Kfz-Werkstatt gegen Versicherung: Probefahrt führt zum OGH

Kfz-Werkstatt gegen Versicherung: Probefahrt führt zum OGH
9.2.2016 – Im Zuge einer Pickerl-Überprüfung entstand während
der Probefahrt durch einen Mitarbeiter einer Werkstatt ein
Schaden am Auto eines Kunden. Der Werkstattbetreiber hatte
eine Betriebshaftpflicht-Versicherung und wollte Deckung. Er
argumentierte unter anderem, der Schadenersatzanspruch des
Kunden beruhe auf „Amtshaftung“. Es könne keinen
Unterschied machen, wenn der Schaden im Zuge einer
Probefahrt oder nach Übergabe des Fahrzeugs an den Kunden
eingetreten sei. Der Risikoausschluss nach Artikel 7.10.2
AHVB 2003 komme aufgrund der Besonderen Bedingung Nr. 22
nicht zur Anwendung. Der OGH hielt dazu unter anderem fest:
Die Bestimmung stelle darauf ab, dass nur jene Schäden vom
Versicherungsschutz umfasst sein sollen, die erst zu einem
Zeitpunkt eintreten, in dem das Fahrzeug die Sphäre des
Unternehmers zur Gänze verlassen hat. Das Unternehmerrisiko
im Allgemeinen sei nicht auf den Versicherer zu überwälzen.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) befasste sich mit einem Fall, in dem
es um einen einen Schaden im Zuge der „Pickerl“-Überprüfung, eine
Betriebshaftpflicht-Versicherung, „Amtshaftung“ und die Frage, ob der
Versicherer leisten muss, ging.
Der Sachverhalt stellte sich laut OGH folgendermaßen dar: Bei einer
Pickerl-Überprüfung eines Pkw öffnete ein Werkstatt-Mitarbeiter die
Motorhaube, verschloss sie dann wieder und machte eine Probefahrt.
Dabei sprang die Motorhaube auf. Motorhaube, Windschutzscheibe
und ein Kotflügel wurden beschädigt. Die Werkstatt hatte einen
Betriebshaftpflichtschutz und wollte Deckung von der Versicherung.
Werkstatt argumentiert mit Amtshaftung
Die Werkstatt berief sich darauf, dass im Zuge der Überprüfung nach
§ 57a KFG die Motorhaube nicht ordnungsgemäß verschlossen
worden sei. Der Schadenersatzanspruch des Kunden beruhe daher
auf Amtshaftung; dafür bestehe gemäß Abschnitt B Z. 3 EHVB 2003
Versicherungsdeckung. Der Risikoausschluss nach Artikel 7.1.1
AHVB 2003 sei nicht verwirklicht.
Zwischen Werkstatt und Versicherung bestand eine Betriebshaftpflicht-Versicherung, der
unter anderem die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die
Haftpflichtversicherung (AHVB 2003 und EHVB 2003) und die Besondere Bedingung (...) Nr.
22 Kfz-Reparaturbetriebe, Schäden an Kundenfahrzeugen außerhalb der Betriebsstätte,
enthalten in der Besonderen Bedingung Nr. 5520 (...) – Kfz-Betriebe, zugrunde lagen
(Quelle: OGH).
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Der Risikoausschluss nach Artikel 7.10.2 AHVB 2003 komme
aufgrund der Besonderen Bedingung Nr. 22 nicht zur Anwendung.
Zwar sei das Fahrzeug noch nicht an den Kunden übergeben
worden; es könne aber keinen Unterschied machen, wenn der auf
dem unzureichenden Verschließen der Motorhaube beruhende
Schaden im Zuge einer Probefahrt oder nach Übergabe des
Fahrzeugs an den Kunden eingetreten sei.
Sollte die Tätigkeitsklausel greifen, sei der Versicherungsschutz
angesichts der Geschäftstätigkeit der Werkstatt ausgehöhlt. Die
Schadenregulierung im Jahr 2008 in einem identen Schadenfall
begründe ein „Anerkenntnis“ der Versicherung für die Haftung für
derartige Schäden.
Versicherung: Schaden nicht vom Schutzzweck des § 57a KFG
erfasst
Die Versicherung beantragte die Abweisung der Klage: Ein
Amtshaftungsanspruch liege nicht vor, weil der eingetretene Schaden
nicht vom Schutzzweck des § 57a KFG erfasst sei. Neben dem
Risikoausschluss des Artikels 7.1.1 AHVB 2003 greife der
Risikoausschluss des Artikels 7.10.2 AHVB 2003.
Der sekundäre Risikoeinschluss durch die Besondere Bedingung
Nr. 22 sei nicht verwirklicht. Der Versicherungsschutz der Klägerin sei
nicht ausgehöhlt.
Insgesamt solle der Versicherungsnehmer dazu angehalten werden,
ein fehlerfreies Werk zu übergeben und eine fehlerfreie
Dienstleistung zu erbringen. Mit der Zahlung im Jahr 2008 in einem
Einzelfall sei kein „Anerkenntnis“ begründbar.
Fall geht zum OGH
Erst- und Zweitgericht wiesen die Klage ab, der Fall ging zum OGH.
Dieser hielt fest: Nach ständiger Rechtsprechung sei in der
Betriebshaftpflicht-Versicherung die Ausführung der bedungenen
Leistung nicht versichert.
Es entspreche nämlich einem Grundgedanken einer solchen
Haftpflichtversicherung, das Unternehmerrisiko im Allgemeinen nicht
auf den Versicherer zu überwälzen. Zur Absicherung des
Grundsatzes, dass die bedungene Leistung des
Versicherungsnehmers nicht versichert sein solle, diene unter
anderem der Risikoausschluss nach Artikel 7.10.2 AHVB 2003.
Das schadenauslösende Verhalten – unsachgemäßes Verschließen
der Motorhaube – und der Schadeneintritt erfolgten im Rahmen einer
Überprüfung nach § 57a KFG, die im Anlassfall auch eine Probefahrt
einschloss, so der OGH. Demnach sei der Risikoausschluss des
Artikels 7.10.2 AHVB 2003 verwirklicht.
Damit sei noch die Reichweite des sekundären Risikoeinschlusses
nach der Besonderen Bedingung Nr. 22 zu prüfen. Dabei räume der
Werkstattbetreiber selbst ein, dass die Voraussetzungen dafür im
vorliegenden Fall an sich nicht erfüllt seien.
Teil der Überprüfung nach § 57a KFG
Der Werkstattbetreiber meine jedoch, es könne keinen Unterschied
machen, wenn der auf dem unzureichenden Verschließen der
Motorhaube beruhende Schaden im Zuge einer Probefahrt oder nach
Übergabe des Fahrzeugs an den Kunden eingetreten sei.
Dem sei zu entgegnen, dass diese Bestimmung nach dem
Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ganz
offensichtlich darauf abstelle, dass nur jene Schäden vom
Versicherungsschutz umfasst sein sollen, die erst zu einem Zeitpunkt
eintreten, in dem das Fahrzeug die Sphäre des Unternehmers zur
Gänze verlassen hat.
Dies war, so der OGH, bei Durchführung der Probefahrt durch einen
Mitarbeiter nicht der Fall, gehörte dies doch zu einem als erforderlich
angesehenen Teil der Überprüfung nach § 57a KFG. Der
Werkstattbetreiber könne sich daher nicht mit Erfolg auf den
sekundären Risikoeinschluss nach der Besonderen Bedingung Nr. 22
berufen.
Das erkenne er in seiner Revision offenbar selbst, weil er das
Vorliegen eines Risikoausschlusses nicht mehr bestreite, sich aber
darauf stütze, dass der Kunde einen durch sekundären
Risikoeinschluss gedeckten „Amtshaftungsanspruch“ geltend mache.
OGH gibt Versicherung Recht
Es könne dahingestellt bleiben, ob der behauptete Anspruch
überhaupt bestehen könnte, weil die Versicherung jedenfalls nicht
deckungspflichtig sei, so der OGH in seinem Erkenntnis 7Ob204/15y
vom 16. Dezember 2015.
Auch die Tätigkeitsklausel diente dazu zu verhindern, dass der
Versicherungsnehmer sein Unternehmerrisiko auf den Versicherer
übertrage. Dieses anerkannte Ziel könne nicht dadurch unterlaufen
werden, dass die vom Risikoausschluss erfasste Tätigkeit im Wege
des hier vereinbarten sekundären Risikoeinschlusses allenfalls zu
decken wäre. Im vorliegenden Fall unterliege die
schadenverursachende Tätigkeit dem Risikoausschluss des Artikels
7.10.2 AHVB 2003; daher entfalle die Deckungspflicht der Beklagten
jedenfalls.
Mit der Behauptung eines „Anerkenntnisses“ des
Versicherungsschutzes infolge einer in der Vergangenheit geleisteten
Zahlung in einem vergleichbaren Fall durch den Versicherer mache
der Werkstattbetreiber der Sache nach Folgendes geltend: Der
Versicherer habe durch die Erbringung dieser Versicherungsleistung
für die Zukunft konkludent auf die Geltendmachung von
Risikoausschlüssen in vergleichbaren Fallgestaltungen verzichtet.
Dass die Versicherung in der Vergangenheit in einem vergleichbaren Fall eine Versicherungsleistung
erbracht habe, daraus allein könne aber keine Erklärung zur Reichweite des Versicherungsschutzes
für die Zukunft abgeleitet werden.
Quelle:Versicherungsjournal