Sieben Fehler vermeiden

Digitale Transformation in der Steuerberatung:
Sieben Fehler vermeiden
Die Veränderung von papiergebundenen Arbeitsabläufen zu digitalen und papierlosen oder
zumindest papierarmen Tätigkeiten, führt in aller Regel zu tiefgreifenden Einschnitten im Berufsalltag. Lesen Sie, wie Sie die sieben am häufigsten beobachteten Fehler vermeiden können.
DATEV und DATEV-Steuerberater beschäftigen sich seit Ende
der 90er Jahre mit der Frage der Digitalisierung der Kanzleiabläufe, die sowohl für Kanzleileitung, als auch Mitarbeiter eine Herausforderung darstellt. Ein Schlüsselfaktor aus den letzten rund
zehn bis fünfzehn Jahren ist die Erkenntnis, die digitale Organisation nicht gleich flächendeckend zu implementieren. Je größer die
Kanzlei, desto größer ist der Vorteil einer schrittweisen Transformation. Der Produktivbetrieb muss während allen Transformationsprozessen weiterlaufen - daher ist es wichtig, die Veränderung
der Gesamtorganisation in Etappen zu planen.
„DATEV eG - Innovation und Sicherheit
vom Branchenführer für Steuerberater
und Wirtschaftsprüfer.”
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Die Transformation der Buchhaltung hat sich als eine sinnvolle
erste Etappe herausgestellt. Der große Vorteil: Der Anteil beteiligter Mitarbeiter kann beschränkt werden und dennoch oder gerade deshalb, rasche Erfolge erzielt.
1. Den Klienten stigmatisieren
Nicht alle Klienten sind für eine Veränderung gleich offen bzw. geeignet. Daher ist es entscheidend, ob eine Veränderung zur Strategie des Unternehmens passt. Das umgekehrte Pareto-Prinzip
kann hier helfen: Wenn nur 20 % der Klienten die technologi-
sche und organisatorische Veränderung unterstützen und einen
Vorteil erkennen, ist eine gute Voraussetzung geschaffen, um sich
dieser Veränderung zu stellen. Diese Klienten sollten uns leiten,
uns weiter zu entwickeln. Wir brauchen eine gute Mischung aus
„konservativen“ und „modernen“ Klienten, die das wirtschaftliche
Überleben heute und morgen sichern.
2. Mitarbeiter „tun“ lassen
Der Unternehmer hat häufig eine gewisse Offenheit für Veränderung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pflegen jedoch eher Ihre
„Komfortzone“. Bewährtes tun, bedeutet persönliche Sicherheit.
Weshalb also Veränderung?
Veränderung in Organisationen bedingt Führung. Der Berufsträger ist gefordert, seine Strategie zu transportieren und die Mitarbeiter aus der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft zu
führen. Es liegt an den Berufsträgern, den Mitarbeitern mit der eigenen Strategie die Sicherheit zu geben, die durch positive Erlebnisse und Erfahrungen entsteht. Dabei hilft es, Mitarbeiter mit unterschiedlichen Einstellungen, Vorstellungen und Entwicklungsperspektiven im Unternehmen zu beschäftigen. Eine Mischung
aus erfahrenen Mitarbeitern, etablierten „mid-agern“ und jungen,
erfolgshungrigen „digital natives“ können die strategische Entwicklung in unserer kurzzyklischen Gesellschaft fördern. Wählen
Sie ein Projektteam aus freiwilligen Mitarbeitern, die sich mit dem
Thema identifizieren und begeistern lassen.
Die digital natives können die Stütze einer digitalen Transformation sein. Sie beherrschen nicht nur digitale Verfahren, sie wenden
sie auch ganz selbstverständlich an. Im besten Fall schaffen wir so
ein attraktives Arbeitsumfeld und Entwicklungsoptionen für unseren eigenen Berufsnachwuchs und profitieren gleichermaßen
davon, dass diese jungen Menschen im Rahmen ihrer eigenen
Selbstverwirklichung uns und die etablierten Kollegen in „ihre digitale Welt“ mitnehmen.
3. Die gesellschaftlichen und geopolitischen Rahmenbedingungen verantwortlich machen
Wir werden auch weiterhin von hoch qualifizierten Mitarbeitern
abhängig bleiben. Deshalb müssen eine hohe fachliche Qualifikation sichergestellt und zunehmend technische Zusatzqualifikationen aufgebaut werden. Wie gut sind wir darauf heute vorbereitet?
Welche Rahmenbedingungen sollten wir gemeinsam mit den berufsständischen Vertretern jetzt gestalten?
In Österreich ist der Berufsstand strukturell sehr gut aufgestellt.
Eine hochqualifizierte Aus- und Weiterbildung durch die Akademie der Wirtschaftstreuhänder bietet durchaus eine hervorragende Basis. Die Basis um die berufsständischen Herausforderungen
aktiv anzugehen. Oder?
Mobiles Arbeiten –
Digitalisierung ist die Basis.
Bildungspolitik, Forschungsausgaben und Strukturveränderungen finden bei weitem nicht in dem Maße statt, welche einer optimistischen Beurteilung Hoffnung geben könnte. Das bedeutet
nichts anderes, als dass wir unsere Berufspolitik selbst gestalten
und umsetzen werden dürfen. Das hat einen ganz klaren Vorteil:
Wir wissen mit absoluter Klarheit, wer die Verantwortung für die
erforderlichen Rahmenbedingungen trägt. Das bestehende System lässt keinen Raum, die Verantwortung auf Dritte zu verlagern.
Es liegt ausschließlich an uns selbst, die Rahmenbedingungen für
eine auch zukünftig nachhaltige und verantwortungsvolle Entwicklung zu bestimmen. Es liegt an jedem einzelnen von uns, unsere Rechte und Pflichten in einem liberalen Markt so zu gestalten, dass wir damit Kunden wie Mitarbeiter von unseren Leistungen und unserem Leistungsvermögen überzeugen können.
Christian Weinzierl,
Geschäftsführer
DATEV.at GmbH
4. Berufspflichten als Hemmnis sehen
Für den Berufsstand ist es selbstverständlich, dass er seinen Aufsichtsministerien konkrete Hinweise zur Gestaltung der berufsbedingten Rahmenbedingungen gibt (WTBG, vgl. KWT-update
04/2014, Werner Braun).
Die Ausführungen zeigen, dass die Organe der Kammer der
Wirtschaftstreuhänder die sich verändernden Marktbedingungen zukunftsorientiert interpretieren und bei der Entwicklung
zukünftiger Gestaltungsspielräume berücksichtigen. Ist das so?
Wie sieht es mit der zunehmenden Dynamisierung, Globalisierung, Liberalisierung (EU) und Technisierung aus? Sind diese
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Digitale
Kanzlei – auch
unterwegs stets
auskunftsfähig.
erberatung nicht vorüber gehen wird. Dies zeigt sehr deutlich die
Broschüre der Bundessteuerberaterkammer (DE) Steuerberatung 2020 (www.bstbk.de).
Trends hinreichend bei der Novellierung (2015) berücksichtigt? Werden zukünftige Entwicklungen in der aktuellen Novellierung ausreichend abgebildet? Ist die Wunschliste ein Ausblick
in die Zukunft oder sind es eher Antworten auf die letzten Entwicklungen im Umfeld des Berufsstands? Sprich: Schaffen wir damit ein zukünftiges Umfeld oder versuchen wir verlorenes Terrain
aufzuholen?
Jedoch auch hier gilt. Den Markterfolg gestaltet jeder einzelne
Marktteilnehmer. Daher möchten wir Sie motivieren das Berufsrecht im Interesse Ihrer Vision und Strategie und im Interesse Ihrer Klienten zu interpretieren. Moderne Technologie unterstützt
in aller Regel eine qualifizierte Umsetzung Ihrer anspruchsvollen Berufspflichten. Z. B. können hier die Themen eRechnung, Finanz online oder allgemein eGovernment angeführt werden.
6. Alle Ausnahmen und Sonderfälle lösen
Auch Standards haben einmal als Neuerung begonnen. Vor fünfzehn Jahren hat noch kein Steuerberater daran gedacht, der Finanz die Daten des Jahresabschlusses oder der Steuererklärung
über eine normierte Schnittstelle elektronisch zu liefern. Heute ist
das ein Standard. Wenn neue Technologien ihren Einzug in die
Arbeitswelt beginnen, stellt sich stets die Frage: Womit beginnen?
Die Antwort lässt sich ganz einfach aus dem vorherigen Kapitel
ableiten: Mit den Standards!
5. Qualität erlaubt keine Veränderung
Die Qualität von heute wird bestimmt durch die Erfahrungswelt
der letzten zehn bis zwanzig Jahre. Diese Erfahrungswelt basiert
auf einer papiergebundenen Organisation. In der Erlebniswelt der
handelnden Personen einer Steuerkanzlei funktioniert Qualität in
diesem Umfeld. Dies wird nicht zuletzt durch die konstant hohen
Zufriedenheitswerte (vgl. KWT-update 04/2014, Peter Katschnig) der Klienten mit den Leistungen der Steuerberater bestätigt.
So fällt es schwer, diese bewährten Wege und Verfahren zu verändern. Wer riskiert schon gerne Bewährtes dadurch, dass er/sie
Verfahren (ohne Not) ändert?
Immer wieder sind wir aber mit dem genauen Gegenteil konfrontiert. Der Beweis des Funktionierens einer neuen Ära soll häufig
auf Basis der Sonderfälle und Ausnahmen erbracht werden. Ist
das sinnvoll? Sinn macht, wenn wir „die üblichen 80 %“, die Standards also, im neuen System mindestens gleich gut abbilden können. Das gelingt dann, wenn die Mitarbeiter die neuen Verfahren
in ähnlicher Routine bedienen können wie die vorherigen, die
häufig über Jahre trainiert und umgesetzt wurden. Routine bedingt Training. Routine schafft Effizienz.
Qualität wird vor allem durch Standards definiert. Wenn die Standards (nach Pareto die üblichen 80 %) effizient und effektiv und
in der erforderlichen Qualität produziert und geleistet werden
können, dann sind wir ein „Serienfertiger“. Buchhaltung ist weitestgehend „Serienfertigung“. Haben Sie Ihre Qualität und Ihre
Standards bereits definiert und intern (Mitarbeiter) sowie extern
(Klienten) kommuniziert? Werden diese Standards und Kriterien auch zukünftig zufrieden stellen? Oder gibt es Veränderungen,
denen wir uns stellen sollten oder gar müssten?
Ja. Digitalisierung ist ein technologischer Wandel, der an der Steu-
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Deshalb ist, bezogen auf die eingangs formulierte These dieses
Kapitels „Qualität erlaubt keine Veränderung“ genau das Gegenteil ableitbar: „Qualität braucht Veränderung“. Ständig neue technologische Entwicklungen führen zu immer neuen Möglichkeiten, aus denen unsere Klienten Ansprüche formulieren. Ansprüche an Leistungen und die Qualität dieser Leistungen. Recht
schnell entwickeln sich diese Ansprüche zu Standards. So ist es
für Klienten völlig klar, dass der vom Steuerberater erstellte Jahresabschluss auch vom Steuerberater bei der Finanzverwaltung eingebracht und beim Firmenbuch eingereicht wird. Steuerberater
sind es gewohnt, gesetzliche oder marktübliche Anforderungen
ins Portfolio aufzunehmen daraus Standards zu setzen.
Welches Vorgehen können wir daraus für die Transformation zur
digitalen Verarbeitung ableiten?
Wir müssen unseren Mitarbeitern die Möglichkeit geben, neue
Erfahrungen zu sammeln und diese zu Routine werden zu lassen.
Das bedingt Masse. Das Volumen der zu verarbeitenden Belege
ist somit ein wesentlicher Erfolgsfaktor zur Generierung von raschen Implementierungserfolgen. Schnelle positive Erlebnisse
und ein eigener Vorteil aus einer Veränderung verdrängen Skepsis und Unsicherheit und generieren Vertrauen und Wohlbefinden. Eine neue Komfortzone entsteht. Und das sollten wir fördern. Wir, als Führungskräfte, als Berufsträger.
Formulieren Sie erreichbare Ziele und schaffen Sie vertrauensfördernde Rahmenbedingungen. Tragen Sie die Veränderung „an
vorderster Front und aktiv mit“. Selektieren Sie große und möglichst gleichförmige Belegvolumen für die ersten Schritte der Umstellung und begleiten Sie Ihre Mitarbeiter. Erlauben Sie, dass
Routine entsteht. Das bedeutet, die entsprechenden Mitarbeiter
sollen in hohem Maße mit den neuen Verfahren arbeiten dürfen.
Also nicht ein Tag im Monat neue Verfahren, der Rest des Monats
„wie immer“, sondern umgekehrt.
7. Keine klare Führung
Veränderungen generieren zunächst Widerstand. Wir brauchen
also professionelle Führung auf Basis positiver Fakten im Laufe der Transformation. Wenn wir nicht positive und „negative“
Erlebnisse auf klarer Faktenbasis und unter dem Aspekt der Zukunftsorientierung gegenüber stellen, dann werden wir aus dem
Blickwinkel des Risikos nicht heraus kommen. Wir werden jedes
Mal an den Grenzen unserer Komfortzone zurückschrecken und
„Die Hauptmotivation der Trans­
formation ist die Existenz­sicherung
des Geschäftsfelds Buch­haltung
als essentieller Bestandteil
einer zukunfts­orientierten
Steuerberatung.”
im Bewährten bleiben. Häufig hilft ein Blick über den Tellerrand:
Wenn bei „den Anderen“ etwas funktioniert, gibt es wenige Argumente, weshalb das nicht auch bei mir funktionieren sollte.
Für die Transformation der Buchhaltung in eine digitale Buchhaltung sind sowohl Beispiele, bei denen digitale Buchführung
gut funktioniert verfügbar, als auch qualitative und quantitative Kennzahlen. Die Hauptmotivation der Transformation ist die
Existenzsicherung des Geschäftsfelds Buchhaltung als essentieller
Bestandteil einer zukunftsorientierten Steuerberatung. Das Rechnungswesen stellt die Basis der betriebswirtschaftlichen Kompetenz einer umfassenden Steuerberatung dar.
Während wir bei der Bewertung der qualitativen Aspekte der digitalen Transformation der Buchhaltung auf Befragung angewiesen
sind, können wir die quantitativen Fakten idealerweise aus unserer WT-Software analysieren. Hierzu hat sich vor allem die Kenn-
zahl „verarbeitete Buchungszeilen je Stunde“ bewährt. Selbstverständlich gibt es bei dieser Kennzahl keine 100 %ige Genauigkeit, da die Zeiten für Buchhaltung nicht entsprechend einer genauen Norm aufgezeichnet werden. Manche Buchhaltungen
sind sehr einfach abzuwickeln, beinhalten keine Besonderheiten
und können auch vom Klienten bestens vorbereitet werden. Im
Gegenzug dazu gibt es Buchhaltungen mit hohem steuerrechtlichem Anspruch, schlechter Organisation seitens des Klienten und umfänglicher Anforderung an das Reporting. Aber hier
hilft uns Gauß und seine Grundsätze zur Statistik. Wir unterstellen, dass die Verteilung in allen „durchschnittlichen“ Steuerkanzleien in etwa ähnlich ist. Das erlaubt uns eine grundlegende Vergleichbarkeit auf Basis der Kennzahl „Durchsatz einer Buchhaltung“. Analog üblichen Benchmarking-Systemen vergleichen wir
„worst case“, „average case“ und „best case“. In den letzten fünf Jahren haben wir gemeinsam mit Experten aus Buchhaltungsabteilungen einen umfangreichen Fragenkatalog entwickelt, mit dem
wir die Effizienzverbesserung durch die Transformation in eine
digitale Buchführung im Rahmen einer organisatorischen Beratung erkennen und folgend erschließen können. Wir nennen dieses Verfahren „Digi-Check“. Das Ergebnis ist ein „Standbild“ des
aktuellen Status Ihres digitalen Transformationsprozesses und die
daraus ableitbaren Maßnahmen und Empfehlungen zur weiteren
Transformation zur digitalen Buchhaltung. Ihre Roadmap, um in
der sich drehenden Welt der Steuerberatung eine zukunftsfähige
Strategie zu erhalten.
Fazit
Die Welt dreht sich weiter. Damit ist Stillstand im schlimmsten
Fall eine existenzielle Bedrohung. Wer den Fortschritt verweigert,
wird vom Fortschritt überrannt. Dieses Risiko betrifft den Unternehmer genauso wie die Mitarbeiter des Unternehmers.
Der Berufsstand der Steuerberater hat jede Transformation mit
Erfolg gemeistert. Zuletzt die Digitalisierung durch die Finanzbehörden (finanz online), die Digitalisierung der Betriebsprüfung (ACL, GPLA) oder die digitale Bilanzeinreichung beim Firmenbuch. Und der Berufsstand hat es auch immer geschafft, daraus Kapital zu schlagen. Ein Branchenumsatz von zuletzt rund
zwei Mrd. € stellt dem Berufsstand ein positives Zeugnis aus. Daher wird es den Berufsangehörigen auch diesmal gelingen, diese
Transformation erfolgreich zu bewältigen. So wie es in der KWTupdate 04/2014 vom Kammerpräsidenten und vom Leiter des
Zukunftsausschusses beschrieben wird: „In jeder Veränderung
liegt nicht nur ein Risiko, sondern auch eine große Chance.“ Es
liegt an jedem Einzelnen die Chance in der Veränderung zu finden und entsprechend im eigenen Betrieb umzusetzen.
Bon Chance! Ihr Christian Weinzierl
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