Deutsche Partnerschaft mit Vietnam: Die DDR als Wegbereiter des

Deutsche Partnerschaft mit Vietnam:
Die DDR als Wegbereiter des vereinten Deutschland?
Bernd Schaefer
Woodrow Wilson International Center, Washington D.C.
Einführung
Mit Unterstützung ihre jeweiligen internationalen Verbündeten teilte sich Deutschland 1949
in einen westlichen kapitalistischen und einen östlichen sozialistischen Staat. Die
westdeutsche Bundesrepublik Deutschland (BRD) hielt bis 1989 mit Schwankungen am
ideellen Fortbestand einer deutschen Nation fest. Die ostdeutsche Deutsche Deutsche
Demokratische Republik (DDR) betrieb dagegen eine Abgrenzung von der BRD und
proklamierte schliesslich 1971 nicht nur die Existenz zweier deutscher Staaten, sondern auch
von “zwei deutschen Nationen”, einer “imperialistisch-kapitalistischen” im Westen und einer
fortschrittlich sozialistischen Nation im Osten. Als Resultat des vollständigen politischen und
wirtschaftlichen Zusammenbruchs der DDR 1989/90 wurde am 3. Oktober 1990 eine
deutsche Gesamtnation unter ausschliesslich westlichen Vorzeichen wiederhergestellt.
Nach der Genfer Indochinakonferenz von 1954 war Vietnam durch ausländische Mächte in
einen nördlichen sozialistischen und einen südlichen kapitalistischen Staat geteilt worden.
Kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den beiden vietnamesischen Staaten mit
massiver ausländischer Militärintervention im Süden resultierten 1975 in einem Sieg des
Nordens und einer Vereinigung der vietnamesischen Nation in einer Sozialistischen Republik
Vietnam (SRV) unter ausschliesslich sozialistischen Vorzeichen. Der deutsche Partner der
SRV war die DDR. Die BRD hatte zwar auch im Herbst 1975 offizielle diplomatische
Beziehungen mit Hanoi aufgenommen, doch die privilegierte Stellung der DDR im vereinten
Vietnam war offensichtlich. Zudem sollten seit 1979 die westdeutschen Beziehungen mit
Vietnam im wesentlich ruhen. Nach der Militärintervention in Kampuchea 1979 wurde
Vietnam vom Westen, China und ASEAN international und wirtschaftlich isoliert.
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Die Unterstützung der DDR für die Demokratische Republik Vietnam (DRV) während des
Krieges mit den USA und Südvietnam, sowie von 1976 bis 1990 für die SRV, ragt in
zweierlei Hinsicht aus der sonstigen breiten internationalen Solidaritätshilfe der DDR heraus:
Kein anderes Land war für die DDR in vergleichbarer Vielfalt und ähnlichem Umfang ein
Objekt internationalistischer Hilfe wie Vietnam es war; und kein anderes sozialistisches Land
hat die SRV nach 1976 in einer Breite unterstützt wie die DDR es getan hat (auch wenn in
rein quantitativer Hinsicht die Sowjetunion insgesamt wesentlich größere Hilfe leistete). Die
DDR wendete in den siebziger und achtziger Jahren insgesamt etwa 0,8 Prozent ihres
Nationaleinkommens für ausländische „Solidaritätshilfe“ auf. Herbei handelte es sich um eine
im internationalen Vergleich sehr hohe Zahl, die zum Beispiel deutlich über der
internationalen Entwicklungshilfe der BRD oder der anderer westlicher Länder lag.
Nach dem Ende der DDR im Jahre 1990 führte das vereinte Deutschland dann ausgewählte
Projekte und Bindungen aus der Phase der Kooperation zwischen DDR und SRV weiter auch das eine Einmaligkeit, weil fast alle anderen internationalen Kooperationen der DDR
nach 1990 mit der deutschen Vereinigung beendet waren. Kann man deshalb die DDR als
bedeutenden Wegbereiter der Beziehungen zwischen dem seit 1990 vereinten Deutschland
und dem seit 1976 vereinten Vietnam bezeichnen?
Rückblick auf die Beziehungen DDR-Vietnam
Die Beziehungen zwischen der DDR und Vietnam waren im sozialistischen Lager
hinsichtlich einer europäisch-asiatischen Kooperation besonders auch wegen ihrer relativ
engen politischen Nähe und Vertrautheit einmalig. was sich zum Beispiel im geheim durch
die Ministerien für Staatssicherheit und Inneres beider Länder exekutierten Auftrag an die
DDR zeigte („Aktion Vau“), zwischen 1976 und 1986 insgesamt 837 Millionen Geldscheine
und 580 Millionen Münzen für die neue Währung des vereinten Vietnams durch jährlich etwa
120 vietnamesische Arbeiter im Schichtbetrieb in der Staatlichen Münze in Berlin und in
einer Spezialpapierfabrik in Leipzig herstellen zu lassen. Nicht weiter geführt nach 1990
wurden die Militärhilfe der DDR und die Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium für
Staatssicherheit der DDR und dem Innenministerium der SRV, weil die entsprechenden
Partner-Ministerien der DDR für im Jahre 1990 ersatzlos aufgelöst wurden. Klassische
sozialistische Aufbauhilfe der DDR existierte in materieller Form in Gestalt von Gebäuden,
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Einrichtungen und Maschinen fort. Es waren dagegen Elemente der innovativen Aufbauhilfe
zum gegenseitigen Vorteil, insbesondere die Kaffeekultivierung in Vietnam, die von der
vereinten Bundesrepublik Deutschland zum Teil weitergeführt wurden. Eine besondere
Komponente war zudem die hohe Zahl vietnamesischer Studenten, politischer und
wirtschaftlicher Kader sowie vietnamesischer Vertragsarbeiter in der DDR, die nach 1990 in
besonderer Weise Einfluss auf kooperative deutsch-vietnamesischen Beziehungen hatten.
a) Militärhilfe der DDR
Zwischen 1965 und 1985 leistete die DDR der DRV bzw. SRV kostenlose Militärhilfe im
Umfang von 268,9 Millionen Mark der DDR wobei mehr als 201 Millionen auf die
Kriegsphase bis 1975 sowie auf das erste Halbjahr 1979 während der chinesischen
Militärintervention entfielen. Lieferungen bestanden zumeist aus leichten automatischen
Waffen, Minen, Granaten, Lastwagen, Luftverteidigungsausrüstung, Munition, Motoren,
Generatoren, Kabeln und Ersatzteilen sowie aus Medikamenten und medizinischen
Hilfsmitteln. Zudem stellte die DDR nach 1976 die komplette Ausrüstung für die
Offiziersschule der Vietnamesischen Volksarmee in Ho Chi Minh City im Wert von 3,5
Millionen Mark der DDR. Etwa 400 Offizierskader der SRV wurden bis 1989 in Lehrgängen
an Militärschulen in der DDR ausgebildet.
b) Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich
Bereits seit 1959 bestand eine sich immer mehr intensivierende technologische
Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR und dem
Innenministerium der DRV bzw. später der SRV. Bis 1979 wurden alle technischen
Hilfsgüter der DDR nach Vietnam umsonst aus dem Solidaritätsfonds der Staatssicherheit
geliefert. Danach bezahlte die SRV zumindest für die Valutaprodukte, welche die DDR aus
westlichen Quellen erworben hatte. Wie mit keinem anderen Land außerhalb Europas
unterhielt die Staatssicherheit der DDR im Falle Vietnams auch intensive direkte
Austauschbeziehungen, entsandte regelmäßig Spezialisten auf Rotationsbasis in die SRV und
bildete zahlreiche Kader des SRV-Innenministeriums in der DDR aus.
c) Beispiele klassischer sozialistischer Aufbauhilfe
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Lieferungen klassischer Industrialisierungsprojekte im sowjetischen Stil, wie sie bis in die
1970er Jahre seitens europäischer sozialistischer Staaten in die asiatischen kommunistischen
Ländern üblich waren, prägten auch lange Zeit die wirtschaftliche Aufbauhilfe der DDR für
Vietnam. Typische Merkmale dieser Unterstützung waren die komplette Lieferung fertiger
Produktionsstätten, die von vietnamesischem Arbeitern und Ingenieuren erstellt werden
mußten, die zum Teil vorher in der DDR ausgebildet worden waren und dann in Vietnam von
Spezialisten der DDR angeleitet wurden. Beispiele solcher Lieferungen waren die
Parteidruckerei Tien Bo in Hanoi (1956-58), das 1975/76 errichtete große Stahlwerk Gia Sang
oder eine Brauerei in Hanoi. Komplettlieferungen waren aber nicht in der Lage, den
erforderlichen permanenten Zufluß an Elektrizität sowie die notwendigen Lieferungen von
Rohmaterial und Ersatzteilen zu sichern. Oft war die umgebende Infrastruktur zu
ungenügend, oder es gab nicht in ausreichender Zahl ausgebildete Spezialisten, die dauerhaft
in diesen Anlagen tätig sein und zu ihrem Bestandserhaltung beitragen konnten.
Eine spürbare Unzufriedenheit auf Seiten der DDR mit solchen Erfahrungen führte dazu, daß
bereits in den Siebziger Jahren gewisse Modifizierungen vorgenommen wurden, wie es sich
am Beispiel des Neubaus eines Stadtviertels in der im Krieg fast völlig zerstörten
nordvietnamesischen Provinzhauptstadt Vinh zeigen läßt. Nach dem Pariser Abkommen von
1973 schlossen DDR und DRV eine Regierungsvereinbarung zum Wiederaufbau von Vinh
durch die Erstellung eines kompletten Neubauviertels mit öffentlichen Einrichtungen für
insgesamt 10,000 Menschen. Zusammen mit Hunderten von vietnamesischen Arbeitern waren
jährlich 40 DDR-Ausbildungsspezialisten im Einsatz, wobei jedoch die gesamte Bauleitung in
vietnamesischer Hand lag. Die DDR insistierte erfolgreich auf den Bau von Fabriken,
Werkstätten und Reparatureinrichtungen vor Ort. Der komplette Bedarf an Beton, Steinen,
Sand oder Ziegeln in Vietnam selbst produziert und sogar ein kleines Wasserkraftwerk zur
Stromerzeugung errichtet.
d) Beispiele innovativer Entwicklungshilfe
Spätestens in den Achtziger Jahren unternahm die DDR deshalb Versuche, ihre Erkenntnisse
über die strukturellen Defizite der wirtschaftlichen Aufbauhilfe für Vietnam in innovativere
Projekte zum gegenseitigen Nutzen für beide Partner umzusetzen. Die bisherige Form der
Hilfe verschuldete den vietnamesischen Partner so stark, daß an eine realistische
Schuldenrückzahlung nicht zu denken war, was wiederum seitens der ökonomisch selbst
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angespannten DDR als äußerst unbefriedigend eingeschätzt wurde. Die DDR entwickelte
deshalb im Falle Vietnams für die 1980er Jahre Konzepte, um die Aufbereitung traditioneller
tropischer Landwirtschaftsprodukte vor Ort in Vietnam mit DDR-Krediten und Starthilfen in
Gang zu setzen. Sie hoffte und erwartete, die dadurch geleisteten Investitionen durch spätere
vietnamesische Exporte dieser Produkte in die DDR zurück zu erhalten. So investierte die
DDR ab 1980 im südvietnamesischen Hochland in die Kaffeeproduktion und ab 1985 in
weitere Projekte mit dem Anbau von Pfeffer, Kautschuk und Kokosöl. Im Jahre 1990
betrugen die Auslandsschulden Vietnams gegenüber der DDR etwa 150 Millionen Dollar: Mit
Exporten aus den genannten und seit 1980 angebahnten Projekten glaubte die DDR, daß
Vietnam zwischen 1991 und 2011 diese Schulden hätte abzahlen können.
Ein besonderer Stellenwert kam in diesem Zusammenhang der Kaffeeproduktion zu, nicht
zuletzt weil in der DDR qualitativ hochwertiger Rohkaffee ein knappes und gesuchtes Gut
war. Im Jahre 1980 wurden so in ganz Vietnam gerade noch 6000 Hektar Fläche für den
Kaffeeanbau verwendet. Im selben Jahr übernahm die DDR nach dem Abschluß eines
Regierungsabkommens mit der SRV aus dieser Konkursmasse 600 Hektar zum Aufbau eines
vietnamesisch-deutschen Kaffeekombinates Viet-Duc in Buon Ma Thuot in Dac Lac.
Insgesamt investierte die DDR 117 Millionen Mark der DDR, um ein 12 Megawatt
Wasserkraftwerk zu erbauen und Lastwagen, Fahrzeuge und Bewässerungsanlagen zu
finanzieren. Unterkünfte, Schule, Geschäfte und Krankenhaus für die mehr als 10000 aus der
Küstenregion umgesiedelten und im Kaffeekombinat eingesetzten Arbeiter wurden errichtet
wobei einige auch zum speziellen Training in die DDR entsandt wurden. Aus Mitteln des
internationalen DDR-Solidaritätsfonds wurden 3 bis 5 Experten aus der DDR finanziert, die
permanent vor Ort den Kaffeeanbau kontrollierten. Insgesamt wurde bis 1989 die
Anbaufläche für Kaffeepflanzen von den ursprünglichen 600 im Kombinat Viet-Duc auf 8600
Hektar erweitert. Nach gemeinsamen Planungen sollten dann ab 1991 über einen Zeitraum
von 20 Jahren jährlich 50 Prozent der gesamten Ernte in die DDR exportiert werden, um
damit Vietnams Schulden gegenüber der DDR komplett abzutragen. Diese alles andere als
uneigennützige umfangreiche Starthilfe für den bald breit expandierenden Kaffeeanbau im
vietnamesischen Hochland war die Voraussetzung dafür, daß Vietnam zu einer globalen
“Kaffeemacht” wurde und nun in Exporten weltweit den ersten oder zweiten Rang einnimmt.
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Der Übergang der Beziehungen zum vereinten Deutschland
Das ehemalige DDR-Kaffeeprojekt sollte in die Beziehungen zwischen SRV und vereintem
Deutschland überführt und weitergeführt werden. Im Juli 1990 reiste eine deutsche
Delegation bestehend aus Mitgliedern des westdeutschen Bundestages und der frei gewählten
ostdeutschen Volkskammer zusammen mit ehemaligen staatlichen Experten der DDR nach
Vietnam und inspizierte zusammen mit den Botschaftern der DDR und der BRD und
vietnamesischen Vertretern die Hilfsprojekte. Die gesamtdeutsche Delegation empfahl in
erster Linie die Fortsetzung der Förderung des Kaffeekombinats und die Fertigstellung des
Wasserkraftwerkes Dray Ling zur Sicherung der Energie- und Elektrizitätsversorgung im
Siedlungsgebiet des Kaffeekombinats. Auch weitere Projekte wurden zur zumindest
kurzfristigen Unterstützung mit deutschen Steuergeldern vorgeschlagen, nun jedoch mit der
expliziten Vorgabe, Existenzgründungen und die Privatwirtschaft in Vietnam zu unterstützen.
Für die Zukunft wurde die deutsche Unterstützung vor allem in den Bereichen der
Reorganisation des Bankensystems, des Steuereinzugsystems, der Förderung des
Privatsektors und der Ausbau von Infrastruktur (Häfen, Strassen) gesehen. Im Jahre 1991
förderte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit gezielte Massnahmen zu
folgenden ehemaligen DDR-Projekten: Produktion von Rohkaffee in Buon Me Thuot,
Naturkautschuk Dac Lac, Pfeffer in Tan Lam; Orthopädietechnisches Zentrum Ba Vi für
Kriegsversehrte. Andere Projekte wurden entweder nicht weitergeführt oder nicht mehr
unterstützt. An deren Stelle traten zahlreiche neue bilaterale Vereinbarungen zur
Unterstützung vietnamesischer Wirtschaftsreformen und der Integration Vietnams in das
globale Wirtschaftssystem. Eine neue Zeitrechnung begann in den vietnamesisch-deutschen
Beziehungen. Netzwerke aus der ehemaligen DDR und den vielen Vietnamesen, die entweder
in der DDR studiert bzw. gelebt oder in den letzten Jahrzehnten in staatlichen Funktionen mit
der DDR zusammen gearbeitet hatten, wurden zu wichtigen Vermittlern und Trägern der
Kooperation zwischen dem vereinten Deutschland uns Vietnam.
Vietnamesisch-deutsche Netzwerke
Man sagt, dass heute etwa 100,000 Vietnamesen in der SRV deutsche Sprachkenntnisse
besitzen. Bis 1989 studierten insgesamt 5,435 Studenten, darunter 960 Doktoranden in der
DDR. Insgesamt 14,450 Facharbeiter aus Vietnam wurden in der DDR ausgebildet.
Zahlreiche politische und militärische Kader der SRV wurden in der DDR vorübergehend
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ausgebildet. Von anderer quantitativer Dimension war der Aufenthalt sogenannter
Vertragsarbeiter aus Vietnam in DDR in den 1980er Jahren. Er war ein weiteres bilaterales
Arrangement zwischen SRV und DDR mit dem Anspruch, zum gegenseitigen Vorteil und
zum Abbau der vietnamesischen Schulden gegenüber der DDR beizutragen. Zwischen 1980
und 1986 wirkten etwa 12000 vietnamesische Arbeiter in der DDR und erhielten zumeist
auch eine qualifizierte Fachausbildung. Zwischen 1987 und 1990 kamen dagegen weitere
60000 Arbeiter in die DDR, die fast ausschließlich in der reinen Produktion eingesetzt waren.
Von den in der DDR an die vietnamesischen Arbeiter gezahlten Löhnen behielt die
vietnamesische Regierung 12 Prozent ein. Die SRV-Arbeiter in der DDR selbst hatten die
Erlaubnis, mit etwa 60 Prozent ihres Lohnes ihre Familien in Vietnam zu unterstützen. In
großem Stil sandten sie für den Versand bald detailliert rationierte DDR-Produkte nach
Hause, die in der SRV selbst schwer erhältlich waren: Mopeds, Fahrräder, Nähmaschinen,
Elektrogeräte und Seife waren unter den bevorzugten „Lieferungen“.
Für die DDR lohnte sich unter dem Strich der Import vietnamesischer Arbeitskräfte: Die
Vietnamesen erforderten geringere Lohn- und Arbeitskosten und arbeiteten oft härter und
länger als ihre ostdeutschen Kollegen. Viele vietnamesische Arbeiter waren rund um die Uhr
im Drei-Schichtbetrieb tätig. Aus diesem Grund wurden die Vertragsarbeiter aus Vietnam in
der DDR vorzugsweise in solchen Betrieben eingesetzt, die Waren zum Export in das
„kapitalistische Ausland“, sprich die Bundesrepublik Deutschland, produzierten und somit die
Deviseneinnahmen der DDR erhöhten.
Mit der deutschen Vereinigung verloren viele vietnamesische Vertragsarbeiter nach 1990 in
der DDR ihre Jobs. Die Bundesrepublik Deutschland betrachtete sich nicht als
Einwanderungsland und besonders in Ostdeutschland nahm nach 1990 die
Ausländerfeindlichkeit zu. Bis zu 50000, also mehr als die Hälfte der Vertragsarbeiter, nahm
bis 1995 das Angebot an, gegen eine Entschädigung und Freiflug nach Vietnam
zurückzukehren. Sie brachten in der SRV dringend benötigte angesparte Devisen mit zurück.
Bereits 1992 hatten Bundesrepublik und SRV ein Abkommen geschlossen, um
zurückkehrenden Vertragsarbeitern mit Finanzierungshilfen zur Existenzgründung und
beruflichen Eingliederung in Vietnam zu helfen. Diese Arbeiter kehrten mit überwiegend
positiven Eindrücken aus Deutschland zurück und unterhielten Netzwerke mit den in
Deutschland gebliebenen Vietnamesen. Bis heute sind ehemalige „DDR-Vietnamesen‟ in der
SRV sowie im vereinten Deutschland sesshaft gewordene oder etablierte ehemalige „Ost-
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Vietnamesen‟ ein starkes Bindeglied vietnamesisch-deutscher interkultureller,
wirtschaftlicher und sozialer Beziehungen.
Schlußbemerkung
Insgesamt läßt sich abschließend feststellen, daß die DDR für das nach Ende des Krieges
1975 wirtschaftlich schwer getroffene und bald auch international isolierte Vietnam bis 1989
einer der attraktivsten und verlässlichsten Partner war. In den politischen und militärischen
Eliten der DDR gab es gegenüber dem sozialistischen Vietnam ein überdurchschnittliches
hohes Potential an Sympathie, Bewunderung und Sentimentalität. Die Beziehungen zwischen
der DDR und Vietnam beruhten in ungewöhnlich hohem Maße auf Gegenseitigkeit und
waren vergleichsweise symmetrisch. Sie hatten ein Geflecht von wirtschaftlicher, sozialer und
kultureller Kommunikation und Kooperation geschaffen, das in reduzierter und modifizierter
Form auch das Ende der DDR und den grossen Umbruch der Jahre 1989/90 in Deutschland
überlebte. Das vereinte Deutschland und damit auch die alte Bundesrepublik hatten somit wie
kaum ein anderes westliches Land nach 1990 eine gute Ausgangsposition und Grundlage für
eine partnerschaftliche und fruchtbare Zusammenarbeit mit Vietnam in den folgenden
Jahrzehnten.