DEFUS-Monitor – eine Mustererhebung zur subjektiven Sicherheit in

SICHERHEITSGEFÜHL
DEFUS-Monitor
– eine Mustererhebung zur
subjektiven Sicherheit
in öffentlichen Räumen
ie soll zeigen, welche BevölkeS
rungsgruppen am stärksten betroffen sind.
■■ Sie soll Anhaltspunkte zu den Anlässen von Unsicherheitsgefühlen geben.
■■ Sie soll Ansatzmöglichkeiten für präventive Maßnahmen aufzeigen.
■■ Sie soll Veränderungen im Zeitverlauf anzeigen.
Unter diesen Vorgaben wurden vorhandene Instrumente geprüft. Außerdem wurde im Rahmen von Expertengesprächen sowie internationalen
Workshops überlegt, welche Elemente für die Beantwortung dieser Fragestellung sinnvoll und notwendig sind,
ohne die Untersuchung zu aufwendig
und langwierig zu gestalten.2
■■
Claudia Heinzelmann
Das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger steht mit dem tatsächlichen Kriminalitätsaufkommen vor Ort nur mittelbar in Beziehung. Es ist daher
sinnvoll und wichtig, das subjektive Empfinden als eine eigenständige Größe
zu erfassen. Im Rahmen eines EU-Projektes hat das Deutsch-Europäische
Forum für Urbane Sicherheit e.V. (DEFUS) dafür eine Mustererhebung entwickelt und getestet. Der „DEFUS-Monitor“ besteht aus einem detaillierten
Fragebogen für eine repräsentative Bevölkerungsbefragung und einem
Konzept für Gespräche mit Bewohnergruppen im Rahmen von Stadtteilrundgängen oder fokussierten Workshops. Als eine Handreichung für Kommunen
gedacht, kann dieses Instrument genutzt werden, um auf der Basis eines
differenzierten Bildes über besonders betroffene Gruppen und Räume gezielt
präventiv tätig werden zu können.
Ein zentrales Anliegen der Kommunen ist es, die Sicherheit ihrer Bewohnerschaft zu gewährleisten. Dazu gehört auch die subjektive Wahrnehmung
der Bürgerinnen und Bürger, sich in
den öffentlichen Räumen ihrer Stadt
unbehelligt und sicher bewegen und
aufhalten zu können. Ein positives Sicherheitsempfinden
kann
zudem
dazu führen, dass öffentliche Räume
stärker frequentiert und darüber wiederum ein Stück weit sicherer werden.
Um dieses Sicherheitsgefühl zu festigen und an den richtigen Stellen gezielt erhöhen zu können, sind detaillierte und aktuelle Informationen
notwendig. Hierzu werden bislang
sehr unterschiedliche Verfahren genutzt, die vom eher beiläufigen Erfahrungswissen
über
„Brennpunkte“
über einzelne Fragen zum allgemeinen Sicherheitsgefühl in kommunalen
Bürgerumfragen bis hin zu komplexen
kriminologischen
Regionalanalysen
reichen.
EU-Projekt „Methodological tools
for the definition of local security
policies – AUDITS”
Im Rahmen eines EU-Projektes mit
dem Titel „Methodological tools for
the definition of local security policies
forum kriminalprävention
1/2016
– AUDITS“1 konnte das Deutsch-Europäische Forum für Urbane Sicherheit
e. V. (DEFUS) die Gelegenheit nutzen,
sich intensiv mit der Methodik von Sicherheitsanalysen zu befassen. DEFUS
ist ein Zusammenschluss kommunaler
Entscheidungsträger im Bereich der
lokalen Kriminalprävention und Sicherheitsarbeit. Dessen zwölf Mitgliedsstädte und -organisationen sind
als nationales deutsches Forum des
European Forum for Urban Security
(Efus) europaweit vernetzt.
Dem deutschen Forum ging es in
diesem Projekt besonders um die Erfassung der subjektiven Sicherheit als
einem wichtigen kommunalen Handlungsfeld. Somit verfolgte DEFUS die
Zielsetzung, die unterschiedlichen,
bis­her bestehenden Herangehensweisen zur Erfassung des Sicherheitsgefühls in Städten auszuwerten und zusammenzuführen. Dies geschah im
engen Bezug zu den Erwartungen der
lokalen Entscheidungsträger. In einer
Vorabbefragung äußerten kommunale
Akteure folgende Anforderungen an
eine solche Untersuchung:
■■ Sie soll einfach umsetzbar und regelmäßig wiederholbar sein.
■■ Sie soll möglichst zeitnah Ergebnisse erbringen.
■■ Sie soll für die Bevölkerung repräsentativ sein.
Das kombinierte Konzept des
DEFUS-Monitors
Das Ergebnis der Überlegungen ist
ein zweigleisiges Konzept, das sowohl
eine quantitative repräsentative Befragung als auch eine vertiefende
­qualitative Detailstudie enthält. Durch
diese Methodenkombination wird gewährleistet, dass allgemein gültige
Aussagen mit Informationen über Hintergründe und sozialräumliche Details
ergänzt werden können. Das teilweise
etwas unbefriedigende Resultat einer
statistischen Erhebung, nämlich allein
zu wissen, dass ein Teil der Bevölke1
Das Projekt wurde im Rahmen des Programms „ISEC
– Prevention and Fight against Crime“ von der
Europäischen Kommission gefördert und von 2013 bis
2016 mit Beteiligten aus Frankreich, Italien, Belgien,
Portugal und Deutschland in Koordination durch das
European Forum for Urban Security (Efus) durchgeführt.
2
Die Expertise vor allem folgender Personen wurde
einbezogen: Dr. Sohail Husain, Direktor Analytica
Consulting, UK; Prof. Dr. Francesc Guillén Lasierra,
Generalitat of Catalonia und Universitat Autònoma de
Barcelona, Spanien; Prof. Dr. Thomas Görgen, Deutsche
Hochschule der Polizei, Münster; Prof. Dr. Renate Soellner,
Universität Hildesheim; Dr. Wolfgang Bandilla, GESIS – Leibniz Institut für Sozialwissenschaften, Mannheim; Andreas
Gleich, Leiter des Amts für Statistik und Stadtforschung,
Augsburg; Anke Schöb, Statistisches Amt, Stuttgart;
Frederick Groeger-Roth und Dr. Burkhard Hasenpusch,
Landespräventionsrat Niedersachsen, Hannover.
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SICHERHEITSGEFÜHL
rung sich in den öffentlichen Räumen
unbehaglich bis unsicher fühlt, ohne
dass die Anlässe greifbar werden, wird
damit sinnvoll ergänzt. Ausgehend von
den in der repräsentativen Befragung
ermittelten Räumen mit hohem Unsicherheitspotenzial und/oder besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen wird eine tiefer gehende Analyse
nachgeschaltet, in der Verfahren der
Bürgerbeteiligung genutzt werden.
Erster Teil: Standardisierte Befragung
In der quantitativen Bevölkerungsbefragung werden die subjektiven
Einschätzungen und Wahrnehmungen zu Gefährdungen und Aufenthaltsbeeinträchtigungen in öffentlichen Räumen erhoben. Dabei werden
die drei Dimensionen der Kriminalitätsfurcht, die in der Kriminologie unterschieden werden, einbezogen.3
Vorgeschlagen wird ein Fragenkatalog
aus 25 geschlossenen und offenen
Fragen, davon:
■■ 5 Fragen zum empfundenen allgemeinen Bedrohungspotenzial (affektive Komponente),
■■ 2 Fragen zur spezifischen Beurteilung der Wahrscheinlichkeit, selbst
Opfer zu werden (kognitive Komponente),
■■ 4 Fragen zu den Auswirkungen der
Kriminalitätsfurcht auf das Verhalten (konative Komponente),
■■ 3 Fragen nach Wünschen und Bedarfen sowie der Einschätzung bestehender kommunaler Maßnahmen,
■■ 11 Fragen zu sozialstatistischen Angaben, die eine differenzierte Auswertung der Ergebnisse bezüglich
40
besonders betroffener Gruppen ermöglichen.
Mit diesem Instrument kann abgebildet werden, welche Sicherheitsprobleme aus Sicht der erwachsenen Bevölkerung bestehen. Der Grad der
Verunsicherung kann im Zeitverlauf in
seinen Schwankungen beobachtet
werden. Orte, die als besonders unsicher erlebt werden, lassen sich kleinräumig lokalisieren. Besorgnisse zu
verschiedenen
Deliktarten
sowie
hinsichtlich der Verkehrssicherheit
­
werden identifiziert. Außerdem wird
­
deutlich, welche Maßnahmen die Bevölkerung für vordringlich hält und
welche Bedarfe bestehen, um die Lebensqualität in puncto Sicherheit in
öffentlichen Räumen zu erhöhen.
Diese Erhebung kann auch im sogenannten „Rucksackverfahren“ an eine
allgemeine
Bevölkerungsbefragung
gekoppelt werden. Eine Fokussierung
auf einen bestimmten Teilraum der
Stadt ist ebenfalls möglich.
Zweiter Teil: Stadtteilrundgänge und/
oder fokussierte Workshops
Als ergänzendes qualitatives Modul
sieht das Konzept des DEFUS-Monitors
Gespräche mit Bewohnergruppen im
Rahmen von fokussierten Workshops
und/oder Stadtteilrundgängen vor.
Grundsätzlich eignen sich diese Verfahren dazu, die Ansichten der Bewohnerschaft über ihre Wohngegend
zu erfahren, Planungsprozesse zu demokratisieren und die Bewohner/-innen zu bestärken, sich für ihre Nachbarschaft
und
ihr
Wohnumfeld
verantwortlich zu fühlen.4 Im Rahmen
des DEFUS-Monitors dienen sie dazu,
die repräsentativ erfragten Ergebnisse zu vertiefen, und zwar im Hinblick
auf konkrete Räume, spezifische Problematiken und besonders betroffene
Bevölkerungsgruppen.
Entsprechende
Veranstaltungen
können von Kriminalpräventiven Räten,
Quartiersmanagern/-innen oder anderen Akteuren im Stadtteil organisiert
werden. Ziel dieses Bausteins ist die detaillierte Erhebung der Hintergründe
und genauen Lokalisierungen von Verunsicherungen und „unbehaglichen“
Räumen. In der gemeinsamen Diskussion können sowohl Ursachen als auch
­Verbesserungsmaßnahmen ausgelotet
und differenziert werden. Diese Angebote können sich auch an Teilgruppen
wenden. Beispielsweise können sie ein3
gl. u. a.: Skogan, W. G. (1993): The Various Meanings of
V
Fear, in: Bilsky, W./Pfeiffer, C./Wetzels, P. (Eds.), Fear of
Crime and Criminal Victimization, Stuttgart, pp. 131–140;
Hohage, C. (2004): Incivilities und Kriminalitätsfurcht, in:
Soziale Probleme. Zeitschrift für soziale Probleme und
soziale Kontrolle, 15. Jg, Heft 1, S. 77–95.
4
gl. European Forum for Urban Security: Practice Sheet
V
„Exploratory Walks, Safety and security walks: Experiences
– Examples“, p. 2 (URL: http://efus.eu/en/topics/
tools-and-methods/audits-and-evaluation/efus/665/
Zugriff vom 28.1.2015); s. a. Swedish National Council for
Crime Prevention (Brottsförebyggande rådet – Brå):
Neighbourhood security survey – a guide (URL: https://
www.bra.se/bra/bra-in-english/home/publications/
archive/publications/2011-02-24-neighbourhood-­
security-survey---a-guide.html Zugriff vom 4.3.2016).
forum kriminalprävention
1/2016
SICHERHEITSGEFÜHL
gesetzt werden, um Hinweise auf die
Wahrnehmungen und Einschätzungen
von Kindern und Jugendlichen zu bekommen. Da die Fragebogenerhebung
an die erwachsene Bevölkerung gerichtet ist, ließe sich damit zumindest ein
Schlaglicht auf die in der Regel anders
gelagerte Perspektive von Kindern und
Jugendlichen werfen.
Pilotphase
Das beschriebene Konzept des
DEFUS-Monitors wurde in Teilen von
den am Projekt beteiligten Städten getestet. Im Anschluss an einen Pretest
durch das GESIS – Leibniz-Institut für
Sozialwissenschaften wurde die quantitative Befragung in der Stadt Düsseldorf eingesetzt. Die Fragen flossen als
ein Bestandteil in die im Sommer 2015
durchgeführte allgemeine Bevölkerungsbefragung mit ein. Die Stadt
Augsburg führte im Frühjahr 2015 zwei
Stadtteilrundgänge entlang der im DEFUS-Monitor beschriebenen Konzeption durch.5 Die Ergebnisse wurden detailliert ausgewertet und weiterverfolgt.
von Vergleichen zwischen verschiedenen Städten gedacht. Im Sinne eines
Monitoring-Konzeptes geht es um die
kontinuierliche Überprüfung der Entwicklungen in einer Stadt, mit einer intern breiten räumlichen und sozialstrukturellen Differenzierung.
Mit der vorgestellten Mustererhebung „DEFUS-Monitor Sicherheitsgefühl“ soll es interessierten Kommunen
erleichtert werden, ein gesichertes
Wissen über die sozialräumlichen Situationen in ihrer Stadt zu erhalten, die
besonders mit einem Gefühl der Ver-
unsicherung verbunden sind. Als ein
methodischer Baustein wird dies Teil
des im Gesamtprojekt erarbeiteten
europäischen Handbuchs zu Sicherheitsaudits. Der DEFUS-Monitor ist auf
der Webseite des Deutsch-Europäischen Forums für Urbane Sicherheit e.
V. (www.defus.de) abrufbar.
Dr. Claudia Heinzelmann ist Geschäftsführerin von DEFUS.
Kontakt: [email protected]
5
Eine Videodokumentation ist auf der Webseite der Stadt
Augsburg abrufbar unter: http://kriminalpraeventionaugsburg.de/dokumentation-stadtteilspaziergang/
Fazit
Die DEFUS-Mustererhebung zielt
auf das Sicherheitsempfinden erwachsener Personen in öffentlichen Räumen ab. Kommunen, die sich über das
subjektive Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung ein detailliertes Bild machen
wollen, erhalten mit dem DEFUS-Monitor ein auf kommunale Erwartungen
zugeschnittenes und erprobtes Konzept zur eigenen Umsetzung. Aufgrund dieser Zielsetzung und Ausrichtung bleiben andere Bereiche von
Kriminalitäts- oder Sicherheitsuntersuchungen ausgeklammert. Zu beachten ist daher, dass für die folgenden
Bereiche andere, spezifische oder umfassendere Untersuchungsinstrumente gewählt werden müssten:
■■ das objektivierte Kriminalitätsvorkommen,
■■ die Perspektiven von Kindern und
Jugendlichen (falls nicht gezielt im
qualitativen Teil einbezogen),
■■ Unsicherheitsgefühle und Gewalterleben im privaten Bereich,
■■ weitergehende Analysen zu den
Entstehungsbedingungen von Kriminalität oder Kriminalitätsfurcht,
■■ Wirkungsevaluationen kriminalpräventiver Maßnahmen.
Der DEFUS-Monitor ist außerdem
nicht als ein Instrument zur Erstellung
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