Arbeitsmediziner als Multiplikatoren der besonderen Bedürfnisse

17.11.2015
Arbeitsmediziner als Multiplikatoren
der besonderen Bedürfnisse von
Menschen mit Behinderung
Artur Wechselberger
Tiroler Ärztetage 2015
Freitag und Samstag, 25./26. September 2015
www.dr-wechselberger.at
Behinderte – besondere Bedürfnisse?
•
Sind behinderte Menschen solche mit "besonderen Bedürfnissen"?
– NEIN! Natürlich nicht. Deshalb sollte der Ausdruck "Menschen mit
besonderen Bedürfnissen" für behinderte Menschen nicht verwendet
werden, denn er trifft einfach nicht zu.*
– Die Fähigkeiten und Bedürfnisse behinderter Menschen sind nicht
"besonders", sondern genauso vielfältig wie die nichtbehinderter Menschen
auch
– UN-Konvention betreffend behinderte Menschen ("Convention on the Rights
of Persons with Disabilities„)
• in der UN-Konvention ist nichts von "besonderen Bedürfnissen" oder
"special needs" zu lesen.
*(Biceps info onlie 2015; Verein "Behindertenberatungszentrum-BIZEPS; Zentrum für Selbstbestimmtes
Leben")
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17.11.2015
Über wen sprechen wir dann?
•
§4 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASCHG)
– § 4. (1) Arbeitgeber sind verpflichtet, die für die Sicherheit und Gesundheit der
Arbeitnehmer bestehenden Gefahren zu ermitteln und zu beurteilen.
– §4 (2) Bei der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren sind auch
besonders gefährdete oder schutzbedürftige Arbeitnehmer sowie die
Eignung der Arbeitnehmer im Hinblick auf Konstitution, Körperkräfte, Alter
und Qualifikation (§ 6 Abs. 1) zu berücksichtigen. Insbesondere ist zu
ermitteln und zu beurteilen, inwieweit sich an bestimmten Arbeitsplätzen
oder bei bestimmten Arbeitsvorgängen spezifische Gefahren für
Arbeitnehmer ergeben können, für die ein besonderer Personenschutz
besteht.
– §4 (6) Bei der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren und der Festlegung der
Maßnahmen sind erforderlichenfalls geeignete Fachleute heranzuziehen. Mit der
Ermittlung und Beurteilung der Gefahren können auch die Sicherheitsfachkräfte
und Arbeitsmediziner sowie sonstige geeignete Fachleute, wie Chemiker,
Toxikologen, Ergonomen, insbesondere jedoch Arbeitspsychologen, beauftragt
werden.
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Über wen sprechen wir dann?
•
Das Eigenschaftswort "behindert" beschreibt den Menschen
einfach näher, wie "dunkelhaarig" oder "glatzköpfig".
•
Die Behinderung sollte nur eine von vielen Eigenschaften eines
Menschen sein - keine "besondere".
– Etwa 15 - 20 Prozent der Menschen haben irgend eine Form von
Behinderung. Das ist ein großer Teil der Bevölkerung. Es ist also nichts
"Besonderes", behindert zu sein.
•
Wir sprechen also über
–
–
–
–
–
Chronisch Kranke als Mitarbeiter
Mitarbeiter in der Wiedereingliederung
Mitarbeiter mit einer Behinderung
besonders Gefährdete als Mitarbeiter
ältere Mitarbeiter
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Gesetzliche Vorgaben
• Wesentliches Gesetzesmaterien
– ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (AschG)
– Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG)
– Bundesgesetz, mit dem ein Informations-, Beratungs- und
Unterstützungsangebot zu Arbeit und Gesundheit
geschaffen wird (Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz – AGG)
– Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012
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Gesetzliche Vorgaben
•
ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (AschG)
– Allgemeine Pflichten der Arbeitgeber
• Arbeitgeber sind verpflichtet, für Sicherheit und
Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug auf alle
Aspekte, die die Arbeit betreffen, zu sorgen.
• [...] Arbeitgeber haben die zum Schutz des Lebens, der
Gesundheit und der Sittlichkeit erforderlichen
Maßnahmen zu treffen, einschließlich der Maßnahmen
zur Verhütung arbeitsbedingter Gefahren, zur Information
und zur Unterweisung sowie der Bereitstellung einer
geeigneten Organisation und der erforderlichen Mittel.
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Gesetzliche Vorgaben
•
ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (AschG)
– Aufgabenbereiche der Arbeitsmediziner
•
•
•
•
Organisation der Ersten Hilfe
Ermittlung und Beurteilung von Gefahren am Arbeitsplatz
Festlegung von Maßnahmen zur Gefahrenverhütung
Organisation der Unterweisung und Erstellung von
Betriebsanweisungen
• Arbeitsplatzwechsel sowie Eingliederung bzw.
Wiedereingliederung Behinderter
– Arbeitgeber haben die Arbeitsmediziner und erforderlichenfalls
weitere geeignete Fachleute hinzuzuziehen
• in arbeitsphysiologischen, arbeitspsychologischen und sonstigen
ergonomischen sowie arbeitshygienischen Fragen, insbesondere
des Arbeitsrhythmus, der Arbeitszeit- und Pausenregelung, der
Gestaltung der Arbeitsplätze und des Arbeitsablaufes
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Gesetzliche Vorgaben
• Bundesgesetz, mit dem ein Informations-, Beratungs- und
Unterstützungsangebot zu Arbeit und Gesundheit
geschaffen wird (Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz – AGG)
– Ziel ist der Erhalt der Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit
erwerbstätiger und arbeitsloser Personen
• Flächendeckendes, niederschwelliges Informations- und
Beratungsangebot sowie zielgerichtete Informationen über
gesundheitsfördernde Themen des Arbeitslebens
• frühzeitigen Interventionsmöglichkeit bei gesundheitlichen
Problemen erwerbstätiger und arbeitsloser Personen
• bei Bedarf Case-Management-Maßnahmen zur frühzeitigen
Lösung gesundheitlicher Probleme
• Unterstützung von Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bei
der Entwicklung und Festigung einer
gesundheitsförderlichen betrieblichen Arbeitswelt
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Gesetzliche Vorgaben
• Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz – AGG
– Return to work
• Wiedereingliederung von psychisch Kranken
• betriebliches Eingliederungsmanagement
• stufenweise Wiedereingliederung
– AGG als wichtige Grundlage für Return-to-work- Abläufe und
Wiedereingliederungsinstrumente
• Z.B. für Fit2work-Angebote an die Betriebe
(Arbeitsmediziner als Mitglied des
Integrationsteams/Steuerungsgruppe)
– Fit2work Personenberatung
– Fit2work Betriebsberatung
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Stellung der Arbeitsmedizin
• Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner als
Experten an der Schnittstelle zwischen
– Menschen mit seiner individuellen Erkrankung
– seiner Arbeitsbelastung
– durch eine Krankheit bedingte Leistungseinschränkung
–
–
–
–
dem Unternehmen (Unternehmensführung und Mitarbeitern)
dem therapeutischen Umfeld
dem Case Manager
den unterstützenden Institutionen
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Aufgaben der Arbeitsmedizin
•
Aufgaben der Arbeitsmedizin
– Analyse des Arbeitsplatzes und der individuellen Arbeitsbelastung oder
in Bezug auf Gruppen (Schwangere, Alte, Behinderte)
– Früherkennung von Fehlbelastung und Gesundheitsgefährdung
– kreative Ideen für Problemlösungen am Arbeitsplatz
– Sensibilisierung der Vorgesetzten, Führungskräfte,
Personalverantwortlichen und Mitarbeiter zum Thema Gesundheit und
Arbeit
– Unterstützung bei Wiedereingliederung und Begleitung nach Krankheit
– Vermittlungsfunktion bei krankheitsbedingten Problemen am
Arbeitsplatz gegenüber
• Vorgesetzten
• Haus- und Fachärzten
– multidisziplinäre Offenheit
– Untersuchung und Bewertung der Wechselbeziehungen zwischen
Arbeitsanforderungen und dem arbeitenden Menschen und seiner
Gesundheit auf Basis des Belastungs-/Beanspruchungskonzeptes
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Aufgaben der Arbeitsmedizin
•
Aufgaben der Arbeitsmedizin
– Berücksichtigung der Arbeitsplatzverhältnisse und des individuellen Verhaltens
des Arbeitnehmers
– Arbeits-und Gesundheitsschutz bei individuellen Anpassungserfordernissen im
Krankheitsfall oder für älter werdende Beschäftigte mit altersbedingten
Veränderungen
– Systemische, quantitative und qualitative Erfassung von physischen und
psychischen Fehlbelastungen und Gefährdungen
– Kooperation mit den für den Arbeitnehmerinnenschutz verantwortlichen im
Betrieb
– Ableitung und Empfehlung entsprechender Vorsorgemaßnahmen, Beratung zur
Arbeitsplatzgestaltung und Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes
– Arbeitsmedizinische Beurteilung der Arbeits-, Berufs- und Erwerbsfähigkeit
leistungsgewandelter Mitarbeiter und Beratung in Fragen des
Arbeitsplatzwechsels
– Sekundär- und Tertiärprävention mit Feststellung des Reha-Bedarfs
– Unterstützung bei Integration chronisch Kranker und bei
Wiedereingliederungsprozessen
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Konkrete Umsetzung
•
Hinweis und Abbau von Diskriminierungen
– baulich
– organisatorisch
•
•
Hinweis auf spezielle Weiterbildungsangebot für Behinderte
Zusammenarbeit mit
– AMS oder Arbeitsassistenz
– Arbeitsinspektion
– AUVA
•
Beratung
– zur Invaliditäts-/Arbeitsunfähigkeitspension
– zu Umschulungsmöglichkeiten
– zur speziellen Unterstützung
• Begleitung zum Einarbeiten an einem neuen Arbeitsplatz
• laufende Unterstützung bei bestimmten Tätigkeiten auf Grund ihrer
Behinderung
• Erhöhung der Einsatzmöglichkeiten durch technische Hilfsmittel
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Konkrete Umsetzung
•
Hilfsmöglichkeiten zur Erbringung der vollen Leistungsfähigkeit
–
–
–
–
Änderungen der Arbeitsabläufe
technische Hilfsmittel
Jobcoaching bei der Eingewöhnung und beim Einarbeiten
persönliche Assistenz am Arbeitsplatz (PAA) als regelmäßige
Unterstützung in Form von Handreichungen während der Arbeit oder
Ausbildung.
• Begleitung am Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz,
• manuelle Tätigkeiten (z.B. Mitschreiben, Ablage)
• Assistenz bei der Körperpflege während der Dienstzeit
– Arbeitsassistenz in Krisensituationen am Arbeitsplatz oder bei einem
drohenden Verlust des Arbeitsplatzes
– Behindertenvertrauensperson, wenn mehr als 5 Behinderte in einem
Betrieb
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Konkrete Umsetzung
•
Arbeitsmedizinische Untersuchungen, arbeitsmedizinische
Beurteilungen und Beratungen
– sind gerade für schwerbehinderte Menschen – aufgrund der
behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen – von besonderer
Bedeutung.
– Im Einzelfall ist zu klären,
• welche Tätigkeiten der behinderte Mensch mit Rücksicht auf Art
oder Schwere der jeweiligen Behinderung ausüben kann
• welche technischen und organisatorischen Arbeitshilfen
erforderlich sind
– Chancen auf Teilhabe bewusst fördern
• Teilhabe ist ein Menschenrecht
• Inklusion ist das Ziel
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Konkrete Umsetzung
•
Bewusstmachen bestimmter Mechanismen, wie z.B.
– Chronisch kranke Arbeitsnehmer
• Präsentismus – Arbeiten trotz (chronischer) Krankheit
– wollen oft besonders leistungsfähig erscheinen
– nehmen Urlaub um Arzttermine einzuhalten
– haben Angst vor Mobbing und Jobverlust
•
Arbeitsmedizinisches Zusammenwirken mit Hausärzten in Fragen
von
–
–
–
–
•
Prävention
Kuration
Rehabilitation
Wiedereingliederung
Verzahnung gesundheitspolitischer Handlungsfelder
– Arbeitsmedizin
– Public Health
– Gesundheitssystem
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Konkrete Umsetzung
• Bewusstseinsbildung über die Herausforderungen zum
Erhalt der Arbeitsfähigkeit
– Förderung der spezifischen Fähigkeiten und Kompetenzen von
Arbeitnehmern durch
• technische Unterstützung
• medizinische Unterstützung
• administrative Unterstützung
• politische Initiativen
– Zukunftsperspektiven
• Teilkrankenstand
• Teilinvalidität
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