Sören Sibo Strohmenger (Compton 2015) RISE weltweit 2015 1 Sören Sibo Strohmenger RISE weltweit 2015 Allgemeiner Teil Mein Praktikum habe ich im Labor von Professor Pamme am Fachbereich Chemie der University of Hull in England absolviert. Da Großbritannien EU-Mitglied ist, musste ich kein Visum beantragen. Mit dem Flugzeug ging es von Frankfurt nach Manchester, dem größten Flughafen in Nordengland, zu dem auch Direktflüge aus Deutschland angeboten werden. Von dort aus war es noch eine zweistündige Zugfahrt durch die Landschaft des Pennines-Gebirges bis nach Hull. Hull (eigentlich Kingston-upon-Hull) liegt an der sehr breiten Flussmündung des Humbers in die Nordsee im Nordosten Englands. Die Stadt mit rund 250.000 Einwohnern hatte früher einen großen Fischereihafen, der mittlerweile an Bedeutung verloren hat. Dennoch gibt es noch einen sehr schönen Yachthafen sowie Fährverbindungen nach Rotterdam und Seebrügge. Auch sonst hat Hull einiges zu bieten und ist alles andere als „dull“, wie manchmal behauptet wird: Hull ist Kulturhauptstadt des Vereinigten Königreichs 2017 und das merkt man auch. Als ich dort war, gab es alle zwei Wochen ein großes Fest in der Innenstadt mit Livemusik, kostenlosen Tanz- und Theateraufführungen und dergleichen. Ansonsten gibt es neben der Altstadt am Hafen das große Aquarium „the Deep“, das auch architektonisch eindrucksvoll ist. Gerade das Viertel in der Nähe der Uni, das sogenannte Newland, bietet durch zahlreiche Pubs, Bars und Restaurants mit studentischen Preisen gute Möglichkeiten zum Weggehen. Gewohnt habe ich zunächst in einem von der Universität verwalteten WG-Haus, an das ich durch Nachfrage beim dortigen Studentenwerk gekommen bin. Das Verfahren war sehr unkompliziert, allerdings musste ich bis drei Wochen vor Praktikumsbeginn auf eine endgültige Zusage warten. Das typisch englische, viktorianische Reihenhaus direkt neben der Uni habe ich mir mit fünf Leuten geteilt, meine Mitbewohner waren zum größten Teil Studenten mit Ferienjobs, es gab aber auch andere ausländische Praktikanten. In dem Haus konnte ich leider nur für die Hälfte meines Praktikums bleiben, da die Uni die Zimmer bei Semesterbeginn ab Anfang September für die neuen Studenten benötigt. Schon vor meiner Ankunft habe ich deshalb private Vermieter angeschrieben und Besichtigungstermine für meine erste Woche in Hull vereinbart. Es war nicht leicht, etwas für den kurzen Praktikumszeitraum zu finden, da die Mindestmietdauer in England normalerweise bei sechs Monaten liegt. 2 Sören Sibo Strohmenger RISE weltweit 2015 Mit etwas Glück habe ich aber ein Zimmer in einer WG gefunden, die leider etwas weiter von der Arbeit entfernt war. Das war aber kein Problem, da ich mir an der Uni kostenlos ein Fahrrad leihen konnte und von da an jeden Tag 20 Minuten zur Arbeit geradelt bin, lediglich an den Linksverkehr musste ich mich erstmal gewöhnen. Während des Praktikums hat mich meine Freundin aus Deutschland für eine Woche besucht, zusammen sind wir dann für ein Wochenende mit dem Zug nach Edinburgh während des Edinburgh International Festivals gefahren, was sehr zu empfehlen ist. Benutzt haben wir dafür ein in Deutschland gekauftes Interrailticket für Großbritannien, mit dem man sehr flexibel ist und weite Strecken wie nach Edinburgh auch günstiger sind. Zu beachten ist aber, dass jeder, der in England sein Zugticket online kauft, kostenlos eine Reservierung dazubekommt. Dadurch kann es schon mal vorkommen, dass wirklich jeder Platz in einem Zug reserviert ist und man darauf hoffen muss, dass Leute ihre Reservierung nicht wahrnehmen. Für kurze Strecken wie für Wochenendausflüge nach York, Bridlington (an der Nordsee) und die Nationalparks in North Yorkshire, oder aber wenn man lange im Voraus bucht auch für weite Strecken (London, Liverpool), bietet die „Advance Ticket“ Option der National Rail eine günstige Alternative. Sehr hilfreich dafür, wie auch bei anderen Gelegenheiten, ist eine Kreditkarte. Für Bargeld kann man seine deutsche EC-Karte an so gut wie jedem Geldautomaten verwenden. Meine Bank verlangt allerdings pro Vorgang 5€, so dass sich nur gelohnt hat, große Mengen auf einmal abzuheben, das kann sich aber von Bank zu Bank unterscheiden. Zum Telefonieren und für mobiles Internet kann man sich vor Ort Prepaid-Simkarten kaufen, ich habe mich für den Billiganbieter Lebara entschieden, der jedoch nur begrenzt zu empfehlen ist: der Tarif ist zwar sehr günstig, das mobile Internet musste jedoch sehr umständlich manuell installiert werden und hatte dann teilweise nervige Aussetzer. Ansonsten findet sich in England alles was man benötigt, durch die Verbreitung von Aldi und Lidl auch einiges an heimischem Essen, lediglich richtiges Brot gibt es so gut wie gar nicht. In einem polnischen Supermarkt, von denen es in Hull sehr viele gibt, bin ich dann aber doch fündig geworden. Insgesamt war das Praktikum eine sehr gute Erfahrung, sowohl was die Arbeit im Labor angeht als auch die neuen kulturellen Eindrücke und die vielen interessanten Leute, die ich dort kennengelernt habe. Danke dafür an den DAAD und die Betreuer an der University of Hull. 3 Sören Sibo Strohmenger RISE weltweit 2015 Fachlicher Teil Tissue-on-a-chip Plattform für die personalisierte Tumortherapie Einführung Personalisierte Medizin in der Krebstherapie wird heutzutage hauptsächlich durch immunhistochemische und genomische Untersuchungen von Tumorbiopsien durchgeführt. So können die dem Tumorwachstum zugrundeliegenden Mutationen ausfindig gemacht und entsprechende Medikamente zur Therapie ausgewählt werden (Compton 2015). Die Verwendung einer tissue-on-a-chip Plattform („Chip“) bietet hierzu eine Alternative, bei der die direkte Wirkung der Chemotherapeutika auf Tumorgewebe beobachtet werden kann. Hierfür werden Gewebsschnitte (precision cut tissue slices, PCTS) aus Tumorbiopsien auf einer mikrofluidischen Plattform kultiviert, verschiedenen Medikamenten ausgesetzt und anschließend untersucht. Die tissue-on-a-chip Plattform erlaubt es zudem, Leberschnitte (precision cut liver slices, PCLS) dem Tumorgewebe vorzuschalten und so den individuellen Metabolismus der Therapeutika zu berücksichtigen (LeCluyse et al. 2012). Bevor die Plattform für die Untersuchung von menschlichem Tumorgewebe verwendet werden kann, müssen zunächst die längerfristige Kultivierung von Gewebe sichergestellt und Untersuchungsmethoden auf dem Chip etabliert werden. Dies geschah unter Verwendung von Leber- und Tumorschnitten aus Mäusen. Tissue-on-a-chip Plattform Die Grundstruktur der tissue-on-a-chip Plattform besteht aus zwei Glasplatten. In die obere Platte wurde mithilfe einer CNC-Maschine automatisiert nach einer Vorlage ein Kanalsystem mit Zugangsstellen gefräst. Die Glasplatten wurden unter Druck und Hitze fest miteinander verbunden. Verbindungsstellen für Schläuche und die Zugangsstelle für Gewebsschnitte wurden auf die Glasplattform geklebt. Zum Untersuchen des Flüssigkeitsstroms und zum Prüfen auf mögliche Leckstellen wurden zwei Spritzen mit Farbstoffen an die zwei Einlassstellen des Chips angeschlossen. Über eine Spritzenpumpe wurde die Durchflussrate gezielt eingestellt, bei niedrigen Raten von 10-100 µl/min zeigte sich eine laminare Strömung: die zwei Farbstoffe fließen nebeneinander her und es findet nur eine leichte Durchmischung durch Diffusion an der Grenzfläche statt. Erst 4 Sören Sibo Strohmenger RISE weltweit 2015 nach dem Passieren der Gewebekammer waren die beiden Farbstoffe vollständig durchmischt (Abbildung 1). a b c Abbildung 1: Tissue-on-a-chip Plattform a Schemazeichnung b zusammengebauter Chip mit Zugangsstellen c Test auf laminare Strömung im Bereich des Einlasses mit zwei Farbstoffen (gelb/blau) (Lichtmikroskop) Herstellen der Gewebeschnitte Für die Gewebsschnitte wurden frisch entnommene Leber- bzw. Tumorproben mit dem Vibratom bei einer Schnittdicke von 150 µm geschnitten. Für die Verwendung im Chip konnten aus den größeren Schnitten mithilfe einer Biopsiestanze gleich große, kreisförmige Stücke ausgeschnitten werden. Diese konnten dann über die Zugangsstelle in die tissue-on-a-chip Plattform eingesetzt werden und mit Williams Medium E, einem Zellkulturmedium, umspült werden (de Graaf et al. 2010). 5 Sören Sibo Strohmenger RISE weltweit 2015 Bestimmung der Schnittdicke Um zu überprüfen ob die Gewebsschnitte die im Vibratom eingestellte Schnittdicke von 150 µm aufweisen, wurden Gewebsschnitte eines kolorektalen Tumors in Paraffin eingebettet und senkrecht zur vorherigen Schnittrichtung mit dem Mikrotom geschnitten. Die Proben wurden anschließend einer Hämatoxylin-Eosin Färbung unterzogen und unter dem Lichtmikroskop untersucht. Ergebnisse von drei Gewebsschnitten ergaben eine durchschnittliche Dicke von 146 ± 8 µm. Konfokalmikroskopie Innerhalb eines 150 µm dicken Gewebeschnitts zeigen sich Unterschiede in Bezug auf die Lebensfähigkeit der Zellen und die Antwort auf Medikamente zwischen den inneren, von Gewebe umgebenen Schichten und den äußeren Schichten, die direkt in Kontakt zum Medium stehen (van Midwoud et al. 2011). Die Konfokalmikroskopie erlaubt es, in die inneren Schichten der Gewebsschnitte zu schauen. Verwendet wurde dafür ein live/dead staining kit, bei dem lebende Zellen mit Calcein-AM grün und tote Zellen mit Ethidium Homodimer-1 rot fluoreszenzmarkiert werden. Untersuchungen mit frischen Tumor- und Leberschnitten ergaben, dass bis zu einer Tiefe von 70 µm im Gewebe der Nachweis von toten und lebenden Zellen möglich ist (Abbildung 2). Abbildung 2: Konfokalmikroskopische Aufnahme eines kolorektalen Tumorgewebsschnittes grün: lebende Zellen (Calcein) rot: tote Zellen (Ethidium Homodimer-1) 6 Sören Sibo Strohmenger RISE weltweit 2015 Untersuchungen des 7-Ethoxycoumarin Metabolismus mittels HPLC Der Metabolismus von 7-Ethoxycoumarin kann als Modell für den Stoffwechsel von Medikamenten in der Leber betrachtet werden. 7-Ethoxycoumarin wird zunächst vom Cytochrom P450 System des Phase I Metabolismus zu 7-Hydroxycoumarin deethyliert. Anschließend wird es von Enzymen des Phase II Metabolismus zu 7-Hydroxycoumaringlucuronid und 7-Hydroxycoumarinsulfat umgewandelt (Abbildung 3). Abbildung 3: Stoffwechselweg von 7-Ethoxycoumarin (van Midwoud et al. 2010) Diese Metabolite sollten mithilfe von Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) nachgewiesen und quantifiziert werden, wofür zunächst eine Methode zur Auftrennung der zu untersuchenden Stoffe und Mediumkomponenten entwickelt werden musste (van Midwoud et al. 2011). Dazu wurde eine Lösung der vier 7-Ethoxycoumarin Metabolite (je 15 µM) in Williams Medium E auf eine C18-Säule aufgetragen. Als mobile Phase wurde dafür eine Mischung aus 65 % Lösung A (3 % Acetonitril, 1 % Eisessig und 5 mM Tetrabutylammoniumhydrogensulfat in Wasser) und 35 % Lösung B (50 % Acetonitril, 1 % Eisessig und 5 mM Tetrabutylammoniumhydrogensulfat in Wasser) verwendet. Zur Gradientenelution wurde der Anteil von Lösung B über 1 min auf 70 % erhöht. In einem zweiten Gradienten wurde anschließend über 5 min ein Anteil von 100 % Lösung B erreicht. Vor der Injektion einer weiteren Probe wurde die Säule für 5 min in 65 % Lösung A und 35 % Lösung B equilibriert. Durch Untersuchung mit einem Diodenarraydetektor bei 320 nm konnte so eine erfolgreiche Trennung der untersuchten Komponenten innerhalb von 10 min erzielt werden (Abbildung 4). 7 Sören Sibo Strohmenger RISE weltweit 2015 Abbildung 4: Chromatogramm der HPLC-Untersuchung von 7-Ethoxycoumarin Metaboliten. 1: 7-Hydroxycoumaringlucuronid 2: 7-Hydroxycoumarin 3: Mediumkomponente 1 (Penicillin) 4: Mediumkomponente 2 (Phenolrot) 5: 7-Hydroxycoumarinsulfat 6: 7-Ethoxycoumarin Elektrochemische Bestimmung der Sauerstoffkonzentration Der Sauerstoffverbrauch von Gewebsschnitten in der tissue-on-a-chip Plattform erlaubt Rückschlüsse auf den Zustand des Gewebes und mögliche Reaktionen auf Medikamente. Messbar ist dieser durch die Bestimmung der Sauerstoffkonzentration im Medium nach dem Passieren des Gewebes. Zu diesem Zweck wurde ein spezieller Deckel für die Gewebekammer gebaut, in den drei Elektroden eingefügt sind: zwei Platinelektroden und eine Silberelektrode, an deren Oberfläche sich im Chlorid-haltigen Medium Silberchlorid bildet. Mithilfe von Chronoamperometrie (Winlove et al. 1984) konnte so unter Verwendung einer Eichkurve bekannter Konzentrationen der Sauerstoffgehalt im Medium bestimmt werden. 8 Sören Sibo Strohmenger RISE weltweit 2015 Literaturverzeichnis Compton, C. (2015). "Getting to personalized cancer medicine." Cancer 110(8): 1641-1643. de Graaf, I. A. M., P. Olinga, M. H. de Jager, M. T. Merema, R. de Kanter, E. G. van de Kerkhof and G. M. M. Groothuis (2010). "Preparation and incubation of precision-cut liver and intestinal slices for application in drug metabolism and toxicity studies." Nature Protocols 5: 1540-1551. LeCluyse, E. L., R. P. Witek, M. E. Andersen and M. J. Powers (2012). "Organotypic liver culture models: meeting current challenges in toxicity testing." Crit Rev Toxicol 42(6): 501-548. van Midwoud, P. M., G. M. Groothuis, M.T. Merema and E. Verpoorte (2010). "Microfluidic biochip for the perifusion of precision-cut rat liver slices for metabolism and toxicology studies." Biotechnol Bioeng 105(1): 184-194. van Midwoud, P. M., J. Janssen, M. T. Merema, I. A. de Graaf, G. M. Groothuis and E. Verpoorte (2011). "On-line HPLC analysis system for metabolism and inhibition studies in precision-cut liver slices." Anal Chem 83(1): 84-91. van Midwoud, P. M., M. T. Merema, N. Verweij, G. M. Groothuis and E. Verpoorte (2011). "Hydrogel embedding of precision-cut liver slices in a microfluidic device improves drug metabolic activity." Biotechnol Bioeng 108(6): 1404-1412. Winlove, C. P., K. H. Parker and R. K. C. Oxenham (1984). "The measurement of oxygen diffusivity and concentration by chronoamperometry using microelectrodes." Journal of Electroanalytical Chemistry and Interfacial Electrochemistry 170(Issues 1–2): 293–304. 9
© Copyright 2024 ExpyDoc