38 WIRTSCHAFT Hinweisschild der Viktoriagruppe in Krailing. Das dort gelagerte Dieselöl ist „ein großes Problem für die deutsch-tschechischen Beziehungen“, sagt Bohuslav Sobotka. Am Montag will der Premier darüber mit Angela Merkel sprechen Zufahrt zum Tanklager in Krailing: Vor der Privatisierung nutzten Wehrmacht, das amerikanische Militär und die Nato das Gelände G In der Nähe von München lagern 75 Millionen Liter Diesel – als Notreserve des tschechischen Staats. Doch zwischen Prag und dem Treibstoff steht nun ein Insolvenzverwalter Der tschechische Premierminister Bohuslav Sobotka will das Thema am Montag bei seinem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel in Berlin ansprechen. Es geht um die Frage, welchen Anspruch die Tschechische Republik auf insgesamt 75 Millionen Liter Diesel hat, die dort im Auftrag der Regierung in Prag eingelagert sind. Ihr Wert: 43 Millionen Euro. Das Volksvermögen der Tschechischen Republik: Es lagert zum Teil im Waldboden vor München. ANZEIGE VON JAN BROZ UND GERHARD HEGMANN ? www.datev.de/steuerberater Jetzt steht dieses Treibstofflager im Mittelpunkt eines bizarren und undurchsichtigen Insolvenzfalls, der höchste politische Kreise beschäftigt. Das Gelände in der bayerischen Gemeinde Krailling wird rund um die Uhr bewacht und ist nicht frei zugänglich. Rein rechtlich ist es ein „Störfallbetrieb“ mit Auflagen für den Umweltschutz und mit Bewachung. Zu wertvoll ist der Treibstoff in den etwa 30 unterirdischen Stahltanks, die von 70 Zentimeter dicken Betonwänden umschlossen sind. Zu den früheren Besitzern zählen die Wifo, eine Tarnfirma der Wehrmacht für kriegswichtige Rohstoffe, die amerikanischen Streitkräfte und die Nato. Vor sechs Jahren wechselte der Eigentümer wieder einmal, die Tanks wurden vom Tanklagerbetreiber TanQuid an die Viktoriagruppe AG veräußert, eine Firma, die vor Ort ihren Sitz hat und Wurzeln in der Tschechischen Republik. Diese Firma befindet sich jetzt in der Insol- venz, und um den Rohstoff in ihren Tanks wird nun heftig gestritten. Es ist ein Konflikt mit Ansage. Schon als die Viktoriagruppe das Lager Mitte des Jahres 2009 kaufte, war nicht klar, wer letztlich hinter der Gesellschaft stand. Die Gemeinde Krailling wurde mit dem Versprechen auf Millioneninvestitionen umgarnt. Die Aktionäre der AG hätten Vermögen, hieß es vage. Der tschechische Vorstand Petr Maly und Christoph Hoenning als Aufsichtsrat erklärten bereits beim Kauf, dass in den Tanks mit 110 Millionen Liter Fassungsvermögen vor allem Kraftstoffreserven für den tschechischen Staat eingelagert werden sollen. Die Gesellschaft hatte zudem kleinere Lager in der Tschechischen Republik. Der Handel mit Erdölprodukten und deren Lagerung war für die Viktoriagruppe offensichtlich kein gutes Geschäft. Der jüngsten im Bundesanzeiger hinterlegten Bilanz zufolge sank der Umsatz 2012 um 15 Prozent auf 109 Millionen Euro. Unter dem Strich stand ein Verlust von 0,7 Millionen Euro. Nach einem internen Machtkampf und dubiosen Geschäftsvorgängen meldete Vorstand Maly im Dezember 2014 Insolvenz für die Viktoriagruppe AG an. Zum Insolvenzverwalter wurde der Jurist Mirko Möllen von der Münchner Kanzlei Pluta bestellt. Seit Verfahrenseröffnung am 1. Februar hat er das alleinige Ein mit Gasflaschen beladener Lastwagen trifft bei der Viktoriagruppe ein. Wer Eigentümer des Unternehmens ist, ist umstritten Sagen. Möllen ist sich bewusst: Der Fall ist keine 08/15-Pleite. Er ist vielmehr komplex, heikel und politisch aufgeladen. Hauptgläubiger ist niemand Geringerer als der tschechische Staat, der Vermögen aus Deutschland zurückhaben möchte. Der tschechische Ministerpräsident Sobotka hat auch den deutschen Botschafter in Prag zu sich bestellt. Doch Insolvenzverwalter Möllen beeindruckt das nicht. Er ist nur an das deutsche Insolvenzrecht gebunden. Der tschechische Staat lagerte seit 2004 einen Teil seiner Diesel-Notreserven bei der geheimnisvollen Firma. Anfangs ging es nur um kleinere Lager in Tschechien. Sechs Jahre später fiel die Entscheidung, aus Kostengründen auch die Tanks in Bayern zu nutzen. Es wurden also Diesel-Notreserven eines Staates in einem anderen Staat gelagert, die Beschaffung und Mindestreservemengen vereinbart. Zwar gab es wegen der unklaren Eigentümerstruktur der Viktoriagruppe angeblich gewisse Zweifel an der Sicherheit. Trotzdem hielt die Verwaltung der SSHR, einer staatlichen Behörde für Rohstoffreserven, an dem Plan fest. Man erhoffte sich Ersparungen von über einer Million Euro im Jahr. Die SSHR lagerte in Bayern den Dieselbedarf von Tschechien für etwa zwei Tage ein. Zum Vergleich: Die gesamten Notreserven unseres Nachbarn reichen für insgesamt rund 95 Tage. © 2015 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten. ANZEIGE DAS IST T WENN ER CHRISTIAN IST. W Christian Sailer Bereichsvorstand Audit Ganghoferstraße 29 80339 München 3 . M A I 2 015 Sie wollen ihr Öl zurück eheimnisumwoben ist das gut 200 Hektar große Gebiet vor den Toren Münchens schon lange. Vor fast 100 Jahren wurde im Kreuzlinger Forst damit begonnen, Erde auszuheben. Die Arbeiten wurden getarnt als Baustelle für eine angeblich geplante Schokoladenfabrik. Tatsächlich aber wurden Tanks vergraben – als Lager für das Militär. Bei wem ist Ihre Lohnabrechnung in den besten Händen W E LT A M S O N N TA G N R . 18 T 089 9282-1114 M 0173 5764691 [email protected] KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Christian ist ein großer Fan von New York. Die heimliche Hauptstadt des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten inspiriert zu eigenen Höchstleistungen. Genau darum geht es ihm auch bei der Beratung seiner Mandanten. Er hilft jedem, sein ganz persönliches Optimum zu erreichen. Eine Philosophie, mit der vieles anders wird: Einfach. KPMG. Besuchen Sie uns doch mal auf persoenlich.kpmg.de Ein Vertrag zwischen Deutschland und Tschechien sollte absichern, dass die Reserven „jederzeit ohne Hindernisse auf das souveräne Gebiet der Tschechischen Republik transportiert werden können“. Die Beamten in Prag haben dabei aber eher an einen politischen Krisenfall gedacht und nicht an das Risiko einer Insolvenz des deutschen Lagerbetreibers. Nach der Pleite der Viktoriagruppe AG fürchtet Tschechien nicht nur um die Dieselreserven. Die Firma hatte auch Steuer- und Zollschulden beim Tschechischen Staat, 13 Millionen Euro insgesamt. Weitere rund zehn Millionen Euro möchte die SSHR für Diesel, der schon vor dem Insolvenzantrag im Dezember unter ungeklärten Umständen verschwunden ist. Alles in allem hat Tschechien an die Victoriagruppe Ansprüche in Höhe von 65 Millionen Euro. Aber als normaler Gläubiger will sich der Staat nicht sehen: Nach Ansicht der SSHR wurde der Diesel bei der Viktoriagruppe nur „gelagert“, sei also kein Teil der Insolvenzmasse. „Wir haben dem Insolvenzverwalter alle nötigen Dokumente geliefert, ich bin davon überzeugt, dass 100 Prozent von dem in Krailling gelagerten Diesel uns gehört“, sagt SSHR-Chef Pavel Švagr der „Welt am Sonntag“. Der Insolvenzverwalter sieht das anders. „Es bestehen erhebliche, im deutschen Sachenrecht wurzelnde Rechtsgründe, die gegen einen wirksamen Eigentumserwerb der Tschechischen Republik sprechen“, lässt Möllen mitteilen. Insolvenzexperten sehen es als Schlüsselfrage an, ob der tschechische Staat das Recht auf eine sogenannte Aussonderung aus der Insolvenzmasse hat – oder eben einfach nur ein Gläubiger mit sehr hoher Forderung ist. Notwendig sei auch ein Nachweis, wer eigentlich das Öl beschafft und bezahlt hat. Ein Experte erklärt es so: „Das ist so, als wenn man ein Auto bestellt und beim Händler bezahlt. Der Händler geht pleite, bevor das Auto ausgeliefert wurde. Dann landet der Käufer auch auf der Gläubigerliste und bekommt wahrscheinlich nur einen Bruchteil.“ Beim ersten Prüfungstermin am 21. April dieses Jahres hat Insolvenzverwalter Möllen vorerst nur Ansprüche von ein paar kleineren der insgesamt mehr als fünfzig Gläubiger der Viktoriagruppe anerkannt, etwa die Grundsteuer der Gemeinde Krailling oder Forderungen des Freistaates Bayern. Auch tschechische Energielieferanten oder Anwälte hatten Glück – der tschechische Staat dagegen nicht. Alle Ansprüche der tschechischen Regierung wurden zunächst abgelehnt. Die vom Finanzamt, vom Zoll und auch die von der SSHR. Dafür hat man in Prag kein Verständnis, man will sich nicht zufriedengeben. Der Fall sei „ein großes Problem für die deutsch-tschechischen Beziehungen“, sagte Ministerpräsident Sobotka zuletzt. Die Behörden bereiten jetzt eine Klage beim Landgericht vor. „Ich sehe nicht viel andere Möglichkeiten,“ erklärt SSHR-Chef Švagr. In Prag hofft man allerdings, dass das ganze Insolvenzverfahren noch eine überraschende Wende nimmt. Denn im Hintergrund läuft im Tschechien ein Verfahren, das die dubiosen Eigentumsverhältnisse der Viktoriagruppe klären soll. Nach Angaben im deutschen Handelsregister und im Bundesanzeiger gab 2014 offensichtlich einen Machtkampf in der Firma zwischen Vorstand Maly und seinem tschechischen Partner Rostislav Halášek. Es kam zu Neubesetzungen im Aufsichtsrat und Vorstand. Doch die alte Garde warf die neue Mannschaft nach kurzer Zeit wieder raus – wegen „deliktischer Vorkommnisse“, wie es im Handelsregister heißt. Nach Jahren der Geheimniskrämerei behauptete nun Halášek gegenüber der tschechischen Wochenzeitschrift „Respekt“, er und Maly seien die Gründer und Eigentümer der Viktoriagruppe. Maly widerspricht dem – die tatsächliche Aktionärsstruktur will er aber nicht offenlegen. Der Tageszeitung „MF Dnes“ zufolge strebt Halášek jetzt an, dass alle Schritte, die Maly nach März 2014 unternommen hat, als ungültig erklärt werden. Das würde auch den Insolvenzantrag betreffen. Zu besagten dubiosen Vorgängen gehört auch, dass im März vergangenen Jahres bei einem Notar im nordbayerischen Rehau der Tscheche Martin Toms als Bevollmächtigter eines Unternehmens namens Ciolit Holdings Ltd. vorstellig wurde. Er legte Dokumente vor, nach denen die Firma mit Sitz in Zypern der Alleinaktionär der Viktoriagruppe sei. Als Beleg dafür präsentierte er 50 Aktienurkunden aus dem Jahr 2009 im Original, die mit der Unterschrift von Vorstand Maly versehen waren. Es fand eine Art außerordentliche Hauptversammlung beim Notar statt. Das Protokoll dieser Veranstaltung liegt der „Welt am Sonntag“ vor. Gegenüber dieser Zeitung erklärte der 31-jährige Toms dann allerdings, dass er sich praktisch an nichts mehr erinnern könne. „Ohne die Zustimmung der Klienten, mit denen ich zusammenarbeite, kann ich sowieso nichts sagen. Und ich möchte mich auch nicht mehr äußern, da ich nicht weiß, um was es geht.“ Fest steht jedoch: Gleich am Tag nach dem Notartermin flogen Halášek und seine Partner aus dem Vorstand und Aufsichtsrat raus und Maly hatte allein das Sagen. ANZEIGE Belege suchen war gestern – und wie bucht man heute ? www.datev.de/steuerberater Insolvenzverwalter Möllen ist allerdings gleichgültig, wer hinter dem Schuldner Viktoriagruppe steht. Er muss Vermögenswerte sichern und dann an die Gläubiger ausschütten. Bis der Krimi von Krailling gelöst ist, kann es jedoch noch eine Weile dauern. Bei einem so großen Insolvenzfall muss der Gläubigerausschuss dem Ergebnis mehrheitlich zustimmen. Und auch hier hält das deutsche Recht noch eine unerfreuliche Nachricht für die Tschechen bereit. Denn es besagt, dass der Hauptbetroffene der Pleite – in diesem Fall der tschechische Staat – in dem Ausschuss gar kein Stimmrecht besitzt. Auch darüber wird aus Sicht von Premierminister Bohuslav Sobotka am Montag in Berlin zu reden sein – im Bundeskanzleramt.
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