Rede Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe zum Volkstrauertag 2015 (15.11.2015) Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, meine sehr geehrten Damen und Herren, am Freitagabend haben menschenverachtende, furchtbare Terroranschläge in Paris erneut Opfer gefordert. Über 120 Tote sind zu beklagen, es ist der wohl schlimmste Terroranschlag in der französischen Geschichte. Erst im Januar waren in Paris 17 Menschen bei Anschlägen, unter anderem auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo, ums Leben gekommen. Wir trauern mit den Menschen in Frankreich, wir fühlen mit den Angehörigen. Mit Frankreich, dem Land, das uns nach dem Ende der Nazidiktatur und dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Hand zur Versöhnung gereicht hat, mit Frankreich, dem Land, das für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit steht, mit Frankreich ist das Herz Europas, ist unser Herz getroffen worden. Wir gedenken der Opfer, wir trauern mit den Angehörigen, Familien und Freunden. Doch Terrorismus wird unser Europa, unsere Werte von Freiheit, Demokratie, Menschenwürde, Respekt und Toleranz nicht besiegen können. Gerade am Volkstrauertag, 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, an dem wir der Kriegstoten aller Kriege gedenken, an dem wir der Soldaten, den Opfern auf den Schlachtfeldern, den Opfern in den Konzentrationslagern, den Opfern, die ihren Widerstand gegen Diktaturen mit ihrem Leben büßen mussten, den Menschen, die wegen ihres Glaubens oder wegen einer Behinderung ermordet wurden, den Opfern von Gewaltherrschaft und Terror, den Opfern von Völkermord und Vertreibung, gedenken, machen wir auch deutlich: Unser Gedanke ist zugleich unser Bekenntnis, Freiheit, Demokratie, Frieden und Menschenwürde zu bewahren und zu verteidigen. Wir dürfen nicht zulassen, dass der Terror, wo auch immer er in unserer Welt entsteht, sich unserer Städte, sich unseres Landes, unseres Europas bemächtigt. Die Krisenzonen unserer Welt, sei es in Syrien, sei es im Irak, sei es im Nahen Osten, sei es in den Ländern Afrikas, sei es in Afghanistan oder sonst wo in unserer Welt, sie zeigen uns, wie notwendig es ist, immer wieder aufzustehen und zu sagen: Nie wieder Krieg, nie wieder Völkermord, nie wieder Intoleranz, nie wieder Menschenverachtung, nie wieder Vernichtung oder Vertreibung von Menschen oder Völkern anderen Glaubens oder anderer Lebensvorstellungen oder wegen Behinderung. Die Toten, die Opfer und die Orte des Schreckens zu vergessen, hieße sich dem Frieden, hieße sich der Menschenwürde, hieße sich der Freiheit, hieße sich dem Willen nach Abwesenheit von Gewalt zu verweigern. Wir dürfen die Toten, wir dürfen die Geschichte unseres Landes, wir dürfen die Geschichte und die Werte Europas nicht den Gegnern Europas, nicht den Extremisten überlassen. Unsere Werte, unser Europa, Menschenwürde, Demokratie, Freiheit, Respekt, Toleranz, all das und vieles andere mehr, werden nicht von den Menschen, die bei uns Schutz suchen, bedroht. Europa, unsere Werte, sind hingegen dann bedroht, wenn wir Zweifel daran zulassen, dass Menschenwürde, Demokratie, Freiheit, Respekt, Toleranz und Solidarität von uns nicht verteidigt würden. Unsere Stadt, unser Land, unser Europa, wir sind eine Festung durch unsere Haltung für Menschenwürde, für Demokratie, für Freiheit, für Respekt, Toleranz und Solidarität. Diese Haltung ist es, die in meinen Augen Europa, die unser Land, die unsere Stadt ausmacht, diese Haltung werden wir auch bei Terror und Krieg bewahren, diese Haltung ist es, die verhindert, dass es Krieg und Terror erlaubt wird, über uns zu herrschen. Wir dürfen nicht zulassen, dass der Terror Macht über uns bekommt. Bundespräsident Joachim Gauck hat bei der Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges am 6. Mai dieses Jahres in seiner Rede unter anderem formuliert: „Die Toten sind für die Lebenden eine Verpflichtung. Sagen wir also heute, siebzig Jahre nach dem Ende Krieges, ‚Ja‘ zu dieser Verpflichtung. Versprechen wir uns gegenseitig, dass wir, was an uns ist, tun, um ein menschenwürdiges und friedliches Leben für alle zu ermöglichen und zu beschützen.“ Und Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gestern nach den furchtbaren Anschlägen gesagt: „Hinter uns liegt eine der schrecklichsten Nächte, die Europa seit langer Zeit erlebt hat. Dieser Angriff auf die Freiheit gilt nicht nur Paris, er meint uns alle und er trifft uns alle und deswegen werden wir alle die Antwort gemeinsam geben.“ Wir alle, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle haben es in unseren Händen, dass Menschenwürde, Demokratie, Freiheit, Respekt, Toleranz und Solidarität in einem geeinten friedlichen Europa dauerhaft anwesend bleiben. Es ist unsere Haltung, die verhindert, dass Terror und Extremismus Herrschaft über uns bekommen. Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, wir gedenken der Opfer der Anschläge von Paris, wir gedenken der gefallenen Soldaten aller Kriege und der getöteten Zivilisten, wir gedenken der Menschen, die in Gefangenschaft oder auf der Flucht umkamen, wir gedenken der Menschen, die im Widerstand gegen Diktaturen ihr Leben ließen, wir gedenken der Menschen, die verfolgt und vernichtet wurden, weil sie als Juden oder Mitglieder ethnischer Minderheiten nicht in das rassistische Bild der Nazis passten. Wir gedenken derer, die wegen Krankheit oder wegen Behinderung ermordet wurden. Wir gedenken der Opfer von Gewaltherrschaft, Völkermord und Vertreibung. Wir gedenken unserer Bundeswehrsoldaten und Einsatzkräfte, die in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben ließen. Wir verneigen uns in Trauer vor ihnen und bleiben ihnen verbunden in der dauerhaften Verpflichtung für Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit, für Liberté, Egalité und Fraternité. Ich danke Ihnen!
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