„Das greift einfach anders“

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„Das greift einfach anders“
26.02.2016 | 18:59 | Von Daniela Mathis (Die Presse)
Psychotherapie. Zuerst Propädeutikum, dann eine Fachrichtung? Es gibt auch andere
Möglichkeiten. Doch das Konzept muss verbessert werden, fordert – nicht nur – der
Berufsverband.
Wir möchten die Psychotherapie auf Augenhöhe mit anderen Gesundheitsberufen sehen“, sagt
Peter Stippl, Präsident des Österreichischer Bundesverbands für Psychotherapie. „Das
beinhaltet vor allem eine Akademisierung der Ausbildung und angemessene Bezahlung der
notwendigen Praktika. Beides soll in der nächsten Psychotherapiegesetz-Novelle festgehalten
werden“. Man sei jedenfalls für die ECTS-Punkte nach Bologna-System bereit.
Seit 1992 wurde das betreffende Gesetz nicht geändert, die Ausbildung unterscheidet sich
vom Psychologie- oder Medizinstudium in wesentlichen Punkten: Sie wird hauptsächlich von
rund 40 Vereinen und Institutionen angeboten, das Grundstudium kostet, die Praktika sind
wenig vergütet. Auf das Propädeutikum (rund drei Semester, zusammen zwischen 1000 und
17.000 Euro) folgt eines von 22 Fachspezifika (samt Supervision und Praktika sieben bis acht
Semester, bis zu 50.000 Euro und mehr).
Vielfalt oder Chaos?
Einige Universitäten bieten mittlerweile alternative Wege an. Etwa das Bachelorstudium
Psychotherapie- und Beratungswissenschaften (Karl-Landsteiner-Privatuniversität) oder das
allgemeiner gehaltene Bakkalaureat Psychotherapiewissenschaften (Sigmund-FreudPrivatuniversität, die auch Magisterstudium, Propädeutikum, Fachspezifika und Lehrgänge
anbietet). Beide beinhalten das Propädeutikum, wissenschaftliche Grundlagen und Arbeiten
und kosten rund 30.000 Euro. An der Uni Wien wird das Propädeutikum als kostengünstiger
Lehrgang (ohne Praxis) angeboten, die Donau-Universität Krems bietet Propädeutikum,
Fachspezifika und spezialisierende Lehrgänge an, etwa den Master Psychotherapeutische
Medizin.
Anton Leitner, Leiter des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit
der Donau-Uni, hält es für sinnvoll, grundsätzlich einen aufbauenden Universitätslehrgang
„Fachspezifikum“ anzubieten – mit kommissioneller Prüfung, unabhängigen Gutachtern und
einer Masterthesis. „Das greift einfach anders als ein Kursabschluss, bei dem man vielleicht
noch eine kleine Rede hält, und das war es dann.“ Dieser Weiterbildungsmaster könne dann,
wie es bei anderen Lehrgängen passiert, im Lauf der Zeit zu einem Ausbildungsmaster
werden. „Natürlich immer in Kooperation und Zusammenarbeit mit den bisherigen Anbietern,
den Vereinen und Verbänden, denn hier ist sehr viel Wissen gebündelt“, betont Leitner. „Ohne
deren Erfahrung einzubringen, hätte eine Akademisierung wenig Sinn.“ Im Zuge dessen wäre
es dann natürlich ideal, wenn die Grundausbildung – der Bachelor – wie jede andere in
Sachen Gesundheit vom Bund finanziert werden würde.
Mehr Übersichtlichkeit
„Es soll weiterhin verschiedene Wege in der Ausbildung geben, passend zur jeweiligen
Lebenssituation“, meint Alfred Pritz, Rektor der Sigmund-Freud-Universität Wien. „Aber die
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Angleichung an andere Gesundheitsberufe wie Psychologie ist längst überfällig.“ Er fände auch
die Zusammenfassung der 22 Fachspezifika in Clustern – „man könnte die integrativen
Schulen zusammen präsentieren, die systemischen und so weiter“ – viel übersichtlicher und
angebrachter. Auch die 24 Jahre Mindestalter zu Beginn der Fachspezifika und 28 Jahre zur
Eintragung in die Psychotherapeutenliste sei überholt. „Die Welt hat sich weitergedreht, vieles
ist besser geworden, was sich auch in ethischen und anderen Richtlinien zeigen sollte.“ Der
Rektor plädiert generell dafür, Studienkosten zu staffeln: Wer mehr hat, zahlt mehr; wer
nichts hat, wird mehr unterstützt. Im Berufsleben wird eine gewisse Summe zurückbezahlt.
„Das Entweder-oder-Prinzip ist manchmal ganz gut, aber in der Ausbildung auf Dauer sicher
nicht das Beste.“
Ob eine kostengünstigere Ausbildung auch zu mehr kostengünstigen Therapieplätzen führt?
„Nein“, meint Stippl, „das zu knappe kassenfinanzierte Angebot an Psychotherapie wird auch
die beste Ausbildung nicht lösen.“ Wenn Gebietskrankenkassen nur einen kleinen Teil der
Patientenstunden bezahlen und den Rest mit 21,80 Euro pro Termin, wird der Großteil der
Patienten weiterhin in die eigene Tasche greifen müssen. Oder lange warten. „Bei uns liegt
der Versorgungsgrad für Psychotherapie bei 0,8 Prozent, in den deutschsprachigen
Nachbarländern nehmen 2,5 Prozent der Bevölkerung die Behandlung in Anspruch – voll
finanziert durch die Krankenkasse“, so Stippl.
Web:www.psychotherapie.at,
www.uniwien.ac.at, www.donau-uni.ac.at, http://sfu.ac.at, www.kl.ac.at/studium,
www.psyonline.at
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