Delinquenz Späte Delinquenz
•Schulversagen
•Gruppen einfluss
•Drogen gebrauch
pro-kriminelle
Werte,
Einstellungen
und
Überzeugungen
Reaktion auf
Verbrechen
ernste
Verbrechen
Abkehr von allgemein
anerkannten
kulturellen Werten
Verführung
Durchschnittlicher IQ:
Durchschnittliches Alter bei Erstaufnahme in
Wohnheim oder psychiatrischer Klinik Psychiatrie:
Durchschnittliche Häufigkeit von Wechseln der
Wohn- und/oder Betreuungssituation:
~ 60
Durchschnittliches Alter bei erster Straffälligkeit:
17,8 Jahre
Durchschnittliches Alter bei Indexdelinquenz:
Durchschnittliche bisherige Behandlungsdauer:
23 Jahre
6,5 Jahre
10,7 Jahre
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Medien
Zugang zu Waffen
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Risiko – Bedürfnisse - Ansprechbarkeit // Indexdelinquenz
Brandstiftung
Sexueller Missbrauch
Vergewaltigung
Körperverletzung
Mord/Totschlag
Bedrohung
Diebstahl
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Risiko – Bedürfnisse - Ansprechbarkeit // Die Bürde der Diagnose
Einmal in der forensischen Psychiatrie untergebracht,
verbleiben Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung
etwa 2 bis 3 Mal länger als der Durchschnitt.
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Risiko – Bedürfnisse - Ansprechbarkeit // kriminogene Faktoren
schlechte Emotionskontrolle
schlechte Fertigkeiten des Problemlösens
dysfunktionale oder selbstschädigende Strategien sozialen
Umgangs
Mangel basaler sozialer Fertigkeiten
rigides, konkretistisches Denken
nicht handlungsleitende Wertorientierung
Risiko – Bedürfnisse - Ansprechbarkeit //
Herausforderungen der Behandlung
eingeschränkte Lerngeschwindigkeit
kurze Aufmerksamkeitsspanne
Analphabetismus
Handlungsorientiertheit
geringe Fähigkeit zu Transferleistungen
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Behandlung // Behandlungsziel
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MRV in Hessen // Behandlung
Ziel der Behandlung ist die Verhinderung erneuter Straftaten im Sinne der
Einweisungsdelinquenz
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Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung| Seite 16
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Grenzen // Herausforderungen der Behandlung und Nachsorge
Individuelle Faktoren der Klienten
Inkompatibilität von Angeboten der Nachsorgelandschaft und
individueller Bedarfsstruktur
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Angst, Hilflosigkeit
Fehlende Konzepte im Umgang mit gewalttätigem Verhalten
Kontakt:
[email protected]
[email protected]
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