Was kann politische Bildung islamistischer Propaganda entgegen

Internationaler Terrorismus: Wie können Prävention und
Repression Schritt halten?
BKA-Herbsttagung vom 18. - 19. November 2015
Was kann politische Bildung islamistischer Propaganda
entgegen setzen? – ein Zwischenruf
Kurzfassung
Thomas Krüger
Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn
Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn
Die Huffington Post hat vor einiger Zeit süffisant festgestellt, dass es in Deutschland
rund fünf Mal so viele in Vereinen organisierte Baseballspieler gibt wie Salafisten. So
schief der Vergleich auch ist: Der Salafismus und seine Anhänger sind ein zahlenmäßig
überschaubares Phänomen. Hinsichtlich des Potentials für Demokratiefeindlichkeit,
Ausgrenzung und Gewalt ist die Relevanz des Salafismus in Deutschland jedoch hoch.
Es wäre unverantwortlich, ihn als Randphänomen abzutun, das sich schon von selbst
erledigen werde.
Vielfach ertönt der Ruf, die politische Bildung müsse sich des Problems annehmen. Und
das stimmt. Der Salafismus ist eine religiös verbrämte politische Ideologie, die aufgrund
der Ablehnung fundamentaler Menschenrechte, der Ablehnung eines säkularen, durch
Menschen gestalteten Gemeinwesens und der Bindung jeglichen Rechts an eine
vermeintlich höhere Instanz nicht mit einer freiheitlichen Demokratie kompatibel ist. Es
handelt sich also um eine Form des politischen Extremismus und die Prävention von
Extremismus
ist
Kernaufgabe
politischer
Bildung.
Gleichwohl
ist
die
Extremismusprävention im Grenzgebiet politischer Bildung angesiedelt. Sie ist keine
Wunderwaffe gegen antidemokratische Einstellungen und Verhaltensweisen, sondern
reiht sich neben der Prävention durch Jugendhilfe und Sozialarbeit, Beratungsstellen,
Ausstiegshilfen und den Anstrengungen der Sicherheitsbehörden als Baustein in eine
umfassende, noch weiter auszuführende Präventionsstrategie ein. Sich radikalisierende
oder bereits radikalisierte Jugendliche und erst recht Erwachsene können durch
politische Bildung kaum bis gar nicht erreicht werden. Hier kommen andere Akteure ins
Spiel. Nur eine realistische Herangehensweise in Kenntnis der eigenen Grenzen und
Möglichkeiten kann den Erfolg der einzelnen Bausteine gewähren.
Die politische Bildung muss sich auf ihre Stärken besinnen: Die Hilfe zur selbständigen
Meinungsbildung auf der Grundlage demokratischer Prinzipien. Sie kann und will keine
Gegenpropaganda machen zu den wirklichkeitsverzerrenden Darstellungen des IS und
anderer terroristischer Gruppen oder zu Auftritten salafistischer Prediger in
Deutschland. Solcher Propaganda ist die politische Bildung mit ihren zu Recht hohen
Ansprüchen tendenziell stets unterlegen. Dass politische Bildung in diesem Themenfeld
keine Propaganda ist, ist mehr als eine bloße Spitzfindigkeit. Propaganda arbeitet fern
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jeder Ausgewogenheit mit Täuschung und Emotionalisierung, um vermeintlich absolute
Wahrheiten zu verbreiten und Anhänger zu gewinnen. Politische Bildung kennt nur
einen unverrückbaren Wert: Offenheit politischer und gesellschaftlicher Prozesse.
Um diese Offenheit zu stärken, kommen verschiedene, sowohl erprobte als auch neue,
zielgruppenspezifische Instrumente der politischen Bildung in Frage. Zunächst darf auch
im Angesicht konkreter demokratiegefährdender Bedrohungen wie durch Salafisten, die
Generalprävention nicht zu kurz kommen. Eine breit angelegte Demokratiebildung, die
politische Prozesse erklärt und Möglichkeiten zur Teilhabe aufzeigt, ist die beste
Maßnahme zur Eindämmung der Ausbreitung extremistischer Ideologien. Die Schule als
einziger gesellschaftlicher Ort zur Erreichung ganzer Jahrgangskohorten spielt hier eine
zentrale Rolle. Wenngleich überzogene Erwartungen an Schulen fehl am Platze sind und
wohl nicht erfüllt werden können, darf doch angemerkt werden, dass die nahezu
bundesweite Schwächung des Politik- und Sozialkundeunterrichts nicht nur, aber
insbesondere aus dem Blickwinkel der Extremismusprävention in hohem Maße
kontraproduktiv ist. Die außerschulische und non-formale politische Bildung in
Deutschland ist stark aufgestellt, kann diese Defizite jedoch oftmals nicht mehr
ausgleichen.
Geht es um die Auseinandersetzung mit dem konkreten Phänomen Salafismus, stehen
selbstverständlich die klassischen Informationsangebote der Bundeszentrale bereit: Das
Online-Dossier
Islamismus,
themenspezifische
Ankäufe
für
die
Schriftenreihe,
Sonderhefte der Informationen zur politischen Bildung oder die APuZ.
Ein Schwerpunkt politischer Bildung in der Salafismusprävention liegt auf der
Befähigung von Fachkräften und Multiplikatoren. Diese Arbeit ist ebenso unspektakulär
wie unerlässlich. So bieten wir Unterrichtsmaterialien für Lehrer/-innen zur Bearbeitung
des Themenkomplexes Salafismus mit alltagsnahen Bezügen an. Ebenso wichtig sind
Tagungen und Fortbildungen für Fachkräfte, die wir in Zusammenarbeit mit Akteuren
aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft anbieten, um die Jugendarbeit gegen
Radikalisierungsprozesse auf ein solides Fundament zu stellen. Als niedrigschwelliges
Angebot für Fachkräfte haben wir online einen Infodienst Radikalisierungsprävention
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eingerichtet, der unter anderem über das Phänomen aufklärt, mit Tipps von Expertinnen
und Experten aufwartet und eine Datenbank zur Vernetzung mit den relevanten Playern
im Themenfeld bereit hält.
Ein relativ neues Feld, auf dem politische Bildung ihre Innovationsfähigkeit zeigt, sind
zielgruppenspezifische
Online-Angebote
für
Jugendliche,
die
als
radikalisierungsgefährdet gelten können. Auch dieses heiße Eisen kann und muss die
politische Bildung anfassen. Wir kooperieren im Bereich mit Youtubestars, die unter den
Jugendlichen eine hohe Popularität und Glaubwürdigkeit aufweisen. Das ist ein Peer-topeer-Ansatz at its best: Die Youtuber versuchen im Projekt „Begriffswelten Islam“ in
animierten Informationsfilmen, durch Expertengespräche und in eigenen Beiträgen die
Schwarz-und-Weiß-Interpretationen des Islam durch religiöse Extremisten, aber auch
muslim- und islamfeindlichen Diskursen, zu dekonstruieren und regen zum
Nachdenken über deren vermeintliche Wahrheiten bei der Auslegung des Islam an. Nah
an der Lebenswelt der Jugendlichen werden alternative Deutungsangebote zu zentralen
Begriffen des Islam gemacht und diskutiert. Jugendliche werden motiviert und befähigt,
mündig, kritisch und aktiv an den Debatten rund um das Thema Islam teilzuhaben und
sich eine eigene Meinung zu bilden, während gleichermaßen die zuvor genannten
Grundsätze politischer Bildung eingehalten werden.
Letztlich bleibt die Radikalisierungsprävention eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe für
unterschiedliche Akteure. Die politische Bildung ist ein Schlüssel. Erforderlich ist aber
ein ganzer Schlüsselbund.
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