Unternehmensberater sein? Ja! Angestellter? Nein.

Studium und karriere
Unternehmensberater sein? Ja!
Angestellter? Nein.
Digitale Geschäftsmodelle verändern den
Markt freiberuflicher Unternehmensberater.
Die Selbstständigkeit als Arbeitsform wird
attraktiver, aber auch Klienten profitieren
von diesen Veränderungen.
„McKinsey und Co. unter Druck – wer will noch Berater werden?“ fragte Spiegel online im Mai 2015 provokant, bereits zwei Jahre zuvor
postulierte die WirtschaftsWoche „Beratungen passen nicht zur Generation Y“. Ist das so? Herausfordernde Projektarbeit im Team, lange
Arbeitszeiten, ständiges berufsbedingtes Reisen, dabei immer weiter
aufsteigen und später eventuell Partner werden oder in Führungspositionen in Wirtschaft oder Politik wechseln, ganz nach dem „Up-or-OUT“Prinzip – so sieht das Modell der klassischen Unternehmensberatung
aus, erfolgreich seit Ende des 19. Jahrhunderts. Kommt das nun, mit
dem Eintritt der Generation Y in den Arbeitsmarkt ins Wanken? Gewiss
muss man sich um McKinsey & Co. nicht sorgen, sie sind und bleiben
die großen Player eines wichtigen und wachsenden Marktes. Der deutsche Beratermarkt ist mit einem Wachstum von 6,4 Prozent zum Vorjahr und einem Volumen von 25,2 Milliarden Euro drittgrößter Beratermarkt der Welt, so der Bund Deutscher Unternehmensberater (BDU).
Fakt ist aber auch: Junge Generationen werden schon zu Beginn ihrer
beruflichen Karriere vom Wunsch nach Selbstbestimmung getrieben
und wollen immer weniger so arbeiten, wie es für Unternehmensberatungen typisch ist. Immer seltener nennen Uni-Absolventen der Wirtschaftswissenschaften deshalb die großen Top-Tier-Consultancies als
Wunsch-Arbeitgeber. Gleichzeitig verlassen viele ältere, erfahrene
Berater die Beratungshäuser: 38 Prozent der im Consulting Monitor von
Odgers Berndtson befragten Senior-Berater liebäugeln mit einem
Wechsel in die Freiberuflichkeit, viel mehr als noch 2014. Sie möchten
gänzlich selbst bestimmen, wann, wie lange, mit wem und für wen sie
Projekte durchführen möchten. Auch Sabbaticalprogramme oder Teilzeitlösungen, welche die großen Beratungen einführen, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben, halten diesen Trend nicht auf. Gegenwärtig
arbeiten in Deutschland ungefähr 100.000 Unternehmensberater in
knapp 15.000 Beratungsfirmen, von denen die Hälfte einen Umsatz unter einer Viertelmillion Euro pro Jahr macht, so der BDU. Diese Zahl
deutet darauf hin, dass es sich bei dieser Hälfte um Einzelberater oder
sehr kleine Häuser handelt. Der Beruf des Unternehmensberaters wird
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also mehr und mehr zu einem Beruf, der als Freelancer ausgeführt wird.
Hinter dem Wunsch nach mehr Selbstbestimmung verbergen sich verschiedenste Motive: Im COMATCH-Beraterpool befinden sich Berater,
die selbst gegründet haben und die Projektarbeit als zweites Standbein
fortführen möchten. Berater, die mehr Zeit für die Familie haben möchten und bestimmen möchten, wo sie Projekte durchführen. Berater, die
ganz gezielt nach persönlich-ethischen Maßstäben ihre Auftraggeber
auswählen wollen. Berater, die neun Monate im Jahr Projekt um
Projekt durchführen, um die verbleibende Zeit des Jahres in Australien
zu surfen und vor allem: Berater, für die Arbeit als Freelancer schlichtweg lukrativer ist als in Anstellung.
Das Problem: Unternehmensberater ist in Deutschland, wie beispielsweise auch Journalist oder Immobilienmakler, kein geschützter Beruf.
Im Grunde kann sich jeder „Berater“ auf seine Visitenkarte drucken,
ohne seine Qualifikation unter Beweis stellen zu müssen. Der Markt
der freiberuflichen Unternehmensberater ist äußerst vielfältig und intransparent, es gibt Berater mit Tagessätzen bis zu 8.000 Euro, ausgebucht auf lange Zeit, tätig für internationale Konzerne und sehr gute
regional arbeitende Berater mit extremer Spezialisierung. Es gibt aber
auch solche, die keine Festanstellung mehr finden und gezwungenermaßen Freiberufler sind. Es ist also völlig nachvollziehbar, dass auf
Unternehmensseite gegenüber Freiberuflern Bedenken herrschen, obwohl die Wichtigkeit von Beratern an sich nicht angezweifelt wird –
nicht einmal im Mittelstand: Im Frühjahr 2015 befragte ein Marktforschungsinstitut im Auftrag von COMATCH 500 Entscheider in KMU zu
ihrem Beratereinsatz. 69 Prozent hatten in den vergangenen Jahren
externe Berater engagiert und der Großteil war mit dieser Entscheidung und der Arbeit auch sehr zufrieden, doch nur drei Prozent dieser
Entscheider hatten sich für einen freiberuflichen Berater entschieden.
Die Bedenken lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Wo finde ich
die und taugen die was?
Um einen guten Berater zu finden, musste sich der Klient bislang auf
Empfehlungen seines Netzwerkes oder den Zufall verlassen, doch das
eigene Netzwerk deckt nicht immer alle Expertisen ab und der Zufall ist
nicht verlässlich. Der Trend zur Freiberuflichkeit und ein Markt mit viel
Potenzial auf der einen Seite, der Beratungsbedarf und die Skepsis
gegenüber Freiberuflern auf der anderen Seite: In den vergangenen
Monaten entstanden einige digitalbasierte Modelle, eine App und
mehrere Online-Marktplätze, die an diesem Punkt ansetzen. Zwar unterscheiden sich die Geschäftsmodelle der einzelnen Dienstleister,
doch das Ziel aller ist die Vermittlung von Freiberuflern an Klienten, die
StudiuM und Karriere
für Projekte externe Unterstützung suchen. Als einer der ersten Online-Services setzt COMATCH auf ein kuratiertes Modell, ein Algorithmus sucht passende Kandidaten für ein Projekt im Pool der registrierten Berater, aber Mitarbeiter mit langjähriger Beratungserfahrung
prüfen die Vorschläge, geben den Feinschliff und stehen während des
gesamten Projektprozesses beratend zur Seite. Um in den Pool zu kommen, müssen sich Berater online anmelden, ihr Lebenslauf wird geprüft und es gibt ein persönliches Gespräch, denn nur wer über einschlägige Erfahrung und passenden Persönlichkeitsmerkmale verfügt,
wird auch zugelassen – 40 Prozent werden abgelehnt, so wird die
Qualität, welche für Klienten entscheidend ist, gesichert. Der Markt
wird transparenter, die Beratungsleistung erschwinglicher, der Einsatz
flexibler. Angebote wie COMATCH sind für Berater vor allem deshalb
attraktiv, weil sie die Projektakquise, die gewöhnlich viel Zeit in Anspruch nimmt, an andere abgeben und sich ganz auf die eigentliche
Arbeit konzentrieren können. Mit solchen Services wird der Schritt in
die Selbstständigkeit noch leichter. Die On-Demand-Economy hat in
den Beratermarkt Einzug gehalten und sorgt dafür, dass der Beruf des
Unternehmensberaters an Attraktivität gewinnt, für all jene, die den
Beruf lieben und ihn nach ihren eigenen Regeln ausüben möchten. «
AUTORIN
Lena Hammerschmidt ist
Managerin PR/Marketing für
den Berliner Online­Markt­
platz COMATCH. Seit März
2015 ist www.comatch.com
online, inzwischen sind dort 400
freiberufliche Top­Management­
berater und Industrieexperten
registriert. Zu den früheren
Arbeitgebern der Berater gehö­
ren die top­tier­consultancies,
DAX30 Unternehmen und andere
namhafte Firmen. COMATCH
wurde von den ehemaligen
McKinsey Beratern Dr. Jan
Schächtele und Dr. Christoph
Hardt gegründet.
Im August 2015 startete die Seite
auf Englisch, um weitere euro­
päische Märkte zu erschließen.
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