PDF 2,5 MB - Deutsche Bank

Spaniens neue
Perspektiven
Das ehemalige Krisenland Spanien feiert ein überraschendes
Comeback. Deutsche Mittelständler profitieren von den
erfolgreichen Wirtschaftsreformen und der Aufbruchsstimmung
im Land. Doch politische Risiken bremsen die Euphorie noch
Altes Material, neue Form: die Holzkonstruktion „Metropol Parasol“
des deutschen Architekten Jürgen Mayer
in der Altstadt von Sevilla
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Thesen
Probleme: Als „PIIGS-Staat“ wurde Spanien mit
Portugal, Irland, Italien und Griechenland in
einen Topf geworfen und zum Krisenland erklärt.
Doch dieses Etikett hat das Land nie verdient.
Lösungen: Dank Reformen und besserer Konjunktur findet das Land gerade aus der
Rezession heraus – mit einem Tempo, das
viele Beobachter überrascht hat.
FOTO: MAURITIUS IMAGES/AGE
F
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riedhelm Runge ist bester Laune. Gerade
erst ist der Geschäftsführer der Unternehmensgruppe EMKA Beschlagteile von einem
Besuch seines Gummiwerks im spanischen Arnedo
zurückgekehrt in die Firmenzentrale im nordrheinwestfälischen Velbert. „Sehr, sehr positiv“ ist sein
Eindruck: „In den Industriegebieten herrscht eine
regelrechte Aufbruchsstimmung.“ Der Optimismus
seiner spanischen Mitarbeiter und Geschäftspartner hat den deutschen Mittelständler angesteckt.
Die bestehende 10 000 Quadratmeter große Produktionsfläche in Arnedo will er schon bald verdoppeln.
So viel Freude hatte Runge lange nicht an seinem Spanien-Investment. Vor fünf Jahren hatte
der Unternehmer das Gummiwerk Hals über Kopf
von seinem angeschlagenen Zulieferer SaarGummi
übernommen. Kurz darauf brach die Finanzkrise
über Europa herein. Runge musste, wie viele deutsche Mittelständler in dieser Zeit, Umsatzeinbrüche von mehr als 30 Prozent hinnehmen. Die
neugeschaffenen Produktionskapazitäten wurden
erst einmal zur Belastung. Und Spanien, bis eben
noch ein vielversprechender Wachstumsmarkt für
den Beschlagteile-Hersteller aus Velbert, galt plötzlich als Pleitekandidat.
Der viertgrößte Wirtschaftsraum Europas wurde auf einmal in einem Atemzug mit maroden
Volkswirtschaften wie Griechenland, Portugal und
Irland genannt. „Dieser Vergleich war allerdings
so nie berechtigt“, sagt Barbara Böttcher, Leiterin
des Bereichs Wirtschafts- und Europapolitik bei
Deutsche Bank Research. Natürlich, auch Spanien
habe wirtschaftspolitische Fehler gemacht. Es ließ
eine Immobilienblase und einen enormen Anstieg
der privaten und öffentlichen Verschuldung zu, erläutert Böttcher. „Doch Spanien ist trotz alledem
nach wie vor ein funktionierender Staat mit einer
starken, breit aufgestellten Volkswirtschaft. Deshalb konnte das Land die Krise für einen Neuanfang und längst fällige Strukturreformen nutzen.“
Wie schnell es für die Wirtschaft wieder aufwärts ging, überraschte dann aber doch viele
Beobachter. Schon im zweiten Halbjahr 2013
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FOTOS: WEFORMA DÄMPFUNGSTECHNIK GMBH
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Weforma: Enger Kundenkontakt
Produkte des rheinischen Mittelständlers Weforma kommen überall
dort zum Einsatz, wo Bewegungsenergien gedämpft werden müssen.
Mit 110 Mitarbeitern fertigt das Stolberger Unternehmen Dämpfungsund Schwingungskomponenten. Zwei Drittel der Produktion gehen in den
Export. Spanische Großkunden werden direkt vom Standort Deutschland
aus betreut. „Unsere Ingenieure fliegen regelmäßig nach Spanien“, sagt
Geschäftsführer Thomas Schmidt. „Unsere wichtigsten Kunden sitzen im Dreieck Bilbao–
Madrid–Barcelona, da lässt sich das Geschäft gut auch von Deutschland aus abwickeln.“
zeigten sich zaghafte Zeichen einer Erholung:
Mit einem Miniwachstum von 0,1 Prozent endete
im dritten Quartal 2013 die längste Rezession seit
dem Ende der Franco-Diktatur. Die Direktinvestitionen aus dem Ausland zogen an, die Arbeitslosenzahl sank erstmals wieder unter die symbolisch
wichtige Marke von fünf Millionen, Exporte und
Produktivität legten zu. Spanien schaffte den Ausstieg aus dem europäischen Rettungsprogramm.
Für 2015 sagt das Research-Team der Deutschen
Bank ein Wachstum von 2,5 Prozent voraus. „Das
ist das stärkste Wachstum der vier großen Euroländer“, sagt Böttcher.
Davon profitieren nicht zuletzt deutsche Unternehmer. So sind etwa die Exporte nach Spanien 2014 um mehr als elf Prozent gestiegen. Dieser Trend könnte sich fortsetzen: Viele spanische
Unternehmen holen aufgeschobene Investitionen
nach, berichtet Miriam Neubert, Repräsentantin
der deutschen Gesellschaft für Außenwirtschaft
und Standortförderung Germany Trade and Invest
(GTAI) in Madrid. „Dass vor allem Ausrüstungsgüter
und langlebige Konsumgüter gefragt sind, begünstigt deutsche Anbieter.“ Exporteure aus Automobilindustrie und Maschinenbau profitieren bereits
vom spanischen Aufschwung. „Erstmals leben 2015
aber auch die Bauinvestitionen auf“, berichtet Neubert. Das könnte Nachfrage nach baubezogenen
Produkten nach sich ziehen.
Auch Thomas Schmidt verspricht sich gute
Geschäfte durch den spanischen Aufschwung. Der
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Auch kleinere
Firmen sind
wieder positiv
gestimmt
Geschäftsführer des Dämpfungstechnik-Herstellers
Weforma mit Sitz im rheinländischen Stolberg beliefert rund zwei Dutzend Großkunden und eine Vielzahl
kleinerer Betriebe in Spanien mit Komponenten für
Maschinen, für die Wehrtechnik und den Schiffbau.
Einen nachhaltigen Einbruch der Geschäfte hat die
spanische Krise für Weforma nicht mit sich gebracht.
„Die großen, exportorientierten spanischen Unternehmen, unsere Großkunden also, waren von der
Krise kaum betroffen“, berichtet Schmidt. „Teilweise
konnten wir mit diesen Unternehmen sogar schon
während der Krisenjahre den Umsatz steigern.“
Auch kleinere spanische Firmen, die vorwiegend
für den eigenen Markt produzieren, seien nun langsam wieder positiver gestimmt. „Während der Krisenjahre hatten diese Unternehmen große Schwierigkeiten, baten uns oft um verlängerte Zahlungsziele“,
sagt Schmidt. „Wir haben uns dann sehr genau angeschaut, wie sie aufgestellt sind, und Kunde für Kunde entschieden, wie wir unser Geschäft sichern können.“ Mit Erfolg: Seit dem Jahr 2013 konnte Schmidt
seinen Umsatz in Spanien sechsstellig steigern. Jetzt
sei spürbar, dass die spanischen Geschäftspartner
auch wieder längerfristige Investitionen angehen,
berichtet er: „Wir haben gerade einen großen Rahmenauftrag über zwölf Monate abgeschlossen. Mit
einem Kunden, der in den Jahren zuvor noch sehr
vorsichtig und kurzfristig agiert hat.“
Viele mittelgroße und große spanische Unternehmen arbeiten 2015 wieder auf Vorkrisenniveau, sagt
Antonio Gallardo, bei der Deutschen Bank zuständig
für das Geschäft deutscher Unternehmen in Spanien.
Das sei nicht zuletzt auf die erfolgreiche Konsolidierung des Bankensektors und die verbesserte Zahlungsmoral des öffentlichen Sektors zurückzuführen.
Denn während die deutschen Unternehmen vor Ort
ihre Niederlassungen auch während der Krise finanzieren konnten, mithilfe ihrer hiesigen Hausbanken
und durch Cash-Pool-Lösungen der deutschen Mütter, hatten spanische Firmen oftmals Probleme auf
der Finanzierungsseite. „Wir haben während der
Krisenjahre die Unternehmen mit Niederlassungen
hier in Spanien intensiv beraten“, sagt Gallardo. Auch
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Arbeitsmarktreformen wirken
Derweil mussten viele spanische Mittelständler
Konkurs anmelden, weil einheimische Banken keine Kredite mehr vergaben und öffentliche Auftraggeber ihre Schulden nicht zahlten. Diese Probleme
seien nun weitgehend behoben, berichtet Gallardo.
Zudem haben Arbeitsmarktreformen die Produktivität der Wirtschaft erhöht und die Lohnstückkosten reduziert – ein großer Vorteil für Unternehmer wie EMKA-Chef Runge, die in Spanien
Produktionsstätten betreiben. „In Spanien wird
inzwischen gearbeitet wie in Deutschland“, fasst
Runge den Effekt der Reformen zusammen. Die
spanischen Fachkräfte hätten schon immer gute
Arbeit geleistet. Jetzt aber erlebe er eine noch fokussiertere, effizientere Arbeitshaltung. „Es gibt
keine dreistündigen Mittagspausen mehr mit ein
oder zwei Gläsern Wein. Die Arbeitswoche hat jetzt
40 Stunden, die Mitarbeiter sind sehr motiviert“,
sagt Runge. Gleichzeitig liege das Lohnniveau bei
70 Prozent der deutschen Löhne. Für Runge beste Voraussetzungen für weiteres Wachstum: „Wir
sind froh, dass wir in den Krisenjahren an unserer
Investitionsentscheidung festgehalten haben. Wir
haben keinen einzigen Mitarbeiter entlassen, so
konnten wir im Aufschwung direkt durchstarten.“
Doch eines sorgt bei Volkswirten und Unternehmern derzeit noch für Stirnrunzeln: Im Herbst
stehen in Spanien Wahlen an. Die neu gegründete
linkspopulistische Partei Podemos kann sich Beobachtern zufolge Chancen auf einen Sieg ausrechnen. Das liegt nach Ansicht von Deutsche Bank
Experte Gallardo zum einen an der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit, die nur langsam sinkt und wohl
auch in den kommenden Jahren nicht unter 20 Prozent fallen dürfte. „Außerdem sind die Abgaben auf
Gehälter nicht, wie versprochen, gesenkt worden. Sie
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EMKA: Zukauf in Arnedo
Die Unternehmensgruppe EMKA ist Weltmarktführer für Verschlüsse,
Scharniere und Dichtungen, die in Elektrotechnik, Klimatechnik und der Transportbranche zum Einsatz kommen. Das Unternehmen ist mit 1400 Mitarbeitern in 46 Ländern vertreten. Spanien ist für EMKA aus zwei Gründen ein
wichtiger Standort: als Heimat einer Vertriebsniederlassung und weil
EMKA ein Gummiwerk im spanischen Arnedo aus der Insolvenz eines deutschen
Zulieferers übernommen hat. „Wir produzieren in Arnedo 50 Millionen Meter Gummidichtungen, 90 Prozent davon für den Weltmarkt“, berichtet Geschäftsführer Friedhelm Runge.
Werden die bevorstehenden
Wahlen der Protestpartei
Podemos Auftrieb geben? Unternehmer sehen die Frage gelassen
FOTO: MAURITIUS IMAGES/ALAMY
in mancher deutschen Unternehmenszentrale habe
es Sorgen gegeben, dass Spanien zu einem zweiten
Griechenland werden könnte. „Meist konnten wir die
Muttergesellschaften aber davon überzeugen, dass
sich die Situation in Spanien bald bessern werde.“
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FOTOS: EMKA BESCHLAGTEILE GMBH & CO. KG
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sind sogar gestiegen.“ Korruptionsskandale tragen
zur Politikverdrossenheit bei. Wenn die linke Protestpartei deutlich mächtiger wird, fürchten Beobachter,
werde der Abbau der nach wie vor hohen Staatsverschuldung nicht mehr vorangetrieben. Allerdings
sei ein Vergleich von Podemos mit der griechischen
Linkspartei Syriza nicht angemessen, sagt Gallardo:
„Podemos ist bei Weitem nicht so radikal.“
Auch Unternehmer Runge ist gespannt auf die
Wahlergebnisse. „Ein Erfolg von Podemos könnte
einen zumindest kurzen Einbruch der Wirtschaftslage mit sich bringen“, sagt er. Doch selbst wenn
es so käme, werde sich die Lage schnell wieder stabilisieren, „im Grunde ist Spanien ein stabiles und
konservatives Land“. Ähnlich sieht es Weforma-Chef
Thomas Schmidt. „Unsere Geschäftspartner vor Ort
sind relativ gelassen, was die Wahlen angeht. Selbst
bei einem Linksruck setzt sich erfahrungsgemäß
über kurz oder lang die Realpolitik durch.“
Die verbliebenen wirtschaftspolitischen Unsicherheiten wirken einstweilen als Konjunkturbremse. Spanien erlebt keinen Boom, sondern eine
langsame Erholung in kleinen Schritten. Das hat
auch positive Seiten: Übertreibungen, wie sie in der
Vergangenheit beim Immobilienboom zu beobachten waren, sind kaum zu erwarten.
DAVID SEL B A CH , S A R A H S O M MER
WEITERE INFORMATIONEN
Kontakt: Antonio Gallardo, Deutsche Bank Madrid
E-Mail [email protected]
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