Mitarbeiter-Screening – Alles Terroristen?

MITARBEITER‐SCREENING
Alles Terroristen?
Prof. Dr. Peter Wedde
Hannover 4. November 2015
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Worum wird es gehen?
1. Mitarbeiter‐Screening – wozu?
2. Screening als Mittel der Terrorismusbekämpfung –
Normative Grundlagen
3. Konsequenzen für Unternehmen
4. Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen 5. Möglichkeiten und Grenzen zulässiger Screenings
6. Mitwirkung und Mitbestimmung? – Handlungsmöglich‐
keiten für Betriebsräte
7. Was tun?
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1. Mitarbeiter‐Screening – wozu?
 Als Begründung für die Durchführung von Mitarbeiter‐
Screenings werden unterschiedliche Argumente genannt. Gesetzliche Verpflichtungen zur „Terrorismusbekämpfung“
Pflicht zur Durchführung von Compliance‐Maßnahmen
Schutz von Betriebs‐ und Geschäftsgeheimnissen Abwendung von Gefahren und Nachteilen für das Unternehmen
„Industriestandard“
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Durchführung
 Durchgeführt werden unterschiedlichste Maßnahmen wie etwa strukturierter Abgleich der HR‐Datenbanken mit „Antiterror‐
Listen“,
Auswertung vorhandener HR‐Datenbanken nach bestimm‐
ten Kriterien, die teilweise selbst entwickelt sind, Kontrolle ein‐ und ausgehender Daten (insbesondere von E‐Mails) mit DLP‐Systemen, auf bestimmte Personen bezogene gezielte Auswertungen usw.
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2. Normative Grundlagen
 Unternehmen sind durch einschlägige gesetzliche Vorga‐
ben verpflichtet, bestimmte Screenings durchzuführen.
 Grundlegende Vorgaben finden sich in den sog. „EU‐Anti‐
terrorverordnungen
Nr. 2580/2001 vom 27.12.2001 („Terrorismus“) in der Fassung vom 31. Juli 2015 und Nr. 881/2002 vom 27.5.2002 („Al Quaida“ und „Taliban“) in der Fassung vom 8. Oktober 2015
 Keine Verpflichtung leitet sich aus US‐amerikanischen Vorgaben und US‐Antiterrorlisten ab. Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 6
EU‐Antiterrorverordnungen Nr. 2580/2001
Zielrichtung gemäß Art. 2 Abs. 1 : Abgesehen von bestimmten Ausnahme
a) werden alle Gelder, andere finanzielle Vermögenswerte und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren, die einer in der Liste (…) aufgeführten natürlichen oder juristischen Person (…) gehören oder in deren Eigentum stehen oder von ihr verwahrt;
b) werden weder direkt noch indirekt Gelder, andere finan‐
zielle Vermögenswerte und wirtschaftliche Ressourcen für eine in der Liste (…) aufgeführte natürliche oder juristische Person (…) oder zu ihren Gunsten bereitgestellt.
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„Einfrieren“
Art. 1 Nr. 1 VO (EG) 2580/2001
Das „Einfrieren von Geldern, anderen finanziellen Vermö‐
genswerten und wirtschaftlichen Ressourcen“ ist die Verhin‐
derung jeglicher Form von Bewegungen, Transfers, Verän‐
derungen, Verwendung von Geldmitteln und Handel mit ihnen, die deren Volumen, Beträge, Belegenheit, Eigentum, Besitz, Eigenschaften oder Zweckbestimmung verändern oder andere Veränderungen bewirken, mit denen eine Nutzung der Mittel einschließlich der Vermögensverwaltung ermöglicht wird.
Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 8
EU‐Antiterrorverordnungen Nr. 881/2002
Zielrichtung gemäß Art. 2: Abs. 1: Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz der in Anhang (….) aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisatio‐
nen, Einrichtungen und Vereinigungen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden
eingefroren.
Abs. 2: Den in Anhang I aufgeführten natürlichen und juristi‐
schen Personen, Organisationen, Einrichtungen und Vereinigungen dürfen weder unmittelbar noch mit‐
telbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen.
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EU‐Antiterrorverordnungen Nr. 881/2002
Zielrichtung gemäß Art. 2: Abs. 3: Anhang I umfasst die natürlichen und juristischen Per‐
sonen, Organisationen, Einrichtungen und Vereini‐
gungen, die vom Sicherheitsrat der VN oder vom Sanktionsausschuss als mit Osama bin Laden, dem Al‐
Qaida‐Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehend benannt wurden.
Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 10
EU‐Antiterrorverordnungen Nr. 881/2002
Zielrichtung gemäß Art. 2: Abs. 4: Die betreffenden natürlichen und juristischen Perso‐
nen [= die Geld einfrieren] können im Zusammenhang mit dem Verbot nach Absatz 2 nicht haftbar gemacht werden, wenn sie nicht wussten und keinen Grund zu der Annahme hatten, dass sie mit ihrem Handeln gegen das Verbot verstoßen.
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„Namenslisten“ – stets aktuell
 Aktuelle „Namenslisten“ terrorismusverdächtiger Personen stehen im Internet bereit, etwa unter http://www.ausfuhrkontrolle.info/ausfuhrkontrolle/de/
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Handlungszwänge am Beispiel der EU‐VO 881/2002
 Art. 4 Abs. 1 untersagt die wissentliche und beabsichtigte Beteiligung an Tätigkeiten, deren Ziel oder Folge direkt oder indirekt die Umgehung der Verbote aus der Verord‐
nung sind.  Art. 5 Abs. 1 verpflichtet alle natürlichen und juristischen, mit den zuständigen nationalen Behörden zusammen zu arbeiten. Ort ‐ Thema ‐ Datum © Wedde 2015 / Seite 15
Haftungsausschluss
am Beispiel der EU‐VO 881/2002
Art. 6 EU‐VO 881/2002  stellt natürlichen und juristischen Personen, Organisa‐
tionen und Einrichtungen sowie deren Führungskräfte und Beschäftigte, die im guten Glauben, im Einklang mit dieser Verordnung zu handeln, Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen einfrieren oder ihre Bereitstellung ablehnen, von der Haftung frei,  es sei denn, es ist nachgewiesen, dass das Einfrieren oder Zurückhalten der Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen auf Fahrlässigkeit beruht.
Ort ‐ Thema ‐ Datum © Wedde 2015 / Seite 16
3. Konsequenzen für Unternehmen
 Die Verpflichtungen aus den EU‐Verordnungen treffen neben Banken, Finanzinstituten und Versicherungsge‐
sellschaften alle sonstigen Einrichtungen und Personen.  Über die konkrete Umsetzung dieser Verpflichtung sagen die EU‐Verordnungen nichts aus. Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 17
Umsetzung der Verpflichtung?
 Aussagen zur Umsetzung gibt es sowohl von der Bundesre‐
gierung als auch von den staatlichen Datenschutzauf‐
sichtsbehörden.  Ergebnis ist in beiden Fällen, dass eine grundsätzliche Verpflichtung zur Umsetzung besteht.  Offen bleibt, welche „Kontrolltiefe“ erforderlich ist. Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 18
Aussagen der Bundesregierung am 3.12.2010 zur „Kontrolltiefe“
„Auf der Basis der genannten Verordnungen ist ein Abgleich von Mitarbeiterdaten mit den Namenslisten der Sanktions‐
rechtsakte daher zulässig. Unternehmen und andere Wirt‐
schaftsbeteiligte sind nicht zu einem systematischen, an‐
lassunabhängigen Abgleich ihrer Kunden‐ und Mitarbeiter‐
dateien verpflichtet, sondern allenfalls nach Maßgabe von Sorgfaltspflichten. (Auszug aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten)
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Aussagen der Bundesregierung am 3.12.2010 zur „Kontrolltiefe“
„Auch die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Terrorismusverordnungen keinen systematischen, anlassun‐
abhängigen Abgleich von Mitarbeiterdateien mit den Sanktionslisten verlangen. Allenfalls nach Maßgabe von Sorgfaltspflichten und differenzierend nach verschiedenen Verkehrskreisen und Risikolagen seien solche Abgleiche zulässig. Es bleibe den Unternehmen überlassen, wie sie die Einhaltung der Terrorismusverordnungen sicherstellen
(Auszug aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten)
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Empfehlung der staatlichen Datenschutzaufsichtsbe‐
hörde zur „Kontrolltiefe“ vom 23.11.2011
Vor dem Hintergrund der Aussagen der Bundesregierung vom 3.12.2010 empfiehlt und fordert der „Düsseldorfer Kreis“ (eine Arbeitsgruppe der Datenschutzaufsichtsbehör‐
den) : „Unternehmen sollten Datenscreenings nicht pauschal und anlasslos durchführen. Da die Lohnzahlung nur unbar erfolgt, die Kreditinstitute nach § 25c Kreditwesengesetz (KWG) ohnehin Abgleiche mit den Terrorlisten vornehmen, ist ein Datenabgleichverfahren innerhalb des Unternehmens mit Mitarbeiterdaten nicht geboten.“
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Position des Bundesfinanzhofs (BFH)
 Das höchste deutsche Finanzgericht vertritt in einer Ent‐
scheidung vom 19.6.2012 für das Spezialthema eines „AEO‐Zertifikats Zollrechtliche Vereinfachungen/Sicher‐
heit“ die Position, dass dessen Erteilung von der Bedin‐
gung abhängig gemacht werden darf, dass der Antrag‐
steller in sicherheitsrelevanten Bereichen tätige Bedien‐
stete einer Sicherheitsüberprüfung anhand der sog. EU‐
Terrorismuslisten unterzieht.
 Die Entscheidung beinhaltet allerdings keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der strittigen Frage der Anwend‐
barkeit von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG.
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Fazit: Keine unbegrenzten Kontrollpflicht
 Grundsätzlich besteht eine Verpflichtung von Unterneh‐
men zu einer auf die EU‐Antiterrorlisten bezogenen Über‐
prüfung ihrer Belegschaften.
 Diese Verpflichtung beinhaltet jedoch nicht die Notwen‐
digkeit eines permanenten und umfassenden Abgleichs –
mit Ausnahme des Bereichs „AEO‐Zertifizierung“.
 Unternehmen müssen bei der Ausgestaltung von Kontroll‐
verfahren allgemeine gesetzliche Vorgaben wie insbeson‐
dere das Bundesdatenschutzgesetz beachten. Hieraus können sich Begrenzungen für die Durchführung von Screening‐Verfahren ableiten.
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4. Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen
 Die Durchführung von „Antiterror“‐Screenings bezieht sich auf personenbezogenen Daten und muss deshalb die Vor‐
gaben des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) beachten. Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 24
Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen für ein „Antiterror“‐Screening
 Die beiden EU‐Verordnungen zum Thema „Antiterror“‐
Screening sind Erlaubnistatbestände gemäß § 4 Abs. 1 BDSG.
 Erlaubnisnormen müssen verfassungsmäßige Rechte wahren. Hierzu gehört insbesondere das „Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“, dass das BVerfG 1983 in seiner „Volkszählungsentscheidung“ formuliert hat.  Die Vorgaben in den beiden EU‐Verordnungen werden der Forderung des BVerfG nach einer bereichsspezifischen und präzisen Festlegung der Verwendungszweck nicht umfassend gerecht. Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 25
Vorgaben des BVerfG zur Recht auf informationelle Selbstbestimmung  „Einschränkungen dieses Rechts auf "informationelle Selbstbestimmung" sind nur im überwiegenden Allgemein‐
interesse zulässig. Sie bedürfen einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen muss. „
 „Ein Zwang zur Angabe personenbezogener Daten setzt voraus, dass der Gesetzgeber den Verwendungszweck bereichsspezifisch und präzise bestimmt und dass die Angaben für diesen Zweck geeignet und erforderlich sind.“ Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 26
Konsequenzen?
 Die unter Anlegung des Maßstabs des Bundesverfassungs‐
gerichts festzustellenden Defizite begründen Zweifel an der Wirksamkeit der beiden EU‐Verordnungen als eigen‐
ständige Erlaubnistatbestände i.S. des § 4 Abs. 1 BDSG.
 Die Durchführung eines entsprechenden Abgleichs bedarf damit einer gesonderten datenschutzrechtlichen Grund‐
lage. Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 27
Datenschutzrechtliche Erlaubnistatbestände
 Ein Abgleich von Beschäftigtendaten auf Grundlage von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist für den Bereich der AEO‐Zer‐
tifizierung nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 19.6.2012 zulässig.  Demgegenüber hat der „Düsseldorfer Kreis“ im April 2009 festgestellt, dass der Abgleich mit „Verdächtigenlisten“ nicht dem Arbeitsvertragsverhältnis dient.  Ob sich aus § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG eine pauschale Er‐
mächtigung für einen regelmäßigen flächendeckenden Datenabgleich ergibt, ist damit datenschutzrechtlich offen. Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 28
Datenschutzrechtliche Erlaubnistatbestände
 Ein datenschutzrechtliche Legitimation für den Abgleich von Beschäftigtendaten lässt sich auch nicht aus anderen Tatbeständen des BDSG herleiten.  So setzt etwa § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG voraus, dass „doku‐
mentierte tatsächliche Anhaltspunkte“ für die Straftat eines einzelnen Beschäftigten vorliegen.  Der Tatbestand des „berechtigten Interesses“ in § 28 Abs. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG (seine Anwendbarkeit unter‐
stellt!) scheitert daran , dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.
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Datenschutzrechtliche Erlaubnistatbestände
 Datenschutzrechtliche Tatbestände, die einen umfassen‐
den und permanenten Abgleich der Beschäftigtendaten mit EU‐“Antiterrorlisten“ legitimieren würden, lassen sich aus dem BDSG nicht ableiten.  Ein umfassender und permanenter Datenabgleich ist damit ohne datenschutzschutzrechtliche Grundlage.
 Zulässig kann hingegen ein einmaliger Abgleich (etwa bei Beschäftigungsbeginn) oder ein wiederholter Abgleich bezogen auf veränderte Listeninhalte sein, weil für diese Verarbeitung ein Zweck klar erkennbar ist. Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 30
5. Möglichkeiten und Grenzen
 Es gibt keine allgemeine Verpflichtung, einen permanen‐
ten und umfassenden Abgleich der in einem Unternehmen Beschäftigten mit den EU‐“Antiterrorlisten“ durchzufüh‐
ren.  Zulässig ist hingegen ein einmaliger Abgleich, an den sich Folgeprüfungen anschließen, die sich auf einen Abgleich mit geänderten Daten beschränken. Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 31
Möglichkeiten und Grenzen
 Soweit Screenings zulässig sind, müssen sich die hierfür verwendeten Daten schon mit Blick auf in § 3a BDSG ent‐
haltene Gebot der Datenvermeidung und Datensparsam‐
keit auf das notwendige Minimum beschränken.  Ggf. ist ein abgestuftes Verfahren zu wählen, das zusätz‐
liche Daten erst hinzufügt, wenn dies zur Unterscheidung von Personen erforderlich wird.
Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 32
Filterkriterien
 Als Filterkriterien kommen alle Arten von personenbezo‐
genen Daten in Betracht, die in den EU‐“Antiterrorlisten“ enthalten sind, also insbesondere Name, Vorname, Anschrift, Geburtsort
Geburtstag usw.  Ausgeschlossen sind Arten personenbezogener Daten, die auf den EU‐“Antiterrorlisten“ nicht auftauchen (etwa Per‐
sonalnummern).
Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 33
Namensähnlichkeit  Aus datenschutzrechtlicher Sicht darf nur eine Suche bezogen auf die konkret in den EU‐“Antiterrorlisten“ benannten personenbezogenen Daten erfolgen.  Eine „Ähnlichkeitssuche“ ist gesetzlich nicht vorgesehen und wäre ohne datenschutzrechtliche Grundlage. Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 34
6. Mitwirkung und Mitbestimmung
 Die Tatsache, dass grundsätzlich eine Verpflichtung zu Lasten von Arbeitgebern besteht, einen (begrenzten) Da‐
tenabgleich vorzunehmen, führt nicht zwingend dazu, dass Mitwirkungs‐ und Mitbestimmungsrechte von Betriebs‐
räten ausgeschlossen sind.  Neben allgemeinen Informationsrechten nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG können auch die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 und 1 BetrVG einschlägig sein. Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 35
Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
 Der Abgleich von Beschäftigtendaten mit EU‐“Antiterror‐
listen“ wird im Regelfall nicht manuell erfolgen, sondern unter Einsatz von IT‐Systemen.  Damit wird das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ausgelöst (=in der Literatur strittig!).
 Dieses Mitbestimmungsrecht besteht bezüglich techni‐
scher Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhal‐
ten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 36
Streit um die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
 Für das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG spricht insbesondere
dass Modifikationen bestehender (mitbestimmter) Systeme durchgeführt werden bzw. dass Schnittstellen zu anderen Systemen eröffnet werden; dass Arbeitgeber Informationen über außerdienstliches Verhalten von Beschäftigten erlangen können; dass im Regelfall Informationen über die Beschäftigten erzeugt werden, die die Systeme bedienen.
Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 37
Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
 Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Ver‐
haltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Keine Mitbestim‐
mung ist hingegen bezogen auf individuelle Anweisungen zum Arbeitsverhalten gegeben.  Das Mitbestimmungsrecht ist einschlägig für „Compliance‐
Regelungen“ oder für „Ethik‐Richtlinien“.
 Da die Ausgestaltung von Screening‐Verfahren nicht auf das individuelle Arbeitsverhalten zielt, sondern allgemeine Vorgaben enthält, wird das Mitbestimmungsrecht ausge‐
löst (strittig!).
Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 38
7. Was tun?
 Betriebsräte sollten unumgängliche Verfahren zur „Terrorismusprüfung“ auf der Grundlage bestehender Mitwirkungs‐ und Mitbestimmungsrechte aktiv mit gestalten.  Auf dieser Grundlage ist eine Ausgestaltung möglich, bei der Eingriffe in Rechte der Beschäftigten so gering wie möglich bleiben.
Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 39
Was tun?
 Gestaltungsansätze
Einmaliger Gesamtabgleich, gefolgt von Prüfungen, die sich auf die „Veränderungsdaten“ beschränken. Einsatz transparenter Verfahren. Festlegung einer strikten Zweckbindung und (unterhalb der Schwelle terroristischen Handelns) Verankerung eines Beweisverwertungsverbots für andere Zwecke.
Unterstützung betroffenen Personen bis zum Abschluss des Prüfverfahrens, soweit dies gesetzlich möglich ist. Hannover ‐ 4.11.2015 ‐ Mitarbeiter‐Screening und Mitbestimmung ©Wedde 2015 Seite 40
Dr. Peter Wedde
Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences ‐ FRA UAS
Fachbereich 2 ‐ Informatik und Ingenieurwissenschaften
Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Datenschutz, Arbeits‐
recht und Technologieberatung ‐ d+a consulting GbR, Eppstein
Beratung von Betriebs‐ und Personalräten zu Themen wie etwa
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Datenschutz und Beschäftigtendatenschutz Einführung und Änderung von IT‐Systemen und von neuen Technologien Regelungen zu Verhaltens‐ und Leistungskontrollen
Regelungen zur Auftragsdatenverarbeitung und zur transnationalen Daten‐
übermittlungen  Umgang mit „Social Media“ und „Social‐Business‐Anwendungen“  Softwareergonomie und Gesundheitsschutz
Wissenschaftlicher Berater des Rechtsanwältinnenbüros Steiner, Mittländer & Fischer, Frankfurt
wedde@da‐consulting.de www.da‐consulting.de Tel.: 06198‐8045 Mobil: 0171 3802499
Postanschrift: d+a consulting GbR, Hasenborn 9a, 65817 Eppstein