argumente Gesetzliche Tarifeinheit verfassungsgemäß Das Bundesverfassungsgericht hat am 6. Oktober 2015 Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Tarifeinheitsgesetz abgewiesen. Das ist ein wichtiges positives Signal gegen die Zerfaserung der Tarifautonomie. Durch die in § 4a Tarifvertragsgesetz eingefügte Kollisionsnorm wird Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hergestellt. Der Grundsatz der Tarifeinheit galt fast 60 Jahre lang in der Rechtsprechung des Bundearbeitsgerichts. Er besagt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen, was für sie gilt und vor allem, dass sie sich auf diese Regelung auch verlassen können. Die zentrale Aufgabe der Tarifautonomie ist es, die Arbeitsbeziehungen zu ordnen und zu befrieden. Die Tarifeinheit ist dafür unverzichtbar. Irrtum: Die gesetzliche Regelung der Tarif einheit greift in die Koalitionsfreiheit ein Die verfassungsrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit beinhaltet das Recht von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sich zu Vereinigungen zusammenzuschließen und sich in diesen zu betätigen. Ebenso eröffnet es für Koalitionen das Recht auf koalitionsgemäße Betätigung. Diese Rechte werden durch das Tarifeinheitsgesetz nicht berührt. Wie schon vor der gesetzlichen Regelung bedeutet Tarifeinheit nicht ein Monopol für bestimmte Tarifvertragsparteien. Die Wirksamkeit von Tarifverträgen wird durch die Tarifeinheit ebenfalls nicht gefährdet. Allein die Wirkungen der Tarifverträge werden nur im Fall der Überschneidungen so justiert, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rechtssicherheit erlangen. Der Grundsatz der Tarifeinheit drängt keine Gewerkschaft aus der Tarifautonomie. Jede Gewerkschaft, die die in ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Anforderungen an die Tariffähigkeit erfüllt, ist auch jetzt nach Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes tariffähig. Das Gesetz hat nichts an den Voraussetzungen für die Tariffähigkeit geändert. Fakt: Gesetzentwurf sichert die Funktionen des Tarifvertrags Die Wiederherstellung der Tarifeinheit dient der vom Bundesverfassungsgericht immer wieder betonten Schutz-, Verteilungs-, Befriedungs- und Ordnungsfunktion von Tarifverträgen. Dies wird durch Auflösung von Kollisionen nach dem Grundsatz der Tarifeinheit gewährleistet. Nur tatsächlich auftretende Kollisionen werden aufgelöst, um Unsicherheiten darüber auszuschließen, welche Regelungen für wen Anwendung finden. Das Bundesverfassungsgericht unterstreicht in ständiger Rechtsprechung die Ordnungs- und Befriedungsfunktion der Tarifautonomie. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen während der Laufzeit eines Tarifvertrags auf geregelte Arbeitsbedingungen vertrauen können, und sie müssen wissen, für wen welcher Tarifvertrag gilt. Ohne Ordnungs- und Befriedungsfunktion kann für die Laufzeit eines Tarifvertrags kein Vertrauen auf die ausgehandelten Bedingungen gewährleistet werden. Nur so wird die Akzeptanz der Tarifverträge nachhaltig sichergestellt. Die Befriedungsfunktion der Tarifautonomie wird durch Tarifkollisionen gefährdet, weil innerbetriebliche Verteilungskämpfe in die Betriebe hineingetragen werden und der Arbeitgeber nicht auf die Geltung von Tarifverträgen vertrauen kann. Die Tarifvertragsparteien behalten es damit in der Hand, Überschneidungen der Geltungsbereiche ihrer Tarif- Die Tarifeinheit kann eine Zersplitterung des Tarifverträge zu verhindern. vertragssystems, die Spaltung der Belegschaften und eine Vervielfachung Irrtum: Tarifeinheit be kollektiver Konflikte vernachteiligt hindern. Minderheiten Überschneiden sich in einem Betrieb mehrere Tarifverträge, muss sich ein Tarifvertrag durchsetzen. Dieser Grundsatz der Tarifeinheit ist vom Bundesarbeitsgericht fast 60 Jahre immer wieder bestätigt worden. Die Tarifeinheit kann eine Zersplitterung des Tarifvertragssystems, die Spaltung der Belegschaften und eine Vervielfachung kollektiver Konflikte verhindern. Nur im Fall einer solchen Kollision greift die gesetzliche Regelung. Gewerkschaften haben weiterhin die Möglichkeit, ihre Zuständigkeiten untereinander abzustimmen und jeweils für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Tarifverträge abzuschließen. Gewerkschaften können sich auch in einer Tarifgemeinschaft zusammenschließen oder gemeinsam Tarifverträge verhandeln. Auch kleinere Gewerkschaften können wegen eines hohen Organisationsgrads ihrer Mitglieder oder in Tarifgemeinschaften die Mehrheit der im Betrieb organisierten Arbeitnehmer vertreten. Nur dann, wenn eine Einigung auf bestimmte Spielregeln zwischen den Tarifvertragsparteien nicht möglich ist, müssen gesetzliche Kriterien für eine Auflösung von Kollisionen eingreifen. Das vom Gesetzentwurf vorgesehene Mehrheitsprinzip ist sachgerecht und wird z. B. auch im argumente Gesetzliche Tarifeinheit verfassungsgemäß Arbeitnehmerentsendegesetz und im Tarifvertragsgesetz herangezogen, um Kollisionen bei der Erstreckung von Tarifverträgen zu vermeiden. Fakt: Der Entwurf des Tarifeinheitsgesetzes ändert das Streikrecht nicht Durch das Gesetz wird das Streikrecht nicht geändert. Hierüber bestand auch immer Einigkeit. Das Tarifeinheitsgesetz sieht eine Neugestaltung des Arbeitskampfrechts nicht vor. Maßstab für die Zulässigkeit von Arbeitskämpfen war und ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach ist ein Arbeitskampf um einen Tarifvertrag unverhältnismäßig, wenn dieser offensichtlich nicht zur Anwendung kommen kann. Das Grundgesetz garantiert die Tarifautonomie nur soweit, wie durch sie Arbeitsbeziehungen geregelt werden. Das ist nicht der Fall, wenn der Tarifvertrag eine Regelungswirkung nicht erlangt. Das Gesetzgebungsverfahren in Bezug auf die Tarifeinheit wurde zu Recht nicht mit Diskussionen um den Arbeitskampf belastet. Das heißt jedoch nicht, dass der Gesetzgeber das Arbeitskampfrecht nicht gesetzlich regeln kann. Eine Ausgestaltung durch den Gesetzgeber ist sogar geboten. Vor allem vor dem Hintergrund der Entscheidung zum Flashmob, der eine völlige Entgrenzung des Arbeitskampfes bedeutet, brauchen wir gesetzliche Regelungen. Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier und Christoph Krönke in: Gesetzliche Regelung der Tarif einheit aus verfassungsrechtlicher Sicht, ZfA Sonderdruck aus Heft 4/2011, S. 32: Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier in der Öffentli chen Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Bundestags am 4. Mai 2015, Wortprotokoll, S. 8: „Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit bedarf der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Das ist unzweifelhaft. Denn hier geht es darum, die Beziehungen zwischen den Trägern widerstreitender Interessen auszugleichen. Die Tarifvertragsparteien genießen alle den Schutz des Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes, stehen aber teilweise bei der Ausübung dieser Grundrechte in einer gewissen Gegnerschaft. Deshalb ist der Gesetzgeber geradezu aufgefordert, es ist seine Pflicht, für eine gesetzliche Regelung zu sorgen, die gewissermaßen die Belange der verschiedenen Träger der Koalitionsfreiheit in einen angemessen Ausgleich bringt.“ Prof. Dr. Rupert Scholz/Dr. Stefan Lingemann in: Tarifeinheit und Verfassung, NZA Beilage 1/2015 (zu Heft 9/2015), S. 15: „Der damit anerkannte Gestaltungs- bzw. Konkretisierungsauftrag des Gesetzgebers ist notwendig, um die funktionellen wie organisatorischen Voraussetzungen und Handlungsmöglichkeiten der Koalitionen im Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung auf tragfähige und funktionsgerechte Grundlagen zu stellen. […] Der Gesetzgeber muss dabei einen angemessenen Ausgleich zwischen der funktionellen Sicherung der Koalitionsfreiheit und der Wahrung der Gestaltungs- und Regelungsautonomie der Koalitionen herstellen.“ „Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweisen sich die hier in Rede stehenden Normierungen der Tarifeinheit nicht als Eingriffe in das Abwehrrecht der Koalitionen und der Koalitionsmitglieder, sondern als gesetzliche Ausgestaltung des Tarifsystems als einer positiv-gesetzlichen Ordnung.“ Publikationen und Ansprechpartner Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sichern – Tarifeinheit gesetzlich regeln Gemeinsames Positionspapier von BDA und DGB, Juni 2010 kompakt: Tarifeinheit BDA | DIE ARBEITGEBER Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Arbeits- und Tarifrecht T +49 30 2033-1200 [email protected] Die jeweils neueste Ausgabe und weitere Hinweise zu diesem Thema finden Sie unter www.arbeitgeber.de November 2015
© Copyright 2024 ExpyDoc