Ein Stadtmagazin #11

E I N S TA DT M AGA Z I N
P
WE LOVE
WELS
C
All the leaves are brown
All the leaves are brown
and the sky is grey ...
Bevor der Winter kommt, wünschen wir rasch noch einen schönen Spätherbst.
LIEBE ALLE!
Bereits zum elften Mal erscheint das REIZEND! Stadtmagazin, nach wie vor mit dem Anspruch qualitative Medienarbeit zu leisten. Wie die Sprache
mancher Medien dazu beiträgt, wer Gehör findet, wer Freund und wer Feind ist - dieser Frage widmet sich Sebastian Achleitner in der „Bratpfanne“
anhand der Flüchtlingskrise und der Berichterstattung darüber.
Die Sprache prägt die Politik, denn wenn Fluchtbewegungen ausschließlich als Sicherheitsproblem diskutiert werden, darf es niemanden verwundern,
wenn sich die Lösungsvorschläge der Innenministerin auf den Kampf gegen eine „Schleppermafia“ und die Errichtung einer „Festung Europa“ beschränken. Die Schüler*Innen des Journalismus-Zweigs der Welser Handelsakademie versuchen dieser martialischen Stimmung mit Fakten entgegen zu
wirken. Ihre Reportage finden Sie auf der Seite 6.
Im Interview auf Seite 10 spricht die ORF-Korrespondentin Mathilde Schwabeneder aus, was manche nicht wahrhaben wollen: Für die mitteleuropäischen Staaten ist es nicht mehr möglich, die Flüchtlingsbewegungen zu einem Problem ausschließlich jener Mitgliedsländer mit EU-Außengrenze zu
machen. Das Fortsetzen der Politik der Ignoranz wird zu humanitären Katastrophen vor den eigenen Grenzen führen. Wenn die Reaktion darauf Gleichgültigkeit ist, ist das die vielleicht größte Gefahr für „westliche Werte“.
„Von diesem Mehrheits-Österreicher*Innen-Ding wegzukommen“, formuliert es Birgit Michlmayr vom queer-feministischen Musiklabel „unrecords“.
Letzteres war Anfang Oktober im Alten Schl8hof zu Gast. Im Interview auf Seite 12 sprechen die Betreiberinnen über Musik, Politik und Menschen. Und
auch die Literatur kommt nicht zu kurz in dieser Ausgabe: passend zum Herbst lädt Valerie Fritschs Roman „Winters Garten“ dazu ein, es sich zu Hause
gemütlich zu machen und über unseren Wunsch nach einem idyllischen Zuhause nachzudenken. Ein Wunsch den wir alle nachvollziehen können, der
jedoch nicht auf dem Rücken derer realisiert werden darf, deren Zuhause zerstört wurde.
Das Beste wünschen
Eure Leute von REIZEND!
INHALT
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ZIVILCOURAGE
Kommentar von Eva Helm.
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JUNGE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR
Rezension: Winters Garten
5
GEWALT GEGEN FRAUEN UND DIE WUT
Infos aus dem Büro für Frauen, Gleichbehandlung und Integration.
LITERATURTIPPS
Von Bianca Angerer.
6-7
(K)EINE EINFACHE FRAGE | WÜRDEST DU FLIEHEN?
Gastreportage der SchülerInnen des Journalismuszweigs der HAK I Wels
8-9
16 TAGE GEGEN GEWALT
Reportage AÖF - autonome österreichische Frauenhäuser.
Titelseite
Foto ELKE OBERLEITNER
Text aus California Dreaming. Album:
If You Can Believe Your Eyes and Ears.
1966. The Mamas & The Papas.
RECHTLICHER MINIGUIDE: EIN NEIN MUSS GENÜGEN
Von Katharina Gusenleitner.
10 - 11 DIE MENSCHLICHKEIT IN DEN VORDERGRUND STELLEN.
Interview mit Mathilde Schwabeneder. Von Daniela Nöhmeyer.
WELS HILFT.
Von Andrea Bauer und Andrea Schwaiger.
RECHTLICHER MINIGUIDE: DIE ISTANBUL KONVENTION
Von Katharina Gusenleitner.
12
WOMEN OF THE WORLD - TAKE OVER
Von Tamara Imlinger
13
BRATPFANNE
Kommentar von Sebastian Achleitner.
IMPRESSUM
MEDIENINHABER & HERAUSGEBER / Magistrat der Stadt Wels. PROJEKTENTWICKLUNG und PROJEKTLEITUNG / REIZEND! Verein zur Vermittlung soziokultureller Medienprojekte. 4600 Wels. www.reizend.or.at. In Kooperation mit dem Büro für Frauen, Gleichbehandlung und Integration. LEKTORAT / Bianca Angerer. GRAFIK DESIGN /
Andrea Bauer. DRUCK / Landesverlag Druckservice GesmbH. 2015.
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ZIVILCOURAGE ODER:
MUT IST NICHT DAS FEHLEN VON ANGST,
SONDERN DIE STÄRKE TROTZDEM ZU HANDELN.
In einer Zeit, in der wir uns schon sehr
an brutale Bilder, das Schlechtreden von
Menschengruppen, die Diskriminierung von
vielen gewöhnt haben, das Abgestumpftsein
überhand nimmt — hat heutzutage Zivilcourage noch einen Platz? Gerade jetzt, wo
soziales Handeln immer mehr an Bedeutung zu
verlieren scheint, müssen wir Verantwortung
übernehmen, hinschauen und eingreifen, statt
wegschauen. Wir wollen eintreten für alle, die
aufgrund ihrer Sprache, ihrer Herkunft, ihrer
Religion, ihrer sexuellen Orientierung, oder
was auch immer einen Grund liefern könnte, einem Angriff auf ihre Menschenwürde
ausgesetzt sind.
Der Mitschüler wird gemobbt, die Nachbarin misshandelt, MigrantInnen werden
beschimpft,... Wertvorstellungen und ein gut
ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden helfen
uns dabei, Situationen zu erkennen, in denen
zivilcouragiertes Handeln verlangt wird. Für
den Einzelnen ist es immer riskant, sich einzumischen. Ein Eingreifen erfordert Mut und
Überwindung und die Konsequenzen sind selten in ihrem vollem Umfang abschätzbar. Vom
Imageverlust bis zum Selbst-in-Bedrängnisgeraten ist für den Handelnden alles drin, ein
Erfolg wird nicht garantiert und der Ausgang
bleibt ungewiss. Auch gibt es kein Rezept
für Zivilcourage, nach dem man vorgehen
könnte. In dem Moment, in dem wir uns für
ein Eingreifen entscheiden, entscheiden wir
uns intuitiv und spontan auch dafür, wie wir
eingreifen. Im Nachhinein weiß man aber oft
besser, was man hätte sagen oder tun können.
Diese Tatsache hilft uns dabei, Handlungsstrategien zu überdenken und neu- bzw. weiterzuentwickeln, sodass sie beim nächsten Mal
in einer vergleichbaren Situation eingesetzt
werden können. Auch ist es typenabhängig,
auf welche Art ich mich einmische. Strategien,
die für meine Freundin funktionieren, müssen
nicht notwendigerweise für mich passen.
Authentisches Handeln ist also gefragt, die
Glaubwürdigkeit ist von entscheidender Bedeutung für den Ausgang des Eingreifens.
Wenn wir aufmerksam durchs Leben gehen,
werden wir Situationen, die zivilcouragiertes
Handeln verlangen, richtig interpretieren. Zivilcourage beruht auf Freiwilligkeit. Ob und wie
wir eingreifen, ist uns selbst überlassen. Ich
rufe jedoch alle dazu auf, die eigenen Grenzen
immer wieder neu auszuloten und mutig aktiv
zu werden.
3
EVA HELM
studierte an der Universität Wien Ethnologie
und Spanisch und absolvierte den Hochschullehrgang für Deutsch als Zweitsprache (DaZ)
an der PH Linz. Sie ist verheiratet, Mutter von
3 Kindern, lebt in Wels und arbeitet hier als
DaZ-Trainerin und Trainerin in der Basisbildung. Seit September 2014 ist Eva Helm als
Zivilcourage-Trainerin für das Mauthausen
Komittee Österreich (MKÖ) tätig.
Foto: ELKE OBERLEITNER. KZ-Gedenkstätte,
Dachau. 2014.
Junge österreichische Literatur
VALERIE FRITSCH: WINTERS GARTEN
Wie lebt es sich mit dem Wissen, keine Zukunft zu haben? Der gefeierte Roman „Winters Garten“ der jungen Grazer Autorin
Valerie Fritsch nimmt sich eines großen Themas an: der Suche nach einem verlorenen Paradies in einer zerfallenden Welt.
Anton Winter wächst in einer Gartenkolonie
im Einklang mit der Natur auf, gegründet
von einem Kollektiv von Aussteiger_innen in
einer Zeit, in der sich die Staaten in Auflösung
befanden und die Menschen sich wieder auf
die Natur rückbesannen. Kinder und Alte leben
in Harmonie miteinander, während Anton und
sein Bruder die prachtvolle Natur rund um
ihren paradiesisch anmutenden Garten erkunden, spielt die ältere Generation Geige auf der
Veranda und erzählt sich demütig Geschichten.
In dieser ländlichen Idylle ist der natürliche
Zyklus von Leben und Tod allgegenwärtig,
dass die totgeborenen Kinder der Großmutter
in Formalin eingeweckt in der Speisekammer
stehen, ist nicht weiter verwunderlich. Die
Kommune ist von urbaner Modernität abgeschieden, in etwas Entfernung gibt es jedoch
eine Stadt am Meer, in welche einige der
Bewohner_innen ihr Tagwerk verrichten.
Genau in diese Stadt geht Anton nach dem
Tod seiner geliebten Großmutter und lebt als
Vogelzüchter zurückgezogen in einem gläsernen Kubus auf dem Dach eines Hochhauses.
Anton ist inzwischen 42 Jahre alt, die Welt
steht kurz vor dem Untergang, Chaos regiert
die Stadt. Wilde Tiere laufen durch die Straßen, das Wetter spielt verrückt, Völkerwanderungen setzen ein, Menschen bringen sich
scharenweise um oder feiern Massenhochzeiten im Angesicht des Todes, das Meer tobt.
Als alles verloren scheint, findet Anton zum
ersten Mal in seinem Leben die Liebe.
ERSTE LIEBE VOR DEM WELTUNTERGANG
Ihr Name ist Frederike, sie ist ehemalige
Marineoffizierin und arbeitet jetzt tief traumatisiert von ihren Erlebnissen im städtischen
Gebärhaus, denn trotz all der Verwüstungen
und dem sich näherndem Ende kommen noch
immer Kinder zur Welt. Im Bewusstsein, dass
ihre Liebe nur von kurzer Dauer sein wird,
klammern sich Anton und Frederike ebenso
verzweifelt wie auch unerschütterlich aneinander, verlieren sich im jeweils anderen. Als die
beiden eine Frau namens Marta kennenlernen
und Frederike ihr hilft, ihr Kind auf die Welt zu
bringen, erkennt Anton in deren Mann Leander
seinen Bruder wieder, den er seit Jahren nicht
gesehen hat. Den Untergang vor Augen kehren
sie zu fünft in den Sehnsuchtsort des mittlerweile verwaisten Gartens zurück, um dort
ihre letzte Zuflucht zu suchen, denn wo alles
begonnen hat, soll alles enden. In der Abgeschiedenheit des Gartens sehen sie zu, wie
die Welt immer mehr aus den Fugen gerät. Als
Marta und Leander nach einem Abendspaziergang nicht mehr zurückkehren, bleiben Anton
und Frederike mit dem Baby zurück in einer Art
kleinfamiliären Idylle, wartend auf die große
Apokalypse.
Die genauen Umstände des Weltuntergangs
bleiben offen. Fritsch konzentriert sich mit
fotografischem Blick eher darauf, bildgewal-
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tig, zärtlich und schonungslos äußere und
innere Welten vor den Augen der Leser_innen
entstehen zu lassen. Zu Recht wird die Autorin
gerade als eines der ganz großen Nachwuchstalente der deutschsprachigen Literatur
gehandelt und mit Preisen und Nominierungen
überschüttet. Mit „Winters Garten“ ist ihr ein
sinnlicher Endzeitroman gelungen, ähnlich
einem Traum, verschwommen und unkonkret,
und doch so intensiv und eindringlich, das er
noch lange nachhallt.
Valerie Fritsch: Winters Garten.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2015
BIANCA ANGERER
geb. 1985 in Wels. Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft und Romanistik in
Innsbruck und Valencia.
Lebt und arbeitet in Graz.
Foto ELKE OBERLEITNER
GEWALT GEGEN FRAUEN UND DIE WUT
Die 16 Tage gegen Gewalt an Frauen sind aus
dem Jahresprogramm des Büros für Frauen,
Gleichbehandlung und Integration nicht wegzudenken. Ganz im Gegenteil – der Zeitraum
ist Fixpunkt und wichtiger Bestandteil. Die
Zeit von 25. November (Internationaler Tag zur
Beseitigung von Gewalt gegen Frauen) bis 10.
Dezember (Internationaler Tag der Menschenrechte) steht ganz im Zeichen der Aktion und
Information. Hinschauen, darüber Sprechen
und Handeln sind Strategien zur Annäherung
an diese ernste Problematik. Gewalt an Frauen
stellt eine der am häufigsten vorkommenden
Menschenrechtsverletzungen weltweit dar.
Sie passiert nicht nur weit weg, sondern
mitten unter uns – in Europa, in Österreich,
in der Öffentlichkeit, am Arbeitsplatz, in den
eigenen vier Wänden. Und trotzdem ist es so
unglaublich, was sich tagtäglich in unserer
Gesellschaft abspielt. Umso wichtiger ist es,
aufzuklären, hinzuweisen, zu informieren und
sich der Problematik menschenwürdig zu stellen – es spielt eine Rolle, wie wir miteinander
umgehen. Das Büro für Frauen, Gleichbehandlung und Integration lädt zu diversen
Veranstaltungen und setzt ein klares Zeichen
„Gegen Gewalt an Frauen“.
Am Dienstag, 24.11.2015 werden um 10.00
Uhr am Stadtplatz die Fahnen „Gegen Gewalt
an Frauen“ gehisst.
Zwei unterschiedliche Methoden mit Gewalt
umzugehen, zeigen die Filme „Volver“ und
„Öffne meine Augen“ beim Filmabend „Gegen
Gewalt an Frauen“ am Donnerstag, 26.11.2015
ab 18.30 Uhr in der Arbeiterkammer Wels.
Ist Wut in Ordnung, darf Wut sein? Diese Frage stellt sich die aus medial aufsehenerregenden Kriminalfällen bekannte Gerichtsgutachterin Dr.in Adelheid Kastner in ihrem neuesten
Buch „Wut – Plädoyer für ein verpöntes
Gefühl“. Daraus liest sie am Mittwoch, 02.
Dezember 2015, um 19 Uhr in der Sparkasse in
Wels. Für die Lesung und den Filmabend werden im Büro für Frauen, Gleichbehandlung und
Integration Zählkarten ausgegeben (Stadtplatz
55, Tel. 07242/235-5051, [email protected])
Bei einem Frauenfrühstück mit Vortrag am
Mittwoch, 09.12.2015, 10 Uhr, im Quartier
Gartenstadt erfahren wir etwas über die
Istanbul Konvention – das derzeit bedeutendste Rechtsinstrument gegen Gewalt an Frauen
in Europa.
In diesem Sinne: Setzen wir gemeinsam ein
Zeichen gegen Gewalt an Frauen!
Ihr Büro für Frauen, Gleichbehandlung und
Integration!
Weitere Informationen:
Büro für Frauen, Gleichbehandlung und
Integration, Stadtplatz 55, 4600 Wels
www.wels.gv.at / Facebook /
Tel. 235-5053 / E-Mail [email protected]
LITERATURTIPPS VON BIANCA ANGERER
Karim El-Gawhary, Mathilde Schwabeneder:
„Auf der Flucht – Reportagen von beiden Seiten
des Mittelmeers“
Ein Buch, das aktueller nicht sein könnte: In „Auf der Flucht“ berichten
El-Gawhary und Schwabeneder von ihrem jahrelangen Einsatz in Krisengebieten und ihren Erfahrungen mit Flüchtlingen zwischen dem Nahen
und Mittleren Osten, Afrika und Österreich. 60 Millionen Menschen
sind aktuell weltweit auf der Flucht. Anhand vieler Biografien zeichnen
die Autor_innen Fluchtursachen und -wege nach. Die Menschen, die
in großer Angst und doch voller Hoffnung bei der Flucht oft ihr Leben
riskieren, haben zumeist Unvorstellbares erlebt. Die beiden lassen auch
Helfer_innen zu Wort kommen, sie liefern Hintergrundinformationen zur
europäischen Flüchtlingspolitik und zum Schlepperwesen, beschreiben
den Umgang mit Flüchtlingen in verschiedenen Staaten und machen
dabei deutlich, wie wichtig zivilgesellschaftliches Engagement und
Empathie auch in der Zukunft sein werden.
Karim El-Gawhary, Mathilde Schwabeneder:
Auf der Flucht – Reportagen von beiden Seiten des Mittelmeers.
Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & Co. KG, Wien 2015
Heidi Kastner:
„Wut – Plädoyer für ein verpöntes Gefühl“
Die Linzer Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner kennt menschliche Abgründe in ihren zahlreichen Facetten. Ihr neuestes Buch widmet sie einem
der grundlegendsten, und doch völlig verpöntem Gefühl – der Wut.
Anhand zahlreicher Praxisbeispiele und mit Rückgriffen auf Geschichte
und Psychologie illustriert sie die vielschichtigen Ausprägungen und
Erscheinungsformen dieser Emotion und tritt für eine positivere Bewertung der Wut ein. Wenn Wut nicht ins Alltagsleben integriert ist und
nicht wahrgenommen oder gar unterdrückt wird, kann dies fatale Folgen
haben, angefangen von psychosomatischen Erkrankungen über Verbitterung bis hin zu gewaltvollen Handlungen im Affekt. Kastner plädiert
in diesem Sinne dafür, Wut anzuerkennen und eine sozial angemessene
Form zu finden, diese auszudrücken. Wut ist ein kurzweiliges Sachbuch,
das vielleicht auch hilft, die eigene Wut zu erkennen und kanalisieren.
Heidi Kastner: Wut – Plädoyer für ein verpöntes Gefühl.
Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & Co. KG, Wien 2014
Dominika Meindl, Klaus Buttinger:
„Die Sau – ein voll arger Heimatroman“
„Die Sau“ beschreibt den Untergang der Saubauernfamilie Faustinger in
den 1960er Jahren im tiefsten österreichischen Hinterland. Der zwölfjährige Sohn Hiob hält die turbulenten Ereignisse rund um die Familie in
seinem Tagebuch fest. Die Sau steht nicht nur als deren Existenzgrundlage im Mittelpunkt, sondern Lieblingssau Klara muss immer wieder in
das familiäre Geschehen eingreifen. Als Klara im Zuge einer Zehrung
verspeist wird, hat dies fatale Folgen für die ganze Familie. Jahre später
analysiert die Psychologin Monika Mendl Hiobs Tagebucheintragungen
und ordnet diese sachlich ein. Buttinger und Meindl gelingt es auf
humorvolle Weise, die verschiedenen Ebenen des Textes miteinander zu
verweben – tiefster Dialekt steht wissenschaftlichem Fachjargon gegenüber. Die Sau ist ein ungewöhnlicher Heimatroman, derb, provokant und
doch wieder hoch intellektuell.
Klaus Buttinger, Dominika Meindl: Die Sau – ein voll arger Heimatroman.
Milena Verlag, Wien 2015
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(K)EINE EINFACHE FRAGE |
WÜRDEST DU FLIEHEN?
EINE GASTREPORTAGE DER SCHÜLERINNEN DER HAK I / JOURNALISMUSZWEIG.
Menschen, die aus politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Gründen aus ihren Heimatländern
fliehen, sorgen zurzeit für große Unruhen in der EU. In vielen Ländern sind die Flüchtlinge unerwünscht. Menschenunwürdige Zustände und Abneigungen gegen Fliehende finden auch direkt
vor unserer Haustüre statt. Wie viel wir über diese Unruhen wissen bzw. wie unsere Politik davon
profitiert, wollten wir in dem folgenden Beitrag zum Ausdruck bringen.
FLÜCHTLINGSKRISE?
EIN BLICK HINTER DIE KULISSEN
Schüler_innen der Hak 1 in Wels hatten die
Möglichkeit, an unterschiedlichen Workshops
zur aktuellen Flüchtlingssituation teilzunehmen. Diese wurden von Vertreter_innen
verschiedener Organisationen wie z. B. Young
Caritas und SOS Menschenrechte geleitet.
Im Allgemeinen behandelten die Workshops
das „Flüchtlingsproblem“ und klärten so
manche Klischees und Mythen rund um das
Thema auf. „Sind die meisten Flüchtlinge
wirklich männlich und lassen ihre Familie im
Kriegsland zurück?“ „Wie viel kostet die Flucht
nach Europa?“ Die Antworten der Politik auf
diese Fragen sind oft sehr schwammig und
können sich auch von Partei zu Partei massiv
unterscheiden. Die Tatsache, dass tendenziell
mehr alleinreisende Männer kommen, begründet sich vor allem darauf, dass diese zum
Großteil vor der Zwangsrekrutierung flüchten
bzw. oftmals „vorgeschickt“ werden, um die
restliche Familie nachzuholen, da die Reise
sehr gefährlich ist und sie körperlich eher in
der Lage sind, dies durchzustehen.
WIE VIEL KOSTET EINE FLUCHT?
„Es gab nur zwei Möglichkeiten. Jemanden
zu erschießen oder erschossen zu werden“,
berichtete uns ein junger Mann aus Syrien.
Für die Flucht aus seinem Heimatland habe
er einige tausend Euro aufbringen müssen,
diese Geldsumme musste er dem Schlepper am Anfang der Reise übergeben, ohne
Gewährleistung diese sicher zu überstehen.
Die beschwerliche Reise mit Schlauchboot,
Bus oder LKW müssen viele nämlich mit dem
Leben bezahlen. Die völlig überfüllten Erstaufnahmezentren werden von Helfer_innen
diverser Einsatzorganisationen wie dem Roten
Kreuz betreut. Dort verteilen sie Sachspenden,
ZAHLEN UND FAKTEN
59,5 Millionen Menschen wurden weltweit gewaltsam aus ihren
Ländern vertrieben. Davon sind 19,5 Millionen Flüchtlinge, 38,2 Millionen in ihrem eigenen Land vertrieben worden (2) und 1,8 Millionen
Asylsuchende.
Würden diese 59,5 Millionen Menschen eine Nation bilden wäre
es die 24. größte Nation der Welt. Im Jahr 2014 waren es ungefähr
13,9 Millionen Flüchtlinge (1) und täglich wurden 42.500 Menschen
gezwungen ihre Häuser zu verlassen aufgrund eines Konflikts oder
einer Verfolgung.
Diese Zahl hat sich vervierfacht in 4 Jahren. Im Vergleich zu 2013
waren es 32.200, 23.400 in 2012, 14.200 in 2011 und 10.900 in 2010.
Quelle (1) Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) of the
Norwegian Refugee Council (NRC). Quelle (2) Ibid
AKTUELL KOMMEN FLÜCHTENDE MENSCHEN AUS
FOLGENDEN LÄNDERN
Syrien (3,88 Millionen)
Afghanistan (2,59 Millionen)
Somalia (1,11 Millionen)
Mehr als 53% der Flüchtlinge weltweit kommen aus diesen Ländern.
51% der Flüchtlinge 2014 waren unter 18 Jahre alt,
2009 waren es 41%.
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spielen mit den Kindern und versorgen die
dort lebenden Menschen mit Nahrung und
Getränken.
Ein_e Asylwerber_in in Österreich bekommt,
sofern er/sie in einem Flüchtlingsheim
untergebracht ist und mit Nahrung versorgt
wird, 40 € pro Monat. Davon zu bezahlen
sind Hygieneartikel. Einmal im Jahr erhalten
Asylwerber_innen zusätzlich einen Kleidungsgutschein von maximal 150 € pro Jahr.
Die Flüchtlinge fliehen hauptsächlich aufgrund von Krieg, Bürgerkrieg, drohender Todesstrafe, Verfolgung oder Folter.
Es bleiben trotzdem über 80% der Flüchtlinge in ihren Heimatländern, weil sie auf eine Rückkehr hoffen oder weil ihnen die Mittel zur
Flucht fehlen. Die meisten Flüchtlinge werden von den Nachbarstaaten aufgenommen, wobei die Aufnahmezahlen weit größer sind als
in Europa.
TOP-LÄNDER FÜR DIE FLÜCHTLINGE SIND
1. Türkei (1,59 Millionen)
2. Pakistan (1,51 Millionen)
3. Libanon (1.15 Millionen)
4. Iran (982.000)
5. Äthiopien (659.000)
6. Jordanien (654.100)
In den Entwicklungsregionen wurden 86 % der weltweiten Flüchtlinge aufgenommen, über 12,4 Millionen Personen, das ist der höchste
Wert seit 2 Jahrzehnten. Es wurde für 3,6 Millionen, das entspricht
25 % von den weltweiten Flüchtlingen, Asyl bereitgestellt.
2014 sind 126.800 Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückgekehrt.
Die Hälfte davon ist zurück in die Demokratische Republik Kongo
(25.200), Mali (21.000) oder nach Afghanistan (17.800). Das ist die
niedrigste Zahl seit 1983.
Von Einzelschicksalen und Langzeitunterkünften.
Mein erster Eindruck der Unterkunft: eine Art
Herberge, wie man sie von Schulausflügen
kennt, kleine hotelartige Zimmer, in denen
zwei bis drei Menschen auf engem Raum
miteinander leben, Großküchen zum gemeinsamen Kochen und Essen. Türen, welche die
privaten Räumlichkeiten unterteilen, stehen
sehr oft offen, die Menschen gehen ein und
aus, besuchen einander und tauschen sich
aus. Die Sprachenvielfalt und der Mix aus
Deutsch, Englisch und wirren Handbewegungen münden in vielen lustigen Situationen.
An diesem Abend besuchte ich Omar und seinen Mitbewohner Samir. Sie kochten für uns
eine typische arabische Mahlzeit, Omar spricht
sehr gut Englisch und so kamen wir schnell
ins Gespräch. Omars Humor sorgte für eine
heitere und lockere Stimmung. Er war es dann
auch, der mir sehr ausführlich seine Geschichte erzählte, von seiner Heimat, der Flucht und
den ersten Eindrücken in Österreich.
Zunächst schilderte er uns seine Kindheit als
Palästinenser in Bagdad, denn diese Minderheit wird dort sehr unterdrückt. Obwohl
kein Krieg herrschte, war es für ihn und seine
Eltern klar, dass er im Irak keine Zukunft hat,
Fotos: GUENTER GUNI, www.guenterguni.com
Alle Fotos entstanden am 12.09.2015 in Wels,
Bahnhofsvorplatz bzw. Messehalle.
Guenter Guni, geb. in Wels, ist Fotograf und in
erster Linie für internationale Fotoagenturen
in Afrika und Asien tätig. Daneben betreibt er
ein kleines Studio für Werbe- und Lifestylefotografie in Wels.
also schickten seine Eltern Omar und seinen
Bruder Richtung Europa in der Hoffnung auf
ein besseres Leben. Sie starteten ihre Flucht
in Richtung Türkei, dort jedoch erhielten sie
keine Aufenthaltsberechtigung, da die Türkei
mittellosen Flüchtlingen Bleiberecht gewährt
und wohlhabendere nach Europa schickt.
Omar bemühte sich, schnell einen Schmuggler
zu kontaktieren, um mit dem Boot weiter nach
Griechenland zu fahren und bezahlte die 1500
Euro für die zweistündige Bootsfahrt durch
seine Eltern in Bagdad. Die gute Organisation
der Schmuggler zeigt sich unter anderem
darin, dass diese vor Ort wussten, welcher
der auf einen Bootsplatz wartenden Flüchtlinge bereits bezahlt hatte. Etwa 60 weitere
Flüchtlinge waren mit Omar auf dem Boot,
dessen Ziel eine kleine griechische Insel war.
Omar ging auf sehr viele Details seiner Flucht
ein und wirkte auch sehr nervös und unruhig
während seiner Erzählungen. Es fiel ihm
ziemlich schwer, länger über die Erlebnisse
zu sprechen, meistens versuchte er ernste
Episoden der Flucht mit lustigen Anekdoten zu
überspielen. Wir fingen auch zwischendurch
immer wieder an, über andere Dinge zu spre-
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chen, er zeigte mir zum Beispiel die arabische
Schrift, einige lustige YouTube-Videos und
auch private Dokumente. Er selbst behauptete,
eine eher harmlose Flucht hinter sich zu haben
im Vergleich zu einigen seiner Mitbewohner_innen, welche von einem Tag auf den
anderen Tag ihr Zuhause verlassen mussten.
In Griechenland engagierte er dann einen
weiteren Schmuggler, der ihn weiterbringen
sollte, da aber alles aber nicht so verlief wie
geplant, kam es auch vor, dass er und seine
Gruppe lange zu Fuß gehen mussten. Ständig
in Angst, von der Polizei erwischt zu werden,
vermieden sie jeglichen Kontakt und gingen
deshalb in unbewohnten Gebieten quer durch
Wälder. In Serbien angekommen, planten sie
ihre Weiterreise, über Österreich wollten sie
mit gefälschtem Pass nach Finnland. Als Omar
dann Wien zum ersten Mal sah, dachte er
sich, er sei nun endlich in Europa angekommen. Nach einigen Tagen in Wien, welche er
in einem Hotelzimmer, verbrachte, überlegte
er, warum er nach Finnland weiterreisen
sollte. Er fasste den Entschluss, seine Reise in
Wien zu beenden und Asyl zu beantragen. Seit
mittlerweile sechs Monaten wartet er nun
auf die Genehmigung seines Antrags. Sechs
Monate voller unerfüllter Hoffnungen.
PROJEKTTEAM DER HAK I WELS
Von links: Aldin Pozegic, Alexander
Krumhuber, Ina Gstöttner, Phillip Breitenhuber,
Jürgen Kraxberger
Projektbetreuung. Prof. Erwin Friedl.
16 TAGE GEGEN GEWALT
Eine Reportage über die Arbeit der autonomen
österreichischen Frauenhäuser
Beim Thema „Gewalt an Frauen“ denken
viele zuerst an vergangene Zeiten oder an
ferne Länder. Fast niemand denkt dabei an die
eigene Nachbarin oder Arbeitskollegin. Dabei
ist die Wahrscheinlichkeit, eine Betroffene zu
kennen, hoch. Jede fünfte Frau ist in Österreich von körperlicher und / oder sexueller
Gewalt betroffen. Die Polizei spricht im Durchschnitt täglich 23 Betretungsverbote aus. In
vielen Fällen ist der Partner oder der Ehemann
der Täter. In den schwersten Fällen endet die
Gewalt mit dem Tod der Frau. Besitzdenken
und Eifersucht sind immer wiederkehrende
Motive der Täter. Sie sehen ihre Partnerin als
ihr Eigentum, über das sie Macht ausüben
können. Denkmuster, die man in Österreich
eigentlich für lange passé halten würde.
Dass Gewalt an Frauen durch ihren Partner
nicht mehr als Privatsache oder als „Ehestreit“
gesehen wird, sondern als Straftat, die von
der Gesellschaft nicht akzeptiert wird, hat eine
erst junge Geschichte. Erst seit 1975 können
Frauen ohne die Zustimmung ihres Ehemannes
eine Arbeitsstelle annehmen. Vergewaltigung
und sexuelle Nötigung in der Ehe oder Lebensgemeinschaft ist sogar erst seit 1989 strafbar.
GEWALTSCHUTZ UND GESETZLICHE
VERBESSERUNGEN
Die gesetzlichen Verbesserungen sind eng mit
der Entstehung der Frauenhäuser verknüpft.
Seit mehr als 30 Jahren schaffen die Frauenhausmitarbeiterinnen Bewusstsein über die
Ursachen und Dynamiken von Gewalt an Frauen und begleiten Betroffene auf ihrem Weg
aus der Gewaltbeziehung. Um sich gemeinsam
für weitere Verbesserungen im Gewaltschutz
stark zu machen, haben sie sich 1988 im Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser
(AÖF) zusammengeschlossen.
OBERSTES ZIEL:
DIE VERMEIDUNG VON GEWALT
Der Verein AÖF arbeitet intensiv in der
Bewusstseinsbildungs- und Präventionsarbeit.
In den letzten zwei Jahren koordinierte der
Verein AÖF unter anderem die österreichweite
EU-Kampagne „GewaltFREI LEBEN“. Sie baut
auf drei Säulen auf, die gemeinsam mit der
Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in
der Familie und der Bundesjugendvertretung
umgesetzt wurden: Zum einen wurde die
Telefonnummer der Frauenhelpline gegen
Gewalt 0800 222 555 bekannter gemacht. Die
Frauenhelpline ist die einzige bundesweite
Beratungshotline für gewaltbetroffene Frauen
und Kinder sowie für ihre Angehörigen.
Anonym und kostenlos beraten ihre Mitarbeiterinnen an 365 Tagen im Jahr, zu bestimmten
Zeiten mehrsprachig.
NETZWERKE UND KOOPERATIONEN FÖRDERN DIE BEWUSSTSEINSBILDUNG
Zum anderen konnten im Rahmen von „GewaltFREI LEBEN“ mehr als 170 Partnerinnen
und Partner, von Unternehmen bis hin zu
Einzelpersonen, gewonnen werden, die mit
verschiedenen Aktivitäten, beispielsweise
Veranstaltungen der Take Over Reihe im
Dezember 2015
produced by
7.12. - 20.12. Film
OH YEAH, SHE PERFORMS
Programmkino
11.12. Konzert
FRÄULEIN HONA & FRAU TOMANI
Schl8hof
20.12. Workshop
IMPROVISATIONSWORKSHOP mit
CORDULA BÖSZE
Schl8hof
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Workshops für die MitarbeiterInnen, ein
Zeichen gegen Gewalt gesetzt haben.
Die dritte Säule der Kampagne umfasst fünf
Projekte, in denen mit spezifischen Zielgruppen gearbeitet wurde. Denn damit Gewalt
an Frauen und Kindern endlich abnimmt,
braucht es bestimmte Berufsgruppen ganz
besonders. In einem Teilprojekt wurde intensiv
mit dem Gesundheitsbereich zusammengearbeitet. Viele Betroffene wenden sich mit
ihren Verletzungen zuerst an ÄrztInnen und
Krankenanstalten. Wie hier reagiert wird, ob
die Betroffenheit von Gewalt erkannt und ob
an Gewaltschutzeinrichtungen weitervermittelt wird, ist entscheiden dafür, ob Frauen und
Kinder adäquate Behandlung und Unterstützung bekommen. In einem weiteren Teilprojekt
wurden JournalistInnen angesprochen. Denn
wie sie über Gewaltvorfälle berichten, trägt
wesentlich dazu bei, wie Gewalt an Frauen
in der Gesellschaft gesehen wird und ob
Gewaltschutzeinrichtungen in der Gesellschaft
bekannt sind. In einem weiteren Teilprojekt
wurde am verbesserten Schutz von Frauen vor
schwerer Gewalt bis hin zu Mord gearbeitet.
Wenn Frauen und ihre Kinder besonders stark
gefährdet sind, braucht es eine institutionenübergreifende Zusammenarbeit. Polizei,
Gewaltschutzeinrichtungen und Kinderschutzeinrichtungen müssen sich austauschen, um
die Interventionen zum Schutz der Betroffenen bestmöglich aufeinander abstimmen zu
können. Im Rahmen von „GewaltFREI LEBEN“
wurden diese institutionenübergreifenden Fallkonferenzen weiter ausgebaut. Eine weitere
Gruppe, mit der in einem eigenen Teilprojekt
gearbeitet wurde, sind Migrantinnen. Denn
aufgrund verschiedener Hürden ist ihr Zugang
zu Recht und Hilfe oft noch schwieriger. Das
fünfte Teilprojekt widmete sich der Gewaltpräventionsarbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Dass sie über Gewalt und Hilfsangebote
informiert und gleichzeitig in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt werden, ist ein wichtiger
Teil der nachhaltigen Gewaltpräventionsarbeit.
WEITERE INFORMATIONEN
Für die Kampagne „GewaltFREI LEBEN“ wurden zahlreiche Informationsmaterialien und
Leitfäden erarbeitet. Sie sind auf der Website
www.gewaltfreileben.at gemeinsam mit
Hintergrundinformationen über die Kampagne
verfügbar. Mehr zum Verein AÖF können Sie
online unter www.aoef.at nachlesen.
RECHTLICHER MINIGUIDE
Redaktionelle Aufbereitung:
ELKE OBERLEITNER
Quelle: AÖF (autonome österreichische
Frauenhäuser). Wien. 2015.
Foto ELKE OBERLEITNER bzw.
TOBIAS STADLER
Rechtlicher Miniguide:
KATHARINA GUSENLEITNER
Juristin, lebt und arbeitet in Wels.
EIN NEIN MUSS GENÜGEN – STRAFRECHTSÄNDERUNGSGESETZ 2015
Im Juli 2015 wurde im österreichischen Parlament
eine Strafrechtsreform, das Strafrechtsänderungsgesetz 2015, verabschiedet. Neben verschiedenen Neuerungen, z.B. bei Wirtschaftsdelikten,
finden sich auch weitreichende Änderungen im
Sexualstrafrecht. Diese gehen auf den Schutz der
sexuellen Integrität von Frauen und Mädchen ein.
Eine Erweiterung stellt die Einführung des
Tatbestandes der „Verletzung der sexuellen
Selbstbestimmung“ dar. Diese Bestimmung sieht
vor, dass eine sexuelle Handlung (Fälle von nicht
gewünschtem Geschlechtsverkehr oder diesem
gleichzusetzende sexuelle Handlungen) gegen
den ausdrücklichen Willen einer Person strafbar
sein soll. Es handelt sich um ein Offizialdelikt. Der
Forderung „Ein NEIN muss genügen“ wird damit
Rechnung getragen. Die Regelung soll außerdem
den Weg der Opfer erleichtern, zu ihrem Recht zu
gelangen.
Nach dem Tatbestand der sexuellen Belästigung
kann nun auch bestraft werden, wer eine andere
Person durch eine intensive Berührung einer der
Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in
ihrer Würde verletzt. Demnach sind nun auch jene
Körperstellen erfasst, die zwar nicht zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehören, aber trotzdem
der Geschlechtssphäre zuzuordnen sind (z.B.
Gesäß oder Oberschenkel). Nach dem Tatbestand
muss die Würde des Opfers verletzt sein, was der
Fall ist, wenn das Verhalten ein einschüchterndes,
feindliches, erniedrigendes, entwürdigendes
oder beleidigendes Umfeld schafft. Sogenanntes
„Grapschen“ würde unter diesen Tatbestand
fallen.
Quellen::
Strafrechtsänderungsgesetz 2015
Erläuterung zum Entwurf des Strafrechtsänderungsgesetzes 2015
Lexisnexis.at
9
„DIE MENSCHLICHKEIT IN DEN VORDERGRUND STELLEN“
Anlässlich der Buchpräsentation „Auf der Flucht“ am 15. Oktober in Wels
führte REIZEND! ein Interview mit der Autorin Mathilde Schwabeneder
Mathilde Schwabeneder, wie ist die Idee
zum Buch „Auf der Flucht“ entstanden?
Sie werden es nicht glauben, die Idee zu diesem Buch ist in Wels entstanden. Vor ziemlich
genau einem Jahr waren mein Kollege Karim
(El-Gawhary, Anm.) und ich im Bildungshaus
Puchberg für das Buchprojekt „Die Stadt, in
der ich lebe“ eingeladen, um über die Städte,
in denen wir arbeiten, zu sprechen. Als ich
hingekommen bin, hat es geheißen: „Warum
sprechen wir nicht über Flüchtlinge?“, weil
dieses Thema gerade wieder hochaktuell war.
Karim und ich haben gemeint, gut, sprechen
wir über Flüchtlinge. Es waren sehr viele Besucherinnen und Besucher anwesend und es hat
sich ein unglaublich intensiver Diskurs mit den
Leuten im Saal entwickelt. Und daraufhin hat
man uns vorgeschlagen, unsere Erlebnisse in
einem Buch festzuhalten. Uns war es wichtig
zu zeigen: Wer sind diese Menschen, die da
kommen? Welche Geschichten stecken hinter
den Zahlen, die immer kursieren? Warum
gehen diese Menschen weg?
Wie ist es Ihnen beim Schreiben ergangen? Fühlt man sich mit den Einzelschicksalen verbunden?
Das sind Geschichten, die einem wirklich
an die Nieren gehen. Wenn man so hautnah
erfährt, was diese Menschen alles durchgemacht haben, das geht tief in einen selbst
hinein. Und insofern haben Karim und ich
festgestellt: Wenn man über diese Erlebnisse schreibt, kann man einiges davon auch
loslassen. Aber was mich nach wie vor immer
wieder erschüttert, ist, dass man vielen
Menschen nicht ansieht, welche Schicksale
sie hinter sich haben. Man merkt den meisten
Geflüchteten körperlich nichts an, aber sie
haben oft wahnsinnig tiefe Traumata und
Wunden in ihrer Seele. Wunden, die man auf
den ersten Blick nicht sehen kann. Während
des Schreibens ist es mir lange Zeit nicht gut
gegangen, weil mich diese Geschichten auch
im Traum verfolgten. Sie verfolgen dich in den
Schlaf.
Sie sind ORF-Korrespondentin in Rom.
Ihre beiden vorherigen Bücher handeln
über den Papst und die Frauen in der
Mafia. Seit wann beschäftigen Sie sich
mit dem Thema Flucht?
Sehr lange, schon bevor ich nach Italien
gegangen bin. Als ORF-Korrespondentin war
ich in vielen Ländern unterwegs, in Afrika,
Osteuropa, Südosteuropa oder Lateinamerika.
Bei den vielen Reportagen und Dokumentationen, die ich in dieser Zeit gemacht habe,
sind mir immer wieder Flüchtlinge begegnet,
das war ein ganz zentraler Teil meiner Arbeit.
Und als ich damals 2007 für den ORF in Rom
zu arbeiten begonnen habe, habe ich mich
stark mit der Situation der ankommenden
Flüchtlinge auf Lampedusa beschäftigt. Beide
(Schwabeneder und El-Gawhary, Anm.) hatten
wir über Jahre immer wieder mit Flüchtlingen
zu tun. Das Thema Flucht wurde allerdings in
Mitteleuropa immer als Thema der anderen
betrachtet. Nichts, was einen selbst betreffen
würde – Mitteleuropa hat das verdrängt.
Das heißt, die jetzige Situation war seit
Jahren absehbar?
Ganz genau, und das hat mich immer zornig
und auch traurig gemacht. Weil man wirklich
viel von Italien hätte lernen können, davon bin
ich überzeugt. Im Guten wie im Schlechten.
Aber Faktum ist, dass man die italienische
Außengrenze immer als etwas betrachtet hat,
das uns nichts angeht. Und auch in Brüssel
hat man lange Zeit die Augen zugemacht und
getan, als wäre diese italienische Außengrenze keine EU-Außengrenze. Da hat man zwar
ein bisschen die Nase gerümpft im restlichen
Europa, über das was passiert ist, aber alle
waren glücklich darüber, dass es nicht in ihren
Ländern passiert ist.
Was können Sie der österreichischen Bevölkerung im Hinblick auf die Flüchtlinge,
die bei uns bleiben werden, mit auf den
Weg geben?
Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, sich damit
auseinanderzusetzen, wer diese Menschen
sind. Dass man ihre Schicksale sieht und
versucht, diese Menschen zu verstehen. Das
WELS HILFT.
Die auf Facebook initiierte Plattform
„Wels hilft.“ wurde nach einem privaten
Hilfskonvoi nach Traiskirchen im August
dieses Jahres gegründet. Mittlerweile hat
die Seite fast 2.000 UnterstützerInnen.
„Wels hilft.“ versteht sich als Vernetzungsund Vermittlungsplattform verschiedener
Hilfsprojekte für flüchtende Menschen im
Großraum Wels und darüber hinaus.
Einerseits werden Hilfsfahrten organisiert bisher neben Traiskirchen auch nach Ungarn,
Kroatien und Slowenien.
Da seit Anfang September nahezu täglich
bis zu 500 Menschen für eine Nacht in der
Notunterkunft in der Welser Messe untergebracht sind, ist die derzeitige Hauptaktivität
die Unterstützung des Roten Kreuz Wels bei
der Annahme und Sortierung der vielen Sach-
Andrea Schwaiger in Ungarn (Röszke)
spenden in der Sammelstelle im Kulturzentrum
Alter Schl8hof durch ehrenamtliche HelferInnen. Dazu zählen auch tägliche Updates oder
die Koordination mit anderen Sammelstellen
10
(Pünktchen & Anton projektbezogen, SiEBENKANT für Winterschuhe) sowie zusätzlicher
(privater) Lagerplätze.
Daneben werden auch langfristige Wohnprojekte für Flüchtlinge bei ganz gezielten
Anliegen und Anfragen unterstützt, Zimmer
vermittelt oder Notquartiere gesucht.
Sachspenden, die immer dringend benötigt
werden sind Winterjacken, Winterschuhe und
Hygieneartikel in kleinen „Reisepackungen“.
Aktuelle Bedarfslisten, Sammelstellen-Öffnungszeiten und weitere Informationen:
www.facebeook.com/welshilft
WELS
HILFT.
ANDREA BAUER,
ANDREA SCHWAIGER
Foto EDD CARLILE / „Budapest seen“
www.facebook.com/budapestphotodiary
würde viel Angst nehmen. Zuzug ist nichts
Negatives, Österreich war immer schon ein
Vielvölkerstaat, das sollte man sich immer vor
Augen halten. Wir haben bereits etliche Einwanderungswellen gemeistert, wie z. B. die
Einwanderinnen und Einwanderer, die geholt
wurden und die in Österreich großartige Arbeit
geleistet haben. Aber auch „Flüchtlingswellen“, Stichwort Ungarn, Tschechien, Bosnien
– die haben wir alle gut gemeistert. Österreich
ist immer noch eines der reichsten Länder der
Welt.
Welche Entscheidungen würden Sie sich
von den Verantwortlichen in der Politik in
Österreich bzw. der EU in der Flüchtlingsfrage wünschen oder fordern?
Was wir unbedingt brauchen, ist ein gemeinsames Asylrecht und eine gemeinsame
Außenpolitik. Europa muss zusammenhalten
und zusammenstehen. Es kann nicht sein, dass
manche Länder versuchen, keine Flüchtlinge
aufzunehmen. Ich finde in dieser Hinsicht den
Vorschlag des österreichischen Kanzlers gut,
der meinte, man solle diesen Staaten Gelder
streichen, wenn sie sich nicht an gemeinsame
Pflichten halten. Die Aussage der deutschen
Kanzlerin, die meinte, wenn sie sich dafür
entschuldigen müsse, dass Deutschland
menschlich gehandelt habe, dann sei das nicht
mehr ihr Land, fand ich ebenfalls ganz toll. Wir
sollten uns überlegen: Welches Europa wollen
wir? Wollen wir in einem Europa leben, wo
wir wieder Zäune und Stacheldrähte aufrichten? Wo wir wieder Grenzen schließen? Also
ich möchte das nicht. Mir ist schon klar, dass
die jetzige Situation große Herausforderungen
mit sich bringt und gewisse Menschen Angst
haben. Aber die Politik muss hier deeskalieren
und die Menschlichkeit in den Vordergrund
stellen.
Foto ELKE DOPPELBAUER, MKH Wels
DANIELA NÖMEYER.
Studium der Ethnologie und Soziologie.
Arbeitet am BFI Wels und bei FWW Wels
als Bildungsplanerin und Entwicklerin für
nationale und internationale Projekte. Lebt in
Krenglbach.
MATHILDE SCHWABENEDER
Gebürtige Welserin, ausgebildete Logopädin,
übersiedelte 1983 nach Rom, promovierte
in Romanistik, von 1992 bis 1995 arbeitete
sie in der deutschsprachigen Redaktion von
Radio Vatikan in Italien mit Schwerpunkt
Entwicklungszusammenarbeit, 1995 Wechsel
zum ORF: zu Beginn Ö1 Redakteurin in den Bereichen Information und Religion; ab 1999 TV,
Schwerpunkte Religion und Menschenrechte
Verfasste bislang drei Bücher: Franziskus –
vom Einwandererkind zum Papst; Die Stunde
der Patinnen – Frauen an der Spitze der
Mafiaclans; Auf der Flucht (gemeinsam mit
ORF Kollegen Karim El-Gawhary).
Lebensmittelpunkt nach wie vor Rom
DIE ISTANBUL KONVENTION
Am 1. August 2014 ist das Übereinkommen des
Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von
Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt
in Kraft getreten. Die sogenannte Istanbul
Konvention gilt im Moment als das bedeutendste
rechtliche Instrument gegen Gewalt an Frauen in
Europa. Die Unterzeichner-Staaten des Übereinkommens haben das Bestreben, ein Europa
zu schaffen, das frei von Gewalt an Frauen und
häuslicher Gewalt ist.
Zweck dieses Übereinkommens ist u.a.:
•Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen
und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt
zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen;
•einen Beitrag zur Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung von Frauen zu leisten und eine
echte Gleichstellung von Frauen und Männern
zu fördern;
•umfassende Maßnahmen zum Schutz und zur
Unterstützung aller Opfer von Gewalt gegen
Frauen und häuslicher Gewalt zu schaffen.
Es geht um umfassende Maßnahmen gegen
Gewalt an Frauen in den Bereichen Prävention,
Schutz, Betreuung, Hilfe, Rechtsschutz sowie zivilund strafrechtliche Verfahren.
Gewalt gegen Frauen gilt nach der Konvention
als eine Menschenrechtsverletzung und eine
Form der Diskriminierung der Frau. Sie beinhaltet
alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt
(Gewalt, die gegen eine Frau gerichtet ist, weil
sie eine Frau ist oder Gewalt, die Frauen besonders stark betrifft), die zu körperlichen, sexuellen,
psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder
Leiden bei Frauen führen oder führen können.
Die Istanbul Konvention schließt alle Formen von
Gewalt an Frauen ein, z.B. sexuelle Belästigung,
Stalking, weibliche Genitalverstümmelung, etc.
Häusliche Gewalt bezeichnet alle Handlungen
körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie und
Ehe/Partnerschaft oder des Haushalts vorkommen
(auch zwischen ehemaligen PartnerInnen). Die
Konvention ermutigt die Vertragsstaaten dazu, die
11
Regelungen für alle Opfer von häuslicher Gewalt
anzuwenden, also auch für Kinder und Männer.
Das Übereinkommen sieht auch Bestimmungen
zur internationalen Zusammenarbeit zwischen
den Staaten vor, z.B. rechtliche Zusammenarbeit
in Zivil- und Strafsachen, Zusammenarbeit bei der
Verhütung von Gewalt an Frauen und Unterstützung der Betroffenen.
Zur Sicherstellung der wirksamen Durchführung
der Konvention durch die Vertragsstaaten ist
die Einführung eines starken und unabhängigen
Überwachungsmechanismus vorgesehen. Dieser
basiert auf zwei Säulen
•Gruppe von ExpertInnen zur Bekämpfung von
Gewalt an Frauen (GREVIO – Group of Experts
on action Against Violence against Women and
Domestic Violence)
•Ausschuss der Vertragsstaaten mit VertrerInnen
der Vertragsstaaten
Quelle:
Istanbul Konvention
WOMEN OF THE WORLD, TAKE OVER!
Solidarität ist ansteckend
Das queer-feministische Label unrecords mit
Sitz in Wien besuchte Wels. Am 2. Oktober
2015 fand die erste „unrecords Night“ im
Alten Schl8hof statt. REIZEND! hat mit zwei
der Label-Betreiber*innen ein Gespräch über
Frauen*, Politik und Solidarität geführt. Birgit
Michlmayr und Petra Schrenzer standen beide
an diesem Abend auch auf der Bühne – mit
dem Projekt Mutt/Mayr/Hackl feat. Schrenz
eröffneten sie die Veranstaltung. Zwei Bands
aus dem internationalen unrecords-Programm
folgten: Möström aus Wien und Žen aus
Zagreb.
In Wels findet heute die erste unrecords
Night statt – im Rahmen einer Reihe,
die sich „Take Over“ nennt – nach der
Textzeile: „Woman of the world, take over‚
because if you don’t the world will come
to an end and it won’t take long.“ Wie
geht es euch, wenn ihr dieses Zitat hört?
Birgit Michlmayr: Wir sind ja bewusst ein
queer-feministisches Label. Das heißt, ich
glaube, es geht nicht darum, dass nur „Women“ die Weltherrschaft erkämpfen sollten,
sondern, dass alle Menschen dieselben Möglichkeiten haben und gleich behandelt werden
sollten. Es geht also nicht nur um Männer und
Frauen – überhaupt gibt es ja auch nicht nur
Männer und Frauen – sondern auch darum,
von diesem Mehrheits-Österreicher*Innen-
Ding wegzukommen. Aber grundsätzlich bin
ich dafür, dass die Welt mehr von anderen
Menschen beherrscht wird, wie man so schön
sagt.
Petra Schrenzer: Oder zumindest „Women*“
sollte es heißen. * meint viele Identitäten,
Trans-, Inter-Identitäten usw. Zum Zitat ist mir
spontan als Allererstes eingefallen, dass Kurt
Cobain gesagt haben soll, dass die Zukunft der
Rockmusik bei den Frauen liegt. Uns ist es ein
Anliegen, vor allem Frauen* auf die Bühne zu
bringen.
BM: Und was die pessimistische Weltsicht betrifft: Ja, leider ist es immer wieder schwierig,
optimistisch zu bleiben. Gerade wenn wir jetzt
in Wels sind und bald in Wien auch Wahlen
stattfinden (das Gespräch wurde Anfang
Oktober 2015 geführt, Anm.). Ich finde, dass
manchmal unsere „Ängste und Sorgen“ von
der Politik zu wenig ernst genommen werden.
Was sind eure Ängste und Sorgen?
BM: Meine Ängste und Sorgen sind, z.
B. in Bezug auf die Gleichberechtigung
von Geschlechtern, dass es eine Zeit lang
Fortschritte gegeben hat, es aber eigentlich
schon wieder sehr viel schlechter wird.
Besondere Ängste sind auch, dass Rassismus und Ausländer*Innenfeindlichkeit noch
präsenter werden und von allen Seiten viel zu
wenig dagegen getan wird. Man merkt, dass
Aus dem Programm des Labels unrecords: Möström mit neuer Platte zu Gast in Wels. /
Foto: Johanna Forster
12
es generell rauer wird, z. B. auch in Bezug
auf Homophobie. Trotzdem ist Wien noch ein
angenehmes Umfeld – im Vergleich zu vielen
anderen Orten.
Wenn wir uns an eine Johanna Dohnal
erinnern, die sich in der Parteipolitik für
Frauenquoten einsetzte oder wenn wir
uns Wertestudien ansehen, nach denen
Jugendliche sehr konservative Werte verinnerlicht haben: Welchen Stellenwert hat
Feminismus in der Gesellschaft derzeit?
Haben wir den Höhepunkt des Feminismus überschritten?
PS: Von Höhepunkt möchte ich nicht sprechen,
weil ich hoffe, dass in unserer Lebensspanne
und darüber hinaus noch viel passieren wird.
Zu Johanna Dohnal: Das waren auch politisch
andere Zeiten. Die Sozialdemokratie war
stärker, gewisse eher links geprägte Werte
hatten noch einen anderen Stellenwert. Ich
finde jetzt, wo der Kapitalismus schon zur
Normalität geworden ist, wird überhaupt
alles schwammig. Diese großen Strömungen,
die stark sozial sind – damit meine ich auch
wirklich einfach menschenfreundlich und
nicht menschenfeindlich, ganz grob – gibt es
nicht, auch wegen dieser Zerbröselung und
Vereinzelung, die der Kapitalismus bringt. Wir
in unserem Bereich arbeiten – durchaus prekär
– vor uns hin, man kann das auch kämpfen
nennen, aber ich fühle mich nicht als Teil einer
großen Bewegung. Natürlich ist man z. B. in
Wien in einer Szene und spürt das, aber von
politischen Ämtern getragen werden solche
Ideen nicht und da fühlt man sich dann schon
einsam.
BM: Wir leisten unseren kleinen Beitrag. Aber
auch der Feminismus kommt immer wieder
wellenmäßig. Also man darf es nicht so pessimistisch sehen, dass alles auf einmal den
Bach runtergeht, sondern es kann dann wieder
etwas Neues entstehen. Genauso wie jetzt:
Obwohl einerseits die Rechtsextremen wieder
einmal einen extremen Aufwind haben, sieht
man andererseits, gerade in Wien, viel Solidarität, vor allem jetzt mit Flüchtlingen. Da merkt
man, dass das wirklich breit ist – obwohl
sicher nicht breit genug – und, dass Solidarität
ansteckend ist. Das ist schön zu sehen.
AUTORINNENINFOS:
Birgit Michlmayr (First Fatal Kiss, Mutt/
Mayr/Hackl, Mayr u.a.) und Petra Schrenzer
(Petra und der Wolf) betreiben gemeinsam mit
Johanna Forster und Aurora Hackl Timón seit
2012 das queer-feministische Label unrecords.
Am 2. Oktober 2015 fand die erste „unrecordsNight“ im Alten Schl8hof Wels statt. Die vier
Labelbetreiber*innen eröffneten den Abend
als Mutt/Mayr/Hackl feat. Schrenz.
unrecords.me
TAMARA IMLINGER ist Musikerin, Vermittlerin
und Mitarbeiterin der KUPF – Kulturplattform OÖ und hat für REIZEND! das Gespräch
geführt.
HINWEIS:
Das gesamte Interview wird im Rahmen der
Reihe KUPFradio auf allen vier freien oberösterreichischen Radios ausgestrahlt und ist
dauerhaft online nachzuhören unter cba.fro.at
Die vier unrecords-Label-Betreiber*innen improvisierten gemeinsam im Welser Schl8hof als Mutt/
Mayr/Hackl feat. Schrenz. ( Foto: Michael Losehand
„MAN MUSS NICHT IN DER BRATPFANNE GELEGEN HABEN,
UM ÜBER EIN SCHNITZEL ZU SCHREIBEN.“ (Maxim Gorki)
Kommentar Sebastian Achleitner.
Wenn ich mich durch Zeitungen blättere
– oder besser gesagt durch die OnlineAusgaben von Zeitungen klicke – bekomme
ich irgendwie ein beklemmendes Gefühl. Da
herrscht seit einiger Zeit dauernd Katastrophenstimmung: zuerst war mal Wirtschaftskrise (immer noch?), dann hat die
Bettelmafia das Land übernommen. Zwei
Jahrhunderthochwasser haben wir überlebt,
bevor wir alle in den Flüchtlingswellen
ertrunken sind. Kurz: Die Welt geht unter!
Seltsam, denke ich mir, wie ich so durch die
Straßen von Wels gehe. Alles ganz normal:
Die Leute gehen shoppen, keine Risse im
Asphalt, die ein baldiges Aufklaffen des
Erdbodens ankündigen. Ob der neue Pflasterbelag in der Fuzo diese verdeckt?
Die Medienwelt ist gespalten. Während
die seriöseren versuchen, das Wutbürgertum zu beruhigen, indem sie zum 30. Mal
erklären, wie denn die Flüchtlinge zu den
Smartphones gekommen sind, zeichnen die
unseriösen ein ganz anderes Bild: Flüchtlinge plündern, stehlen und sind sowieso das
Allerschlimmste. Für jeden angeblichen Fall
gibt’s als Beweis Fotos (die irgendwas ganz
anderes zeigen) oder ein privates FacebookPosting, das in der Regel so beginnt: „Ich
kenne jemanden, der kennt einen Polizisten
und der sagt, dass das mit den Flüchtlingen
jetzt echt schon zu viel ist...“ Ob das stimmt
oder nicht ist dabei vollkommen egal. Der Boulevard will gelesen werden. Und „die Leute“
wollen so etwas lesen.
Wobei die Sensationslust auch auf die
Qualitätsmedien überschwappt. Sprachliche
Bilder wie „der Flüchtlingsstrom“ sind dort
auch schon längst angekommen. Und das ist
eine wirklich dämliche Phrase: Die Pluscity
wird von 20.000 Leuten täglich besucht. Da
müsste es ja jeden Tag einen „Shopping-KillerTsunami“ auf den Titelseiten geben. Tut’s aber
nicht.
Jedenfalls nicht verwunderlich, dass sich da
Menschen fragen, ob sich das alles ausgehen
kann. Das offizielle Österreich liefert ja seinen
Beitrag: monatelanges Nichtstun. Die Erkenntnis, dass es eine gesamteuropäische Strategie
braucht, akzeptiere ich jetzt nicht als Problemlösung. Das ist maximal Grundlagenforschung.
Ein beklemmendes Gefühl macht sich breit.
Sogar die Innenministerin hat schon so viel
Angst, dass sie sich an Ideen von Rechtsextremen klammert: Sie wünscht sich eine Festung
Europa.
Diejenigen, die da kommen sind demnach der
Feind. Unberuhigend!
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Aber vielleicht hat sie gar nicht vor den
Flüchtlingen Angst oder davor, deren Versorgung und spätere Integration nicht zustande
zu bringen. Vielleicht hat sie vielmehr davor
Angst, dass sich mit der Politik des „Jeder
ist seines Glückes Schmied“ keine sozialen
Probleme lösen lassen. Und das ist die
Politik, die sie vertritt.
Mit einer solidarischen Politik läuft dann
aber alles erstaunlich gut. Das zeigen
die Tausenden von Menschen, die bisher
gespendet und geholfen haben. Und dabei
brauche ich gar nicht von „Zigtausenden“
oder gar von einer „Hilfswelle“ schreiben,
dass mich das beruhigt.
SEBASTIAN ACHLEITNER
ist 28, macht Musik, studiert, lebt in
Wien und Wels, macht verschiedene
Dinge (auch gegen Bezahlung).
Foto MARCO PRENNINGER
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Impressum: Medieninhaber: Magistrat der Stadt Wels, Herstellung durch Magistrat der Stadt Wels, Verlags- und Herstellungsort: Wels, Foto: Günther Gumhold / pixelio, Gestaltung: Andrea Bauer