Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung Geschäftsstelle: Pressestelle: Pressemitteilung Goethestr.38a, 40237 Düsseldorf Tel: 0211 6006920 Fax: 0211 60069210 Tel: 0211 506693-0 Fax: 0211 506693-19 Abdruck frei nur mit Quellenhinweis: >Pressetext mail : [email protected] mail : [email protected] DGK 04/2003< Katecholamine im kardiogenen Schock: hilfreich, nutzlos oder gefährlich? Karl Werdan, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Das "Konzept Katecholamintherapie": Fast alle Patienten im kardiogenen Schock - mehr als 95 % werden mit Katecholaminen behandelt, und der Erfolg liegt eigentlich auf der Hand: die Kontraktionskraft des geschwächten Herzens wird gesteigert und der Kreislauf wird stabilisiert. Nach den Daten eines großen Schock-Registers (Shock Trial Registry: kardiogener Schock nach Myokardinfarkt) erhalten 89 % der Schockpatienten Dopamin, 70 % Dobutamin, 42 % Adrenalin und 32 % Noradrenalin. Was so häufig angewandt wird, muß wohl wirksam sein: die Empirie spricht dafür, jedoch fehlen Evidenz-basierte Daten zur Letalitäts-senkenden Wirkung von Katecholaminen im kardiogenen Schock. Wenig Wirkung zeigen Katecholamine bei der Rekompensation akut dekompensierter, chronisch herzinsuffizienter Patienten unter Betablockertherapie. Bei diesen Patienten sind wahrscheinlich Phosphodiesterase-Hemmstoffe den Katecholaminen überlegen. Aber nicht nur das "Konzept Katecholamintherapie" ist zu hinterfragen: ebensowenig abgeschlossen ist die Suche nach dem "idealen" Katecholamin zur Behandlung des kardiogenen Schocks (Abb. 1)! Das "ideale" Katecholamin sollte das Herzzeitvolumen steigern - ohne den myokardialen Sauerstoffverbrauch wesentlich zu erhöhen -, es sollte den Blutdruck stabilisieren und damit einen adäquaten Perfusionsdruck garantieren - ohne eine Vasokonstriktion auf Mikrozirkulationsebene hervorzurufen -, und diese für Herz und Patient günstigen Wirkungen sollten möglich sein ohne gravierende Nebenwirkungen, welche vor allem auf Mikrozirkulation und Stoffwechsel abzielen: Für das Herz des Schockpatienten günstig ist die Katecholamin-induzierte Steigerung der Koronarperfusion, falls die Blutdruckstabilisierung überwiegend durch die positiv inotrope und nicht ausschließlich durch eine vasopressorische Wirkung zustande kommt; ungünstig ist allerdings die Steigerung des myokardialen O2-Verbrauchs und auch die Katecholamin-getriggerte Bildung proinflammatorischer Zytokine - wie Interleukin-6 - im Herzen, da letztere in vielfältiger Weise kardiodepressorisch und kardiotoxisch wirken können. Der β- und α-Adrenozeptorblocker Carvedilol kann die Katecholamin-induzierte Interleukin-6- 0105_03_056.doc 01.05 Produktion in Kardiomyozyten verhindern (Abb.2). Eine massive Zytokinproduktion findet sich im kardiogenen Schock nicht nur im Herzen, sondern auch systemisch, mit vergleichbar hohen Interleukin-6-Serumspiegeln (Abb.3) wie im septischen Schock. Katecholamine greifen in diese Inflammationsreaktionen sowohl stimulierend als auch dämpfend ein, ob in hilfreicher oder gefährlicher Weise, muß derzeit offen bleiben. Für den Kreislauf des Schockpatienten günstig ist die Verbesserung der Perfusion vitaler Organe, sowohl durch die positiv inotrope als auch die vasopressorische Katecholaminwirkung. Ungünstig sind allerdings die vasokonstriktorisch bedingte Einschränkung der Splanchnicusperfusion (Magenmucos-pH ⇓) und der Shift von der aeroben zur anaeroben Stoffwechsellage (Laktat ⇑): Mit beidem muß vor allem bei der Gabe von Dopamin und - in noch stärkerem Maße – von Adrenalin gerechnet werden, während diese unerwünschten Effekte beim Einsatz des Noradrenalins und des Dobutamins schwächer ausgeprägt sind bzw. fehlen. Welche verfügbare Substanz kommt dem "idealen" Katecholamin am nächsten: am wenigsten das Adrenalin - vom Einsatz bei herzchirurgischen Patienten abgesehen - und ebenfalls nicht das Dopamin, welches auch in der sogenannten "Nierendosis" keinen nachgewiesenen Nutzen zeigt; am ehesten noch das Dobutamin, wenn die positiv inotrope Wirkung (genügend stimulierbares Restmyokard) mit Steigerung des Herzzeitvolumens ohne Ischämiegefährdung gewünscht wird, und ebenso das Noradrenalin, wenn der primäre Ansatz in der vasopressorischen Blutdruckstabilisierung liegen soll und muß. Kardiogener Schock ist nicht nur Pumpversagen! Rasch propft sich dem kardialen Pumpversagen das Multiorgan-Dysfunktions-Syndrom und das Multiorganversagen auf, erkennbar an den hohen Werten des Multiorganversagen-Score APACHE II (Abb. 4). Katecholamine können das Pumpversagen bessern, nicht aber das Multiorganversagen, welches letzten Endes prognosebestimmend ist (Abb. 5). Katecholamine im kardiogenen Schock (Abb. 6): "Friend and Foe"! Katecholamine sind gut, aber auch schlecht für Herz, Kreislauf und Patienten. Katecholamine sind potentiell gefährlich, und ihr therapeutischer Nutzen ist wenig gesichert. Es erscheint bis auf weiteres ratsam, bei Patienten im kardiogenen Schock mit möglichst geringen Katecholamin-Dosen "über die Runden zu kommen". 0105_03_056.doc 01.05 Katecholamine im kardiogenen Schock: Gut oder schlecht? Gut ? Schlecht ? Herz Verbesserung der Koronarperfusion durch Koronardruck ⇑ ⇑ Myokardialer O2 -Verbrauch ⇑ Myokardiale Inflammation (?) Patient Verbesserung der Organperfusion durch positiv inotrope Wirkung durch Vasopressoren-Wirkung ⇑ Risiko des Multiorganversagens durch Splanchnicus-Perfusion ⇓ durch Stoffwechsel-Shift aerob → anaerob durch Triggerung einer systemischen Inflammation Letalität ↓ (?) ↑ (?) Abbildung 1 Verknüpfung von Katecholaminen und Zytokinen IL-6 Gehalt im Kulturmedium (ng/ml) Noradrenalin-induzierte Interleukin-6-Freisetzung aus Ratten-Kardiomyozyten 6 5 * ohne Carvedilol mit Carvedilol (10 µM) 4 3 2 1 0 Kontrolle Noradrenalin (1 µM) 24-h-Inkubation, n = 5; Bioassay Abbildung 2 0105_03_056.doc 01.05 Interleukin-6 (IL-6) Serumspiegel bei akutem Myokardinfarkt (AMI) und Infarkt-bedingtem kardiogenem Schock PCI bei AMI (n=10) Interleukin-6 (pg/ml) x 1000 4 PCI bei kardiogenem Schock (n=7) 3 2 & & 1 & , nach PTCA & , -1 0 0 , , 1 2 , 3 , 4 Intervall nach dem Ereignis (Tag) Abbildung 3 APACHE II Score bei akutem Myokardinfarkt (AMI) und Infarkt-bedingtem kardiogenem Schock Elektive PCI (n=70) APACHE II Score 45 40 PCI bei AMI (n=10) 35 PCI bei kardiogenem Schock (n=6) 30 25 20 15 10 5 0 -1 nach 1 PTCA 2 3 Intervall nach 4 dem Ereignis (Tag) Abbildung 4 0105_03_056.doc 01.05 Kardiogener Schock Prognosebestimmend ist das MODS! Myokarddepression mechanisch rhythmogen Herzfunktion ↓ Organperfusion ↓ Multiorgan-Dysfunktions-Syndrom (MODS) Multiorganversagen Tod Abbildung 5 Katecholamine im kardiogenen Schock: Gut oder schlecht ? Gut und schlecht für das Herz Gut und schlecht für den Patienten Dobutamin and Noradrenalin am günstigsten Nimm so wenig als nötig! Mehr Freund als Feind Aber Mehr Evidenz-basierte Daten sind nötig! Abbildung 6 0105_03_056.doc 01.05
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