§6 Rotation und der Satz von Stokes

Mathematik für Ingenieure III, WS 2015/2016
Montag 11.1
$Id: rotation.tex,v 1.8 2016/01/11 13:46:38 hk Exp $
§6
Rotation und der Satz von Stokes
6.3
Vektorpotentiale und harmonische Funktionen
In §4.Satz 2 hatten wir gesehen das ein auf einem einfach zusammenhängenden Gebiet
definiertes, stetig differenzierbares Vektorfeld genau dann ein Potentialfeld ist, wenn es
das Potentialkriterium erfüllt. Für n = 3 bestand dieses Kriterium aus den folgenden
drei Bedingungen an die Komponenten F1 , F2 , F3 unseres Vektorfelds F :
∂F1
∂F2 ∂F1
∂F3 ∂F2
∂F3
=
,
=
,
=
.
∂y
∂x ∂z
∂x ∂z
∂y
Ein Vergleich mit der Formel für die Rotation eines Vektorfelds zeigt das diese drei
Bedingungen gleichwertig zu rot F = 0 sind, die das Potentialkriterium erfüllenden
Vektorfelder sind also genau die wirbelfreien Vektorfelder, d.h.
rot F = 0 ⇐⇒ Es gibt eine Funktion ϕ mit F = grad ϕ,
zumindest solange wir uns in einem einfach zusammenhängenden Gebiet befinden.
Insbesondere ist dies eine inhaltliche Begründung für die Formel rot(grad ϕ) = 0 des
letzten Abschnitts. Diese Beobachtung legt es nahe zu fragen welches die quellenfreien
Vektorfelder sind, also die Vektorfelder F mit div F = 0. Dabei wissen wir bereits
div(rot F ) = 0,
d.h. Wirbelfelder sind quellenfrei. Auf einfach zusammenhängenden Gebieten ist dies
tatsächlich die einzige Bedingung, d.h. es gilt der Satz
Satz 6.2 (Existenz von Vektorpotentialen)
Sei F ein stetig differenzierbares Vektorfeld auf einem einfach zusammenhängenden
Gebiet U ⊆ R3 . Dann ist genau dann div F = 0 wenn es ein stetig differenzierbares
Vektorfeld G mit F = rot G = ∇ × G gibt.
Ein solches Vektorfeld G nennt man dann auch ein Vektorpotential von F . Die Berechnung von Vektorpotentialen ist bei nicht zu komplizierten Definitionsbereich U einfach
möglich, indem analog zur Berechnung von Potentialen über die Methode der unbestimmten Integration aus §4.4 vorgegangen wird. Wir wollen dies allgemein für den
Fall durchführen das F ein quellfreies Vektorfeld auf einer Menge U ⊆ R3 ist, die ein
cartesisches Produkt dreier offener Intervalle ist. Wähle irgendeinen Ausgangspunkt
(a, b, c) ∈ U . Für das gesuchte Vektorpotential G machen wir den willkürlichen Ansatz
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G3 = 0, d.h. die dritte Komponente soll gleich Null sein. Die Rotation eines solchen
Vektorfelds ergibt sich als


2


− ∂G
∂z
F
(x,
y,
z)
1
 !

∂G1
 =  F2 (x, y, z)  .
rot G(x, y, z) = 
∂z


F3 (x, y, z)
∂G2
∂G1
− ∂y
∂x
In der ersten Komponente haben wir die Bedingung
∂G2
= −F1 (x, y, z),
∂z
d.h. G2 muss als Funktion von z eine Stammfunktion von −F1 sein. Schreiben wir diese
Stammfunktion mit einer nur von x, y abhängigen Konstante h1 (x, y) als Integral über
F1 , so ergibt sich
Z
z
G2 (x, y, z) = h1 (x, y) −
F1 (x, y, t) dt.
c
Die Betrachtung der zweiten Komponente liefert analog
Z z
G1 (x, y, z) = h2 (x, y) +
F2 (x, y, t) dt
c
mit einer weiteren stetig differenzierbaren Funktion h2 in x, y. Es wird
∂G2 ∂G1
∂h1
−
=
−
∂x
∂y
∂x
Z
c
z
Z z
∂F1
∂h2
∂F2
(x, y, t) dt −
−
(x, y, t) dt
∂x
∂y
∂y
c
Z z
∂h1 ∂h2
∂F1 ∂F2
=
−
−
+
(x, y, t) dt,
∂x
∂y
∂x
∂y
c
und setzen wir die Bedingung div F = 0 ein, so folgt weiter
∂h1 ∂h2
∂G2 ∂G1
−
=
−
+
∂x
∂y
∂x
∂y
Z
z
∂F3
(x, y, t) dt
∂z
c
∂h1 ∂h2
!
=
−
+ F3 (x, y, z) − F3 (x, y, c) = F3 (x, y, z).
∂x
∂y
Damit müssen h1 und h2 so gewählt werden, das die Gleichung
∂h1 ∂h2
−
= F3 (x, y, c)
∂x
∂y
erfüllt ist. Diese letzte Gleichung können wir jetzt beispielsweise mit
Z x
h1 (x, y) =
F3 (t, y, c) dt und h2 (x, y) = 0
a
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lösen, und erhalten
Z z
Z
G1 (x, y, z) =
F2 (x, y, t) dt und G2 (x, y, z) =
c
x
Z
F3 (t, y, c) dt −
a
z
F1 (x, y, t) dt.
c
Nehmen wir beispielsweise einmal das Vektorfeld
F (x, y, z) = (yz, ex + z, 1),
definiert auf U = R3 . Die Menge U ist ein Produkt U = R × R × R und wir wählen
a = b = c = 0. Weiter ist das Vektorfeld F offenbar quellenfrei, muss also ein Vektorpotential G haben. Die Formeln für das Vektorpotential werden zu
Z z
Z x
Z z
z2
yz 2
x
x
G1 (x, y, z) =
(e + t) dt = e z +
und G2 (x, y, z) =
dt −
yt dt = x −
.
2
2
0
0
0
Ein Vektorpotential von F ist damit gegeben als
 x

e z + 21 z 2
G(x, y, z) =  x − 12 yz 2  .
0
Beachte das das Vektorpotential bei weitem nicht eindeutig festgelegt ist, wir haben
ja an mehreren Stellen völlig willkürliche Ansätze verwendet, ein anderer Rechenweg
würde zu einem ganz anderen Vektorpotential führen.
Wir schauen uns ein weiteres Beispiel für Vektorpotentiale an. Gegeben sei eine stationäre, also zeitunabhängige, Stromdichte j definiert in einer kompakten und
Jordan-meßbaren Menge K ⊆ R3 . Dieser Strom bewirkt dann ein Magnetfeld B das
für p ∈ R3 \K durch das Integral
Z
1
p−q
B(p) =
j(q) ×
dq
c K
|p − q|3
beschrieben wird. Nun ist für p = (x, y, z) ∈ R3 \K und q ∈ K
∂
1
∂
x − q1
=
((x − q1 )2 + (y − q2 )2 + (z − q3 )2 )−1/2 = −
∂x |p − q|
∂x
|p − q|3
und analog für die beiden anderen Variablen, wir haben also
p−q
1
= − grad
,
|p − q|3
|p − q|
wobei sich der Gradient auf p bezieht. Setzen wir dies in die Formel für das Vektorfeld
B ein und gehen einmal davon aus das alle Voraussetzungen zum Vertauschen von
Integration und Differentation gemäß §1.Satz 10 erfüllt sind, so wird für jedes p ∈ R3 \K
Z
Z
Z
1
1
1
j(q)
1
j(q)
B(p) = −
j(q) × ∇
dq =
∇×
dq = ∇ ×
dq,
c K
|p − q|
c K
|p − q|
c
K |p − q|
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d.h. das durch
1
A(p) :=
c
Z
K
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j(q)
dq
|p − q|
3
auf R \K definierte Vektorfeld erfüllt B = rot A und ist damit ein Vektorpotential des
Magnetfelds B. Dieses spezielle Vektorpotential hat eine weitere Eigenschaft, verwenden wir das für eine zeitunabhängige Stromdichte j auch div j = 0 gilt, so läßt sich
mit partieller Integration div A = 0 zeigen, man sagt das das Vektorpotential A in
Coulomb-Eichung vorliegt.
Wir fragen uns nun in wie weit ein Vektorpotential in Coulomb-Eichung eindeutig
bestimmt ist und wie sich ein solches berechnen läßt. Nehmen wir also an wir hätten
eine einfach zusammenhängende, offene Menge U ⊆ R3 und ein stetig differenzierbares
Vektorfeld F auf U mit div F = 0. Nach Satz 2 gibt es dann überhaupt ein Vektorpotential G von F , also ein stetig differenzierbares Vektorfeld G mit F = rot G. Jedes
andere stetig differenzierbare Vektorfeld auf U läßt sich dann als G + H mit einem
stetig differenzierbaren Vektorfeld H auf U schreiben, und wir haben
rot(G + H) = F ⇐⇒ rot G + rot H = F ⇐⇒ rot H = 0.
Andererseits sind die wirbelfreien Vektorfelder auf U genau die Gradientenfelder, also
sind die Vektorpotentiale von F genau die Vektorfelder der Form G + grad ϕ mit einer
zweifach stetig differenzierbaren Funktion ϕ. Weiter ist G + grad ϕ genau dann in
Coulomb-Eichung wenn
div(G + grad ϕ) = div G + div(grad ϕ) = div G + ∆ϕ = 0
gilt, wenn also ∆ϕ = −div G ist. Damit haben wir einen möglichen Rechenweg zur
Bestimmung von Vektorpotentialen in Coulomb-Eichung.
Gegeben: Ein stetig differenzierbares Vektorfeld F mit div F = 0.
Gesucht: Ein Vektorpotential von F in Coulomb-Eichung, d.h. ein stetig differenzierbares Vektorfeld A mit F = rot A und div A = 0.
Methode: Wir gehen in vier Schritten vor.
1. Finde irgendein Vektorpotential G von F , wie dies zu tun ist haben wir
bereits gesehen.
2. Berechne die Divergenz div G dieses Vektorpotentials.
3. Finde eine zweifach stetig differenzierbare Funktion ϕ mit ∆ϕ = −div G.
Hierfür haben wir bisher noch kein allgemeines Rechenverfahren kennengelernt, in günstigen Fällen und solange keine speziellen Randbedingungen zu
berücksichtigen sind, kann man diese Gleichung durch geeignete Ansätze
lösen. Ein Beispiel hierfür findet sich in Aufgabe (37).
4. Berechne schließlich das gesuchte Vektorpotential als A = G + grad ϕ.
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Jetzt kommen wir zur Eindeutigkeitsfrage für Vektorpotentiale in Coulomb-Eichung.
Seien also wieder F ein stetig differenzierbares Vektorfeld auf einem einfach zusammenhängenden Gebiet U ⊆ R3 und G ein Vektorpotential von F in Coulomb-Eichung,
also mit div G = 0. Jedes weitere Vektorpotential von F hat dann die Form G + grad ϕ
mit einer zweifach stetig differenzierbaren Funktion ϕ : U → R und wie oben gesehen
ist dieses genau dann in Coulomb-Eichung wenn ∆ϕ = −div G = 0 gilt. Hierdurch
werden wir auf die folgende Definition geführt.
Definition 6.2 (Harmonische Funktionen)
Sei U ⊆ Rn offen. Eine zweifach stetig differenzierbare Funktion ϕ : U → R heißt
harmonisch, wenn ∆ϕ = 0 gilt, wenn also
∂2ϕ
∂2ϕ
+
·
·
·
+
=0
∂x21
∂x2n
ist.
Damit sind auch die Vektorpotentiale in Coulomb-Eichung nicht eindeutig festgelegt, sie unterscheiden sich um den Gradienten einer völlig willkürlichen harmonischen
Funktion. Es gibt dabei tatsächlich harmonische Funktionen mit von Null verschiedenen Gradienten, ein Beispiel einer solchen harmonischen Funktion ist
1
ϕ(x, y, z) = (x2 + y 2 − 2z 2 ),
2
mit dem Gradienten


x
F := grad ϕ =  y  .
−2z
Trotzdem gibt es unter einer geeigneten zusätzlichen Annahme eine Form der Eindeutigkeit von Vektorpotentialen in Coulomb-Eichung, man muss fordern das das Potential
ausreichend schnell abfällt. Dies ist eine Folgerung einiger Eigenschaften harmonischer
Funktionen, die wir jetzt kurz durchgehen wollen. Wir beschränken uns dabei auf den
dreidimensionalen Fall, die Aussagen gelten aber auch in beliebiger Dimension. Wir
beginnen mit der sogenannten Mittelwerteigenschaft harmonischer Funktionen, da sich
diese rechnerisch herleiten läßt wollen wir auch den Beweis vorführen.
Satz 6.3 (Mittelwerteigenschaft harmonischer Funktionen)
Seien U ⊆ R3 offen und ϕ : U → R eine harmonische Funktion. Weiter seien x0 ∈ U
und r0 > 0 mit Br0 (x0 ) ⊆ U gegeben. Dann gilt für jedes 0 < r < r0 stets
I
Z
1
3
ϕ(p) dσ(p) =
ϕ(p) dp.
ϕ(x0 ) =
4πr2 ∂Br (x0 )
4πr3 Br (x0 )
Beweis: Für 0 < r < r0 , 0 ≤ φ ≤ 2π, 0 ≤ ψ ≤ π schreiben wir
Φ(r, φ, ψ) := (x0,1 + r cos φ sin ψ, x0,2 + r sin φ sin ψ, x0,3 + r cos ψ)
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und betrachten die Funktion
I
1
1
ϕ(p) dσ(p) =
h : (0, r0 ) → R; r 7→
2
4πr ∂Br (x0 )
4π
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Z
ϕ(Φ(r, φ, ψ)) sin ψ d(φ, ψ).
[0,2π]×[0,π]
Für jedes r ∈ (0, r0 ) gilt dann nach §1.Satz 10 und der Greenschen Formel §5.Satz 3.(a)


Z
cos φ sin ψ
1
h0 (r) =
grad ϕ(Φ(r, φ, ψ)) ·  sin φ sin ψ  sin ψ d(φ, ψ)
4π [0,2π]×[0,π]
cos ψ
Z
Z
1
1
∂ϕ
=
∆ϕ(p) dp = 0
dσ =
4πr2 ∂Br (x0 ) ∂n
4πr2 Br (x0 )
da ϕ harmonisch ist. Damit ist h konstant und zur Bestimmung des konstanten Werts
von h beachte das für jedes 0 < r < r0 stets
Z
1 ϕ(p)
−
ϕ(x
)
dσ(p)
|h(r) − ϕ(x0 )| =
0
4πr2 ∂Br (x0 )
1
≤ sup |ϕ(p) − ϕ(x0 )| ·
A(∂Br (x0 )) = sup |ϕ(p) − ϕ(x0 )|
4πr2
p∈∂Br (x0 )
p∈∂Br (x0 )
gilt, also liefert die Stetigkeit von ϕ in x0 auch limr→0 h(r) = ϕ(x0 ) und damit ist
h(r) = ϕ(x0 ) für jedes 0 < r < r0 . Durch Integration in Kugelkoordinaten folgt weiter
auch
Z
Z
ϕ(p) dp =
s2 sin ψ · ϕ(Φ(s, φ, ψ)) d(s, φ, ψ)
Br (x0 )
[0,r]×[0,2π]×[0,π]
Z r Z
Z r
2
=
ϕ(Φ(s, φ, ψ))s sin ψ d(φ, ψ) ds =
4πs2 ϕ(x0 ) ds
0
[0,2π]×[0,π]
0
4
= πr3 ϕ(x0 )
3
wieder für jedes 0 < r < r0 .
Aus der Mittelwerteigenschaft ergibt sich nun der sogenannte Satz von Liouville für
harmonische Funktionen. Angenommen wir haben eine beschränkte harmonische Funktion ϕ : R3 → R, es soll also eine Konstante C ≥ 0 mit |ϕ(p)| ≤ C für alle p ∈ R3
geben. Beachte das wegen
∂ϕ
∂
∆
=
∆ϕ = 0
∂x
∂x
auch ∂ϕ/∂x eine harmonische Funktion ist. Sind also ein Punkt p ∈ R3 und ein beliebiges r > 0 gegeben, so können wir die Mittelwerteigenschaft auf die Ableitung von ϕ
nach x anwenden und mit partieller Integration ergibt sich
Z
Z
∂ϕ
3
∂ϕ
3
qi − p
(p) =
(q) dq =
ϕ(q)
dσ(q)
3
3
∂x
4πr Br (p) ∂x
4πr ∂Br (p)
|qi − p|
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also ist auch
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∂ϕ (p) ≤ 3 C · A(∂Br (p)) = 3C .
∂x 4πr3
r
Da dies für jedes r > 0 gilt ist damit ∂ϕ/∂x(p) = 0. Analog folgt dies für die partiellen
Ableitungen nach y und z und wir haben ϕ0 = 0. Damit haben wir den folgenden Satz
eingesehen:
Satz 6.4 (Satz von Liouville für harmonische Funktionen)
Eine beschränkte harmonische Funktion ϕ : R3 → R ist konstant.
Damit steht alles bereit in gewissen Situationen und unter geeigneten Zusatzannahmen
ein eindeutiges Vektorpotential zu finden. Wir sagen das ein Vektorfeld F : R3 → R3
mindestens von erster Ordnung abfällt wenn es Konstanten C ≥ 0, α > 1 und r0 > 0
mit
C
|F (p)| ≤ α für alle p ∈ R3 mit |p| ≥ r0
|p|
gibt. Ist dann f : R3 → R eine stetig differenzierbare Funktion deren Gradientenfeld
F = grad f mindestens von erster Ordnung abfällt und wählen wir passende Konstanten C, α, r0 zu F so folgt für alle p ∈ R3 mit |p| > r0 auch
Z
p
f (p) − f r0
=
|p| |p|
r0
d
f
dt
Z
≤
|p|
r0
Z
|p| p p dt
dt = F t
r0
|p| |p| C
C
C
1
1
1
dt
=
≤
·
−
,
α−1
α−1
tα
α − 1 r0
|p|α−1
α − 1 r0
p
t
|p|
mit
A :=
sup |f (q)| +
q∈B r0 (0)
C
(α − 1)r0α−1
gilt also |f (p)| ≤ A für jedes p ∈ R3 und somit ist f beschränkt. Haben wir also ein
stetig differenzierbares Vektorfeld F mit div F = 0 und zwei Vektorpotentiale G1 , G2
von F die beide in Coulomb-Eichung sind und mindestens von erster Ordnung abfallen,
so wissen wir bereits das es eine harmonische Funktion ϕ mit G2 = G1 + grad ϕ gibt.
Dann fällt aber auch grad ϕ = G2 − G1 mindestens von erster Ordnung ab, d.h. ϕ ist
beschränkt und nach dem Satz von Liouville sogar konstant. Folglich ist grad ϕ = 0
und damit G1 = G2 . In dieser Situation können wir also ein eindeutiges Vektorpotential
auswählen.
Ob es überhaupt immer ein Vektorpotential in Coulomb-Eichung gibt ist eine kompliziertere Frage, die wir erst später in diesem Semester behandeln wollen.
6.4
Der Helmholtzsche Zerlegungssatz
Wir können unsere Überlegungen zu den Vektorpotentialen noch dazu verwenden eine
weitere Frage zu klären. Gegeben sei ein stetig differenzierbares Vektorfeld F auf einem
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einfach zusammenhängenden Gebiet U ⊆ R3 . Dann haben wir die Divergenz div F von
F und die Rotation rot F von F , also die Quelldichte und die Wirbeldichte von F .
Wir wollen wissen wieweit F durch diese beiden festgelegt ist. Haben wir zwei stetig
differenzierbare Vektorfelder F1 , F2 auf U mit gleichen Quellen div F1 = div F2 und
gleichen Wirbeln rot F1 = rot F2 so ist die Differenz F := F1 − F2 quell- und wirbelfrei,
es gilt also div F = 0 und rot F = 0, d.h. F ist ein Vektorpotential des Nullfeldes in
Coulomb-Eichung. Folglich gibt es eine harmonische Funktion ϕ mit F = grad ϕ. Ist
insbesondere U = R3 und fallen F1 , F2 beide mindestens von erster Ordnung, so trifft
dies auch auf F zu und wir haben F = 0 d.h. F1 = F2 . Ausreichend schnell abklingende
Vektorfelder sind also durch ihre Quellen und ihre Wirbel bestimmt.
Der sogenannte Helmholtzsche Zerlegungssatz gibt dieser Beobachtung eine quantitative Form und sagt genau auf welche Weise sich ein Vektorfeld aus seinen Quellen
und Wirbeln zusammensetzt.
Satz 6.5 (Helmholtzscher Zerlegungssatz im R3 )
Sei F : R3 → R3 ein ausreichend schnell abklingendes, stetig differenzierbares Vektorfeld im R3 . Genauer soll es Konstanten C1 , C2 > 0, α > 2 und β > 3 mit
∂Fi C1
C2
|F (x)| ≤ α und (x) ≤ β
|x|
∂xj
|x|
für alle 1 ≤ i, j ≤ 3 und alle x ∈ R3 mit |x| ≥ 1 geben. Dann gilt
Z
Z
div F (y)
rot F (y)
1
F (x) =
dy − grad
dy
rot
4π
R3 |x − y|
R3 |x − y|
für alle x ∈ R3 . Insbesondere ist F durch div F und rot F bereits eindeutig festgelegt.
Auf einen Beweis wollen wir hier verzichten, nur die letzte Aussage haben wir bereits
eingesehen, sogar unter schwächeren Vorausetzungen. Insbesondere kann man Vektorfelder die die Voraussetzungen des Satzes erfüllen als Summen aus einem Gradientenfeld
und einem Wirbelfeld schreiben, oder anders gesagt als Summe eines quellfreien und
eines wirbelfreien Vektorfeldes. Für diese Form der Helmholtz-Zerlegung werden die
Voraussetzungen an F nicht gebraucht, stetige Differenzierbarkeit reicht aus. Die Existenz einer solchen Zerlegung kann man dann auch für allgemeinere Definitionsbereiche
als den ganzen R3 einsehen, und erhält dann den allgemeinen Helmholtzschen Zerlegungssatz. Auf die genaue Formulierung dieses Satzes wollen wir hier aber verzichten.
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