Der Bart - Heimatverein Teltow

„Der Bart“
Vortrag von Carola Viehmann
„Wer schön sein will, muss leiden“ - Ein Sinnspruch auch für den Herrn.
Meyers Konversations-Lexikon von 1890 beschreibt den Bart folgendermaßen:
Bart: der dem männlichen Geschlecht des Menschen eigentümliche Haarwuchs, welcher beim Eintritt in das mannbare Alter auf und unter dem
Kinn, auf dem hintern Teil der Backen und über der Oberlippe als Lippenoder Knebelbart = Schnurrbart, Backenbart, Kinnbart und Kehlbart
erscheint.
Ca. 1870 zur Reichsgründung und der Zeit der Gründerjahre trug der modische Mann Bart. Aber, wer seinen Bart repräsentierte, zeigte auch offen
seine politische Gesinnung.
Selbst Kaiser Wilhelm I. war ein ansehnlicher Bartträger und Vorbild seiner
Untertanen.
Halten Sie sich kurz das Gemälde vor Augen, auf dem 1871 der Preußische
König im Spiegelsaal zu Versailles (Frankreich) zum Deutschen Kaiser
Wilhelm I. gekrönt wurde. Sie sehen auf diesem Gemälde nur vollbärtige
Männer. Der Bart wurde populärer denn je.
Um seinem König ähnlich zu sein, ließ sich manch ein Herr gleichfalls
einen Kaiserlichen Rauschebart wachsen. Der Bart wurde zum spezifischen
Zeichen deutscher Kaisertreue.
Auch Ernst von Stubenrauch (1853 –
1909) zierte ein Bart.
Allerdings hatte es ein Bartträger in dieser
Zeit nicht so einfach. Die Pflege seines
prächtigen Bartes war eine Prozedur. Das
Putzen geschah nicht mal so nebenbei und
so mancher Unrat verfing sich in den
dicken Barthaaren.
Auch sollte der Bart, genau wie der
Kaiserbart aussehen und diese bestimmte
Form erhalten. Das gelang oft nur mit
kosmetischen Hilfsmitteln wie Barttinktur,
Bartwichse und Barteisen. Damit modellierten die Herren kunstvoll die schwung- Landrat von Stubenrauch, Bild
Sammlung: Archiv Heimatverein
vollsten Bartformen.
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Doch die schöne Manneszierde brachte auch Probleme mit sich. Dem Herrn
konnten zwar feste Speisen munden, aber bei Getränken wurde es kritisch.
Er riskierte das Bart-Kunstwerk zu zerstören.
Deshalb ging der Erfindergeist dieser Zeit auch am Friseurhandwerk nicht
vorbei.
So entwickelte man dem Zweck dienliche Bartschützer. Sie sollten die
oberen Barthaare vor der Flüssigkeit und den heißen Dämpfen schützen.
Eine trickreiche Variante des Bartschutzes war die so genannte Barttasse.
Äußerlich wie eine normale Tasse, versteckte sie im Inneren einen eingesetzten Porzellansteg, mit der Form der Oberlippe.
Dem Herrn war es nun möglich, mit
Gaumenfreuden einen Kaffee zu
schlürfen, ohne Angst haben zu müssen, sein Bart könnte die Fasson verlieren.
Viele Barttassen sind mit sinnreichen
Sprüchen verziert, wie: „Ein starker
Bart macht oft Verdruss, mehr noch
beim Trinken als beim Kuss“
Bild 1
oder
„Mag auch die Tasse seltsam sein, Sie hält den Bart Dir nett und rein“
(Spruch der Tasse im Heimatmuseum Teltow).
Der letzte deutsche Kaiser,
Kaiser Wilhelm II. bevorzugte
eine
besondere
Schnurrbartform mit steil nach
oben gezwirbelten Bartenden.
Dies war eine besondere
Herausforderung
für
alle
Zwirbelbartträger der kaisertreuen Zeit.
Bild 2
Nur mit Hilfe einer bestimmten Barttinktur mit dem Namen „Es ist
erreicht“ konnte diese ausgefallene Bartform gestylt werden.
So bekam dieser Bart im Volksmund den Namen „Es-ist-erreicht-Bart“.
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Leider ließ die Wirkung der besten Tinktur irgendwann nach. Ein anderes
Hilfsmittel war notwendig den aufwendig geformten Bart zu erhalten. So
wurde die Schnurrbartbinde erfunden. Sie sollte den Bart im Schlaf vor
Zerzausung schützen.
Hoffriseur Francois Haby entwickelte nicht nur die Barttinktur, sondern
auch die Bartbinde, die Kaiser-Binde.
Bild 3
Bild 4
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Sie können sich sicherlich vorstellen, das ein Bartbindenträger sehr
komisch aussah.
Ob es sich damit gut schlafen ließ, ist fraglich.
Denn so eine Schnurbartbinde wurde quer über den Bart gelegt, hinter
die Ohren gezogen und im Nacken verschlossen. Sie war unterhalb der
Nase und oberhalb der Lippe bogig ausgeschnitten.
Es gab Luxusausführungen, die aus einem Seidegazestreifen mit Ledereinfassung gefertigt waren. Aber auch einfachere Modelle.
Im I. Weltkrieg kam es zu Gaseinsätzen. Regelmäßige Rasur wurde zur
Pflicht und lebensnotwendig. Erst ab den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts
blieb das Gesicht des Mannes meistens bartlos.
Quellen-Nachweis: Literatur:
- Meyers Konversations-Lexikon 4. Auflage. 2. Band. Leipzig und Wien
Bibliographisches Institut 1890. Seite 398. Zitat Auszug (Privat-Besitz)
- Trupat, Christina: Kopf-Arbeit – Zur Entwicklung des Friseurhandwerks seit 1871.
Museum für Verkehr und Technik Berlin
- Möller . Domnick . Tinnemeier: Stilkunde Frisurenkunde Berufsgeschichte - 17.
Auflage. Verlag Handwerk und Technik Hamburg 2008
- Gnegel, Frank: Bart ab Zur Geschichte der Selbstrasur. DuMont Buchverlag Köln
1995
Quellen-Angaben der Bilder:
Bild 1 und 2 = Barttasse um 1905/1910 Privat-Besitz
Bild 3 = Kaiser-Binde. Ausstellungsstück im Bädermuseum Bad Doberan
Bild 4 = Holzkopf ca. 1900 mit Bartbinde. Ausstellungsstück Friseurmuseum
Magdeburg
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