Altamirando Matos de Andrade Junior

Altamirando Matos de Andrade Junior (Rio de Janeiro)
Wiederherstellung des psychischen Apparates*
Recovering the Psychic Apparatus
In dieser Arbeit werde ich versuchen, die Arbeit zur Wiederherstellung des
psychischen Apparates eines Patienten zu beschreiben, die über die Bearbeitung psychotischer Anteile und die Entwicklung der Fähigkeit, zu denken
und zu fühlen, möglich wurde. Diese Erholung, die wohl eher eine Neukonstruktion eines psychischen Apparates war, erlaubte diesem Patienten die
Entwicklung der Fähigkeit, symbolisch zu denken und Objektbeziehungen
herzustellen. Ich werde beim Bericht dieses Falles darstellen, was für diesen
Themenbereich relevant ist, und andere Elemente des analytischen Prozesses
weglassen.
Ich will im Rahmen dieses Kongresses die psychoanalytischen Werkzeuge hervorheben, die wir heute haben, wenn wir in diesem 21. Jahrhundert mit
Patienten konfrontiert werden, die nicht sagen können, was sie fühlen oder
denken. Diese Patienten leben in einer Welt, in der die Handlung überwiegt,
Konflikte nicht erlebt werden und nur wenige Beziehungen bestehen, was
es notwendig macht, ihnen zu helfen, einen psychischen Apparat zu entwickeln, der fähig ist, zu symbolisieren und entsprechend zu denken und Beziehungen einzugehen. Im vorliegenden Fall werden diese Fähigkeiten in extremer Art und Weise durch den bestehenden psychotischen Zustand verändert.
Freud unterschied sich von den Psychiatern seiner Zeit durch seine
Fähigkeit zu hören, was seine hysterischen Patienten sagten und so verrieten, was ihm ermöglichte, die Dinge jenseits dessen zu erkennen, was gesagt
wurde und bekannt war. Seine Art zu hören erlaubte einen Zugang zu einer
ganz neuen Welt von Gefühlen und Emotionen, die bis dahin nicht verstanden worden waren. Ich glaube, daß wir heutzutage die Lehre von Freud als
Beispiel dafür nehmen müssen, wie wir unseren Patienten zuhören, die mit
verschiedenen Klagen oder sogar ohne zu wissen, über was sie klagen oder
was sie fühlen, zu uns kommen. Das psychoanalytische Zuhören bleibt unser
wesentliches psychoanalytisches Instrument.
Bion (1962a) nannte die Transformation von rudimentären Emotionen in
Alpha-Elemente die Alpha-Funktion. Das ist die Funktion, die das Objekt
hat, rudimentäre Emotionen und Erfahrungen, die vom Subjekt projiziert
werden, zu containen, damit sie langsam psychisch verdaut und vom Objekt
gedacht werden können. In seinem Modell Container/Contained lenkt Bion
(1962a) unsere Aufmerksamkeit auf die Objekte, die die Projektionen des
*
Vortrag, gehalten auf dem 49. IPA Kongreß, Boston, 22.-25. Juli 2015. Bei der Redaktion
eingegangen am 3. Februar 2015
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Babys entgegennehmen, sie metabolisieren, dem Baby zurückgeben und dem
Projizierten dadurch eine andere Bedeutung geben. In diesem Modell introjiziert das Baby ein Objekt, das seine Ängste aufnimmt und versteht. Diese
allen Menschen gemeinsamen Erfahrungen bilden ein Muster von Objektbeziehungen, das sich während des gesamten Lebens eines Individuums weiterentwickelt. Dieses Muster einer Beziehung ist es, das im Übertragungskontext einer Analyse aufscheint.
Ich stimme mit R. Levys Behauptung überein, daß Bions großer Beitrag zum Verständnis der Symbolbildung darin besteht, gezeigt zu haben,
daß die Symbolbildung innerhalb einer Bindung stattfindet. Levy schreibt:
»Bion untersuchte den ganzen Prozeß der Symbolbildung von Anfang an bis
zu seinem Funktionieren im Denkapparat. Bions größter Beitrag war seine
Behauptung, daß der gesamte Symbolbildungsprozeß nur innerhalb der Hitze einer Verbindung geschieht.« (Levy, 2012)
Wenn wir aber in unserem Modell Situationen von Fehlanpassungen
zwischen Mutter und Kind vorfinden, die aufgrund von Schwierigkeiten
von einem oder gar beiden zustande gekommen sind, dann handelt es sich
um ein Modell einer Objektbeziehung, das mühselig werden kann. Gewiß
werden wir in der Übertragungsbeziehung mit jedem der Modelle unterschiedliche Erfahrungen machen. Diese Unterschiede sind grundlegend für
das Verständnis der Beziehung zwischen Analytiker und Patient.
Wir haben damit eine Grundlage zu behaupten, dass die Entwicklung
einer kindlichen Seele durch eine Kombination von Charakteristika des
Babys selbst und den Erfahrungen mit den Objekten geschieht. In diesem
Sinne ist es, wie ich glaube, von grundlegender Bedeutung, zwischen der
realen Beziehung mit dem Objekt, d. h. einer realen Wahrnehmung, und
einer Phantasie, die ein Individuum über die Erfahrung mit einem Objekt
hat, eine Wahrnehmung, die von exzessiver projektiver Identifikation durchdrungen ist, zu unterscheiden. Es ist jedoch nicht immer möglich, die eine
Erfahrung von der anderen zu unterscheiden, was die Aufmerksamkeit des
Analytikers in der Interaktion mit dem Patienten erfordert. Diese Reichhaltigkeit der Erfahrungen zwischen dem Individuum und dem Objekt wurde
gut von Brenman (2006) beschrieben: »So wie ich es verstehe, gibt es einen
Umgang zwischen der Mutter und dem Baby, physisch und psychisch, der zu
etwas Neuem führt, der Beziehung.«
Rosenfeld (1987) behauptete in seinen späteren Arbeiten, daß es für traumatisierte Patienten von großem Wert sei, die traumatische Erfahrung zu
rekonstruieren, um den emotionalen Erfahrungen des Traumas eine neue
Bedeutung zu geben. Er gab zu bedenken, daß der Analytiker darauf achten
solle, das Trauma nicht durch seine Interpretationen zu wiederholen. Diese
Ideen Rosenfelds führten zu vielen Diskussionen unter den kleinianischen
Analytikern. Für die einen war es eine Überbewertung von Rosenfeld, wenn
er das Trauma als konstitutiven Faktor für die Pathologie des Patienten
betrachtete, ohne in gleicher Weise subjektive Aspekte des Patienten selbst
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zu berücksichtigen und so mehr den Standpunkt des Analytikers als die Subjektivität des Patienten zu betonen. Diese Diskussion findet man in Steiners
Kommentaren in Bezug auf Rosenfelds Arbeit in dem Buch Rosenfeld in
Retrospect. Steiner schreibt:
Er war darüber beunruhigt, daß manche Analytiker, besonders einige Kleinianer, in
einer Art und Weise deuteten, die ihre Patienten traumatisierte. Er glaubte, daß bei Patienten, die in ihrer Kindheit depraviert oder traumatisiert worden waren, die Gefahr
einer Retraumatisierung in ihren Analysen bestand, wenn der Analytiker nicht besonders darauf achtete, diese zu vermeiden.« (Steiner, 2008)
Aufgrund meiner Erfahrung mit schwer gestörten Patienten verstehe ich viel
von dem, was Rosenfeld über das Trauma sagte, das in der analytischen Erfahrung wiedererlebt wird, wenn der Analytiker auf einem bestimmten Deutungsmodell besteht, das die subjektive Welt des Patienten betont. Diese Patienten
neigen dazu, Deutungen als Anschuldigungen und Angriffe des Analytikers
aufzufassen und dadurch traumatisches Erleben wiederherzustellen.
Bezogen auf die Deutungsarbeit und die Schwierigkeiten des Patienten,
Übertragungsdeutungen aufzunehmen und zu verstehen, mag man eine
Schwierigkeit in der Beziehung zwischen Analytiker und Patient erkennen,
die im Deutungsmodell vom Geben und Empfangen liegt. Der Analytiker
könnte Deutungen geben, ohne zu spüren, daß er den Patienten damit überwältigt, der Patient könnte im Gegenzug Deutungen des Analytikers als eine
Form von Herablassung oder gar Beleidigung verstehen.
Es gibt mehrere unterschiedliche Interaktionsmuster zwischen einem
Analytiker und seinem Patienten in Bezug auf das Geben und Entgegennehmen von Deutungen, die sehr ausführlich von Spillius beschrieben wurden: »Ein wesentlicher Faktor scheinen mir die bewussten und unbewussten Gefühle des Gebenden über das Geben zu sein, und die Art und Weise,
in der diese Gefühle vom Empfänger, bewusst oder unbewusst, verstanden
oder missverstanden werden.« (Spillius, 2007) Diese Probleme haben ihre
Wurzeln im Unvermögen gewisser Patienten, Übertragungsdeutungen zu
tolerieren. Das Erkunden unbewußter Phantasien wird als Anschuldigung
des Patienten und auch als eine Art des Analytikers verstanden, seine Überlegenheit zu demonstrieren.
Einige Autoren wie Barros & Barros (2011) untersuchten diese Schwierigkeiten, die manche Patienten aufgrund von Störungen ihrer Denk- und
Symbolbildungsfähigkeit beim Verstehen und in der Kommunikation zeigen. Diese Autoren vertreten die Vorstellung, daß der Patient die Strukturen
oder Formen der seelischen Repräsentationen, vor oder während sie in den
Symbolen sind, angreift. Sie sagen: »Symbole können ihre Plastizität verlieren und so Gefühle zum Schweigen bringen und damit den Patienten von
ihren Bedeutungen abschneiden.« (Barros & Barros , 2011)
Die Autoren beschreiben aber auch, daß die symbolische Funktion Eigenschaften hat, die dazu dienen können, verlorene Objekte wiederherzustellen
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oder neu zu kreieren. Letztere Tatsache ist von überragender Wichtigkeit in
meiner Fallbeschreibung.
Der Patient, den ich beschreiben werde, klagte darüber, keine Erinnerungen an wichtige und traumatische Fakten seines Lebens zu haben und
sah in dieser Schwierigkeit, sich zu erinnern, den Grund für seine Probleme,
die ihn quälten. Ich konnte mit dem Patienten herausfinden, daß es Erinnerungen gab, die nicht abgerufen werden konnten, weil sie weder verdrängt
noch repräsentiert waren, d. h. sie waren auf einem präsymbolischen oder
sogar prärepräsentationalen Niveau gespeichert. Ich glaube, daß der Patient
diese Schwierigkeiten aufgrund eines brüchigen psychischen Apparates hatte, der ihm nicht half, seine Erfahrungen zu verarbeiten. Solche Erfahrungen sind nicht in der Seele des Individuums repräsentiert und bleiben ein
Fremdkörper ohne Bedeutung und Repräsentation, aber mit einem großen
Störpotential. Diese Störung wird in die Objekte ausgestoßen, speziell in
den Analytiker, der sie entgegennimmt und versucht, sie zu entschlüsseln
und anschließend dem Patienten in Form einer Deutung, die seinen Erfahrungen und Gefühlen Sinn gibt, zurückzugeben. Joseph zeigt uns in ihrer
Arbeit Übertragung – Die Gesamtsituation, daß viel von dem, was der Patient in einer Stunde mitteilt, nicht in dem repräsentationalen Inhalt der Worte
liegt, sondern dass durch Worte versucht wird, im Analytiker eine Reaktion
gegenüber dem Patienten auszulösen (vgl. Joseph, 1985)
Ogden (1980, 1994a, 1994b, 1997) beschreibt in verschiedenen Arbeiten
sehr klar die Beziehung zwischen der Subjektivität des Analytikers und der
des Patienten und betont die Bedeutung der »Träumerei« (Rêverie) des Analytikers während der Stunde. Ogden bezieht sich dabei auf Bions Konzept
der »Träumerei«. Träumerei umfasst dabei alles, was in der Seele des Analytikers während der Sitzung vorgeht. Avzaradel (2011) zitiert Ogden (1994,
1997): Ogden betont die Rolle der Träumerei, die für ihn alles ist, was in der
Seele des Analytikers während der Stunden vorgeht. Er schließt dabei alle
Arten von Tagträumen und Phantasien ein, nicht nur solche, die einen Bezug
zum Material des Patienten zu haben scheinen. Er bezieht auch die körperlichen Empfindungen während der Stunden mit ein und betrachtet sie als
Manifestationen der Träumerei. Ogdens Vorschlag ist, im Detail die Träumerei des Analytikers zu prüfen, um die unbewußten Spiegelungen in den Seele
des Analytikers zu erfassen und sich mit ihnen auf das einzustellen, was in
der analytischen Beziehung mit einzelnen Patienten geschieht.
Falldarstellung
Der Patient, den ich Peter nennen werde, kam fünf Monate nach einer zweiten psychotischen Episode zu mir. Er wurde von dem Psychiater, der ihn mit
Medikamenten behandelte, überwiesen. Während des Erstgespräches zeigte
sich, daß Peter sehr ängstlich und mißtrauisch war; er sprach wenig und achtete aufmerksam auf meine Bewegungen und die Geräusche von der Straße.
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Ich bemerkte, daß allein das Zusammensein mit mir ihn sehr verängstigte. Er
erzählte mir, daß er Angst vor den Stimmen hatte, die ihn mit anklagenden
Äusserungen hinsichtlich seiner Ehrlichkeit und Sexualität quälten. Er bat
mich, mit seiner Mutter zu sprechen, da er in seiner Entscheidung, die Behandlung bei mir zu beginnen, von ihr abhängig war. Zum zweiten Gespräch kam
er in Begleitung seiner Mutter und ich erfuhr seine Geschichte von ihr.
Peter hatte im Alter von vier Jahren auf einer Fahrt mit seinen Eltern
einen schrecklichen Autounfall erlebt, bei dem er seinen Vater verloren hatte
und seine Mutter schwer verletzt worden war, er jedoch nur wenige Prellungen erlitten hatte. Seine Mutter erzählte, daß er in dieser Zeit sehr gelitten
habe, nicht schlafen konnte, nach seinem Vater schrie und sehr verzweifelt
war. Sie erzählte, daß er ein glückliches und gesundes Kind gewesen war, nach
dem Unfall jedoch nervös, schlaflos wurde, voll von Ängsten. Er hatte Mühe,
in der Schule zu lernen, und zeigte ein Verhalten, das als bizarr beschrieben
wurde, bei dem er sich isolierte oder sehr aggressiv wurde. Der Patient unterbricht seine Mutter und erzählt mir, daß er sich an überhaupt nichts erinnere
und ein Stück seines Lebens fehle. Er erzählt mir außerdem, daß er Stimmen
höre, die ihm sagen würden, daß er einen Teil seiner selbst verloren habe. In
diesem Moment nahm ich eine Verzweiflung wahr, die im Gesicht des Patienten geschrieben stand, und fühlte mich gezwungen, ihm zu helfen.
Er erläuterte weiter, daß er sich selbst in der Zeit verloren habe und unfähig
sei, Ereignisse, die in verschiedenen Perioden seines Lebens passiert waren, zu
verbinden. Es schien eine schwerwiegende Diskontinuität zu bestehen. Seinen
ersten psychotischen Zusammenbruch erlebte er im Alter von 17 Jahren. Er
wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen und nur mit Medikamenten
behandelt. Peter war 19 Jahre alt, als er seine Analyse begann.
Nach ungefähr vier Monaten Analyse kam er sehr verstört in seine Montagsstunde und machte einen Eindruck, als würde er verfolgt. Er erzählte
mir, daß er während des Wochenendes Stimmen gehört und einige seltsame
Visionen gehabt habe, woraufhin er sich entschieden habe, sich ein Tattoo
auf seinen Rücken machen zu lassen, um sich zu beruhigen. Ich sagte ihm,
daß er seine Angst, die er wegen meiner Abwesenheit über das Wochenende
verspürt habe, in das Tattoo gelegt habe, und daß er Angst hatte, er würde
mich verlieren. Er steht daraufhin auf, zieht sein Hemd aus, zeigt das Tattoo
eines Adlers und sagt, daß er sich beruhigt habe, aber als er in die Stunde
kam, habe er den Eindruck gehabt, daß ihn jemand auf der Strasse verfolgte.
Durch dieses Material und Ähnliches realisierte ich, daß Tätowieren eine
Möglichkeit darstellte, Verfolgungsangst und Schrecken, die er fühlte, zu
beruhigen. Er ließ sich einige Male tätowieren, jedes Mal im Zusammenhang
mit Wochenenden, Ferien und Urlaubsabwesenheiten. Wir fanden heraus,
daß er mich auf seinen Körper tätowieren lassen mußte, so daß ich nicht
verschwinden und ihn mit seinen Ängsten alleine lassen würde. Eine Tätowierung auf seinem Körper würde sich nicht von ihm trennen, sondern ihn
immer begleiten.
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Ängste, in Stücke zu zerfallen oder zu desintegrieren, waren sehr häufig. Ich glaube, daß der Gebrauch von Tattoos als Ausdruck von Gefühlen
zeigt, daß Peter schwerwiegende Probleme zu symbolisieren hatte und zu
dieser Zeit seine Gefühle nur durch konkrete Handlungen ausdrücken konnte. Avza­radel beschreibt etwas Ähnliches: »Angelegenheiten von klinischer
Wichtigkeit erhalten eine extreme Bedeutung, weil bei Patienten mit schweren Pathologien deren Denken offensichtlich beeinträchtigt ist. Es ist konkret,
ohne symbolischen Inhalt. Wir können das bei zwanghaftem Verhalten, bei
dem Symptome etwas Konkretes beinhalten, z. B. Essen, Alkohol und Drogen, sehen. Solche Patienten handeln, ohne zu denken.« (Avzaradel, 2011)
Avzaredel schlägt sogar eine Technik der Deutung vor, bei der man versuchen sollte, das, was man an Material des Patienten entgegennimmt, in
kleinen Dosen und nah an den Empfindungen des Patienten zu deuten,
um ihm zu helfen, die Fähigkeit zu symbolisieren zu entwickeln und ihn
in die Lage zu versetzen, die Mitteilungen des Analytikers zu verstehen.
Im Verstehen des Patienten mangelte es an symbolischer Entwicklung, mit
der er Gefühle und Gedanken hätte in Worte fassen können. Er teilte sich
durch eine Sprache der Handlung am Körper mit, etwa durch Tattoos, und
er hatte ein Verständnis, in dem Tatsachen und Worte als konkret erlebt
wurden. Der Umstand, daß er sich selbst als hohlen, leeren Teil von sich
selbst, dem ein Stück fehlte, erlebte, trug für Peter dazu bei, daß er keine
Wege fand, sich durch Worte und Gedanken auszudrücken, sondern er verdichtete seine Affekte z. B. in einem Tattoo, und verlieh diesen so konkreten Charakter.
Im ersten Jahr arbeiteten wir intensiv sowohl an seinen Verfolgungsängsten mir gegenüber als auch an seiner intensiven Bindung und Abhängigkeit
von mir. Es war eine sehr schwierige Periode, weil der Patient einen hohen
Angstpegel erlebte, wenn wir seine Beziehung zu mir und zu seinen inneren
Objekten untersuchten.
Fragment einer Stunde
P: Alles seltsam … scheint zu sterben, alles schmerzt, macht Angst und die
Stimmen hören nicht auf. Samstag schlecht! Alleine!!!
A: Es ist, als wäre ich verschwunden, und Sie wären verlassen ohne Hilfe
und auch ohne jemanden, der Sie vor den Stimmen schützt.
P: Sie denken, Sie sind so wichtig für mich … aber Sie helfen mir nicht
viel. Ich verstehe nicht, warum Sie denken, daß Sie so wichtig für mich sind.
Sie sagen immer, daß ich am Wochenende ohne Sie alleine bin. Ich habe vor
allem Angst und es ist niemand da, nicht nur Sie nicht.
A: Wenn ich sage, daß Sie mich vermissen, verstehen Sie, daß ich mich
selbst für Sie wichtig mache, daß ich sage, daß Sie nicht ohne mich sein können. Auf diese Weise fühlen Sie, daß ich Sie jage, daß ich die Stimme bin, die
Sie quält.
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P: Ich verstehe … aber es ist alles so verwirrend. Wie können Sie mir
helfen?
A: Helfen zu verstehen, was geschieht und was Sie fühlen. (Schweigen)
P: Die Stimmen sind nicht deutlich, aber sie klagen an. Ich habe Angst,
ein Mörder zu sein und ins Gefängnis zu kommen.
A: Die Stimmen klagen Sie an, jemanden umgebracht zu haben, und das
erschreckt Sie.
P: Ja … Ich bin erschreckt und kann nicht schlafen … Angst zu sterben.
A: Ich verstehe, daß Sie sich fürchten, Gefühle, Gedanken und Angst
zu erleben, daß ich Ihnen nicht helfen kann. Immer wenn ich die Beziehung
dieser Gefühle zu mir aufzeige, haben Sie das Gefühl, daß ich diese Gefühle
in Sie hineinlege. Und das ängstigt Sie so.
P: Ich verstehe bestimmte Dinge nicht und ich denke, Sie wollen mich
mißbrauchen.
A: Wie?
P: Mich dazu bringen, bestimmte Dinge zu denken.
A: Was zum Beispiel?
P: (Schweigen) Angst, daß Ihre Gedanken in meinen Kopf kommen.
A: Wenn Sie Gedanken haben, die Sie quälen, müssen Sie sie ausdrücken.
Wenn ich etwas darüber zu Ihnen sage, dann lege ich diese Gedanken zurück
in Ihren Kopf.
P: Sie können mich verrückt machen, ohne die Möglichkeit der Heilung
und mit dem Kopf voll Zeugs.
A: Wenn ich darüber spreche, was Sie fühlen?
P: Wenn Sie sagen, daß ich bestimmte Dinge denke.
A: So fühlen Sie, daß wir in einer Beziehung sind, wo Sie versuchen, mir
etwas mitzuteilen und ich lege Zeugs in Ihren Kopf.
P: Ja, das ist, was passiert. Es passiert auch mit anderen Leuten, ich spreche und sie legen Dinge in meinen Kopf.
A: Ich verstehe, was Sie sagen wollen. Vielleicht können wir versuchen zu
verstehen, warum Sie das so fühlen.
P: Weil es ein fehlendes Stück in meinem Kopf gibt, ich habe immer
gedacht, daß dort ein fehlendes Stück war.
A: Welches?
P: Ich weiß nicht … es fehlt.
A: Ein Stück, das verloren gegangen ist, vielleicht ausgeräumt.
P: Tätowieren beruhigt mich.
A: Es schafft eine Bedeutung.
P: Ich tätowiere nur, wenn ich Angst habe.
A: Und es hat immer mit meinen Ferien, Urlauben oder etwas in der Art
zu tun. Wenn Sie Angst haben, löschen Sie die lähmende Angst aus und es
entsteht eine Leere mit einem fehlenden Stück.
P: Ein Stück fehlt.
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Zu Beginn wurden meine Deutungen als Angriffe oder sogar Zurückweisungen durch mich erlebt. Es war notwendig zu bearbeiten, wie der Patient
fühlte und welche Beziehung er zu mir und zu anderen hatte, um auf diese
Weise ein Setting zu etablieren und Vertrauen zu schaffen, das ein Fortschreiten der psychoanalytischen Arbeit erlauben würde. Ich begann auch,
keine lange Deutungen zu machen, präziser zu sein und Übertragungsdeutungen zu dosieren, ein Modell, wie es von Avzaradel (2011) vorgeschlagen
worden ist.
Im dritten Analysejahr war der Patient weniger angespannt, schlief ohne
Medikamente und die paranoide Angst war sehr zurückgegangen. Zu dieser Zeit unterzog sich seine Mutter einer rekonstruktiven Operation, um
die Unfallfolgen zu beheben. Peter hatte einen erneuten Zusammenbruch,
der sich dadurch zeigte, daß er große Angst hatte, das Haus zu verlassen; er
schloss sich in seinem Raum ein, verweigerte jeden Kontakt mit der Mutter
und auch mit mir. Nach ungefähr zwei Wochen willigte er ein, in meine Praxis zu kommen, und wir nahmen die Analyse wieder auf. Ich dachte über die
Möglichkeit nach, ihn zuhause zu sehen, aber er weigerte sich und wollte nur
den Psychiater zuhause sehen.
In der ersten Sitzung nach seiner Rückkehr erschien er mit einem neuen
Tattoo, dem Bild eines Sarges. Ich erwähnte die Angst davor, die Mutter zu
verlieren, und er erzählte mir, daß er Stimmen gehört habe, die sagten, daß
seine Mutter während der Operation sterben werde. Angst stand in seinem
Gesicht und er sagte wieder, daß er ein Stück seines Lebens verloren habe.
Als wir über den Unfall, bei dem sein Vater gestorben war, sprachen, sagte
er mir, daß er sich an nichts erinnern könne, sein Kopf sei leer, wiederholte er immer wieder. Ich versuchte mit dem Patienten zu schauen, was für
Ereignisse zu dem neuen Zusammenbruch geführt hatten, und wir konnten
gemeinsam verstehen, daß er in gewisser Weise die Analyse in sich selbst verloren hatte und alleine, konfrontiert mit der Drohung, die Mutter während
der Operation zu verlieren, verzweifelt war. Er sagte, daß es immer noch
besser ist, Stimmen zu hören und Dinge zu sehen, als eine Leere zu fühlen,
ein lebender Toter, der sich lieber belebt als tot oder fast tot fühlen möchte
(vgl. Andrade Jr., 1991).
Einer seiner Wahngedanken war die Idee, daß er einer bestimmten Bibelpassage folgen sollte, wo ihm seiner Auffassung nach gesagt wurde, daß der
Demütige belebt wird und daß der Demütige ins Himmelsreich gelangen werde. Für ihn war die größte Erniedrigung, die einem Mann widerfahren könnte,
homosexuell zu sein und ein Verhältnis mit einem anderen Mann zu haben.
Aus dieser Phantasie erwuchsen seine homosexuellen Ängste, die Stimmen,
die ihn anklagten, ein Homosexueller zu sein und seine Angst, von mir abhängig zu sein und analen Verkehr mit mir zu haben mit dem Ziel, ihn zu heilen.
Ich begann zu verstehen, daß das, von dem er sagte, er habe es vergessen, am Leben war und ihn innerlich bedrohte. Jede Annäherung an
dieses Gefühl wurde vom Patienten zurückgewiesen; er drohte sogar, die
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Behandlung abzubrechen, wenn ich etwas berührte, was einen Bezug zum
Unfall, seiner Gedächtnislücke oder gar zu seinen homosexuellen Gefühlen
hatte.
Eine Vignette
P: Ich denke, ich werde nur gerettet, wenn ich in der Weise, wie ich Ihnen
erzählte, erniedrigt werde. Wenn ich eine sexuelle Beziehung mit einem
Mann habe.
A: Ich verstehe, daß Sie das Gefühl haben, eine große Erniedrigung ertragen zu müssen, um gerettet zu werden. Es scheint, als müssten Sie für etwas,
was geschah, bestraft werden.
P: Da gibt es nichts, Sie denken sich Sachen aus, klagen mich an, schlecht
und ein Mörder zu sein.
A: Sie verstanden das, was ich sagte, als ob ich etwas Schlechtes in Ihren
Kopf legte.
P: Sie klagten mich wirklich an. Ich bin keine schlechte Person.
A: Vielleicht können wir verstehen, wie Sie verstehen, was ich sage. Welche Bedeutung das bekommt, was ich mit Ihnen bespreche.
P: Die Stimmen klagen mich an, ich habe Angst, psychisch krank zu werden.
A: Sie fürchten die Bedeutung, die Sie dem geben, was Sie fühlen, und
haben Angst, daß ich Gedanken in Sie hineinlege, die nicht Ihre sind. So weigern Sie sich zu prüfen, was ich sage, aus Angst, daß ich Sie anklage. Haben
Sie schon bemerkt, daß das, von dem Sie sagen, ich lege es in Ihren Kopf, mit
dem zu tun hat, was Sie fühlen?
P: Ich denke, alles ist sehr seltsam. Ich glaube, daß Sie mir nicht schaden
wollen, aber ich habe Angst. Ich verstehe viele Dinge nicht. Alles fehlt in
meinem Kopf.
A: Sie haben eine ziemlich klare Empfindung von dem, was Sie als fehlend empfinden.
P: Ich denke, Sie können mir nur helfen, wenn Sie die Stimmen kontrollieren.
A: Wenn Sie meine Stimme kontrollieren.
P: Ich weiß nicht, ob ich mit Ihnen gesprochen habe oder ob ich es dachte,
aber ich denke, ich hänge an Ihnen, ich komme jeden Tag hierher. Ich muß
mehr ich selbst sein.
A: Ich verstehe, daß Sie sich seelisch von mir getrennt fühlen müssen und
daß Ihr Kontakt mit mir Sie mit dem Gefühl zurückläßt, nicht zu wissen,
wer hier wer ist. Wie ein Baby, das an der Brust der Mutter saugt und nicht
unterscheiden kann, wer es ist und wer die Brust ist.
P: Verursacht Verwirrung.
A: Ja, verursacht Verwirrung zwischen dem, was Sie fühlen und denken
und dem, was ich Ihnen sage.
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P: Manchmal bin ich nicht sicher, ob Sie es waren oder ich, der bestimmte
Dinge sagte.
Nach der Rückkehr aus meinen Ferien kommt der Patient mit einer Tasche
voller Zeitungsausschnitte, Fotographien und Schulnotizbüchern, die er
neben meinem Sessel auf dem Boden stellt, zur Stunde. Er sagt, er wolle mir
einige Dinge zeigen, ich dürfte aber nichts sagen, nur schauen. Den Ideen von
Honigstejn (1990) basierend auf Klein (1952a) zur Integration von Impulsen
folgend, braucht der Patient gemäß Honigstejn ein Objekt, das hilft zu integrieren. Ich dachte, daß Peter die Erfahrung mit einem Objekt brauchte, das
ihm als sicherer Boden diente und ihm so helfen würde zu integrieren, wenn
er mich bat, nur zu hören und nichts zu sagen.
Der Kontakt mit mir veränderte sich; er begann, mich bei der Ankunft
und beim Abschied mit Handschlag zu grüßen. Die homosexuellen Ängste
nahmen deutlich ab. Die Arbeit, die wir sowohl wegen der Furcht, sich selbst
als lebender Toter zu fühlen, als auch dem Gefühl, daß Wahngedanken und
Halluzinationen dem Gefühl, sich als leer und tot wahrzunehmen, vorzuziehen seien, unternahmen, brachte gute Erfolge. Dies ermöglichte es dem
Patienten zu sehen, wie er sich selbst durch massive projektive Identifikation
entleerte (Almeida Prado, 1983).
Ein Fragment einer Stunde aus dieser Periode
P: Wenn Sie über den Unfall sprechen, klagen Sie mich an.
A: Weswegen?
P: Ich weiß nicht, aber Sie klagen mich an, als ob ich den Unfall gewollt
hätte. Ich wollte ihn nicht, verstehen Sie?
A: Ich denke, ich gebe den Gefühlen, die Sie haben, über die Sie aber nicht
nachdenken können, eine Stimme, wenn ich etwas zu Ihnen sage. Vielleicht
Gefühlen in Bezug auf den Unfall.
P: Ich denke nicht gerne an den Unfall. Ich fühle ein großes Loch in meinem Kopf, ein Teil fehlt.
A: Der fehlende Teil ist das, was Sie erschreckt. Es ist eine Leere, aber
auch eine Anwesenheit.
P: Da ist ein großes Loch, und ich habe das Gefühl, daß das Nachdenken
über diese Dinge zur Folge hat, daß ich mich schlecht fühle. (Schweigen)
P: Erinnern Sie sich, daß ich Ihnen sagte, daß Stimmen hören und Dinge
sehen manchmal besser ist als sich leer zu fühlen? Weil leer tot ist, ich werde
fallen und sterben; ich bin nicht sicher, wie, aber ich fürchte zu zersplittern,
wie Sie einmal sagten.
A: Angst zu zersplittern und in eine Leere zu fallen, so füllt das Sehen
von Dingen und das Hören von Stimmen die Leere, vielleicht um etwas
Schrecklichem eine Bedeutung zu geben. Vielleicht etwas Vorgestelltem.
P: Es ist alles sehr gefährlich. Es gibt viele Arten zu sterben. In die Leere
zu fallen ist wie aus Verzweiflung sterben.
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P: Gefühle vom Tod.
A: Gefühle, die mit dem zu tun haben, was Sie in Bezug auf den Unfall
erlebten, z. B. Gefühle, die hier in der Beziehung zu mir aufkommen und
Angst auslösen, ich könnte aufgrund ihrer Gedanken sterben.
P: Ich hatte nie Freunde und immer Angst vor Beziehungen. Ich wurde
gequält von Beziehungen mit vielen schlechten Gedanken in meinem Kopf.
A: Als ob einen schlechten Gedanken im Kopf zu haben bedeutete, daß
es auch geschieht. Wenn Sie zu mir eine Beziehung haben und diese Beziehung spüren, könnte mir aufgrund Ihrer Gedanken etwas zustoßen.
P: Die Gedanken sind immer schlecht …
Zu diesem Zeitpunkt in der Stunde tauchte ein depressives Gefühl beim
Patienten auf, ein bißchen mehr integriert und den Schmerz in Bezug auf das
erlebend, was mit ihm geschah. Schmerz, dem wir in den folgenden Stunden
weiter nachgingen. Ich denke, daß die Tatsache, daß ich die Übertragungsdeutungen dosiert hatte, dem Patienten geholfen hat, über seine emotionalen Erfahrungen, die zu einem Beginn der Integration beigetragen hatten,
nachzudenken. Der Patient zeigte mehr Interesse, über die Tatsachen seines
Lebens zu sprechen, und er fühlte sich in der Lage, Erfahrungen, die seinen
Gefühlen von Angst und Verwirrung Bedeutung gaben, zu verbinden. Es
war der Beginn einer reiferen Objektbeziehung, in der er mich als weniger
bedrohlich erlebte. Ich erkannte, wie wichtig es für Peter war, die traumatischen Ereignisse seines Lebens wieder zu erleben. Zuerst erschien alles
darauf ausgerichtet, den Unfall zu rekapitulieren, später erschienen andere
Themen.
Ein Fragment einer Stunde dieser Periode
P: Ich möchte Freunde haben und Dinge tun, die ich nicht tue.
P: Ein soziales Leben ohne Angst haben; heute wachte ich auf mit dem
Gedanken, daß ich von einem Freund geträumt habe, den ich hatte. Er rief
mich und ich antwortete. Ich erschrak nicht, als ich dachte, daß er mir schaden will.
A: Sie realisierten, daß die Furcht vor Beziehungen sich verringert, wenn
die Stimmen abnehmen?
P: Ja. Ich denke, es gibt da ein Loch, aber es ist nicht so groß. Im Traum
gab es auch eine Brücke. Sonst erinnere ich nichts mehr.
A: Eine Brücke, die was verband?
P: Ich weiß nicht. Vielleicht hat es etwas mit den Stimmen zu tun, die
abnehmen und dann werde ich ruhiger.
A: Vielleicht verbindet die Brücke Ihre verschiedenen Aspekte, z. B. ein
Gefühl von Leere mit einem Verständnis für diese Leere. Sie, Ihre ­Geschichte.
P: Ich konnte mehr über die Dinge sprechen, die mir passierten.
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Am Ende der Freitagsstunde gibt er mir eine Fotographie und geht. Als ich
das Bild betrachte, sehe ich ihn als Zweijährigen auf dem Boden sitzen und
mit einem kleinen Auto spielen. Sein Name und sein Alter waren auf die
Rückseite des Photos geschrieben: Er war zwei Jahre und zwei Monate alt.
Sein Ausdruck von Traurigkeit erregte meine Aufmerksamkeit. In der folgenden Montagsstunde fragt er mich, ob ich das Bild angesehen habe, und
berichtet, daß seine Mutter erzählte, daß sie in der Zeit, als das Foto gemacht
wurde, eine Fehlgeburt hatte und wegen der anschließenden Blutung für
ein paar Tage hospitalisiert werden mußte. Er erzählt mir, daß seine Mutter berichtet habe, daß er in dieser Zeit sehr aufgebracht war und daß er
auch merkwürdig reagierte und sich selbst isolierte, als sie ihm sagte, daß sie
schwanger war. Ich sage, daß sein Ausdruck von Traurigkeit vielleicht mit
diesen geschilderten Ereignissen zu tun hatte. Einige Stunden später klagt
er, daß der Patient vor ihm böse schaute und die Stunde verließ, als sei er
der Hausbesitzer. Peter hatte nie von anderen Patienten, denen er in der Praxis begegnet war, gesprochen. Ich sage ihm, daß er möglicherweise auf meine Beziehung zu dem anderen Patienten eifersüchtig sei und der Umstand,
daß der andere Patient der Hausbesitzer zu sein schien, ihm den Eindruck
vermittelt habe, zwischen uns bestünde eine gewisse Intimität. Ich verband
diese Begebenheit mit der Schwangerschaft der Mutter und seinen Schwierigkeiten, seine Phantasien zu betrachten. Er sagte mir, er habe Angst, er
könne eine Verletzung von mir verursachen oder sogar bewirken, daß ich
mich selbst schädige.
Er begann dann, über seinen Vater zu sprechen, und fühlte sich mehrere
Stunden sehr ergriffen und erschüttert durch Brustschmerzen. Er dachte, er
hätte einen Herzinfarkt und suchte sogar die Notfallstation eines Krankenhauses auf, um sich untersuchen zu lassen, weil er dachte, er würde sterben.
Es war eine sehr schwierige Zeit, weil er mich beschuldigte, tote Dinge aufzudecken, um seinen Tod zu provozieren. Ich deutete, daß er Angst habe,
über den Tod des Babys im Bauch der Mutter und den Unfall nachzudenken,
aus Furcht vor den Schuldgefühlen, weil er sich für das, was passiert war,
verantwortlich fühlte. Wir sahen auch die Furcht davor, dem Unfall, den er
in sich selbst spürte, zu begegnen, d. h. seine Furcht wahrzunehmen, wie er
seine inneren Objekte angegriffen und beschädigt hatte.
Ich verstand die Stimmen, die zu dieser Zeit wieder auftauchten, als einen
Ausdruck seiner verfolgenden Schuld. Die Stimmen drangsalierten ihn, weil
sie ihn als Mörder beschuldigten. Ich dachte auch an die Angst vor Vergeltung durch die angegriffenen Objekte. Wenn ich ihm über mehrere Stunden
dieses Verständnis deutete, war er erleichtert.
In einer Stunde, die ein paar Tage später stattfand, brachte er ein Spielzeugauto mit und erzählte mir, daß er es bekam, als er ungefähr zwei Jahre
alt war, und daß er dieses Auto dabei hatte, als der Unfall passierte. Seitdem
hatte er nie mehr mit diesem Auto, das verschlossen in seinem Schreibtisch
geblieben war, gespielt. Ich erkannte die Bedeutung seiner Gefühle für mich
Altamirando Matos de Andrade Junior Wiederherstellung des psychischen Apparates
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und beschloß, ihm zu sagen, daß er versuchte, seine Gefühle für den Vater,
die er abgeschlossen bewahrt hatte, zu befreien. Ich glaube, daß diese Art
Erfahrung Peter half, das Trauma zu denken und mit mir wieder zu erleben
und dabei Einsicht in seine emotionale Erfahrung zu gewinnen. Das führte
meiner Ansicht nach zu einer Wiederherstellung der Beziehung zum Vater,
die durch die Angst vor den Gefühlen über den Unfall beschädigt war. Das
ist ein Beispiel für die Konstruktion eines psychischen Apparates, der denken und in Beziehung treten kann.
Fragment einer Stunde aus dieser Periode
P: Ich bedaure, daß ich nicht mehr Zeit mit meinem Vater hatte. Ich denke,
ich wäre nicht krank, wenn er leben würde.
A: Sie meinen, Sie sagen mir, daß Ihr Vater einen gesunden Teil von Ihnen
behielt und Sie um diesen Teil beraubt wurden und ohne ihn krank geworden sind.
P: Ich weiß, daß es nicht so ist, aber es scheint, daß es das ist, was ich
fühle. Ich denke, daß von mir auch etwas starb, als er starb.
A: Sie sagen, daß Sie mit einem toten Vater in sich selbst zurückgeblieben
sind und daß dieser tote Vater als Verstorbener, der störte und Sie krank
machte, erhalten geblieben sein könnte. Ein Verstorbener, der nicht begraben
wurde. Er blieb als ein Verstorbener mehr lebendig als tot.
P: Ich denke, er kann nicht sterben.
A: Sie konnten ihn nicht als tot betrachten, so gab es keine Möglichkeit,
um ihn zu trauern und einen Platz in sich für den Vater zu finden. Es blieb
nur der Haß auf den Vater, weil er Sie verließ. Ein Gefühl, daß Sie und Ihr
toter Vater miteinander verwoben sind.
P: Es könnte sein, aber während ich jetzt mehr über all das spreche, habe
ich Angst zu sterben, aber ich will auch mehr über all diese Dinge sprechen.
Ich hätte nie gedacht, daß ich über all das reden könnte.
In dieser Stunde ist eine Veränderung in Peters Sprache und Verständnis
wahrnehmbar, er scheint mehr in der Lage, über das, was ich deute, nachzudenken und es zu verstehen. Als Peter mit den Gefühlen, die in Beziehung
zum Tod des Vaters und des Babys bei der Fehlgeburt der Mutter standen, in
Kontakt kam, erlebte er starke paranoid-schizoide und depressive Ängste. Es
war Todesangst und die Furcht, er könnte einen erneuten Zusammenbruch
erleiden; ich machte mir Sorgen und versuchte, mit Peters Gefühlen in Kontakt zu kommen, um die Art der vorliegenden Objektbeziehung zu verstehen.
Er war ängstlich und ich machte mir Sorgen um ihn. Er erzählt mir dann, daß
seine Mutter sagte, daß sie sowohl bei der Fehlgeburt als auch beim Unfall
sehr depressiv wurde und psychiatrische Hilfe suchte. Er sagt auch, daß zu
dieser Zeit die Großeltern mütterlicherseits für ihn sorgten, was seine Ängste,
daß er auch seine Mutter verloren hatte, verstärkt hatte; dies schien er in der
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Übertragung mit mir mit seiner Verzweiflung und meine Sorgen um ihn zu
erleben. Mit der Weiterführung dieser Themen erzählt er mir, daß seine Mutter sagte, sie sei etwas depressiv gewesen, als sie ihn stillte, weil sie Schmerzen
in der Brustwarze hatte. Er sagt, daß seine Mutter panisch vor Angst war,
sie könnte nicht in der Lage sein, ihn zu stillen, und daß er viel schrie. Man
mußte einen Kinderarzt hinzuziehen, damit sie wieder Vertrauen bekam und
das Stillen fortsetzten konnte. Ich denke, daß diese Ängste, die zu dieser Zeit
gegenwärtig waren, ohne angemessene Repräsentation blieben, als die Fehlgeburt geschah, und anschließend der Unfall mit einer Zunahme dieser Erfahrungen zu seinem merkwürdigen Verhalten, der Isolation und Aggressivität
führte. Das beschrieb die Mutter, als sie auf Wunsch des Patienten zu Beginn
der Behandlung zu mir kam. Die Tatsache, daß die Mutter in der Frühzeit
von Peters Leben depressive Episoden hatte, bildete zusammen damit, wie er
diesen Umstand erlebte und phantasierte, den Kern von Peters wahnhaften
und halluzinatorischen Aktivitäten. Meiner Ansicht nach entstand deshalb
auch ein ziemlich gestörtes Objektbeziehungsmuster. Diese Gegebenheiten
verursachten die Fragmentierung seiner psychischen Erfahrungen und die
Schwierigkeit, eine Kontinuität in der Zeit zu erleben. Erfahrungen wurden
nicht nur als drohend erlebt, sondern als konkrete Tatsachen, die ihn und die
Objekte, mit denen er in Beziehung stand, zerstören würden. Wir können
mutmaßen, daß möglicherweise seine Mutter ihre Ängste auf Peter projizierte und daß diese Elemente als etwas Unverdautes übrig blieben. Sie können
nicht gedacht oder verstanden werden. Vielmehr dringen diese projizierten
Elemente in die Seele des Patienten ein und werden zu Verfolgern. Avzaradel beschreibt in der Arbeit, die ich oben zitierte, etwas Ähnliches: »Wenn
Mütter ihre Alpha-Elemente projizieren, so tun sie das, indem sie das Baby in
ihren Armen halten, es schützen, dafür sorgen, daß es sich friedlich, geliebt
und ruhig fühlt. All dies begünstigt die gesunde Entwicklung des Babys.
Wenn Mütter Beta-Elemente projizieren, auf einem Weg, entgegengesetzt zu
dem, den wir normalerweise studieren, scheitern sie nicht nur daran, die BetaElemente für ihr Baby zu verdauen, sondern sie dringen auch in die Seele des
Babys mit etwas ein, das nicht verdaut werden kann, weil es nicht irgendeinen
Denkprozeß durchlaufen hat, weil keiner verfügbar war.« (a.a.O.)
In einer Stunde im etwa elften Jahr der Behandlung erschien er zum ersten
Mal mit einer Uhr. Er wirkte wie ein kleines Kind, das lernt zu sagen, wieviel
Uhr es ist. Und er existierte, weil er begann, eine Verbindung zwischen den
Tatsachen seines Lebens herzustellen. Seine Sprache war artikulierter und er
dachte schon in Begriffen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Eine Stunde aus dieser Zeit
P: Ich sprach über viele Dinge hier, was vorher nicht möglich war. Ich denke,
daß die Angst, zu sterben und in Stücke zu zersplittern, vorbei ist. Aber es
ist sehr hart, über all das zu sprechen. Es macht mich traurig.
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A: Ich verstehe, was Sie meinen, aber trotz der Traurigkeit, die Sie fühlen,
wirken Sie nicht verzweifelt.
P: Das ist wahr. Ich komme hierher ohne das Gefühl, daß Sie mich verletzen wollen, und ich weiß, daß ich dadurch viele Dinge verstehen werde. Aber
ich bin traurig. Nicht verzweifelt, traurig.
A: Es scheint eine Traurigkeit zu sein, die ertragbar ist und über die man
nachdenken kann. Vielleicht hat sie etwas mit der Brücke im Traum zu tun.
P: Neulich sagten Sie etwas über die Verbindung verschiedener Tatsachen
meines Lebens, Vergangenheit mit Gegenwart, ich denke, es war das.
A: Es war das.
P: Ich spüre, daß ich ein Leben habe und es scheint, daß es im Leben auch
Leiden gibt.
Übersetzt aus dem Englischen von Marianne Junghan (Thun)
Zusammenfassung
Der Autor beabsichtigt, ausgehend von der Analyse eines psychotischen
Patienten die Konstruktion eines psychischen Apparates zur Debatte zu
stellen, der fähig ist, zu symbolisieren, zu denken, zu fühlen und Objektbeziehungen zu unterhalten. Zur Unterstützung der vom Autor entwickelten
Überlegungen werden behandlungstechnische Fragen herangezogen. Mit
klinischem Material.
Summary
Starting from the analysis of a psychotic patient it is the author’s intention to
discuss the construction of a mental apparatus capable to symbolize, think,
feel and have object relations. Technical questions that support ideas developed by the author are considered. Clinical material is presented.
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