LG München I, Urteil v. 08.10.2015 – 36 S 16283/14 Titel: Beschlussanfechtung der Jahresabrechnung Normenketten: WEG § 28 V § 62 Abs. 2 WEG WEG § 28 V §§ 540 Abs. 2, 313 Abs. 1 S. 1 ZPO § 43 Nr. 4 WEG Leitsatz: 1. Wenn die Wohngeldeinnahmen, die den weitaus größten Teil der Einnahmen ausmachen, nirgends erwähnt werden, dann lässt sich die Jahresabrechnung insgesamt nicht auf ihre Plausibilität hin überprüfen. (Leitsatz der LSK-Redaktion) Schlagworte: Jahresabrechnung, Beschlussanfechtung, Beschlusskompetenz Fundstelle: ZMR 2016, 62 Entscheidungsgründe Landgericht München I 36 S 16283/14 WEG IM NAMEN DES VOLKES 1 C 27/14 WEG AG Sonthofen In denn Rechtsstreit ... - Klägerin und Berufungsklägerin Prozessbevollmächtigter: ... gegen die übrigen Wohnungseigentümer der WEG - Beklagte und Berufungsbeklagte Verwalterin der Wohnungseigentumsgemeinschaft: ... Prozessbevollmächtigte: ... wegen Beschlussanfechtung erlässt das Landgericht München I - 36. Zivilkammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ..., die Richterin am Landgericht ... und die Richterin am Landgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.10.2015 folgendes Endurteil 1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Sonthofen vom 23.07.2014, Az. 1 O 27/14 WEG, in Ziffer 1 des Tenors dahingehend abgeändert, dass der in der Eigentümerversammlung vom 21.12.2013 unter TOP 4a III (Genehmigung der Jahresabrechnung 2010) für ungültig erklärt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Sonthofen vom 23.07.2014, Az. 1 O 27/14 WEG, in der Kostenentscheidung dahingehend abgeändert, dass die Klägerin von den Kosten der ersten Instanz 3/4 und die Beklagten samtverbindlich 1/4 tragen. 3. Von der Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 2/3 und die Beklagten samtverbindlich 1/3. 4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen. Gründe: I. Nach §§ 540 Abs. 2, 313 Abs. 1 S. 1 ZPO ist eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit der Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen entbehrlich, da gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft kein Rechtsmittel zulässig ist (Thomas/Putzo, ZPO, § 540 Rd.-Nr. 4 m. w. N.). Die Revision wurde nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs. 2 WEG ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Wohnungseigentumssache nach § 43 Nr. 4 WEG handelt. II. Die Berufung ist zulässig und - nach Teilrücknahme - mit Ausnahme des Kostenantrags erfolgreich. Nach Rücknahme des Antrags auf Genehmigung der Jahresabrechnungen 2011 und 2012 durch das Gericht in der Berufungsverhandlung vom 8.10.2015, ist Gegenstand des Berufungsverfahren nur noch der Beschluss über die Jahresabrechnung 2010 TOP 4a III. 1. Die Anfechtung erfolgte fristgerecht. 2. Mit Beschluss der Eigentümerversammlung vom 21.12.2013 TOP 4a III wurde die Jahresgesamt- und Einzelabrechnung 2010 genehmigt. Dieser Beschluss war für ungültig zu erklären, da eine ausreichende Prüfung der Plausibilität und Schlüssigkeit der Jahresabrechnung nicht möglich war. Die Rüge der fehlenden Schlüssigkeit und der fehlenden Gesamteinnahmen wurde bereits mit der Klagebegründung, also innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG, erhoben. Unabhängig davon, ob die Klägerin die Jahresabrechnung vorliegen hatte, hat sie jedenfalls auf Seite 5 der Klage vom 16.01.2014 ausdrücklich gerügt, dass es an der Angabe sämtlicher Wohngeldzahlungen fehle. Dies trifft zu: Die Jahresabrechnung (Anlage B 1) führt unter der Rubrik „Ausgaben/Einnahmen“ zunächst die Kosten der Eigentümergemeinschaft auf, enthält aber dazwischen zwei Einnahmenpositionen, nämlich Zinseinnahmen von insgesamt 559,32 € und einen Abrechnungsrest aus dem Vorjahr von 0,04 €. Weitere Einnahmen sind nicht angegeben. Im Ergebnis sind „Gesamt Ausgaben-Einnahmen“ von 24.357,89 €, anteilig für die Klägerin 1.540,83 € ausgewiesen. Zwar werden im Folgenden in der Einzelabrechnung die Zahlungen der Klägerin aufgeführt, doch sind die Wohngeldeinnahmen insgesamt nirgends genannt. Wenn aber die Wohngeldeinnahmen, die den weitaus größten Teil der Einnahmen ausmachen, nirgends erwähnt werden, dann lässt sich die Jahresabrechnung insgesamt nicht auf ihre Plausibilität hin überprüfen (vgl. hierzu Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 28 Rn. 33,34). Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob hinsichtlich weiterer Einzelpositionen, insbesondere dem Vermögensstatus, rechtzeitig Rügen erhoben wurden und diese durchgreifen. Bezüglich der von der Klägerin gerügten Abrechnungsspitze der Vorjahre wäre der angefochtene Beschluss sogar nichtig, wenn er so auszulegen sein sollte, dass die Abrechnungsspitze der Vorjahre (703,11 € abzüglich 213,16 €) mitbeschlossen sein sollte. Insoweit gilt, dass die Eigentümer nicht befugt sind, dem Schuldner eines nach materieller Rechtslage bestehenden Anspruchs zusätzlich eine hiervon losgelöste weitere Leistungspflicht aufzuerlegen. Sie sind ebenso wenig befugt, originär durch Beschluss eine solche Leistungspflicht zu schaffen, wenn hierfür materiell, d. h. aufgrund Gesetzes oder Vereinbarung, keine Anspruchsgrundlage besteht. Hieran findet die Beschlusskompetenz des § 28 Abs. 5 WEG ihre Grenze. Sie bietet insbesondere keine Grundlage dafür, die Forderungen der Gemeinschaft gegen einzelne Mitglieder durch wiederholte Beschlussfassung hierüber zu vervielfachen, was aber durch eine jährliche Saldierung ohne gleichzeitige Aufhebung der alten, schon beschlossenen Jahresabrechnungen der Fall wäre (hierzu LG Nürnberg-Fürth, NZM 2010, 791), die hier nicht vorliegt. Letztlich kann hier aber offen bleiben, ob die Vorjahressalden nicht nur zur Information angefügt wurden, weil der Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung in jedem Fall für ungültig zu erklären war. III. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92, 269 Abs. 3 ZPO. Angesichts des Teilerfolgs der Berufung war auch die Kostenentscheidung 1. Instanz entsprechend abzuändern. Die Klägerin obsiegt hier zu etwa ¼. Dies entspricht in etwa dem Verhältnis zwischen erfolgreicher Anfechtung der Jahresabrechnung, bei dem das 5- fache Klägerinteresse 8.565,80 € beträgt, zum Gesamtstreitwert von 35.595,80 €. Im Berufungsverfahren liegt die Quote aufgrund des geringeren Streitwerts von 24.595,80 € bei 1/3. Eine Auferlegung der Kosten auf den Verwalter gemäß § 49 Abs. 2 WEG, wie von der Klägerin beantragt, war nicht veranlasst. Insoweit liegt es im Ermessen des Gerichts, ob es von der Regelung Gebrauch macht. Im vorliegenden Fall ergibt sich bereits aus den divergierenden Entscheidungen der Instanzen, dass die Sache nicht einfach gelagert ist. 2. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung durch eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung. 3. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst. Die Revision wurde nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 62 Abs. 2 WEG ausgeschlossen. Darum ist die Entscheidung rechtskräftig.
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