obergericht des kantons uri

OBERGERICHT DES KANTONS URI
Strafrechtliche Abteilung
OG S 14 9
Urteil
24. April 2015
Unter Mitwirkung von: Vizepräsident Thomas Dillier, Vorsitz, Mitglieder Hansruedi Burgener, Walter Schuler, Daniela Bär-Huwyler und Beatrice Epp-Iseli sowie Gerichtsschreiber Gianpietro Cantoni
In Sachen
X
vertr. durch RA lic. iur. Felix Keller, Herrengasse 3, Postfach 17, 6430 Schwyz
Berufungskläger
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Uri, Tellsgasse 3, Postfach 959, 6460 Altdorf
Berufungsbeklagte
Y
vertr. durch RA lic. iur. Ruth Wipfli Steinegger, Dätwylerstrasse 4, 6460 Altdorf,
Privatklägerin 1
-2-
Z
Privatklägerin 2
und
A
Privatklägerin 3
betreffend
mehrfache Vergewaltigung, mehrfache sexuelle Nötigung und Schändung
(Urteil Landgericht Uri [LGS 10 81] vom 05./08./13.06.2012)
-3-
hat sich ergeben:
A.
Am 5., 8. und 13. Juni 2012 – in begründeter Form versandt am 16. August 2012 fällte das Landgericht Uri folgendes Urteil:
„ 1.
X ist schuldig der
 mehrfachen Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 1 StGB);
 mehrfachen versuchten Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1
StGB);
 mehrfachen sexuellen Nötigung (Art. 189 Abs. 1 StGB);
 Schändung (Art. 191 StGB).
2.
X wird gestützt auf Art. 189 Abs. 1, Art. 190 Abs. 1, Art. 190 Abs. 1 i.V.m.
Art. 22 Abs. 1 und Art. 191 StGB sowie unter Berücksichtigung von Art. 12 Abs. 1
und Abs. 2, Art. 40, Art. 47, Art. 48, Art. 49 und Art. 19 Abs. 2 StGB bestraft mit:
 5 Jahren Freiheitsstrafe.
3.
3.1
Die von Y adhäsionsweise geltend gemachte Genugtuung von CHF 20'000.-- nebst
Zins zu 5% seit 1. Januar 2001 wird gutgeheissen.
3.2
Die von Z, adhäsionsweise geltend gemachte Genugtuung von CHF 3'000.-- wird
mangels genügender Substantiierung auf den Zivilweg verwiesen (Art. 126 Abs. 2
lit. b StPO).
3.3
Die von A, adhäsionsweise geltend gemachte Genugtuung von CHF 5'000.-- wird
mangels genügender Substantiierung auf den Zivilweg verwiesen (Art. 126 Abs. 2
lit. b StPO).
-4-
4.
4.1
Der Verurteilte hat Y i.S.v. Art. 433 StPO für die geltend gemachten
Anwaltskosten von total CHF 3'871.20 (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu
entschädigen.
4.2
Die Kostennote der unentgeltlichen Rechtsbeiständin von Y wird im Beschluss LGS
10 81 vom 13. Juni 2012 normiert und auf total CHF 4'860.30
(CHF 4'695.60 Honorar [75% von 24.08 Std. a CHF 260.-- inkl. MWST], CHF
164.70 Barauslagen [inkl. MWST]) festgesetzt. Der Verurteilte hat die unentgeltliche
Rechtsbeiständin in dieser Höhe zu entschädigen. Vorbehalten bleibt Art. 426 Abs.
4 StPO.
4.3
Der Verurteilte hat Z i.S.v. Art. 433 StPO für die geltend gemachten Anwaltskosten
von total CHF 791.55 (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu entschädigen.
5.
Die Verfahrenskosten, bestehend aus:
CHF 2'600. -CHF
175. -CHF 1'710. -CHF 3'452.15
CHF
500. -CHF 14'196.70
CHF
835. --
CHF 6'000. -CHF 1'930. -CHF 31'398.85
============
Unkosten Polizei
Sachverhaltsabklärungen Polizei
Gebühren Verhöramt
Barauslagen Verhöramt
Kosten Staatsanwaltschaft
Kosten Gutachten
Kosten Gutachten Ergänzungsfragen
(gemäss Rechnung vom 14. Juni 2012, eingegangen am 20. Juni
2012)
Gerichtsgebühr
Kanzlei- und Ausfertigungskosten
Total
gehen zulasten des Verurteilten.
6./7.
Rechtsmittelbelehrung/Zustellung“
-5-
B.
X, reichte am 19. August 2012 beim Obergericht des Kantons Uri (Strafrechtliche
Abteilung) Berufung ein. Er beantragt anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung vom 26. Juni 2013 in den Schlussanträgen:
„ 1.
Das vollumfänglich angefochtene Urteil LGS 10 81 des Langerichts Uri, Strafrechtliche Abteilung, vom 5., 8. und 13. Juni 2012 sei aufzuheben.
2.
Der beschuldigte X sei - soweit auf die gegen ihn gerichtete Anklage einzutreten ist
- freizusprechen von Schuld und Strafe.
3.
Sämtliche von den Privatklägerinnen Y, Z und A adhäsionsweise geltend gemachten Zivilforderungen seien inklusive Ansprüche gemäss Art. 433 StPO abzuweisen.
4.
Die Untersuchungskosten sowie die erst- und zweitinstanzlichen Verfahrenskosten
seien auf die Staatskasse zu nehmen und dem Beschuldigten sei für seine Parteikosten im Strafverfahren eine angemessene Entschädigung zuzusprechen.“
C.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Uri beantragt anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung vom 26. Juni 2013 in den Schlussanträgen:
"1. Die Berufung sei vollumfänglich abzuweisen.
2. Das erstinstanzliche Urteil sei in allen Teilen zu bestätigen.
3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Berufungsklägers."
-6-
D.
Y beantragt anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung vom 26. Juni 2013 in
den Schlussanträgen:
" 1.
Im Falle einer Verurteilung sei der Angeklagte X zu verpflichten, der Zivilklägerin Y,
eine Genugtuung von Fr. 20'000.-- nebst Zins von 5% seit dem 01.01.2001 zu bezahlen entsprechend Entscheid Ziffer 3.1 des Urteils der Vorinstanz vom 05./08.
und 13.06.2012, welches zu bestätigen ist.
2.
Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Angeklagten."
E.
Z, und A, beteiligten sich nicht am Rechtsmittelverfahren OG S 12 9 und nahmen
nicht an der mündlichen Berufungsverhandlung vom 26. Juni 2013 teil. Ihnen war
das Erscheinen freigestellt.
Z beantragte mit Eingabe vom 22. Dezember 2010 an das Landgericht Uri eine Genugtuung von Fr. 3ꞌ000.-- sowie eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr.
791.55.
A beantragte mit Eingabe vom 7. September 2010 an das Verhöramt Uri eine Genugtuung von Fr. 5ꞌ000.--.
F.
Am 12. Juli 2013 – in begründeter Form versandt am 4. Dezember 2013 – fällte das
Obergericht des Kantons Uri (Strafrechtliche Abteilung) im Verfahren OG S 12 9 folgendes Urteil:
" 1.
2.
Die Berufung wird abgewiesen.
X ist schuldig der
-7-
- mehrfachen Vergewaltigung im Sinne von Art. 190 Abs. 1 StGB
- mehrfachen versuchten Vergewaltigung im Sinne von Art. 190 Abs. 1
i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB
- mehrfachen sexuellen Nötigung im Sinne von Art. 189 Abs. 1 StGB
- Schändung im Sinne von Art. 191 StGB.
3.
Dafür wird er in Anwendung von Art. 189 Abs. 1, Art. 190 Abs. 1, Art. 190
Abs. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 und Art. 191 StGB sowie unter Berücksichtigung
von Art. 12 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 19 Abs. 2, Art. 40, Art. 47, Art. 48 lit. e und
Art. 49 StGB bestraft mit:
-
4.1
5 Jahren Freiheitstrafe.
Die von Y adhäsionsweise geltend gemachte Zivilklage von Fr. 20'000.-nebst Zins zu 5% seit 1. Januar 2001 wird gutgeheissen.
4.2
Die von Z adhäsionsweise geltend gemachte Zivilklage von Fr. 3'000.-- wird
auf den Zivilweg verwiesen.
4.3
Die von A adhäsionsweise geltend gemachte Zivilklage von Fr 5'000.-- wird
auf den Zivilweg verwiesen.
5.
Die Verfahrenskosten, bestehend aus:
Fr 31'398.85
Fr. 4'000.-Fr.
110.-Fr.
620.--
Kosten Vorinstanz
Gerichtsgebühr Rechtsmittelverfahren
Auslagen und Kanzleigebühr
Kosten für die Urteilsmotivierung
Fr. 36'128.85
Total,
werden dem Berufungskläger auferlegt.
6.1
X hat Y für das vorinstanzliche Verfahren (Zeitraum 02.08.2006 - 16.11.2010)
eine Parteientschädigung von Fr. 3'871.20 zu entrichten.
6.2
X hat ausserdem für das vorinstanzliche Verfahren (Zeitraum: 29.12.2010 05.06.2012) der unentgeltlichen Rechtsbeiständin von Y gemäss Beschluss
des Landgerichtes Uri LGS 10 81 vom 13. Juni 2012 eine Parteientschädigung von Fr. 4'860.30 zu entrichten, vorbehalten Art. 426 Abs. 4 StPO.
-8-
6.3
X hat Y für das Rechtsmittelverfahren eine Parteientschädigung von Fr.
1'738.-- zu entrichten.
6.4
X hat Z für das vorinstanzliche Verfahren eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 400.-- zu entrichten.
7./8.
Rechtsmittelbelehrung/Zustellung."
G.
X führte Beschwerde ans Bundesgericht. Er beantragte im Wesentlichen, das Urteil
des Obergerichts sei aufzuheben, und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen.
Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Zudem ersuchte er um aufschiebende Wirkung.
H.
Am 18. Dezember 2014 fällte die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts
(6B_100/2014) folgendes Urteil:
" 1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Uri vom 12. Juli 2013 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung
an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten werden im Umfang von Fr. 3ꞌ600.-- dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Der Kanton Uri hat dem Beschwerdeführer eine reduzierte Parteientschädigung von
Fr. 300.-- zu bezahlen."
-9-
I.
X beantragt anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung im Verfahren OG S 14
9 vom 22. April 2015 in den Schlussanträgen:
" 1. Das vollumfänglich angefochtene Urteil LGS 10 81 des Landgerichts Uri, Strafrechtliche Abteilung, vom 5., 8. und 13. Juni 2012 sei aufzuheben.
2. Der beschuldigte X sei freizusprechen von Schuld und Strafe.
3. Sämtliche von den Privatklägerinnen Y, Z und A adhäsionsweise geltend gemachten Zivilforderungen seien inklusive Ansprüche gemäss Art. 433 StPO abzuweisen.
4. Die Untersuchungskosten sowie die erst- und zweitinstanzlichen Verfahrenskosten seien auf die Staatskasse zu nehmen und dem Beschuldigten sei für seine
Parteikosten im Strafverfahren eine angemessene Entschädigung zuzusprechen."
J.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Uri beantragt anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung im Verfahren OG S 14 9 vom 22. April 2015 in den Schlussanträgen:
" 1. Der Berufungskläger sei anstelle der versuchten Vergewaltigung zum Nachteil
von Z der mehrfachen sexuellen Nötigung im Sinne Art. 189 Abs. 1 i.V.m. Art. 49
StGB schuldig zu sprechen.
2. Im Übrigen sei die Berufung abzuweisen und das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich zu bestätigen.
3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Berufungsklägers."
- 10 -
K.
Y, Z und A nahmen an der mündlichen Berufungsverhandlung im Verfahren OG S 14
9 vom 22. April 2015 nicht teil. Ihnen war das Erscheinen freigestellt.
- 11 -
Das Obergericht zieht in Erwägung:
1.
Mit Urteil 6B_100/2014 vom 18. Dezember 2014 hiess die Strafrechtliche
Abteilung des Bundesgerichtes die Beschwerde des Berufungsklägers teilweise gut, hob das Urteil des Obergerichtes des Kantons Uri vom 12. Juli
2013 auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung an das Obergericht
zurück. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
2.
Zur Bindung an den Rückweisungsentscheid
Der Berufungskläger stellt die Tragweite der Bindungswirkung des bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheides vom 18. Dezember 2014 zur Diskussion:
2.1
Die Bindungswirkung bundesgerichtlicher Rückweisungsentscheide ergibt
sich aus ungeschriebenem Bundesrecht. Im Falle eines Rückweisungsentscheids hat die mit der Neubeurteilung befasste kantonale Instanz die rechtliche Beurteilung, mit der die Zurückweisung begründet wird, ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Diese Beurteilung bindet auch das Bundesgericht,
falls ihm die Sache erneuert unterbreitet wird. Wegen dieser Bindung der Gerichte ist es ihnen wie auch den Parteien, abgesehen von allenfalls zulässigen Noven, verwehrt, der Beurteilung des Rechtsstreits einen anderen als
den bisherigen Sachverhalt zu unterstellen oder die Sache unter rechtlichen
Gesichtspunkten zu prüfen, die im Rückweisungsentscheid ausdrücklich abgelehnt oder überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden sind. Diese
Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken, dass das Strafverfahren prinzipiell mit dem Urteil der (oberen) kantonalen Instanz abgeschlossen ist. Die
kantonale Instanz hat sich bei der neuen Entscheidung somit auf das zu beschränken, was sich aus den bundesgerichtlichen Erwägungen als Gegenstand der neuen Beurteilung ergibt. Es soll nicht das ganze Verfahren neu in
Gang gesetzt werden, sondern nur soweit dies notwendig ist, um den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts Rechnung zu tragen. In den
Grenzen des Verbots der reformatio in peius kann sich dabei die neue Entscheidung auch auf Punkte beziehen, die vor Bundesgericht nicht angefochten waren, sofern dies der Sachzusammenhang erfordert (BGE 6B_35/2012
- 12 -
vom 30.03.2012, E. 2.2 mit Hinweis auf BGE 135 III 334 ff. und weiteren Entscheiden).
2.2
Mit anderen Worten bedeutet dies, dass die Behörde, an welche zurückgewiesen wird, ebenso wie das Bundesgericht selber, falls die Sache erneut
ihm unterbreitet wird, an die rechtlichen Erwägungen im Rückweisungsentscheid gebunden sind. Setzt sich die Rückweisungsinstanz über die verbindlichen Erwägungen des bundesgerichtlichen Urteils hinweg, liegt Rechtsverweigerung vor, was ohne weiteres zur Aufhebung des zweiten Entscheides
führt. Dabei schlägt die Verbindlichkeit sowohl Punkte, bezüglich deren keine
Rückweisung erfolgt (die also "definitiv" entschieden worden) wie auch für
diejenigen Erwägungen, welche den Rückweisungsauftrag umschreiben. Die
Rechtskraftwirkung steht aber immer unter dem Vorbehalt, dass sich nicht
aus dem Rückweisungsverfahren neue Tatsachen oder Beweismittel im Sinne der prozessualen Revision ergeben, welche die sachverhaltliche Grundlage des Rückweisungsurteil erschüttern (Ulrich Meyer, in Niggli/Uebersax/Wiprächtiger [Hrsg.], Bundesgerichtsgesetz, Basel, 2. Aufl.
2011, Art. 107 N. 18 mit Hinweisen).
3.
Das Bundesgericht hat das Urteil des Obergerichtes des Kantons Uri OG S
12 9 vom 12. Juli 2013 zwar als Ganzes aufgehoben, jedoch einzig in Bezug
auf die Anklageziffer 3.1 (Vorfall zum Nachteil der Privatklägerin 2) zur Neubeurteilung zurückgewiesen (BGE a.a.O., E. 2.3.3 in fine und E. 5.). Bevor
der vom Bundesgericht gerügte und zur neuen Entscheidung zurückgewiesene Anklagepunkt sowie aufgrund des Sachzusammenhangs direkt sich daraus ergebenden Themen, wie insbesondere die Strafzumessung, beurteilt
werden, sind in Nachachtung von Art. 408 StPO die vom Bundesgericht nicht
gerügten Erwägungen des Urteils OG S 12 9 vom 12. Juli 2013, die sinngemäss – wie vorerwähnt in Erwägung 2.2 ausgeführt – "definitiv" entschieden
wurden, der Vollständigkeitshalber nochmals aufzuführen. Dabei geht es um
die dem Berufungskläger vorgeworfenen strafbaren Handlungen zum Nachteil der Privatklägerinnen 1 und 3 und die sich – mit Ausnahme der Strafzumessung – aufgrund des entsprechenden Sachzusammenhangs direkt daraus ergebenden Themen.
4.
Vorweg ist jedoch noch auf den vom Berufungskläger im vorliegenden (zweiten) Berufungsverfahren gestellten Beweisantrag, die drei Privatklägerinnen
vor Obergericht als Auskunftspersonen zur Sache zu befragen und dem Berufungskläger sowie seinem Rechtsbeistand Gelegenheit zum Stellen von
- 13 -
Ergänzungsfragen zu bieten, einzugehen. Das Obergericht hat den schon im
(ersten) Berufungsverfahren OG S 12 9 – bis auf die vorliegend beantragte
Befragung durch den Berufungskläger selber – gleichlautenden Beweisantrag – Befragung durch die Verteidigung des Berufungsklägers – abgewiesen
(E. 6.4 des Urteils OG S 12 9 vom 12.07.2013).
4.1
Das Bundesgericht hält dazu in seinem diesen Fall betreffenden Urteil
(6B_100/2014 vom 18. Dezember 2014) in E. 3.4 im Wesentlichen fest: Die
antizipierte Beweiswürdigung der Vorinstanzen ist nicht unvertretbar. Die Privatklägerin 1 wurde am 9. und 11. Juli 2007 polizeilich, am 25. August 2010
durch das Verhöramt und am 19. April 2011 durch die erste Instanz befragt.
Die Einvernahmen der Privatklägerin 2 erfolgten am 22. und 25. Oktober
2005 durch die Kantonspolizei, am 16. Februar 2009 durch das Verhöramt
sowie am 19. April 2011 und 22. Mai 2012 durch die erste Instanz. Schliesslich wurde die Privatklägerin 3 am 12. Dezember 2007 polizeilich, am 18. Oktober 2010 durch das Verhöramt und am 19. April 2011 durch die erste Instanz einvernommen. Mit Blick auf die protokollierten Schilderungen ist mit
den Vorinstanzen festzuhalten, dass die Aussagen der Privatklägerinnen detailliert authentisch und überzeugend ausfielen. In der Tat sind Auffälligkeiten
in der Person oder Anzeichen für kognitive Beeinträchtigungen, welche sich
in den Aussagen widerspiegeln und dem Gericht die fachgerechten Aussagenanalyse und Beweiswürdigung erschweren würden, nicht ersichtlich.
Selbst wenn der Berufungskläger alle drei befragten Frauen in physischen
und psychischen Ausnahmezustände sieht, befasst er sich in keiner Weise
mit ihren Sachverhaltsdarstellungen. Vielmehr klammert er die vorinstanzliche Würdigung in seiner Argumentation aus. Er macht nicht geltend und es
ist nicht ersichtlich, dass die Privatklägerinnen 1 und 3 in ihrer Wahrnehmungs-, Erinnerungs- oder Wiedergabefähigkeit beeinträchtigt und zur wahrheitsgemässen Aussage nicht fähig oder nicht willens waren. Die vom Berufungskläger unvollständig zitierten Antworten der Privatklägerin 2 anlässlich
ihrer zweiten Befragung, in denen Erinnerungslücken eingeräumt werden,
betreffen im Übrigen nicht das Kerngeschehen. Die Vorinstanzen waren
zweifelsohne in der Lage die belastenden Aussagen zu würdigen und sie
konnten ohne Ermessensüberschreitung oder -missbrauch (sogar) auf eine
Begutachtung verzichten. Damit liegt auch eine Verletzung des rechtlichen
Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO nicht vor. Inwiefern darüber hinaus die Vorinstanz die vom Berufungskläger angerufene
Beweiserhebungspflicht im Sinne von Art. 343 Abs. 3 und Art. 389 Abs. 3
StPO, den Untersuchungsgrundsatz und die Unschuldsvermutung verletzt
- 14 -
haben soll, ist nicht erkennbar. Ebenso ist vertretbar, dass die Vorinstanz die
Befragung der Privatklägerinnen im Jahre 2013 nicht wiederholte. An den
verschiedenen Einvernahmen, die in den Jahren 2009 – 2012 stattfanden,
nahm der Verteidiger des Berufungsklägers teil. Er stellte den Privatklägerinnen mehrfach ergänzende Fragen. Der Berufungskläger macht zurecht nicht
geltend, er habe während des Verfahrens sein Fragerecht generell nicht
ausüben können. Ebenso wenig bringt er vor, er habe einzelne Ergänzungsfragen stellen wollen, welche von den kantonalen Behörden nicht zugelassen
worden wären. Mithin legt er nicht dar, inwiefern er seine Verteidigung nicht
wirksam ausüben konnte und weshalb es zur effektiven Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte notwendig erscheinen sollte, dass ihm im vorinstanzlichen Gerichtsverfahren die Möglichkeit der ergänzenden Befragung
erneut hätte eingeräumt werden müssen.
4.2
Aufgrund der Bindungswirkung des Rückweisungsentscheides ist der Beweisantrag auf Befragung der Privatklägerinnen "definitiv" entschieden. Allenfalls zulässige Noven im Sinne der prozessualen Revision werden vom
Berufungskläger nicht vorgebracht und sind auch nicht erkennbar. Der Beweisantrag steht im vorliegenden (zweiten) Berufungsverfahren somit nicht
mehr zur Disposition. Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang der (erweiterte) Antrag, dass dem Berufungskläger selber die Möglichkeit gegeben
werden soll, Fragen stellen zu können. Das Obergericht und wohl auch das
Bundesgericht gingen schon im ersten Berufungsverfahren davon aus, dass
wenn vom Fragerecht "der Verteidigung" gesprochen wird, nicht nur der Verteidiger allein, sondern selbstverständlich auch der Berufungskläger allenfalls
Fragen stellen könnten.
4.3
Betreffend die vom Berufungskläger (erst) anlässlich der zweiten Berufungsverhandlung vorgebrachten Rüge der Verletzung des Teilnahmerechts gemäss Art. 147 StPO ist festzuhalten, dass die (während des Untersuchungsverfahrens gemachten massgeblichen) Einvernahmen der Privatklägerinnen
– vorliegend interessierend die Privatklägerin 2 – vor Inkrafttreten der StPO
(01.01.2011) am 22. und 25. Oktober 2005 sowie am 16. Februar 2009 stattfanden. Art. 147 StPO war daher nicht anwendbar. Verfahrenshandlungen,
die vor Inkrafttreten der StPO angeordnet oder durchgeführt worden sind,
behalten ihre Gültigkeit (Art. 448 Abs. 2 StPO) (BGE 6B_529/2014 vom
10.12.2014, E. 4.5). Die Rüge geht somit insoweit ins Leere. Bei den am 19.
April 2011 und 22. Mai 2012 durchgeführten Einvernahmen vor Vorinstanz
war der Berufungskläger und sein Verteidiger anwesend. Der Verteidiger
- 15 -
stellte denn auch entsprechend Fragen. Das Bundesgericht erkannte im Übrigen in diesem Zusammenhang bei der Prüfung des Urteils OG S 12 9 vom
12. Juli 2013 offensichtlich keine Verletzung von Art 147 StPO durch die kantonalen Instanzen.
5.
In den nun folgenden Erwägungen werden die vom Bundesgericht nicht beanstandeten Punkte – mit Ausnahme der ebenfalls nicht beanstandeten Ausführungen zu den Zivilklagen und den Entschädigungen an die Privatklägerinnen, welche erst am Schluss des vorliegenden Urteils erwähnt werden –
der Vollständigkeitshalber (Art. 408 StPO) (nochmals) aufgeführt:
5.1
Zum Anklageprinzip
Der Berufungskläger rügt – wie schon vor Vorinstanz – eine Verletzung des
Anklageprinzips in Bezug auf die Anforderungen in der Anklageschrift und
verlangt deren Rückweisung. Die Vorinstanz hat mit Verweis auf Lehre und
höchstrichterliche Rechtsprechung die Abweisung der Verletzung des Anklageprinzips (Art. 9 i.V.m 325 ff. StPO) zutreffend dargelegt. Gestützt auf Art.
82 Abs. 4 StPO kann diesbezüglich auf die Ausführungen im angefochtenen
Entscheid der Vorinstanz (E. 3.4.1, S. 24 - 27) verwiesen werden.
5.2
Zum Beweisverfahren
Umstritten ist vorliegend im Wesentlichen der Sachverhalt. Der Berufungskläger bestreitet die ihm zur Last gelegten Straftaten. Dabei stehen die Aussagen des Berufungsklägers aber insbesondere auch die Aussagen der drei
Privatklägerinnen als Opfer im Zentrum. Im Weiteren stellt der Berufungskläger seine Schuldfähigkeit am 22. Oktober 2005 in Frage. Der Berufungskläger stellte verschiedene Beweisanträge (Glaubwürdigkeits-/Glaubhaftigkeitsgutachten über die Privatklägerinnen; Befragung der Privatklägerinnen als
Auskunftspersonen; Forensisch-psychiatrisches Obergutachten betreffend
Schuldfähigkeit des Berufungsklägers am 22.10.2005), die teilweise schon
vor Vorinstanz erhoben und von dieser abgewiesen wurden und welche auch
im Berufungsverfahren verfahrensleitend abgewiesen wurden. Aufgrund deren Bedeutung und dem Umstand, dass der Berufungskläger die Beweisanträge an der Berufungsverhandlung sinngemäss erneuert hat ohne sie jedoch noch einmal zusätzlich zu begründen, werden die wesentlichen Gründe
für die Abweisung nachfolgend nochmals dargelegt:
- 16 -
5.2.1
Zur Beweiserhebung im Allgemeinen
Das Rechtsmittelverfahren beruht auf den Beweisen, die im Vorverfahren
und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind (Art. 389 Abs.
1 StPO). Beweisabnahmen des erstinstanzlichen Gerichts werden nur wiederholt, wenn a) Beweisvorschriften verletzt sind; b) die Beweiserhebungen
unvollständig waren; c) die Akten über die Beweiserhebungen unzuverlässig
erscheinen (Art. 389 Abs. 2 StPO). Die Rechtsmittelinstanz erhebt von Amtes
wegen oder auf Antrag einer Partei die erforderlichen zusätzlichen Beweise
(Art. 389 Abs. 3 StPO). Mit letztgenannter Bestimmung wird der in Art. 6
StPO festgehaltene Wahrheits-, beziehungsweise Untersuchungsgrundsatz
hervorgehoben.
5.2.2
Zur Glaubwürdigkeit der Privatklägerinnen
Die Beweisanträge über die als Auskunftspersonen befragten Privatklägerinnen je ein Glaubwürdigkeitsgutachten erstellen zu lassen werden abgewiesen. Diesbezüglich kann gestützt auf Art. 82 Abs. 4 StPO vorweg auf die
Ausführungen im angefochtenen Entscheid (E. 3.4.3, S. 28 - 34) verwiesen
werden. Eine Begutachtung der Glaubwürdigkeit von Auskunftspersonen
wird nur in Ausnahmefällen angeordnet. Die Auskunftspersonen wurden
schon vor längerer Zeit und zum Teil mehrfach einvernommen. Die entsprechenden Protokolle sind bei den Akten. Die damals angesprochenen Zweifel
an der Urteilsfähigkeit oder Anhaltspunkte für psychische Störungen, welche
eine Begutachtung rechtfertigen würden, wurden schon von der Vorinstanz
bezüglich der Privatklägerin 1 beurteilt und eine Begutachtung abgelehnt. Für
die Beurteilung der Frage, ob jede der Auskunftspersonen damals urteilsfähig oder Anhaltspunkte für psychische Störungen bestanden, sind neben den
protokollierten Aussagen und weiteren Hinweisen in den Akten selbst keine
weiteren Grundlagen ersichtlich. Eine im jetzigen Zeitpunkt (acht bis fast
fünfzehn Jahre nach den infrage stehenden Ereignissen) durch eine Fachperson vorgenommene Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Auskunftspersonen erscheint nicht geeignet, zur Klärung der damaligen Situation bezüglich
der Glaubwürdigkeit der Auskunftspersonen wesentlich beizutragen. Würde
heute eine eingeschränkte oder fehlende Glaubwürdigkeit festgestellt, könnten im vorliegenden Fall kaum sinnvolle Schlüsse auf eine damals allenfalls
bestehende oder fehlende Glaubwürdigkeit gezogen werden. Zudem hat das
Bundesgericht in BGE 6B_655/2012 vom 15. Februar 2013 bestätigt, dass
der Glaubwürdigkeit einer Person indes nur untergeordnete Bedeutung zu-
- 17 -
kommt, da sie keine Rückschlüsse auf die Glaubhaftigkeit der konkreten
Aussagen erlaubt. Gestützt auf diese Erwägungen sieht das Obergericht bei
allen Privatklägerinnen keine Notwendigkeit für Begutachtungen ihrer
Glaubwürdigkeit durch eine Fachperson, insbesondere auch nicht bei der an
ADHS leidenden Privatklägerin 3, da diese Krankheit aus Sicht des Gerichts
die Glaubwürdigkeit einer Person nicht ausschliesst. In diesem Zusammenhang kann vorab festgehalten werden, dass beim Gericht während seiner detaillierten Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussagen bei keiner Auskunftsperson mehr als theoretische Zweifel bezüglich deren Glaubwürdigkeit
aufgetreten sind.
5.2.3
Zur Glaubhaftigkeit der Aussagen
Die Beweisanträge über die Aussagen der Auskunftspersonen zur Sache je
ein Glaubhaftigkeitsgutachten erstellen zu lassen werden abgewiesen. Auch
diesbezüglich kann gestützt auf Art. 82 Abs. 4 StPO vorweg auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid (E. 3.4.3, S. 28 - 34) verwiesen werden.
Für die aussagepsychologische Begutachtung von Aussagen müssen die
Aussagen nach gewissen Standards erhoben und festgehalten werden (vgl.
Vera Kling, Theorie und Praxis der Aussagebeurteilung, in AJP 2012,
S.1040ff.). Die Verfahrensleitung hat telefonische Abklärungen bei Vera Kling
bezüglich der Qualität des vorhandenen Aussagematerials im Hinblick auf
eine kriterienorientierte Aussageanalyse durch eine Fachperson eingeholt
(act 5.1) Diese haben ergeben, dass die im vorliegenden Verfahren gemachten Aussagen nicht so erhoben und festgehalten wurden, dass sie mit psychologischem Fachwissen nach aussagepsychologischen Methoden, die
dem heutigen Stand der Lehre und Forschung entsprechen, beurteilt werden
können (vgl. dazu BGE 128 I 81 ff.). Daher hat die Verfahrensleitung auf den
Beizug einer Fachperson zur kriterienorientierten Aussageanalyse im vorliegenden Verfahren verzichtet. Wenn, wie vorliegend, die Aussagen nicht mit
Hilfe der kriterienorientierten Aussageanalyse anhand der sogenannten Realkennzeichen aussagepsychologisch analysiert werden können, so muss
das Gericht selbst die Aussagen auf andere Weise würdigen. Der Beizug einer psychologisch geschulten Fachperson ist dazu nicht erforderlich. Insbesondere die Analyse des Aussageverlaufs kann auch ohne zusätzliches psychologisches Fachwissen von psychologischen Laien erfolgen (vgl. dazu act.
5.1 vorerwähnt).
- 18 -
5.2.4
Zur erneuten Befragung der Privatklägerinnen als Auskunftspersonen (siehe
dazu auch E. 4 vorstehend)
Der Beweisantrag, die drei Privatklägerinnen vor Obergericht als Auskunftspersonen zur Sache zu befragen und dem Berufungskläger Gelegenheit zum
Stellen von Ergänzungsfragen zu bieten, wird abgewiesen. Alle drei Privatklägerinnen wurden schon im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren mehrmals als Auskunftspersonen befragt. Der Berufungskläger
hatte die Gelegenheit, Ergänzungsfragen zu stellen, und machte davon auch
Gebrauch. Eine erneute Befragung, nach so langer Zeit (acht bis fast fünfzehn Jahre nach den infrage stehenden Ereignissen), wird als nicht geeignet
erachtet, zur Klärung der rechtlich relevanten Tatsachen erheblich beizutragen. Betreffend die Privatklägerin 1 kann gestützt auf Art. 82 Abs. 4 StPO ergänzend auch auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid (E. 3.4.2, S. 27 f.) verwiesen werden. Aus dem Umstand, dass nicht
sämtliche Ergänzungsfragen im erstinstanzlichen Verfahren aus unterschiedlichen Gründen (Weigerung der Beantwortung oder Fernbleiben der zweiten
Verhandlung) beantwortet werden konnten, kann das Gericht nach gesamtheitlicher Würdigung des Sachverhalts dadurch keine entscheidwesentliche
Beeinträchtigung der Verteidigungsmöglichkeiten im Sinne der rechtsstaatlichen Garantien von Art. 29 BV erkennen.
5.2.5
Zur Einholung eines forensisch-psychiatrischen Obergutachtens
Der dritte Beweisantrag, ein forensisch-psychiatrisches Obergutachten betreffend Schuldfähigkeit (Einsichts- und Steuerungsfähigkeit) des Berufungsklägers "in den frühen Morgenstunden des 22.10.2005" in Auftrag zu geben,
wird abgewiesen. Die Gerichte müssen grundsätzlich selbst die Schlüssigkeit
von Gutachten beurteilen. Die vom Berufungskläger insbesondere bezüglich
der Ergänzungsfragen vom 14. Mai 2012 gemachten Kritikpunkte betreffend
Unrichtigkeiten, Unklarheiten oder Ungereimtheiten sowie der mangelnden
Schlüssigkeit des Gutachtens werden vom Gericht nicht geteilt. Die vorliegend relevanten Ausführungen des Gutachters zur Schuldfähigkeit der Berufungsklägers in den frühen Morgenstunden des 22. Oktober 2005 sind für
das Gericht weder widersprüchlich noch nicht schlüssig. Dass ein Gutachter
bei einer Untersuchung de lege artis nach mehr als sechs Jahren einen
schweren Rauschzustand an einem bestimmten Tag nicht mit Sicherheit
ausschliessen kann, erscheint dem Gericht überzeugender und schlüssiger
als eine Schlussfolgerung des Gutachters ohne jeglichen auch nur theoreti-
- 19 -
schen Zweifel. Im vorliegenden Fall wird es deshalb als nicht erforderlich erachtet, zur Schlüssigkeit des Gutachtens vom 27. April 2012 und der Beantwortung der Ergänzungsfragen der Verteidigung vom 22. Mai 2012 noch ein
Obergutachten in Auftrag zu geben (s. dazu auch nachfolgend: E. 9, S. 29).
5.3
Umstritten ist vorliegend im Wesentlichen der Sachverhalt. Der Berufungskläger bestreitet die ihm zur Last gelegten Straftaten. Dabei stehen die Aussagen des Berufungsklägers aber insbesondere auch die Aussagen der drei
Privatklägerinnen als Opfer im Zentrum.
5.3.1
Zum Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung
Das Gericht würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten
Verfahren gewonnenen Überzeugung (Art. 10 Abs. 2 StPO). Der Grundsatz
der
freien
richterlichen
Beweiswürdigung
besagt,
dass
die
Strafverfolgungsbehörden und die Strafgerichte nicht nach festen
Beweisregeln, sondern aufgrund ihrer persönlichen Überzeugung darüber
entscheiden, ob sie eine Tatsache als bewiesen ansehen oder nicht
(Wolfgang Wohlers, in Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur
Schweizerischen Strafprozessordung, Zürich 2010, Art. 10 N. 2 mit
Hinweisen). Für den modernen Strafprozess ist typisch, dass er entgegen
früheren Ausgestaltungen nicht auf feste Beweisregeln abstellt. Vielmehr
wird die Würdigung und Abwägung der verschiedenen Beweise
(Personalbeweise wie Aussagen von Personen, Gutachten, sachliche
Beweismittel wie Beweisgegenstände) in die Verantwortlichkeit des Richters
gelegt, womit dem Untersuchungs- und Wahrheitsgrundsatz nach Art. 6
StPO besser gedient ist. Die Regel der freien Beweiswürdigung galt schon
früher gestützt auf Art. 249 BStP. Daraus folgt, dass es keine Rangordnung
der Beweise gibt. Verwertet werden können auch Indizien- und Hilfsbeweise,
und in engen Grenzen ist auch eine antizipierte Beweiswürdigung erlaubt.
Die richterliche Überzeugung beruht jedenfalls nicht auf der äusseren,
sondern allein der inneren Autorität von Beweismitteln, bestehend in deren
zwingend überzeugender Kraft. Soweit rechtmässig erhoben, gibt es auch
keinen numerus clausus der Beweise, das heisst neue, durch Wissenschaft
oder Technik geschaffene Beweise können verwertet werden. Gemäss Art.
10 Abs. 2 StPO ist entscheidend, dass die Beweise beim Richter die
Überzeugung für die von ihm zu ziehenden Schlüsse zu wecken vermögen.
Der Richter muss mit anderen Worten persönlich von der Richtigkeit dieser
Schlüsse überzeugt sein, doch ist erforderlich, dass diese objektivier- und
- 20 -
nachvollziehbar sind. Eine absolute Sicherheit für die Richtigkeit dieser
Schlüsse kann nicht verlangt werden; für einen Schuldspruch muss genügen,
dass vernünftige Zweifel an der Schuld der beschuldigten Person
ausgeschlossen werden können beziehungsweise, dass ein Freispruch zu
ergehen hat, wenn erhebliche und unüberwindliche Zweifel an der Schuld
verbleiben (Niklaus Schmid, a.a.O., N. 4 ff. zu Art. 10 mit Hinweisen).
5.3.2
Zum Grundsatz "in dubio pro reo"
Bestehen unüberwindliche Zweifel an der Erfüllung der tatsächlichen
Voraussetzungen der angeklagten Taten, so geht das Gericht von der für die
beschuldigte Person günstigeren Sachlage aus (Art. 10 Abs. 3 StPO).
Wenngleich in einem Strafprozess an den Beweis von Täterschaft und
Schuld besonders hohe Anforderungen zu stellen sind, kann ein
Schuldspruch
auch
dann
erfolgen,
wenn
hinsichtlich
der
Tatsachenfeststellung keine absolute Sicherheit besteht. Denn bloss
abstrakte und theoretische Zweifel sind immer möglich. Es sind mithin – wie
vorerwähnt – nur erhebliche und unüberwindbare Zweifel zugunsten des
Beschuldigten zu berücksichtigen. Als solche gelten Zweifel dann, wenn sie
sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen und sich jedem kritischen und
vernünftigen Menschen stellen (Hauser/Schweri/Hartmann, a.a.O., § 54 N.
12; BGE 127 I 40, 124 IV 87 f., 120 I a 38). Ein Freispruch in Anwendung des
Grundsatzes "in dubio pro reo" hat mit anderen Worten also nur dann zu
ergehen, wenn das Gericht nach pflichtgemässer Beweiswürdigung unter
Einbezug aller im Einzelfall relevanten Umstände vorhandene Zweifel nicht
überwinden und sich demzufolge von einer bestimmten Sachverhaltsdarstellung nicht überzeugt zeigen kann. Die Anforderungen an die
gerichtliche Überzeugung dürfen dabei aber freilich nicht überspannt werden.
Überzeugung ist erreicht, wenn vernünftigerweise und nach der Erfahrung
des Lebens ein gegenteiliger Sachverhalt keine oder nur eine geringe
Wahrscheinlichkeit für sich hat und erhebliche Zweifel demzufolge nicht oder
nicht mehr bestehen (Willy Hochuli, in SJZ 50, S. 255) Bei der
Beweiswürdigung muss sich das Gericht also zu einer subjektiven
Gewissheit und Wahrheit durchringen können.
5.3.3
Zu Indizienbeweisen
Mit zu berücksichtigen ist zudem, dass die Überzeugung vom Vorliegen
rechtlich erheblicher Tatsachen direkt oder indirekt gewonnen werden
- 21 -
können. Auch indirekte, mittelbare Beweise, sogenannte Anzeichen oder
Indizien können einen für die Beweisführung bedeutsamen Schluss erlauben
(BGE 102 IV 33 E. 2. a, 92 IV 179). Indizien sind Tatsachen, die einen
Schluss auf eine andere, unmittelbar erhebliche Tatsache zulassen. Der
Indizienbeweis ist dem direkten Beweis gleichwertig. Indizien sind sogar
unentbehrlich zur Aufdeckung innerer Tatsachen wie des Vorsatzes im Sinne
von Art. 12 Abs. 2 StGB. Wissen und Willen eines Täters sind der direkten
Beweisführung in der Regel entzogen und können meist nur ermittelt werden
indem aus bewiesenen äusseren Tatsachen Rückschlüsse auf die
subjektiven Vorstellungen des Täters gezogen werden. Indizienbeweise
müssen oft den direkten Beweis ersetzen, weil Straftaten meistens nicht in
aller Öffentlichkeit verübt werden. Indizien können freilich trügen. Sie müssen
deshalb besonders sorgfältig und kritisch gewürdigt werden. Es ist zulässig,
aus der Gesamtheit der verschiedenen Indizien, welche je für sich allein
betrachtet nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte
Tatsache oder Täterschaft hindeuten und insofern Zweifel offen lassen, auf
den vollen rechtsgenüglichen Beweis von Tat oder Täter zu schliessen
(Hauser/Schweri/Hartmann a.a.O., § 59 N. 12, 14 und 15).
5.3.4
Zu Personalbeweisen
Sind – wie insbesondere vorliegend – Personalbeweise zu würdigen, so ist
anhand sämtlicher sich aus den Akten ergebenden Umstände zu prüfen, ob
die einzelnen beziehungsweise welche der Sachverhaltsdarstellungen
überzeugen. Dabei kommt es vorwiegend auf den inneren Gehalt der
einzelnen Aussagen an, verbunden mit der Art und Weise, wie sie erfolgen.
Es darf also nicht einfach auf die Persönlichkeit oder die allgemeine
Glaubwürdigkeit der aussagenden Person abgestellt werden, sondern es ist
vor allem die Glaubhaftigkeit ihrer konkreten sachverhaltsrelevanten
Aussagen zu berücksichtigen. Diese sind einer Analyse und einer kritischen
Würdigung zu unterziehen. (Bender/Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht,
Band I, 2. Auflage, 1995, S. 106 ff.; Rolf Bender, in SJZ 81 S. 53 ff.; Robert
Hauser, Der Zeugenbeweis im Strafprozess, Zürich 1974, S. 316).
Fehlen, wie im vorliegenden Verfahren, Aussagematerialien, die unter Beizug
von aussagepsychologischen Gutachtern anhand der kriterienorientierte
Aussageanalyse gewürdigt werden können, so muss das Gericht die
Aussagen auf andere Weise würdigen. Dabei sind neben dem konkreten
Inhalt der Aussagen auch die Analyse des Aussageverlaufs, der Kontext bei
der Entstehung der Aussagen sowie mögliche beeinflussende Faktoren zu
- 22 -
würdigen. Zudem sind die Aussagen der verschiedenen Verfahrensbeteiligten einander gegenüberzustellen, insbesondere die Aussagen der
Privatklägerinnen im Vergleich zu den Aussagen des Berufungsklägers. Die
in der kriterienorientierten Aussageanalsyse verwendeten Elemente können
in diesem Zusammenhang allenfalls hilfsweise in die Beweiswürdigung
einbezogen werden. Dabei ist jedoch immer auf die Qualität des Aussagematerials zu achten. Bei dieser Beweiswürdigung muss das Gericht auf
seine vorliegend zum Teil jahrelange Erfahrung bei der richterlichen
Aussagebeurteilungen sowie auf die allgemeine Lebenserfahrung der
beteiligten Richterinnen und Richter abstützen. Dies erfolgt unter anderem im
Rahmen der oben dargestellten freien richterlichen Beweiswürdigung.
Bei dieser Ausgangslage verzichtet das Gericht in seiner schriftlichen
Begründung darauf, auf diejenigen Argumente der Berufungsbeklagten und
des Berufungsklägers einzugehen, welche ihre Begründetheit aus der
direkten Anwendung einer kriterienorientierten Aussageanalyse abzuleiten
scheinen.
5.4
Zum Sachverhalt
Diesbezüglich kann gestützt auf Art. 82 Abs. 4 StPO vorweg auf die
einleitenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid der Vorinstanz (E.
4., 4.1 und 4.2, 4.2.1 und 4.2.2, S. 34 - 37) verwiesen werden.
5.4.1
Zum Sachverhalt zum Nachteil der Privatklägerin 1
Gestützt auf Art. 82 Abs. 4 StPO kann vorweg auf die Ausführungen im
angefochtenen Entscheid (E. 4.3.1, S. 38 - 45) verwiesen werden. Ergänzend, teilweise wiederholend und präzisierend ist anzufügen, dass in
zeitlicher Hinsicht für das Obergericht als vorliegend relevanter Tatbeginn der
23. Juli 1998 gilt. Die Privatklägerin 1 wurde mehrfach befragt (polizeiliche
Befragung vom 9. Juli 2007 [VI-act. 2009 in Ordner PK 1], verhöramtliche
Befragung vom 25.08.2010 [VI-act. 2069 in Ordner PK 1], Befragung vor
Vorinstanz am 19.04.2011 [VI-act. ohne Akturierung in grauem Ordner
"Verfahrensleitung Ordner 1"]). Ihre Aussagen machte sie dabei über Jahre
hinweg konstant und deckungsgleich. Sie hat vor und während der
Strafuntersuchung bei der Polizei und bei der Verhöhrrichterin sowie vor
Vorinstanz die Vorkommnisse gleich geschildert. Auch wenn bei den
zahlreichen Befragungen einige Ungereimtheiten aufgetaucht sind, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, sind ihre Schilderungen derart konsistent
- 23 -
und detailreich, was den eindeutigen Eindruck ergibt, sie erzähle Erlebtes
und nicht frei Erfundenes.
5.4.1.1 Insbesondere betreffend dem ersten Vorfall mit dem Kaftan bestätigen
sowohl die Privatklägerin 1 als auch ihr Ehemann, dass der Berufungskläger
diesen anlässlich eines Besuches getragen habe. Der Berufungskläger
hingegen behauptete zunächst, dieser ginge ihm gar nicht mehr, was sich im
Nachhinein anlässlich einer verhörrichterlich angeordneten Anprobe als
falsch herausstellte. Dabei erscheint die Aussage des Berufungsklägers nicht
glaubhaft, dass diese Fasnachtsbekleidung immer (also auch im Sommer)
und für jeden Besucher ersichtlich an der Schranktüre gehängt haben soll.
5.4.1.2 Die Privatklägerin 1 versuchte ihre Erlebnisse mit dem Berufungskläger auch
in Zusammenhang mit besonders Erlebtem zu bringen. Beispielsweise, dass
sie am Tag des ersten Vorfalles vom Einkaufen zurückgekommen seien und
dabei das Bild des verliebten Paares gekauft hätten (VI-act. 2009 Antwort auf
Frage 9 in Ordner PK 1). Unter Bezugnahme auf die Gesundheitsdecken
sagte die Privatklägerin 1 aus, dass die Familie des Berufungsklägers kurz
davor in Italien in den Ferien gewesen sei und sie ihnen (der Privatklägerin 1
und ihrem Ehemann) von den Gesundheitsdecken vorgeschwärmt hätten.
Beim zweiten Vorfall wollte die Privatklägerin 1 für die Ehefrau des
Berufungsklägers ein bestimmtes Buch aus dem Bibliothekszimmer
hervorholen (Bücher des magischen Auges), als der Berufungskläger ihr
abpasste und sie auf die Toilette zog (VI-act. 2009 Antwort auf Frage 15 in
Ordner PK 1).
5.4.1.3 Im weiteren ist die angebliche Drohung des Berufungsklägers mit RA lic. iur.
Andreas Bilger erwähnenswert. Gemäss Angaben der Privatklägerin 1 hat
der Berufungskläger ihr bereits im Jahre 1998 damit gedroht, er habe einen
guten Kollegen und Anwalt, der ihm helfen würde, sollte sie eine Anzeige
erstatten. Diese Aussage hat die Privatklägerin 1 in der Folge auch anderen
Personen gegenüber gemacht und zwar lange bevor RA lic. iur. Andreas
Bilger dann tatsächlich das Mandat für den Berufungskläger übernommen
hatte. Es stellt sich die Frage, wieso sie das erfinden und vor allem woher sie
das wissen sollte, wenn dies nicht schon einmal zwischen ihr und dem
Berufungskläger Thema war?
5.4.1.4 Detailreich und daher die Glaubhaftigkeit unterstützend sind auch die
Schilderungen der Vergewaltigungen, wenn die Privatklägerin 1
- 24 -
beispielsweise aussagt, der Berufungskläger habe das Kellerabteil mit dem
Schlüssel aufgemacht, wobei er sie mit der einen Hand gegen die Holzstäbe
gedrückt und mit der anderen Hand die Türe geöffnet hätte (VI-act. 2009
Antwort auf Frage 22 in Ordner PK 1). Oder die Aussagen, er habe sie nicht
mehr wie anfänglich in seinem Ehebett vergewaltigt, da sie aufgrund seines
groben Vorgehens geblutet habe, sondern auf dem Stubenboden. Er habe
dabei immer irgendwelche gebrauchten Tücher genommen, die schon in der
Wäsche gewesen seien. Er habe sie dazu ins Bad gezerrt und diese Tücher
aus dem Wäschekorb im Badezimmer genommen (VI-act. 2009 Antwort auf
Frage 45 in Ordner PK 1). Oder die Schilderungen der Vergewaltigungen im
Auto hinter den B in C. Dabei hätten sich die Scheiben im Auto beschlagen
(VI-act. 2009 Antwort auf Frage 49 in Ordner PK 1). Diese Vorfälle fanden
statt, als der Ehemann der Privatklägerin 1 von November 2000 bis März
2001 im Spital war und der Berufungskläger der Privatklägerin 1 nach den
Besuchen ihres Ehemannes dort abpasste. Das Beschlagen der Scheiben im
Fahrzeug passt zu den Jahreszeiten. Die Privatklägerin 1 hat den Standort
auf einer Karte eingezeichnet (VI-act. 2012 und 2013 in Ordner PK 1). Bei
der Befragung des Berufungsklägers stellte sich heraus, dass er dort
beruflich zu tun gehabt hatte. Woher sollte die Privatklägerin 1 das wissen,
wenn sie nicht mit ihm dort gewesen ist? Und welchen Grund gäbe es sonst
noch, dorthin zu dieser abgelegenen Stelle zu fahren?
5.4.1.5 Im weiteren fällt auf, wie detailreich die Privatklägerin 1 den Nebenraum, die
Künstlergarderobe in der D in E, beschreibt, wo es ebenfalls zu sexuellen
Nötigungen gekommen ist (VI-act. 2009 Antwort auf Frage 61 in Ordner PK
1). Schliesslich das Datum des letzten Vorfalls am 18. März 2003, als sie
vom Tessin gekommen ist und zwei Tage später Geburtstag hatte (VI-act.
2009 Antwort auf Frage 65 in Ordner PK 1). Wenn die Privatklägerin 1 dem
Sozialpsychiatrischen Dienst Uri am 30. April 2003 gegenüber erklärt, sie sei
in den letzten fünf Jahren häufig von diesem Nachbarn sexuell missbraucht
worden und habe nun seit zwei Monaten Ruhe (vergleiche VI-act. 2052 Blatt
Nr. 2 in Ordner PK 1), also gemäss dieser Angabe seit Anfang März, dann
weicht diese Aussage gegenüber derjenigen vor der Polizei, ganz vier Jahre
später in zeitlicher Hinsicht nur um rund zwei Wochen ab. Ihre Aussagen
werden dadurch nicht weniger glaubhaft.
5.4.1.6 Die Aussagen der Privatklägerin 1 sind weder stereotyp noch karg oder
abstrakt. Im Gegenteil: Sie enthalten auch viele Details in den
Nebenpunkten, was deren Glaubhaftigkeit unterstützt. Es befinden sich
- 25 -
zudem keine relevanten Widersprüche in ihren Angaben. Ihre Aussagen sind
gesamthaft betrachtet als glaubhaft anzusehen. Nur teilweise bezogen auf
die vorliegend relevanten Taten (nämlich nur jene mit Tatbeginn ab 23.
07.1998) aber auf die Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Aussagen ist zu
beachten, dass die Privatklägerin 1 erste Hinweise auf sexuellen Missbrauch
den Ärzten und Psychiatern gegenüber bereits im Jahre 1998 gemacht hat.
Bei Dr. med. Markus Stöckli, Spezialarzt für Psychiatrie und Psychotherapie,
Luzern, (VI-act. 2055 in Ordner PK 1), war sie vom 28. Juni 1996 bis 16.
Oktober 2000 in ambulanter psychiatrischer Behandlung. Der Arzt stellte fest,
dass im Zeitraum von Juni 1998 bis Oktober 1998 eine massive
Verschlechterung des gesamten Gesundheitszustandes stattgefunden habe.
Er führt aus, dass diese Verschlechterung gut mit einem damals aktuellen
sexuellen Missbrauch vereinbar sei. Die Patientin habe ihm einen solchen
sexuellen Missbrauch bereits damals angedeutet. Sie habe jedoch nicht
näher darauf eingehen können oder wollen. Ein Umstand, der bei sexueller
Traumatisierung nicht ungewöhnlich sei. Oft seien Opfer sexueller Gewalt
erst nach Jahren in der Lage, über das Erlebte zu sprechen. Bei Dr. med.
Peter Gabriel, Leitender Arzt, Sozialpsychiatrischer Dienst Uri, Altdorf, (VIact. 2051 in Ordner PK 1), war sie vom 17. April 2003 - Mitte 2005 und dann
wieder ab 2006 in Behandlung. Im Erst- und Zweitgespräch, also im Frühling
2003 habe die Privatklägerin 1 erwähnt, dass sie in den letzten fünf Jahren
häufig vom Nachbarn sexuell missbraucht worden sei. Für den Arzt seien
ihre Schilderungen in sich stimmig und für ihn trotz seiner Rolle als
Therapeuten auch glaubhaft gewesen. In den Gesprächen habe die
Privatklägerin 1 oft glaubhaft darstellen können, wie sehr sie durch ihre
Ängste gelähmt und zur Gegenwehr nicht fähig gewesen sei und wie auch
ihre Gefühlswahrnehmung durch die Psychopharmaka verändert gewesen
sei. Bei Dr. med. Thomas Arnold, Facharzt, FMH für Allgemeinmedizin,
Bürglen, (VI-act. 2053 in Ordner PK 1), war sie ab 1993 in Behandlung (ihr
Hausarzt). Aus dem Bericht des Hausarztes geht hervor, dass sie am 9. Juni
1998 konsultiert worden ist. Die Privatklägerin 1 habe damals angegeben,
vier Tage vorher eine Blutung aus dem Mastdarm gehabt zu haben, diese sei
nach wiederholten Vergewaltigungen aufgetreten. Auch später habe sie ihm
(dem Hausarzt) gegenüber erwähnt, dass die sexuellen Übergriffe weiterhin
stattgefunden hätten. Der damals stattgefundene Knick in der
Lebensgeschichte war für Dr. med. Thomas Arnold
verdächtig auf das Vorliegen einer tieferen, ihm noch nicht offenbarten Verletzung.
Gegenüber Dr. med. Gianmarco Sala, Altdorf, (VI-act. 2056 in Ordner PK 1),
erwähnte sie am 5. Juni 1998, sie sei mit ihrem Nachbarn in eine
- 26 -
verfängliche Situation geraten, sie sei sexuell belästigt worden. Sie habe ihm
gegenüber die Einzelheiten des Vergehens des Nachbars erzählt, er habe
diese aber nicht notiert. Sie habe ihm gegenüber einen psychisch deutlich
angeschlagenen Eindruck gemacht. Dr. med. Hans Werder, Chefarzt
Gynäkologie und Geburtshilfe, Kantonsspital Uri, Altdorf, (VI-act. 2060 in
Ordner PK 1), führt in seinem Bericht aus, dass die Privatklägerin ihm
gegenüber am 13. Mai 2003 geschildert habe, dass sie viele Probleme hätte,
sexuell missbraucht worden sei und stark unter Migräne leide, nebst vielen
anderen Problemen. All diese Ausführungen den Ärzten gegenüber waren
offensichtlich Hilfeschreie und unterstützen die Glaubhaftigkeit der Aussagen
der Privatklägerin.
5.4.1.7 Es dauerte jedoch in der Folge Jahre, bis sie psychisch in der Lage war, über
diese Erlebnisse im Detail zu reden und sich jemanden anzuvertrauen.
Dafür, dass eine Anzeigeerstattung quasi als therapeutische Massnahme für
die Überwindung der psychischen Probleme der Privatklägerin 1 vorteilhaft
sein könnte und daher für deren Entschluss zur Anzeigeerstattung förderlich
oder ursächlich war, was der Berufungskläger wohl indirekt andeuten wollte,
fand das Gericht keine stichhaltigen Anhaltspunkte. Die Privatklägerin 1 hat
offen über ihren Drogenkonsum orientiert und keinen Hehl daraus gemacht,
dass sie während der Zeit der sexuellen Übergriffe praktisch täglich gekifft
und auch andere Drogen zu sich genommen habe. In Bezug auf Alkohol
lebte sie in den Jahren 1995 bis Juli 2004 abstinent. Von 1995 bis 1999, also
der Zeit an der Bristenstrasse (wo auch der Berufungskläger wohnte), nahm
sie auch kein Kokain. In der Zeit danach bis zum Jahr 2003 konsumierte sie
gelegentlich Kokain. Dies hat sie aus eigenen Stücken und von Aussage zu
Aussage stimmig wiederholt. Das Suchtverhalten schadet ihrer Glaubwürdigkeit nicht, noch weniger werden dadurch ihre Aussagen automatisch
weniger glaubhaft.
5.4.1.8 Ärztlich belegt sind auch die Folgen dieser Vergewaltigungen, beischlafsähnlichen und sexuellen Handlungen. So wie sich der Gesundheitsverlauf der Privatklägerin 1 gezeigt hat, wird sie sich psychisch wohl
schwerlich von diesen Traumatisierungen erholen. Der Knick in der
Lebensgeschichte ist im Sommer 1998 auszumachen, als die Übergriffe des
Berufungsklägers begannen. Sie litt und leidet unter massiven psychischen
Problemen, muss Medikamente einnehmen und ist zwischendurch immer
wieder in psychiatrischen Kliniken untergebracht worden. Gemäss ärztlicher
Bescheinigung vom 4. Juni 2013 des Sozialpsychiatrischen Dienstes Uri
- 27 -
(Beil. zu act. 6.2) befindet sie sich weiterhin in ambulanter psychiatrischer
Behandlung. Aus diesem (letzten) ärztlichen Bericht ist ersichtlich, dass die
Privatklägerin 1 wegen massiven körperlichen Beschwerden, aber auch
psychischer Dekompensation, im Mai 2012 zunehmend instabil geworden
sei. Hintergrund seien vor allem Ängste wegen dem Prozess und weil sie
sich speziell fürchtete, nochmals vor Gericht aussagen zu müssen. Die
Erlebnisse seien nach wie vor sehr präsent und würden die Patientin massiv
destabilisieren. Sie sei hypomanisch dekompensiert mit massiven Schlafstörungen. Letztlich habe das im Mai 2012 zu einer stationären Behandlung
im Kantonsspital Uri geführt. Anschliessend sei die Patientin im Juni 2012
noch in der Klinik in Hasliberg zur stationären Behandlung gewesen. Nach
dem Austritt aus der Klinik sei eine schwere, lang anhaltende depressive
Episode erfolgt. Die Patientin sei immer wieder am Rande der psychiatrischen Hospitalisation gewesen. Seit vier bis fünf Wochen sei eine
Besserung der depressiven Symptomatik sichtbar, die Depression sei aber
nach wie vor nicht vollständig remittiert.
5.4.1.9 Aufgrund all dieser Ausführungen sind aus Sicht des Gerichts kaum
Anhaltspunkte ersichtlich, die bei der Privatklägerin 1 auf das Bestehen des
vom Berufungskläger bei allen drei Privatklägerinnen ins Spiel gebrachten
"Falsche-Opfer-Syndrom" hindeuten. Die vom Berufungskläger dazu
gemachten Ausführungen konnten das Gericht nicht überzeugen oder bei
ihm mehr als theoretische Zweifel wecken.
Zusammenfassend ergeben sich aus den gemachten Ausführungen gewichtige Argumente für die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Privatklägerin 1 und
dafür, dass der Sachverhalt sich zum Nachteil der Privatklägerin 1 so zugetragen hat.
5.4.2
Zum Sachverhalt zum Nachteil der Privatklägerin 3
5.4.2.1 Gestützt auf Art. 82 Abs. 4 StPO kann vorweg auf die Ausführungen der
Vorinstanz im angefochtenen Entscheid (E. 4.3.3, S. 48 - 50) verwiesen
werden. Ergänzend, teilweise wiederholend und präzisierend ist anzufügen,
dass bei den Aussagen des Berufungsklägers und seiner Ehefrau auffallend
ist, dass er (der Berufungskläger) nicht wie sonst üblich auf der Fensterseite,
wo im übrigen auch sein Wecker steht, geschlafen haben will, sondern auf
der Wandseite, wo üblicherweise seine Ehefrau schläft. Dafür hätte es aber
gar keinen Grund gegeben. Denn gemäss den Aussagen der Ehefrau des
- 28 -
Berufungsklägers seien sie und ihr Ehemann zusammen ins Bett gegangen,
während die Privatklägerin 3 im Bad am Boden gelegen habe. Sie habe dann
ihrem Ehemann gesagt, er solle kommen, die Privatklägerin 3 sei alt genug.
Ihr Ehemann sei dann zu ihr ins Bett gekommen. Er sei auf ihrer Seite vor ihr
gelegen. Dann hätten sie die paar Stunden geschlafen, die es noch zum
Morgen gegeben habe (VI-act. 10 polizeiliche Befragung vom 18.01.2008
Antwort auf Frage 5 in Ordner 2+3; ähnlich VI-act. 01.148 Beilage 11
gerichtliche Befragung vom 22.05.2012 Antwort auf Fragen 73 und 77 in
Ordner Verfahrensleitung Ordner 2). Der Berufungskläger selber sagte
dagegen aus, er habe die Privatklägerin 3 aufgenommen und auf das Sofa
gelegt. Seine Ehefrau habe schon geschlafen als er ins Ehebett gegangen
sei (VI-act. 15 verhöramtliche Befragung vom 19.01.2009 Antwort auf Fragen
7 und 39 in Ordner PK 2+3). Anlässlich der gerichtlichen Befragung vom 22.
Mai 2012 sagte der Berufungskläger aus, er habe die Privatklägerin 3 aufs
Sofa gelegt und sei dann mit seiner Frau ins Ehebett gegangen (VI-act.
01.148 Beilage 8 Antworten auf Fragen 76 f. und 81 in Ordner
Verfahrensleitung Ordner 2). In den Aussagen der Eheleute bestehen
offensichtliche Widersprüche: einmal hat die Ehefrau schon geschlafen, als
der Berufungskläger ins Bett gegangen ist, ein anderes Mal sind sie
zusammen ins Bett gegangen, einmal hat der Berufungskläger die
Privatklägerin 3 aufs Sofa gelegt, ein anderes Mal will man sie auf dem WC
liegen gelassen haben.
5.4.2.2 Sachverhältlich am Auffälligsten ist aber das Vertauschen der Bettplätze.
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist es doch so, dass die Partner die
Plätze im Ehebett nicht tauschen. Weil die Privatklägerin 3 auf dem Sofa
schlief, hätte der Berufungskläger seine Seite gar nicht freihalten müssen. Da
wirkt die Aussage der Privatklägerin 3, dass sie zusammen mit ihrer
Halbschwester (der Ehefrau des Berufungsklägers) ins Ehebett gegangen
seien und sie dabei am Fenster eingeschlafen sei, wo sonst der
Berufungskläger lag viel glaubhafter. Gemäss den Aussagen der Eheleute,
soll also die Privatklägerin 3 im Laufe der Nacht zu ihnen ins Bett gestiegen
sein. Weil das Wasserbett geheizt ist, schlafen die Eheleute nackt. Und nun
soll die Halbschwester (die Privatklägerin 3), mit der die Ehefrau des
Berufungsklägers nur sporadischen Kontakt hatte und auf die sie wegen
ihres Verhaltens am Abend zunehmend "hässig" geworden ist, zu den
nackten Eheleuten ins Bett gestiegen sein? Dies ist überhaupt nicht
nachvollziehbar und widerspricht jeglichen vernünftigen Handelns. Da trifft
schon eher zu, dass der Berufungskläger die Situation ausnutzte und seine
- 29 -
Schwägerin (die Privatklägerin 3), welche sich in einem komatös ähnlichen
Zustand befand massiv intim betastete, sexuell missbrauchte und sich dabei
selber befriedigte.
5.4.2.3 Dass es in der Nacht tatsächlich zu einem Vorfall gekommen sein muss,
zeigen die Geschehnisse am darauf folgenden Morgen auf. Einerseits das
Gespräch der Privatklägerin 3 mit ihrer Halbschwester, der Ehefrau des
Berufungsklägers, dann das Telefongespräch der Mutter F an die Ehefrau
des Berufungskläger, was denn passiert sei, die Privatklägerin 3 sei bei ihr
und weine. Schliesslich das anschliessende Telefongespräch der Ehefrau
des Berufungsklägers an ihren Ehemann ins Geschäft mit dem gleichen
Vorhalt. Frau F sagte als Zeugin aus, dass ihre Tochter G (Ehefrau des
Berufungsklägers) ihr gegenüber gesagt haben soll, ihr Mann habe gedacht,
es wäre sie (VI-act. 18 verhöramtliche Befragung vom 25.08.2010 Antwort
auf Frage 9 in Ordner PK 2+3). Gemäss Schilderung der Privatklägerin 3
habe ihr ihre Schwester gesagt, "weisch, wir hatten eben schon mal eine
zweite Frau im Bett. Er hat wohl das Gefühl gehabt, er könne das mit dir
auch machen" (VI-act. 18 verhöramtliche Befragung vom 18.10.2010 Antwort
auf Frage 22 und VI-act. 6 polizeiliche Befragung vom 12.12.2007 Zeile 4
und 5 S. 3 in Ordner PK 2+3). Damit bestätigte die Ehefrau des
Berufungsklägers, dass es zu einem Vorfall gekommen ist. Offenbar kamen
die Vorwürfe für sie nicht überraschend. Es kann in diesem Zusammenhang
hinweisend auch auf die Aussagen der Ehefrau (ausser Protokoll) gegenüber
der Polizeibeamtin Angela Marty hingewiesen werden, wonach sie nicht
ausschliessen könne, dass ihr Ehemann eine entsprechende Gelegenheit für
einen intimen Kontakt genutzt hätte (VI-act. 2008 Polizeirapport vom
9.06.2008, Seite 10 in Ordner PK 1). Auf die Frage der Polizeibeamtin
Angela Marty in der Einvernahme von 6. August 2007 Frage 32 (VI-act. 2018
in Ordner PK 1), warum die Privatklägerin 1 nach ihrer Ansicht diese
Anschuldigungen äussern sollte, wenn sie nicht zutreffend seien, antwortete
die Ehefrau des Berufungsklägers, sie wisse dies nicht, in diesem Moment
müsste sie sagen, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, wegen dem, was
sie der Polizeibeamtin vorher ausser Protokoll gesagt habe. Dies wollte im
Übrigen die Ehefrau des Berufungsklägers anlässlich der beiden
Befragungen vor Vorinstanz nicht (mehr) sagen. Sie verweigerte
diesbezüglich ihre Aussagen, respektive ihr Erinnerungsvermögen liess sie
im Stich.
- 30 -
5.4.2.4 Eine Verwechslung der zwei Frauen (Ehefrau/Privatklägerin 3) durch den
Berufungskläger kann ausgeschlossen werden, weil die Ehefrau mollig und
die Privatklägerin 3 gemäss Aussage ihrer Mutter (VI-act. 18 Antwort auf
Frage 9 in Ordner PK 2+3) schlank im Erscheinungsbild ist.
5.4.2.5 Schliesslich ist festzuhalten, dass der Berufungskläger gemäss übereinstimmenden Aussagen an diesem Abend auch nicht so betrunken war,
dass er nicht mehr wusste, was er machte.
5.4.2.6 Aufgrund all dieser Ausführungen sind aus Sicht des Gerichts kaum
Anhaltspunkte ersichtlich, die bei der Privatklägerin 3 auf das Bestehen des
vom Berufungskläger ins Spiel gebrachten "Falsche-Opfer-Syndrom"
hindeuten. Die beschriebenen Umstände nach der Tat, insbesondere die
telefonische Konfrontation mit den Ereignissen in der Nacht (E. 8.3.3)
sprechen klar gegen das Vorliegen eines "Falsche-Opfer-Syndroms". Die
vom Berufungskläger dazu gemachten Ausführungen konnten das Gericht
nicht überzeugen oder bei ihm Zweifel wecken.
5.4.2.7 Auch bei der Privatklägerin 3 hat die Tat psychische Probleme verursacht,
die fachlich behandelt werden mussten. Dies hat die Privatklägerin 3 im
Untersuchungsverfahren und vor Vorinstanz glaubhaft bestätigt.
Aufgrund dieser Ausführungen ergeben sich gewichtige Argumente für die
Glaubhaftigkeit der Aussagen der Privatklägerin 3 und dafür, dass der Sachverhalt sich zum Nachteil der Privatklägerin 3 so zugetragen hat.
6.
Zum Sachverhalt zum Nachteil der Privatklägerin 2
6.1
Das Bundesgericht hält in Erwägung 2.3.3 seines Urteils den vorliegend
interessierenden Anklagevorwurf Ziff. 3.1 betreffend fest: sie (die Anklage)
wirft dem Berufungskläger vor, die Privatklägerin 2 gegen ihren Willen die
Hosen und Unterhosen heruntergezogen und das T-Shirt nach oben
geschoben zu haben. Darauf habe der Berufungskläger sie im Intimbereich
ausgegriffen. Er habe ihr gedroht, sie zu vergewaltigen, wenn sie nicht
machte, was er verlangte. Während der Berufungskläger masturbiert habe,
habe er von seinem Opfer verlangt, dass es "sich selber befriedigen solle".
Der Aufforderung, ihn mit der Hand zu befriedigen, sei die Privatklägerin 2
nicht nachgekommen. Der Berufungskläger habe sie mit seinem Penis im
- 31 -
Bereich der Scheide, Unterbauch und Hose berührt. Der Anklagevorwurf
umfasst damit die Nötigung zu verschiedenen sexuellen Handlungen.
Am Schluss der Erwägung 2.3.3 führt das Bundesgericht im Weiteren aus,
dass das Obergericht den Anklagevorwurf Ziff. 3.1 neu zu beurteilen haben
wird. Würdigt das Obergericht den Anklagesachverhalt als sexuelle Nötigung
habe neben dem Schuldspruch im Sinne von Art. 189 Abs. 1 StGB kein
Freispruch zu ergehen.
Daraus ergibt sich nach dem Wortlaut des Bundesgerichtsurteils, dass der
Sachverhalt, so wie er angeklagt wurde und dem ersten Urteil des Obergerichtes des Kantons Uri OG S 12 9 vom 12. Juli 2013 zugrunde lag, auch
für die vorliegende Beurteilung im zweiten Berufungsverfahren massgebend
ist. Insbesondere muss nicht erneut geprüft werden, ob, beziehungsweise
inwiefern, den Aussagen der im Tatzeitpunkt erheblich angetrunkenen
Privatklägerin 2 Glauben geschenkt werden kann. Das Bundesgericht hat
sich in seinem Urteil denn auch mit dieser Frage auseinandergesetzt und
ausdrücklich festgehalten, dass die Vorinstanzen zweifelsohne in der Lage
waren, die belastenden Aussagen zu würdigen (siehe dazu vorstehend E.
4.1 mit Hinweisen).
6.2
Gestützt auf Art. 82 Abs. 4 StPO kann auf die Ausführungen der Vorinstanz
im angefochtenen Entscheid (E. 4.3.2, S. 45 - 48) verwiesen werden.
Ergänzend, teilweise wiederholend und präzisierend ist anzufügen, dass in
beweismässiger Hinsicht neben den Personalbeweisen hier zusätzlich klare
Sachbeweise vorliegen. Zudem steht fest, dass die Privatklägerin 2 den
Berufungskläger bis zu jenem Abend/Nacht gar nicht kannte. Die
Privatklägerin 2 identifizierte den Berufungskläger anhand einer Fotowahlkonfrontation als Täter. Wenn der Berufungskläger nun versucht, ihre
Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit mit dem Hinweis einer massiven
Alkoholisierung zu schmälern, ist dazu festzuhalten, dass H (ebenfalls
Barbesucher) anlässlich der polizeilichen Befragung vom 22. Oktober 2010
(VI-act. 2023 in Ordner PK 2+3) zur Frage 14 aussagte, dass man gut mit ihr
(der Privatklägerin 2) habe sprechen können, sie sei aber schon ziemlich
stark alkoholisiert gewesen. Gemäss Polizeirapport (VI-act. 2001, S. 9 in
Ordner PK 2+3), konnte die Privatklägerin 2 trotz dem Alkohol-ergebnis um
07.42 Uhr von 1.99 Promille sehr klare und detaillierte Angaben zum Vorfall
machen. Wie das relativ hohe Messergebnis genau zustande gekommen ist,
ob beispielsweise vorher allenfalls eine Mundspühlung gemacht und ob eine
- 32 -
zweite Messung durchgeführt worden ist, ist nicht erstellt. Aus dem
Gutachten von Dr. Marc Graf über den Berufungskläger (VI-act. 01.96, S. 32
in Ordner Verfahrensleitung Ordner 2) ist ersichtlich, dass die Annahme von
Promillewerten mittlerweile obsolet ist, da die individuelle Variabilität der
Reaktionen auf Alkohol erheblich ist und auch in der Rechtsprechung nicht
Promillewerte, sondern die lebenspraktischen Auswirkungen auf die
psychischen Funktionen der Intoxikation für die Beurteilung der
Schuldfähigkeit oder der Urteilsfähigkeit während der Einvernahme
entscheidend sind. Dazu sagte H, wie vorerwähnt, aus, dass man gut mit der
Privatklägerin 2 habe sprechen können und die Polizei erwähnte zudem in
ihrem Rapport, dass sie sehr klare und detaillierte Aussagen zum Vorfall
habe machen können. Hinzu kommt, dass die Barangestellte I festhielt, dass
sie (die Privatklägerin 2) nicht sturzbetrunken gewesen sei, dass sie sicher
genug getrunken hatte, dass man sich mit ihr aber noch gut habe unterhalten
können (VI-act. 2024, Antwort zu den Fragen 19 ff. in Ordner PK 2+3).
Aufgrund dieser Aussagen darf geschlossen werden, dass die Privatklägerin
2 wohl einen über den Durst getrunken haben dürfte und auch an Alkohol
gewöhnt war. Sie war aber überhaupt nicht in einem Zustand, dass sie nicht
mehr wusste, was sie tat oder deswegen irgendwelche Fantastereien über
nicht existierende Vorfälle von sich gab. Es ergeben sich aus den Akten
keinerlei Hinweise auf eine fehlende Urteilsfähigkeit bei der Einvernahme
respektive bei der Anzeigeerstattung.
6.3
Massgeblich ist im Weiteren, dass beim Vorfall zum Nachteil der
Privatklägerin 2 vom 22. Oktober 2005 - wie vorerwähnt - ein eindeutiger
Sachbeweis vorliegt, dass es zu sexuellen Handlungen des Berufungsklägers gegenüber der Privatklägerin 2 gekommen ist. DNA-Spuren des
Berufungsklägers befanden sich am Unterbauch/Schambehaarungsbereich
der Privatklägerin 2 sowie am oberen Saumbereich ihres Strings. Es befindet
sich zudem auch noch die Aussage von I in den Akten, wonach sie den
Berufungskläger kurz vor der Tat mit der Privatklägerin 2 vis à vis des
Hoteleingangs auf der Schützengasse gesehen habe (VI-act. 2024 Antwort
zu den Fragen 33 f. in Ordner PK 2+3).
6.4
Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Schwägerin der Privatklägerin 2
anlässlich der polizeilichen Befragung vom 22. Oktober 2005 (VI-act. 2001,
S.6f. in Ordner PK 2+3) aussagte, dass sie (die Privatklägerin 2) zitternd,
weinend und verunsichert nach Hause gekommen sei und zu ihr gesagt
habe, dass sie vergewaltigt worden sei. Es gibt keine plausiblen Gründe die
- 33 -
Aussagen der Schwägerin in Zweifel zu ziehen. Wäre alles erfunden und
hätte sie (die Privatklägerin 2) dies alles freiwillig über sich ergehen lassen,
wäre sie nicht morgens früh um 06.55 Uhr zur Schwägerin gegangen, um
darüber zu sprechen. Es ist denn schlicht auch kein Motiv ersichtlich, warum
die Privatklägerin 2 den Berufungskläger hätte anzeigen sollen, wenn sie
nicht gegen ihren Willen sexuell bedrängt worden wäre.
6.5
Der Berufungskläger stellte eine mögliche Gemütslage der Privatklägerin 2
im Zusammenhang mit der Anzeigeerstattung so dar, als ob sie als
Gefangene der Strafverfolgungsmaschinerie nicht mehr aus ihrer zugewiesenen (und aus Sicht des Berufungsklägers nicht bestehenden)
Opferrolle ausbrechen konnte, da sie sonst ihr Gesicht verloren hätte und als
Lügnerin dagestanden wäre. Die Wahrnehmungen der Schwägerin der
Privatklägerin 2 (E. 6.4) entziehen dieser Darstellung die Grundlage und sind
für das Gericht nicht plausibel.
6.6
Auch für das bezüglich der Privatklägerin 2 ins Spiel gebrachte "FalscheOpfer-Syndrom" fand das Gericht keine stichhaltigen Anknüpfungspunkte.
Die vom Berufungskläger dazu gemachten Ausführungen konnten das
Gericht nicht überzeugen oder bei ihm mehr als theoretische Zweifel wecken.
6.7
Auch bei der Privatklägerin 2 hat die Tat psychische Probleme verursacht,
die fachlich behandelt werden mussten. Dies hat die Privatklägerin 2 im
Untersuchungsverfahren und vor Vorinstanz glaubhaft bestätigt.
Aufgrund dieser Ausführungen ergeben sich neben den Sachbeweisen gewichtige Argumente für die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Privatklägerin 2
und dafür, dass der Sachverhalt sich zum Nachteil der Privatklägerin 2 so
zugetragen hat.
7.
Sachverhaltsübergreifende Aspekte
7.1
Zusammenfassend kann in sachverhaltlicher Hinsicht festgehalten werden,
dass drei voneinander völlig unabhängige Opfer existieren, die den
Berufungskläger massiv der sexuellen Übergriffe belasten. Gemeinsam
haben diese Opfer, dass sie unter den Erlebnissen gelitten haben und/oder
immer noch leiden, und dass sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen
mussten. Es ist erwiesen, dass sie sich betreffend Anzeigen nicht
abgesprochen haben. Die Privatklägerin 2 war die erste und erhob
- 34 -
unmittelbar nach dem Vorfall am 22. Oktober 2005 Anzeige gegen den
Berufungskläger. Die Privatklägerin 1 brauchte aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation rund drei Jahre (von 2003 - 2006) bis sie physisch und
psychisch bereit für eine Anzeige war. Sie hat ca. im Sommer 2006
zufälligerweise von einem in der Zwischenzeit verstorbenen Bekannten
erfahren, dass sich der Berufungskläger in der Schlüsselbar daneben
benommen haben soll. Die Privatklägerin 1 erwähnte anlässlich ihrer
Befragung aber nur den Vorfall in der Schlüsselbar, sie meinte die Szene, wo
der Berufungskläger die Hosen herunter gelassen hat. Von den sexuellen
Übergriffen auf die Privatklägerin 2 war damals noch nicht die Rede (VI-act.
2009 Antwort auf Frage 73 in Ordner PK 1). Einen direkten Einfluss auf das
Anzeigeverhalten der Privatklägerin 1 hatte dieser Vorfall nicht. Die
Strafanzeige der Privatklägerin 3 datiert vom 23. November 2007. Die
Privatklägerin 3 hat von ihrer Schwester J über ihre Mutter F erfahren, dass
gegen den Berufungskläger ein Strafuntersuchungs-verfahren unter anderem
wegen Vergewaltigung am Laufen sei. Dabei ist ihr, die den sie betreffenden
Vorfall jahrelang verdrängt hatte, alles wieder hochgekommen und sie wollte
die ihr nicht näher bekannte Privatklägerin 1 unterstützen, dass diese nicht
alleine dastand. Die Anzeige der Privatklägerin 3 war teilweise beeinflusst
durch diejenige der Privatklägerin 1. Eigentliche Absprachen, in dem Sinne,
dass man gemeinsam gegen den Berufungskläger vorgehen wolle, gab es
aber nicht. Für einen Komplott der drei Privatklägerinnen gegen den
Berufungskläger mit abgesprochenen Falschbezichtigung bestehen keinerlei
Anhaltspunkte.
7.2
Neben den verschiedenen Aussagen der Opfer, der Ehefrau und der Mutter
der Ehefrau müssen auch die Aussagen des Berufungsklägers gewürdigt
werden. Auffällig ist die ungewöhnliche Reaktion des Berufungsklägers auf
diese massiven Vorwürfe und sein entsprechendes Aussageverhalten. Als
der Berufungskläger am 26. Juli 2007 zum ersten Mal polizeilich mit den
Vorwürfen der Privatklägerin 1 konfrontiert worden ist (1. Vorfall, Kaftan)
antwortete er: "Puh, das weiss ich nicht, das glaub ich auch nicht" (VI-act.
2016 Antwort auf Frage 31 in Ordner PK 1). Bezüglich des Vorfalls im Herbst
1998 (Gästetoilette) antwortete er: "Puh, das wüsste ich jedenfalls nicht.
Nein" (VI-act. 2016 Antwort auf Frage 32 in Ordner PK 1). Bezüglich des
Vorwurfs der Privatklägerin 3, er habe sie in der Nacht an den Brüsten und
zwischen den Beinen angefasst und dabei ihre Scheide berührt, antwortete
er anlässlich der Befragung vom 16. Januar 2008: "Da mag ich mich gar
nicht erinnern, dass ich so etwas getan habe" (VI-act. 9 Antwort auf Frage 14
- 35 -
in Ordner PK 2+3). Dem Vorwurf, die Privatklägerin 2 sei an jenem Abend
Opfer eines Sexualdelikts geworden und es bestehe der dringende
Tatverdacht, dass er der Täter sei, entgegnete er am 26. Oktober 2005 "also
ich wüsste jetzt jedenfalls nichts, wo hätte ich die denn getroffen, wo?" (VIact. 2012 Antwort auf Frage 11 in Ordner PK 2+3). Hier stellt sich doch die
Frage, ob jemand, der mit solchen schweren Vorwürfen absolut nichts zu tun
hat, so, wie vorerwähnt, in gleichgültiger Art und Weise reagiert? Wenn der
Berufungskläger die spezielle Wirkung dieser Äusserungen auf den Umstand
zurückführen will, dass es sich um eine Äusserung eines juristischen Laien
handelt, die von der umgangssprachlichen Mundart in die Schriftsprache
übersetzt wurde, erscheint dies wenig überzeugend, da inhaltlich eine klare
Abstreitung der Vorwürfe durch den Berufungskläger trotzdem nicht
erkennbar ist.
7.3
In diesem Zusammenhang müssen auch die anlässlich des dem Berufungskläger gewährten Recht des letzten Wortes vor Vorinstanz und vor Obergericht gemachten Äusserungen genauer betrachtet werden. Die allgemeine
Lebenserfahrung liesse erwarten, dass eine zu Unrecht beschuldigte Person
derartige Vorwürfe, insbesondere bevor ein Gericht darüber berät und ein Urteil fällt, deutlich zurückweist. Anlässlich des dem Berufungsklägers gewährten Rechts des letzten Wortes vor Vorinstanz ist aufgefallen, dass der Berufungskläger darin zwar erwähnte, dass ihn die Vorwürfe belasten würden und
dass er einfach nichts beweisen könne. Er hat aber vor Vorinstanz mit keinem Wort erwähnt, dass er unschuldig sei und dass das Gericht ihm glauben
solle, ja glauben müsse. Dass der Charakter einer Person in einer derartigen
Ausnahmesituation, dessen Reaktion beeinflusst, ist klar. So kann von einer
eher als fassadär beschriebenen Persönlichkeit nicht ein emotional flammendes Unschuldsbekenntnis erwartet oder gefordert werden. Wenn aber
vor Vorinstanz und ähnlich auch vor Obergericht anlässlich des Rechts des
letzten Wortes inhaltlich eindeutige Unschuldsbeteuerungen ausbleiben, so
ist dies ein Umstand, den das Gericht nicht ausblenden darf, sondern in seine Gesamtwürdigung aller Umstände einbeziehen muss. Auch anlässlich der
zweiten mündlichen Berufungsverhandlung vom 22. April 2015 kamen vom
Berufungskläger keine Unschuldsbeteuerungen. Vielmehr führte er aus, dass
er absolut sicher sei, mit den Privatklägerinnen 1 und 3 keine sexuellen Kontakte gehabt zu haben. Betreffend die (vorliegend interessierende) Privatklägerin 2 wies er die Vorwürfe mit aller Deutlichkeit zurück, erklärt jedoch,
wenn er der Privatklägerin 2 ohne sein Wissen tatsächlich zu nahe gekommen sei, dies ihm leid tue.
- 36 -
Die damit (erstmals) kundgetane Reue kann jedoch nicht mehr als aufrichtige
Reue im Sinne von Art. 48 lit. d StGB betrachtet werden, da sie doch recht
spät im Verfahren geäussert wurde.
7.4
Das diesbezügliche Verhalten war auch für den psychiatrischen Gutachter
bemerkenswert. Dazu führt er aus: „als Persönlichkeit imponierte der
Explorand, insbesondere in Anbetracht der doch schwerwiegenden
Tatvorwürfe, als ausgesprochen ruhig und wenig aus dieser Ruhe zu
bringen." Der Gutachter spricht von „fassadär und einer oberflächlich
anmutenden Gleichgültigkeit“ (VI-act. 01.96: Gutachten vom 27.04.2012, S.
23 in Ordner Verfahrensleitung Ordner 2). Die forensisch-psychiatrische
Untersuchung ergab keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer
Störung der sexuellen Präferenz. Der Gutachter merkte aber mit aller
Deutlichkeit an, dass er aus eigener Erfahrung konkrete Fälle kenne, bei
welchem sozialkompetente Exploranden eine vollständig normale Sexualität
geltend machten, sie dann aber wegen schwerwiegender und durch eine
abweichende Störung der Sexualpräferenz motivierte Straftaten verurteilt
wurden (zum Beispiel Kindsmissbrauchs oder wiederholte Vergewaltigungen/Misshandlungen) (VI-act. 01.96, a.a.O. S. 29 in Ordner
Verfahrensleitung Ordner 2). Das heisst mit anderen Worten, dass auch der
Gutachter nicht ausschliesst, dass es zu diesen massiven Übergriffen durch
den Berufungskläger gekommen ist, auch wenn er bei ihm keine eigentliche
Störung der Sexualpräferenz erkennen konnte.
Aufgrund der Würdigung sämtlicher oben aufgeführten Beweiselemente hat
das Obergericht vorliegend keine erheblichen und unüberwindlichen Zweifel,
die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen und jedem kritischen und
vernünftigen Menschen stellen würden, dass sich die Sachverhalte betreffend die drei Opfer nicht so abgespielt haben, wie ihn die Berufungsbeklagte
dargelegt und die Vorinstanz festgestellt hat.
8.
Zur rechtlichen Subsumtion
8.1
Bevor die rechtliche Subsumtion der dem Berufungskläger vorgeworfenen
zum Nachteil der Privatklägerin 2 begangenen Handlungen (siehe dazu E. 6.
und 7. vorstehend) beurteilt wird, ist vorab festzuhalten, dass das Bundesgericht in seinem Urteil vom 18. Dezember 2014 die rechtliche Subsumtion der
zum Nachteil der Privatklägerinnen 1 und 3 vorgeworfenen Straftaten (Ver-
- 37 -
gewaltigung, versuchte Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Schändung) nicht
beanstandet hat. Wie schon im Urteil des Obergerichtes des Kantons Uri OG
S 12 9 vom 12. Juli 2013 gilt deshalb, dass die Vorinstanz die rechtliche
Subsumtion der dem Berufungskläger vorgeworfenen Straftaten (Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Schändung) zutreffend
dargelegt hat. Gestützt auf Art. 82 Abs. 4 StPO kann deshalb diesbezüglich
auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid (E. 5., 5.1 - 5.4; 6., 6.1 - 6.4; 7., 7.1 - 7.3, S. 51 - 64 mit Ausnahme
von S. 58) verwiesen werden.
8.2
Der sexuellen Nötigung im Sinne von Art. 189 StGB macht sich schuldig, wer
eine Person zur Duldung einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung nötigt, namentlich in dem er sie bedroht, Gewalt anwendet,
sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht.
Vorliegend hat der Berufungskläger verschiedene sexuelle Handlungen im
Sinne von Art. 189 Abs. 1 StGB von der Privatklägerin 2 verlangt beziehungsweise an ihr vorgenommen. So hat er unter anderem mindestens einen
Finger in die Scheide eingeführt, er hat im Weiteren die Privatklägerin 2 mit
dem Penis im Bereich der Scheide/Unterbauch berührt und von ihr verlangt
sich selbst zu befriedigen. Betreffend Letzterem ist darauf hinzuweisen, dass
auch die Vornahme einer sexuellen Handlung an sich selbst unter den Tatbestand von Art. 189 StGB fällt. Es ist einzig vorausgesetzt, dass das Opfer
zum körperlichen Tätigwerden gezwungen wird. Dabei spielt es keine Rolle,
ob das Opfer die sexuelle Handlung am Täter, an sich selbst oder an einer
Drittperson vornehmen muss (Philipp Maier, in Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.],
Strafrecht II, 3. Aufl., Basel 2013, N. 46 zu Art. 189). Um sein Ziel zu erreichen bediente sich der Berufungskläger folgender Nötigungsmittel: 1. Der
Gewalt durch Festhalten/Hosen herunterziehen und T-Shirt nach oben ziehen; 2. Der Bedrohung, durch Androhung, sie von hinten zu "figgen", wenn
sie nicht mache, was er verlange. Objektiv ist soweit der Tatbestand sogar
mehrfach erfüllt. Betreffend die subjektiven Tatbestandsmerkmale wird Vorsatz bezüglich aller vorgenannten Tatbestandselemente verlangt. Der Täter
muss um die Bedeutung des auf- beziehungsweise abgenötigten Verhaltens
wissen. Dazu gehört auch, dass er zumindest in Kauf genommen hat, sich
über den entgegenstehenden Willen des Opfers hinwegzusetzen (Philipp
Maier, a.a.O., N. 54 zu Art. 189). Subjektiv hatte vorliegend der Berufungskläger offensichtlich die Absicht, die Privatklägerin 2 zur Vornahme beziehungsweise Duldung der sexuellen Handlungen zu bringen. Als er auf Wi-
- 38 -
derstand stiess, setze er die Nötigungsmittel (seine Körpergewalt und -masse) gezielt ein, dann gezielte Drohungen, von denen das Opfer annehmen
musste, dass er sie ohne weiteres umsetzen würde, wenn sie die von ihm
verlangte Handlung nicht vornähme. Das Gericht ist überzeugt, dass der Berufungskläger erkennen musste und zumindest in Kauf nahm, dass diese sexuellen Handlungen gegen den Willen der Privatklägerin 2 erfolgten und nur
aufgrund der Gewalt und seiner Drohungen möglich waren. Der Tatbestand
ist offensichtlich mehrfach erfolgt, in dem er mehrere verschiedene und voneinander unabhängige sexuelle Handlungen vornahm beziehungsweise verlangte und auch verschiedene Nötigungsmittel einsetzte. Es wäre durchaus
möglich gewesen, nach dem Einführens des Fingers in ihre Scheide die Sache zu beenden. Dies tat er aber nicht. Er setzte gezielt eine Drohung ein,
die es ihm ermöglichte, sein Opfer gefügig zu machen und im Sinne der
Wahl des kleineren Übels dazu zu bringen, vor ihm zu masturbieren. Dies
ermöglichte ihm auch, die Privatklägerin 2 soweit loszulassen, dass er an
sich selber Masturbationshandlungen vornehmen konnte.
8.3
Für die Tatvorwürfe zum Nachteil der Privatklägerinnen 1 und 3 ergab die
psychiatrische Begutachtung des Berufungsklägers keinerlei Anhaltspunkte
für das Vorliegen einer psychischen Beeinträchtigung. Gemäss Gutachten ist
diesbezüglich von einer vollen Schuldfähigkeit auszugehen.
8.4
Beim Vorfall zum Nachteil der Privatklägerin 2 liegen gemäss Gutachten keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Berufungskläger nicht in der Lage
gewesen wäre, einzusehen, dass das Opfer diese Handlungen nicht wollte
und diese demnach strafbar waren, oder dass er nicht in der Lage gewesen
wäre, sich entsprechend dieser erhaltenen Einsicht in das Unrecht seines
Handelns zu verhalten (s. Art. 19 Abs. 1 StGB). Unter Berücksichtigung, dass
der Berufungskläger mit Ausnahme der damals wahrscheinlich vorliegenden
unkomplizierten Intoxikation, Intoxikation mit Alkohol, psychisch gesund und
sozial kompetent war, und keine weiteren situativ-komplizierenden Faktoren
hinzu kamen, ist aus forensisch-psychiatrischer Sicht für diesen Tatvorwurf zum Nachteil der Privatklägerin 2 – im Vergleich mit nichtalkoholintoxikierten
Tätern von einer in leichtem bis allenfalls mittleren Grades verminderten
Steuerungsfähigkeit bei erhaltener Einsichtsfähigkeit nach Art. 19 Abs. 2
StGB und somit insgesamt von einer im leichten bis allenfalls mittleren Grade
verminderten Schuldfähigkeit auszugehen (VI-act. 01.96: Gutachten Dr. med.
Marc Graf, Chefarzt, Vorsitzender der Klinikleitung, Universitäre Psychiatrische Kliniken, Basel, vom 27.04.2012, S. 31 bis 33 in Ordner Verfahrenslei-
- 39 -
tung Ordner 2). Wenn der Berufungskläger geltend macht, dass im Ergänzungsgutachten vom 22. Mai 2012 desselben Gutachters (VI-act. 01.130, S.
3 Antwort zu Frage C in Ordner Verfahrensleitung Ordner 2) – beim Vorfall
zum Nachteil der Privatklägerin 2 – eine schwere Trunkenheit für die frühen
Morgenstunden des 22. Oktobers 2005 nicht ausgeschlossen werden könne,
ist hierzu festzuhalten, dass für die Strafzumessung vorliegend massgebend
nicht das Ergänzungsgutachten vom 22. Mai 2012, sondern die 40 Seiten
umfassende forensisch-psychiatrische Begutachtung vom 27. April 2012 ist.
Zur Frage der Schuldfähigkeit im Sinne von Art. 19 Abs. 2 StGB betreffend
Vorfall zum Nachteil der Privatklägerin 2 hält der Gutachter Dr. med. Marc
Graf auf S. 33 in fine ausdrücklich und unmissverständlich fest, dass insgesamt von einer im leichten bis allenfalls mittleren Grade verminderten
Schuldfähigkeit auszugehen ist. Auch wenn im Ergänzungsgutachten eine
schwere Trunkenheit nicht ausgeschlossen werden kann, sind die diesbezüglichen Aussagen des Gutachters im (Haupt-) Gutachten vom 27. April
2012 klar und keinesfalls widersprüchlich. Die Bindung des Richters an das
Gutachten ist als Frage der Beweiswürdigung nach den Regeln über die
Willkür zu beurteilen: er darf abweichen, wenn wirklich gewichtige zuverlässig begründete Tatsachen oder Indizien dessen Überzeugungskraft ernstlich
erschüttern. Eine Abweichung ohne materielle Auseinandersetzung mit dem
Gutachten wäre nicht statthaft (Trechsel/Pieth, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Auflage, Zürich 2013, N. 8 zu Art. 20). Ein massgeblicher Widerspruch lässt sich, wie vorerwähnt, nicht erkennen. Es ist daher vorliegend von einer leichten bis allenfalls mittleren Grade verminderten
Schuldfähigkeit beim Berufungskläger betreffend den Vorfall zum Nachteil
der Privatklägerin 2 auszugehen. Kommt hinzu, dass in den Antworten zu
den Fragen E und F des Ergänzungsgutachtens festgehalten wird, dass keine objektivierbaren Umstände vorliegen, dass der Berufungskläger zum fraglichen Zeitpunkt nicht fähig gewesen wäre, das Unrecht seines Handelns
einzusehen. Zudem ist zu beachten, dass der Berufungskläger unmittelbar
vor der Tat einige Zeit in der Toilette der Schlüsselbar geschlafen und anschliessend keinen Alkohol mehr getrunken hat. Dies spricht zusätzlich gegen das Vorliegen eines schweren Rauschzustandes im relevanten Zeitpunkt. Das Gericht geht daher nicht von einen schweren Rauschzustand aus,
aber in Nachachtung des Grundsatzes in dubio pro reo (E. 5.3.2) vom für den
Berufungskläger günstigeren Sachverhalt aus, nämlich von einer verminderten Schuldfähigkeit mittleren Grades. Dies schliesst eine Bestrafung des Berufungsklägers bezüglich dem die Privatklägerin 2 betreffenden Sachverhalt
nicht aus, kann aber bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigt werden.
- 40 -
9.
Zur Strafzumessung
Der Richter misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Er berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Art. 47 Abs. 1 StGB). Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter
nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung
oder Verletzung zu vermeiden (Art. 47 Abs. 2 StGB).
Der Berufungskläger ist wegen mehrfacher Vergewaltigung, mehrfacher versuchter Vergewaltigung, mehrfacher sexueller Nötigung sowie Schändung zu
bestrafen. Die Vorinstanz hat den Strafrahmen korrekt abgesteckt und die
gesetzlichen Zumessungsregeln wie auch die hier belastenden und entlastenden Faktoren, namentlich die in Frage kommenden Straferhöhungs-,
Strafschärfungs-, Strafminderungs- und Strafmilderungsgründe – wenn auch
knapp – aber zutreffend dargelegt. Betreffend die Würdigung des Verschuldens im Zusammenhang mit der Strafzumessung kann deshalb gestützt auf
Art. 82 Abs. 4 StPO vorweg auf die Ausführungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid (E. 8., 8.1 und 8.2 S. 65 f.) verwiesen werden. Daran
ändert im Wesentlichen auch nicht der Umstand, dass der Berufungskläger
im vorliegenden zweiten Berufungsverfahren betreffend die Privatklägerin 2
nicht wegen versuchter Vergewaltigung sondern wegen sexuellen Nötigungen zu bestrafen ist. Ergänzend und teilweise wiederholend ist anzufügen,
dass vorliegend von der Strafandrohung der schwersten Straftat der Vergewaltigung gemäss Art. 190 Abs. 1 StGB auszugehen ist, wonach mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren zu bestrafen ist. Der Verstoss
gegen mehrere Straftatbestände und die mehrfache Begehung wirken sich
strafschärfend im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB aus. Der entsprechende
Strafrahmen erweitert sich danach auf 15 Jahre Freiheitsstrafe. Vorliegend
ist von einem sehr schweren Verschulden auszugehen. Der Missbrauch fand
gegenüber drei verschiedenen Opfern statt. Insbesondere die Privatklägerin
1 wurde äusserst grob vergewaltigt. Nach neuerer bundesgerichtlicher
Rechtsprechung sind Oral- und Analverkehr in ihrer sexuellen Intensität dem
Beischlaf ähnlich und die Nötigung zur Duldung eines derartigen Verkehrs ist
in ihrem Unrechtsgehalt einer Vergewaltigung ähnlich. Daher hat sich der
Richter bei der Strafzumessung für die Nötigung zur Duldung einer solchen
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beischlafsähnlichen Handlung grundsätzlich zu orientieren, welchen das Gesetz für die Vergewaltigung festlegt. Die Strafe darf mithin im Einzelfall unter
Berücksichtigung der gesamten Umstände nicht wesentlich niedriger sein als
die Strafe, welche der Richter unter denselben Umständen für eine Vergewaltigung ausgesprochen hätte (Philipp Maier, a.a.O., N. 51 zu Art. 189 mit
Hinweisen). Neben den zahlreichen Vergewaltigungen beziehungsweise die
Versuche dazu ist auch straferhöhend zu berücksichtigen, dass es bei den
sexuellen Nötigungen vielfach nicht bloss um einfache sexuelle Handlungen
ging, sondern diese vom Unrechtsgehalt her einer Vergewaltigung gleichzusetzen sind (Einführen einzelner Finger und zweimal der gesamten Hand in
die Scheide, die anale Penetration sowie die erzwungene orale Befriedigung). Straferhöhend ist zu berücksichtigen, dass der Berufungskläger trotz
Vorliegen zahlreicher Indizien und Beweisen alles bestreitet und keine echte
Reue zeigt. Die von ihm anlässlich der zweiten Berufungsverhandlung kundgetane Reue kann jedoch nicht als zu berücksichtigende aufrichtige Reue im
Sinne von Art. 48 lit. d StGB betrachtet werden, da sie doch recht spät im
Verfahren und erst unter dem unmittelbaren Eindruck einer Verurteilung geäussert wurde. Der Berufungskläger zeigt sich trotz allem äusserlich als gelassen und scheint überhaupt keine Opferempathie zu besitzen. Als Opfer
wählte er spezielle Frauen aus, die als hilflos bezeichnet werden können. Sei
es nun die physische und psychische Ausnahmesituation, in der sich die Privatklägerin 1 befunden hat, aber auch der alkoholisierte Zustand der Privatklägerin 2 oder der Übergriff auf die schlafende Privatklägerin 3. Insgesamt
gesehen wiegen somit sowohl die objektive als auch die subjektive Tatschwere sehr erheblich. Weil der Vorfall gegenüber der Privatklägerin 2 nur
einer von vielen teilweise gravierenderen Vorwürfen ist, hat die verminderte
Schuldfähigkeit mittleren Grades – beim Vorfall betreffend die Privatklägerin
2 – nur eine kleine Strafmilderung zur Folge. Strafmildernd nach Art. 48 lit. e
StGB ist hingegen zu berücksichtigen, dass in Anbetracht der seit den Taten
von 1998 bis 2003 verstrichenen relativ langen Zeit, das Strafbedürfnis deutlich vermindert und der Berufungskläger sich seit Oktober 2005 (der letzten
Strafhandlung) gemäss dem Kenntnisstand des Gerichts wohl verhalten hat.
Strafmindernd im Rahmen von Art. 47 StGB ist zu berücksichtigen, dass seit
der Strafanzeige des letzten Opfers im November 2007 drei Jahre vergangen
sind, bis es zur Anklage gekommen ist und anschliessend wiederum zweieinhalb Jahre, bis es zur ersten mündlichen Berufungsverhandlung vor
Obergericht (26.06.2013) gekommen ist. Unter Berücksichtigung, dass gemäss Angaben der Berufungsbeklagten sich in der Gerichtspraxis der Strafrahmen bei einer "normalen" Vergewaltigung eines vorstrafenlosen Täters
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zwischen 18 und 36 Monaten Freiheitsstrafe bewegt, dass vorliegend dem
Berufungskläger in einem Fall mehrere Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen über einen langen Zeitrahmen von fünf Jahren vorgeworfen werden,
dass es zu sexuellen Nötigungen bei einem zweiten Opfer und dass es zu
einer Schändung bei einem dritten Opfer gekommen ist, der Berufungskläger
wenig bis gar keine Reue und Opferempathie zeigt, ist von einer Einsatzstrafe von acht Jahren Freiheitsstrafe auszugehen. In weiterer Berücksichtigung,
dass der Berufungskläger in einem Fall (Privatklägerin 2) im mittleren Masse
vermindert schuldfähig war, sich die frühesten Taten schon im Zeitpunkt des
ersten obergerichtlichen Urteils (12.07.2013) an der Grenze der Verfolgungsverjährung (15 Jahre) bewegten, insbesondere die Strafuntersuchung und
das bisherige Gerichtsverfahren der drei Vorfälle lange Zeit beanspruchten,
erachtet das Obergericht heute, im Gegensatz noch zum ersten obergerichtlichen Urteil vom 12. Juli 2013, weil wiederum fast zwei Jahren verstrichen
sind, in denen sich der Berufungskläger wohlverhalten hat, eine Strafmilderung und -minderung von nunmehr drei Jahren und drei Monaten, angemessen, womit eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren und neun Monaten als eine dem
Verschulden und den übrigen Zumessungsfaktoren als angemessen und gerechtfertigte Sanktion erscheint. Die ausgesetzte Freiheitsstrafe von 4 Jahren
und 9 Monaten schliesst den bedingten Vollzug der Freiheitsstrafe schon aus
objektiven Gründen aus (Art. 42 Abs. 1 StGB), darauf ist deshalb nicht mehr
näher einzugehen.
10.
Zu den Zivilkagen
Die Vorinstanz hat zutreffend den Begriff und die Voraussetzungen der Privatklägerschaft und der Zivilklagen nach alter (kantonaler) und neuer
(schweizerischer) Strafprozessordnung grundsätzlich zutreffend dargelegt.
Gestützt auf Art. 82 Abs. 4 StPO kann deshalb vorweg auf die Ausführungen
im angefochtenen Entscheid (E. 9.1 und 9.2, S. 66 ff.) verwiesen werden. Ergänzend, teilweise wiederholend und präzisierend ist anzufügen, dass erklärtes Ziel des Übergangsrechts nach den Bestimmungen von Art. 448 ff. StPO
die möglichst rasche und vollständige Ablösung der bisher geltenden (kantonalen) Verfahrensordnungen durch die vereinheitlichte (schweizerische)
StPO ist. Damit wird das dem Strafprozessrecht generell zugrunde liegende
Prinzip umgesetzt, dass Strafverfahrensnormen ab dem Zeitpunkt ihrer Inkraftsetzung gelten und zwar gleichermassen bezüglich der ab dem 1. Januar 2011 eingeleiteten wie auch vorher laufenden Strafverfahren und damit
früher begangenen Straftaten (Niklaus Schmid, Übergangsrecht der Schwei-
- 43 -
zerischen Strafprozessordnung, Zürich 2010, N. 12 mit Hinweisen). Unter
Berücksichtigung dieses Grundsatzes der sofortigen Anwendbarkeit neuen
Rechts auf hängige Verfahren kann deshalb zugunsten der drei Privatklägerinnen davon ausgegangen werden, dass sie sich nicht nur – wie nach alter
Urner Strafprozessordnung möglich – als Zivilklägerinnen im Sinne von Art.
119 Abs. 2 lit. b StPO, sondern auch – allgemeiner Lebenserfahrung folgend,
dass Opfer ebenfalls eine Bestrafung beantragen würden – als Strafklägerinnen im Sinne von Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO konstituiert haben.
10.1
Die Vorinstanz hat betreffend die Privatklägerin 1 zutreffend dargelegt, dass
der Berufungskläger der Privatklägerin 1 für die erlittene Unbill eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 20'000.-- zzgl. Zins von 5 % seit 1. Januar 2001 zu
bezahlen hat. Gestützt auf Art. 82 Abs. 4 StPO kann diesbezüglich auf die
umfassenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid (E. 9.3 und 9.4
[exkl. Ausführungen zu den Privatklägerinnen 2 und 3], S. 68 - 75) verwiesen
werden.
10.2
Die Vorinstanz hat auch betreffend die Privatklägerinnen 2 und 3 zutreffend
dargelegt, dass die von den Beiden erhobenen Zivilklagen mangels hinreichender Begründung (Art. 126 Abs. 2 lit. b StPO) auf den Zivilweg zu verweisen sind. Gestützt auf Art. 82 Abs. 4 StPO kann auch diesbezüglich auf die
Ausführungen im angefochtenen Entscheid (E. 9.3 in fine, S. 73 f. und E. 9.4
in fine, S. 75) verwiesen werden.
Gesagtes erhellt, dass sich damit die Berufung – was die Anklageziffer 3.1
(u.a. rechtliche Subsumtion/Strafzumessung) betrifft – teilweise als begründet erweist und entsprechend teilweise gutzuheissen ist.
11.
Zu den Verfahrenskosten
11.1
An den von der Vorinstanz festgesetzten Kosten von Fr. 31'398.55 wird festgehalten (Art. 428 Abs. 3 StPO). Die Gerichtsgebühr für das gesamte (kantonale) Rechtsmittelverfahren (OG S 12 9 und OG S 14 9) wird auf Fr.
6'000.-- festgesetzt (Art. 421 Abs. 1 und Art. 424 StPO, Art. 1 Abs. 1 lit. b und
Art. 2 ff. Gerichtsgebührenverordnung, Art. 15 Abs. 1 lit. a Gerichtsgebührenreglement).
11.2
Die Verlegung der Kosten (Art. 422 ff. StPO) richtet sich nach dem Grundsatz, wonach Kosten zu tragen hat, wer sie verursacht. So gründet die Kos-
- 44 -
tentragungspflicht des Beschuldigten im Falle eines Schuldspruches (Art.
426 Abs. 1 StPO) auf der Annahme, dass er Einleitung und Durchführung
des Strafverfahren als Folge seiner Tat veranlasst und daher zur Tragung
der Verfahrenskosten verpflichtet sein soll. Erforderlich ist ein adäquater
Kausalzusammenhang zwischen dem zur Verurteilung führenden strafbaren
Verhalten und den durch die Abklärung entstandenen Kosten (BGE
6B_671/2012 vom 11.04.2013 E. 1.2). Die Bestimmungen des Rechtsmittelverfahrens (Art. 428 Abs. 1 und Art. 436 Abs. 2 StPO), wonach die Parteien
die Kosten nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens tragen, sind
nicht analog heranzuziehen (BGE 6B_485/2013 vom 22.07.2013 E. 2.3).
Zwar wird vorliegend die Berufung teilweise gutgeheissen, gleichzeitig erfolgt
jedoch kein Frei- sondern ein Schuldspruch. Demnach sind die Kosten des
erstinstanzlichen Verfahrens von Fr. 31'398.85 vollständig dem Berufungskläger und diejenigen der Berufungsverfahren OG S 12 9 und OG S 14 9 von
insgesamt Fr. 7ꞌ625.-- zu 9/10 dem Berufungskläger und zu 1/10 der Staatskasse Uri aufzuerlegen.
11.3
Eine Parteientschädigung entfällt für das erstinstanzliche Verfahren (BGE
137 IV 357 E. 2.4.2). Hingegen ist der Berufungskläger für das Rechtsmittelverfahren zu entschädigen (Niklaus Schmid, a.a.O., Art. 436 N. 1; Wehrenberg/Bernhard, in Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung
2011, N. 4 zu Art. 436). Der Rechtsbeistand des Berufungskläger reichte für
das Rechtsmittelverfahren keine Kostennote ein. Vielmehr überliess er dies
ausdrücklich dem Ermessen des Obergerichtes. Die reduzierte Parteientschädigung wird demnach entsprechend dem Ausgang des Rechtsmittelverfahrens (im Verhältnis 9/10 / 1/10) auf Fr. 1'600.-- (inklusive Mehrwertsteuer)
festgesetzt (Art. 1 Abs. 1 lit. b und Art. 18 ff. Gerichtsgebührenverordnung,
Art. 30 lit. c Gerichtsgebührenreglement).
12.
Zur Entschädigung der Privatklägerin 1
12.1
Betreffend die Entschädigung für die Privatklägerin 1 im vorinstanzlichen
Verfahren kann gestützt auf Art. 82 Abs. 4 StPO auf die Ausführungen im
angefochtenen Entscheid (E. 10 [exkl. Ausführungen betreffend Privatklägerin 2] und E. 10.2.1 und 10.2.2, S. 75 f.) sowie – die armenrechtliche Entschädigung betreffend – auf den in Rechtskraft erwachsenen separaten Beschluss des Landgerichtes Uri (LGS 10 81 vom 13. Juni 2012) verwiesen
werden.
- 45 -
12.2
Wie vor Vorinstanz hat die Privatklägerin 1 auch im Rechtsmittelverfahren
gegenüber der beschuldigten Person Anspruch auf eine angemessene
Entschädigung für notwendige Aufwendungen im Verfahren, wenn sie
obsiegt (Art. 433 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 436 StPO). Das Obsiegen besteht im
Regelfall in der Verurteilung der beschuldigten Person (bei der
Konstituierung als Strafkläger) und/oder Obsiegen der Privatklägerschaft im
Zivilpunkt (Niklaus Schmied, a.a.O., Art. 433 N. 6; Wehrenberg/Bernhard, in
Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011 N. 6 zu Art.
433). Die Privatklägerin 1 hat sich vorliegend sowohl als Zivilklägerin und wie
vorerwähnt (E. 11.) auch als Strafklägerin konstituiert. Die Privatklägerin 1
obsiegt vorliegend sowohl in der Zivilklage als auch mit der Verurteilung des
Berufungsklägers in der Strafklage in vollem Umfang. Sie hat demnach
Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für notwendige
Aufwendungen. Die Ansprüche der Privatklägerschaft gemäss Art. 433 Abs.
1 StPO beschränken sich auf die für ihre Aufwendungen im Strafverfahren
erforderlichen Aufwendungen. Diese Aufwendungen betreffen in erster Linie
die Anwaltskosten, soweit sie durch die Beteiligung am Strafverfahren selbst
verursacht wurden und für die Wahrung der Interessen der Privatklägerschaft
notwendig waren (Niklaus Schmid, a.a.O., Art. 433 N. 3). Vorliegend sind die
Voraussetzungen gemäss Art. 433 Abs. 1 lit. a StPO gegeben und die
Notwendigkeit einer Rechtsverbeiständigung ist erfüllt. Die Privatklägerin 1
hat somit Anspruch auf eine entsprechende angemessene Entschädigung.
Die von der Rechtsvertreterin der Privatklägerin 1 eingereichte Honorarnote
vom 26. Juni 2013 (act. 6.4 Blatt 1) für das erste Berufungsverfahren OG S
12 9 in der Höhe von Fr. 828.-- wird ungekürzt übernommen. Hinzukommen
Aufwendungen für die mündliche Berufungsverhandlung im Verfahren OG S
12 9 sowie die Aufwendungen für die schriftliche Eingabe im vorliegenden
zweiten Berufungsverfahren. Total hat die Privatklägerin 1 für das gesamte
(kantonale) Rechtsmittelverfahren Anspruch auf eine Entschädigung von
insgesamt Fr. 2'500.-- (inkl. Mehrwertsteuer). Nachdem der Berufungskläger
verurteilt wird, hat er als Unterliegender im Rechtsmittelverfahren diese
Entschädigung zu übernehmen (Art. 428 i.V.m. Art. 426 Abs. 1 StPO). Noch
anzufügen ist, dass für das Rechtsmittelverfahren – im Gegensatz noch für
das vorinstanzliche Verfahren (Zeitraum: 29.10.2010 - 05.06.2012) – die
Voraussetzungen für die unentgeltliche Rechtspflege zugunsten der
Privatklägerin 1 wegen Fehlens der Bedürftigkeit nicht mehr bestehen.
13.
Zur Entschädigung der Privatklägerin 2
- 46 -
Die Vorinstanz hat der Privatklägerin 2 die volle von ihr bzw. von ihrem damaligen Rechtsvertreter RA lic. iur. Ruedi Herger, Altdorf, mit Eingabe vom
22. Dezember 2010 an die Vorinstanz anbegehrte Parteientschädigung zugesprochen. Dies ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Straf- und/oder die
Zivilklage gutgeheissen werden. Die Privatklägerschaft hat gegenüber der
beschuldigten Person Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für
notwendige Aufwendungen im Verfahren, wenn sie obsiegt (Art. 433 Abs. 1
lit. StPO). Das Obsiegen besteht dabei im Regelfall in der Verurteilung der
beschuldigten Person (bei der Konstituierung als Strafkläger) und/oder Obsiegen der Privatklägerschaft im Zivilpunkt (Niklaus Schmid, a.a.O., Art. 433
N. 6; Wehrenberg/Bernhard, a.a.O., N. 6 zu Art. 433). Die Privatklägerin 2
hat sich vorliegend sowohl als Zivilklägerin als auch – wie vorerwähnt (E. 11.)
– als Strafklägerin konstituiert. Ihre Zivilklage wurde jedoch von der Vorinstanz zurecht mangels genügender Substantiierung auf den Zivilweg verwiesen (angefochtener Entscheid: Dispositiv Ziff. 3.2, E. 9.3 in fine). Insoweit
obsiegt sie lediglich als Strafklägerin. Sie hat demnach lediglich Anspruch auf
eine reduzierte – nur die Strafklage betreffende – Entschädigung. Das Unterliegen im Zivilpunkt hat die Privatklägerin 2 sich selber zuzuschreiben, hat sie
doch die Zivilklage ungenügend klar substantiiert und bewiesen. Die von der
Vorinstanz zugesprochene Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 791.55
wird demnach für das vorinstanzliche Verfahren ermessensweise auf Fr.
400.-- reduziert. Als Unterliegender im gesamten (kantonalen) Rechtsmittelverfahren hat der Berufungskläger diese Entschädigung zu übernehmen (Art.
428 i.V.m. Art. 426 Abs. 1 StPO). Im Rechtsmittelverfahren hat sich die Privatklägerin 2 nicht beteiligt. Eine allfällige Parteientschädigung entfällt schon
mangels Aufwand.
14.
Zur Entschädigung der Privatklägerin 3
Die Privatklägerin 3, die sich im gesamten (kantonalen) Rechtsmittelverfahren nicht beteiligte, hat schon vor Vorinstanz keine Entschädigung anbegehrt
(s. Art 433 Abs. 2 StPO). Damit hat es sein Bewenden.
15.
Anzufügen ist, dass der Kanton Uri respektive die Staatskasse Uri – wie im
vorliegenden zugrundeliegenden Bundesgerichtsurteil festgelegt – dem Berufungskläger für das bundesgerichtliche Verfahren eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 300.-- zu bezahlen haben wird.
- 47 -
Das Obergericht beschliesst:
1.
Es wird festgestellt, dass für das Rechtsmittelverfahren die Voraussetzungen
für die unentgeltliche Rechtspflege zugunsten der Privatklägerin Y nicht mehr
bestehen.
- 48 -
Das Obergericht erkennt:
1.
Die Berufung wird teilweise gutgeheissen.
2.
X ist schuldig der
- mehrfachen Vergewaltigung im Sinne von Art. 190 Abs. 1 StGB
- mehrfachen versuchten Vergewaltigung im Sinne von Art. 190 Abs. 1 i.V.m.
Art. 22 Abs. 1 StGB
- mehrfachen sexuellen Nötigung im Sinne von Art. 189 Abs. 1 StGB
- Schändung im Sinne von Art. 191 StGB.
3.
Dafür wird er in Anwendung von Art. 189 Abs. 1, Art. 190 Abs. 1, Art. 190 Abs.
1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 und Art. 191 StGB sowie unter Berücksichtigung von
Art. 12 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 19 Abs. 2, Art. 40, Art. 47, Art. 48 lit. e und Art.
49 StGB bestraft mit:
- 4 Jahren und 9 Monaten Freiheitsstrafe.
4.1
Die von Y adhäsionsweise geltend gemachte Zivilklage von Fr. 20'000.-- nebst
Zins zu 5% seit 1. Januar 2001 wird gutgeheissen.
4.2
Die von Z adhäsionsweise geltend gemachte Zivilklage von Fr. 3'000.-- wird
auf den Zivilweg verwiesen.
4.3
Die von A adhäsionsweise geltend gemachte Zivilklage von Fr. 5'000.-- wird
auf den Zivilweg verwiesen.
5.
Die Verfahrenskosten bestehen aus:
Fr
Fr.
Fr.
Fr.
Fr.
31'398.85
6'000.-205.-620.-800.--
Fr. 39ꞌ023.85
Kosten Vorinstanz
Gerichtsgebühr Rechtsmittelverfahren (OG S 12 9 und OG S 14 9)
Auslagen und Kanzleigebühr (OG S 12 9 und OG S 14 9)
Kosten für die Urteilsmotivierung (OG S 12 9)
Kosten für Urteilsmotivierung (OG S 14 9)
Total
- 49 -
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens von Fr. 31'398.85 werden dem
Berufungskläger auferlegt. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren (OG S 12 9
und OG S 14 9 von insgesamt Fr. 7ꞌ625.-- werden zu 9/10 dem Berufungskläger und zu 1/10 der Staatskasse Uri auferlegt.
6.
Dem Berufungskläger wird aus der Staatskasse Uri für die Rechtsmittelverfahren (OG S 12 9 und OG S 14 9) eine reduzierte Parteientschädigung von
Fr. 1'600.-- entrichtet.
7.1
X hat Y für das vorinstanzliche Verfahren (Zeitraum 02.08.2006 - 16.11.2010)
eine Parteientschädigung von Fr. 3'871.20 zu entrichten.
7.2
X hat ausserdem für das vorinstanzliche Verfahren (Zeitraum: 29.12.2010 05.06.2012) der unentgeltlichen Rechtsbeiständin von Y gemäss Beschluss
des Landgerichtes Uri LGS 10 81 vom 13. Juni 2012 eine Parteientschädigung
von Fr. 4'860.30 zu entrichten, vorbehalten Art. 426 Abs. 4 StPO.
7.3
X hat Y für die Rechtsmittelverfahren (OG S 12 9 und OG S 14 9) eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 2'500.-- zu entrichten.
7.4
X hat Z für das vorinstanzliche Verfahren eine reduzierte Parteientschädigung
von Fr. 400.-- zu entrichten.
8.
Die Rechtsmittelbelehrung ergibt sich aus dem Anhang.
9.
Mitteilung an:
- Parteien
- Landgericht Uri
- Amt für Justiz, KOST, Rathausplatz 5, 6460 Altdorf
(nach Eintritt der Rechtskraft)
- Amt für Justiz, Abteilung Strafvollzug und Bewährungshilfe
(zum Vollzug Dispositiv Ziff. 3.)
(nach Eintritt der Rechtskraft)
- 50 -
OBERGERICHT DES KANTONS URI
Strafrechtliche Abteilung
Der Vorsitzende
Versand:
Der Gerichtsschreiber