ERASMUS in Preston, UK Ich wollte während des Studiums immer ins Ausland, und als die „Erasmus-Semester“ näher rückten, dachte ich dabei vor allem an England. Ich war schon mehrere Male dort gereist, mag das Land unheimlich gern und wollte mein Englisch verbessern. Die üblichen ErasmusGründe. Wo die Liste der potenziellen Erasmus-Universitäten in Frankreich und Spanien herrlich lang ist, gab es in England genau eine Option: Manchester. Das war nicht mein Plan gewesen – eine alte heruntergekommene Industriestadt im Norden, wo es kalt ist und nur regnet. In den Süden Englands wollte ich! Aber da es ohnehin nur sehr wenige Plätze gab und meine Sprachkenntnisse in französisch und spanisch sehr überschaubar sind, dachte ich, ich versuche es – und bekam nach Motivationsschreiben und Auswahlgespräch tatsächlich den Platz. Ich hatte mich über die Zeit so sehr an die Idee gewöhnt, nach Manchester zu gehen, dass ich mich riesig freute. Ich hatte mich für das Sommersemester beworben. Einfach, um in der wärmeren Jahreszeit viel unternehmen und sehen zu können. Ironischerweise begann eben jenes am 05. Januar. Außerdem, wurde mir bald erklärt, habe Manchester vier Universitätskrankenhäuser, auf die die Studenten verteilt werden. Drei davon in Manchester, eines in Preston. Ich landete natürlich in Preston. Und was zu Beginn noch alles noch eher holprig klang war der Start in ein fantastisches Semester im schönen Norden Englands. Von Preston hatte ich noch nie gehört. Mama, Freunde angerufen, erzählt ich ginge nach Preston. Nach ein paar Tagen hielt ich es für sinnvoll, mir einmal anzuschauen, wo Preston überhaupt liegt. Ein kurzer Besuch bei Wikipedia kann schließlich nicht schaden: „Preston ist eine Stadt in England, Vereinigtes Königreich. Sie liegt in der Region North West England in der Grafschaft Lancashire am Fluss Ribble“. Soweit, so gut. Damit konnte ich im Januar noch nicht viel anfangen, nun schon. Was aber damals ein absolut glücklicher Zufall war: Beim Hinabscrollen blieb mein Blick am Wort „Recklinghausen“ hängen, gelistet unter „Städtepartnerschaften“. In Recklinghausen, einem 130.000-Seelen-Ort im Ruhrgebiet, bin ich groß geworden. Ich schrieb also eine kurze Email an die „Brücke“ in Recklinghausen, die sich um jegliche Kooperation und Austausche kümmert, und hatte zwei Tage später die Kontaktdaten des sehr netten Herrn Voges in Preston, der mir auch prompt am nächsten Tag eine lange Email schrieb. Kurzum: Jürgen Voges war ein älterer sehr engagierter Herr, der sich sofort bemühte mir in allen Dingen unter die Arme zu greifen. Eine Woche später (und noch 4 Monate vor Ankunft in Preston) hatte ich ein Zimmer gemietet, wusste welche Bustickets ich kaufen sollte und wo die Bibliothek war. In der Bibliothek war ich zwar bis heute nicht, aber zu wissen da ist jemand, der sich auskennt, war sehr beruhigend. Mit dem Auto fuhr ich am 01. Januar aus dem Ruhrgebiet nach Rotterdam, nahm die Fähre bis Hull (auf Höhe von Preston, aber an der Ostküste) und am nächsten Morgen nach dem Anlegen waren es nur noch zwei Stunden Fahrt. England begrüßte mich wider Erwarten mit traumhaftem Sonnenschein. Mit dem Auto zu fahren empfehle ich jedem, der die Möglichkeit hat. Es war wunderbar – zum Einen, was Gepäck angeht, gerade im Winter, und zum Anderen die Flexibilität vor Ort. Preston ist klein, und die besten Erlebnisse hatten wir im Umland beim Wandern und Städte besichtigen, wofür ein Auto wirklich von Vorteil war. Aber keine Sorge, die meisten Studenten in Preston haben ebenfalls Autos, man ist ohne nicht verloren. About Preston: Preston ist klein, mit etwa 140.000 Einwohnern ganz anders als Berlin. Die Innenstadt hat alles was man braucht, und ist schlicht und gemütlich. Besonders schön ist die Gegend rund um den Avenham Park, der sich entlang des Flusses erstreckt. Dort war in den wärmeren Wochen viel los, es gibt ein Café und hinter dem Fluss die Felder, wunderbar zum Joggen und spazieren gehen. Der Park ist britisch-gepflegt und direkt neben der Einkaufszone. Es gibt die großartigen englischen Supermarktketten wie ASDA, Morrissons, Sainsburys, Tesco und so weiter, aber ebenfalls Aldi, Lidl und Co. Die Busse fahren regelmäßig, aber das Meiste kann man auch zu Fuß erledigen oder (in Preston sehr üblich) mit dem Taxi, je nachdem wo man wohnt. Ich hatte mir ein Rennrad und ein Klappfahrrad besorgt und bin in erster Regel Rad gefahren, was ich allen, die gerne auf einem Zweirad unterwegs sind, nur ans Herz legen kann. Mit dem Rad erreicht man quasi jeden Ort in Preston in 5-20 Minuten. Ganz wunderbar ist die Zuganbindung: Der Zug fährt vom Flughafen in Manchester über die Innenstadt von Manchester nach Preston und von dort weiter in den Norden, vorbei am Lake District (ein MUSS!) bis nach Schottland hoch, und das zu moderaten Preisen. Als Medizinstudent ist man offiziell an der Manchester University registriert, aber in Preston platziert. Preston hat aber auch eine eigene große Universiät, UCLAN, sodass die Stadt voll mit Studenten ist (zu denen aber alle Mediziner wenig Kontakt hatten, weil man die UCLANAngebote nicht nutzen kann). Viele junge Menschen führen aber zu studentischen Pubs mit buntem Programm, über Pub-Quiz-Nights (sehr typisch, mitmachen!), Rugby und Fußball gucken, Live-Musik und natürlich Pub Food und viel Lager und Ale. Es gibt zahlreiche Pubs, davon drei oder vier wirklich gute wie den „Black Bull“, „Adelphi“ (studentischer) oder „The Continental“, wo im Mai auch ein dreitägiges Bierfestival stattfindet. Das sollte man sich nicht entgehen lassen. Davon abgesehen muss ich ehrlich sagen gibt es nicht viel Spektakuläres über Preston zu berichten. Es gibt noch ein schönes Teahouse, eine alte Bibliothek und einen Fresh Food Market. Als Kontrast zu Berlin tat das aber ganz gut, und langweilig wurde mir auch nie, denn ich trat direkt am Anfang dem lokalen Triathlonclub bei und dann ging auch die Uni und los, und damit das Sozialleben. Uni in Preston und das Royal Preston Hospital (RPH) Das Gesundheitssystem und die Uni sind ganz anders als in Deutschland. Hier nur ein paar Eckpunkte, die mir besonders aufgefallen sind: Es gibt Module, aber wenig bis gar keine Vorlesungen oder Seminare. Man ist grob jeden Tag von 9:00 bis 17:00h in der Klinik eingeteilt, entweder in der Ambulanz oder auf Station, in Übungskursen, POL oder so etwas wie KIT (nur viel besser). Ich hatte „Mind & Movement“ belegt, was Orthopädie, Rheumatologie, Psychiatrie und Neurologie beinhaltet. Dazwischen gibt es „Specialty weeks“ wie HNO, Auge und Care of the elderly. Das Studium im 4. Jahr ist sehr klinisch und am Ende stehen zwei Tage OSCEs als Abschlussprüfung. Ich muss sagen, dass ich davor am Anfang großen Respekt hatte, insbesondere vor psychiatrischen Anamnesen auf Englisch. Aber man kommt sehr schnell rein, alle sind wahnsinnig hilfsbereit und es werden den Studenten unzählige Möglichkeiten zum Üben geboten. In den Untersuchungen und spezifischen Anamnesen fühle ich mich nun sicherer als je zuvor und bin froh, ins kalte Wasser gesprungen zu sein. Auch wenn der Dialekt mancher Briten gerade in Lancashire und Schottland doch sehr ausgeprägt ist, gewöhnt man sich sehr schnell daran. Die Koordinatoren eines jeden Moduls kennen alle ihre Studenten (die Gruppen sind klein) und erwarten, dass man von Montag bis Freitag seine Zeit frei hält für die Uni. Spontane Kurswechsel sind nichts Ungewöhnliches (das erwähne ich hier nur, weil es in Berlin nie vorkommt, dass der Stundenplan am Morgen noch geändert wird und ich mich daran erst gewöhnen musste). Das hat mich am Anfang etwas gestört, denn Selbstständigkeit und Eigenverantwortung sowie Verpflichtungen außerhalb der Uni werden dadurch eher weniger gefördert. Ich muss aber sagen, dass man mit allen Koordinatoren, Ärzten und Schwestern reden konnte und sie einem das Tauschen und Verschieben häufig möglich gemacht haben. Der enge Kontakt zu den Lehrenden ist ein riesiger Vorteil. Außerdem wurden wir immer dazu angehalten zu sagen, was wir uns von den Veranstaltungen und Modulen erhofften. Eine unserer Koordinatorinnen war ein wahres Organisationstalent. Wer im Laufe der Zeit eine bestimmte OP sehen wollte ging damit zu ihr, und die liebe Caroline hat sich mit den Chirurgen und Dir kurz geschlossen und Deinen Stundenplan geändert. Wenn Du gerne einen zusätzlichen Tag in die Psychiatrie ins Gefägnis gehen wolltest, kein Problem. Wer sich nicht fit fühlte in neurologischen Untersuchungen hat spontan noch eine Zusatzveranstaltungen mit einem Neurologen bekommen um zu üben. Einwaschen im OP, Visiten, alles kein Problem. Man konnte also sehr sehr viele Erfahrungen sammeln. Einige Infos rund um den Uni-Alltag in Kürze: - die verschiedenen Placements sind über mehrere Städte verstreut. Die meisten Veranstaltungen finden in Preston statt, einige auch in Chorley (eine halbe Stunde entfernt, es fahren kostenlose Shuttles). Gerade für Psychiatrie wechseln die Standorte häufig und die Meisten fahren mit dem Auto (worauf man wirklich angewiesen ist), aber es finden sich immer Fahrgemeinschaften - - - - Nehmt insbesondere die Dinge mit, die wir in Berlin nicht so geboten bekommen. Zum Beispiel kann man 12 ganze Tage in „Community Placements“ verbringen – im Rehabilitierungscenter, zuschauen wie Prothesen angefertigt werden, Retirement Village oder ein oder zwei Tage im Hochsicherheitsgefägnis. Unheimlich spannend. Vor den OSCES (die ähnlich laufen wie bei uns, inhaltlich aber wie ich finde etwas anspruchsvoller sind) gibt es unheimlich gut organisierte und hilfreiche ProbeOSCEs. Jeder Student bekommt ein iPad geliehen, fast die gesamte Studienorganisation läuft digital Das Krankenhaus in Preston selber ist recht groß. Auf dem Gelände gibt es zwei Education Centres wo die Lehre stattfindet. Die Räumlichkeiten sind super modern und die Ausstattung großartig. Insbesondere die Simulation Rooms sind sehr beeindruckend und hilfreich und stehen allen jederzeit zur Verfügung. Professionalität wird groß geschrieben, bei allen Ärzten und auch bei den Studenten. Keine Kittel, dafür smarte Kleidung (niemals Jeans), Hemd, flache schicke Schuhe, Rock oder schwarze Hose. Für die Arbeit auf Station hat jeder Student seine eigenen Scrubs, die am ersten Tag ausgegeben werden. Ich bin im 8. Semester in Preston gewesen, habe dort Mind & Movement im Year 4 gemacht und die OSCEs am Ende sehr gut bestanden, und das mit wenigen Wochen Arbeit. Es ist also gut machbar und die OSCEs waren eine super Übung, auch wenn mir vor ihnen etwas graute. Wer das 9. Semester dort macht, also „Families & Children“, hat zeitlich etwas mehr Aufwand, denn dort stehen einige wenige Wochenend- und Spätdienste mit auf dem Programm. Dafür sehen die Studenten rund um die Uhr Geburten, OPs, dürfen in vielen Fällen selber die Babies holen und haben einen tollen klinischen Einblick in Gyn und Pädiatrie. Aber auch in Mind & Movement sieht man sehr viele Patienten. Klinisch habe ich in jedem Fall sehr viel Erfahrung sammeln können. In allen bürokratischen und organisatorischen Angelegenheiten zum Thema Erasmus, Anerkennung, Learning Agreement, Anwesenheit etc standen uns Ansprechpartner zur Seite, die man im Laufe der Zeit gut kennen lernt und die einem immer unter die Arme greifen. Ob man sich in seinem Erasmus viel Arbeit in der Uni macht ist Einstellungssache. Ein riesiger Pluspunkt in Preston ist aber, dass man das 8. Semester in Berlin ziemlich komplett anerkannt bekommen kann, wenn man die Module dort besteht. Der „soziale Aspekt“ Ich bin sehr glücklich darüber, in Preston und nicht in Manchester gelandet zu sein. Dadurch, dass Preston sehr klein ist, und nur etwa 70 Studenten aus einem Semester hier sind, lernt man alle sehr schnell kennen. In einer Hinsicht ist Erasmus in Preston aber glaube ich ganz anders als in anderen Erasmus-Städten: Es gibt im Grunde keine anderen ErasmusStudenten. Wir waren zu dritt, noch eine Deutsche und eine Französin, aber auch nicht in den gleichen Kursen. Das hatte Vor- und Nachteile. Nachteil war auf jeden Fall am Anfang, dass sich niemand darum kümmert, ob Du Dich integrierst oder nicht. Es gibt keine Kennenlernabende, kein Pubcrawl, keine Erkundungstour durch die Stadt, niemand führt dich über das Gelände oder plant Ausflüge mit Dir. Die Studenten, die man kennen lernt, leben dort, kennen sich untereinander und haben bereits ihre sozialen Kontakte und suchen nicht unbedingt nach neuem Anschluss. Das macht es zu Beginn etwas schwierig. Mit dem richtigen Willen und ein wenig Offensive wird es dann aber zu einem Vorteil, denn man ist ausschließlich von Engländern umgeben und kann richtig eintauchen, spricht ausschließlich englisch und hat die Leute um sich, die sich in der Gegend auskennen. Es gibt viele Gruppen und soziale Aktivitäten, denen man sich anschließen kann. Ich war vor allem mit der Hill Walk Gruppe unterwegs, über die ich dann auch meine Freunde und das ganze Semester kennen gelernt habe. An den Wochenenden organisierte eine Kommilitonin regelmäßig Touren in die wunderschöne Umgebung von Preston. Und die kann sich wirklich sehen lassen. Preston liegt nah an der Küste, eine Stunde entfernt vom Lake District, einem Paradies zum Wandern, Rad fahren, Segeln und Schwimmen. Der Forest of Bowland ist gleich um die Ecke, nach Schottland sind es 2,5 Stunden mit dem Zug, ebenso nach Wales. Die Wanderungen waren immer unheimlich lustig, einfach weil die Gruppe großartig war, ich habe dadurch sehr viel vom Land erkundet, war häufig draußen und im Anschluss wurde immer gemeinsam im Pub gegessen. An den Wochenenden waren auch regelmäßig die Türen eines Studentenhauses für zum Feiern gehöffnet. Die meisten Mediziner mieten als WG ein Haus, und man erreicht fast alle untereinander zu Fuß. Weggehen in Preston ist auch möglich, auch wenn man sich dafür von Elektro und House a la Berlin verabschieden und zurück zu den 90gern finden muss. Es ist mir im Nachhinein geradezu ans Herz gewachsen. Mein zweites, nicht uni-bezogenes soziales Standbein war der Triathlonclub von Preston. Lauter nicht-Mediziner, unheimlich aufgeschlossen, sportlich begeistert. Diesem Team beizutreten war der beste Weg, Sport zu treiben und neue Leute kennen zu lernen, auch aus anderen Altersklassen. Land und Leute Die Briten und ihre Eigenarten sind mir sehr ans Herz gewachsen. Die Menschen sind herzlich und immer höflich, aber nicht aufgesetzt. Der Umgang im Krankenhaus, insbesondere mit Patienten und dem Pflegepersonal, ist meiner Meinung nach von viel mehr Respekt und Verständnis geprägt als in Deutschland und die Kommunikation verläuft allgemein offener und vertrauter. Als Erasmus-Student war das ein unheimlicher Vorteil, denn niemand schaute mich schräg an wenn ich einmal sprachlich nicht weiter wusste. Ganz im Gegenteil, alle unterstützen Dich und helfen Dir aus und zeigen Interesse an Deiner Geschichte. Zu schätzen gelernt habe ich auch den Umgang ohne das „Sie“. Automatisch werden alle geduzt, aber auch fast immer mit Vornamen angesprochen, sowohl Patienten als auch Mitarbeiter. Im Deutschen natürlich schwieriger umzusetzen, aber es hat die Atmosphäre sehr zum Positivten geprägt. Ich bin zum Tee-mit-Milch-Trinker geworden und absoluter Cider-Fan. Ich koche liebend gerne und habe mich an all den großartigen Nachtischen und Pies gar nicht satt essen kön- nen. Die englische Küche hat so einiges zu bieten. Bis auf Brot. Aber ein gutes polnisches Haushaltsgeschäft führt auch dunkles Brot ;) Das Bild vom „typischen Tee trinkenden Briten“ erfüllt sich in mancher Hinsicht (denn Tee wird einem wirklich immer und überall angeboten), aber natürlich nicht immer. Der „typische englische Student“ ist allerdings wirklich trinkfest, da kann ich keine Vorurteile widerlegen. Eine bunte Vielfalt von Menschen. Auch in puncto kultureller Hintergrund. Beispielsweise haben ein Großteil der Ärzte im Krankenhaus Migrationshintergrund, vor allem viele Inder, Pakistanis, Thais und Chinesen arbeiten und leben in England. Man hört unheimlich viele Akzente und Dialekte. Ich war gelinde gesagt erfreut und erstaunt darüber, dass die Integration zumindest in den Kreisen, in denen ich mich im Krankenhaus bewegt habe, dort so viel grundlegender zu funktionieren scheint als bei uns. Viele Äzrtinnen tragen beispielsweise Kopftuch, und dass das bei uns in einem deutschen Krankenhaus nicht Gang und Gebe ist wurde mir erst klar, als ich mir bewusst machte, wie selbstverständlich es in Preston ist. Die vielen verschiedenen Kulturen, auch unter den Studenten, von denen viele andere Muttersprachen hatten, waren für alle selbstverständlich. Ich hatte das Gefühl, dass die Menschen nicht sofort aufgrund eines Akzentes mit Vorurteilen überhäuft wurden, weder von Kollegen noch von Patienten. Das war eine wirklich schöne und bereichernde Erfahrung. Warum die UKIP in England so stark wurde wird mir dadurch allerdings nicht verständlicher. Was es sich anzuschauen gilt: Die Umgebung von Preston Preston ist unheimlich günstig gelegen, um sich Großbritannien anzuschauen. Kleine Orte an der Küste sind ebenso einen Besuch wert wie das etwa 1 Stunde entfernte Manchester. Züge fahren regelmäßig in die wichtigsten Städte, es gibt günstige Busse nach London. Ich war viel unterwegs, und die absoluten Highlights der fünf Monate waren - Chester: An der Grenze zu Wales, eine unheimlich schöne kleine Stadt am Fluss - Wales: dort verbrachte ich eine knappe Woche über Ostern. Weite Strände, winzige Dörfer, alte Steinhäuser und Gebirge zum Wandern mit dem Blick über das Meer. - Edinburgh: Die Stadt ist einen Besuch wert, aber vor allem die 2,5-stündige Zugfahrt von Preston vorbei am Lake District und durch Schottland ist wunderschön - Lake District: ein Muss, wenn man im Norden Englands ist. Besonders schön sind Grasmere und Coniston. Zahlreiche Seen inmitten von Bergen. - Wer die typische englische Landschaft liebt sollte sich ein Rennrad besorgen. Sobald man aus Preston hinaus fährt beginnt die Natur und man kann so einige schöne Strecken erkunden. - Aber auch all die anderen Städte wie Liverpool, Lytham, Manchester, Blackpool etc sind eine Reise wert Das Wetter Da wir hier über England reden bekommt dieses Thema einen eigenen Unterpunkt. Ja, das Wetter ist schlecht. Zumindest in Preston, einer der regenreichesten Städte Englands. Aber das war vor allem im Januar und Februar der Fall, wo es auch in Deutschland nicht wirklich schön ist. Das Wetter ist wirklich sehr wechselhaft, von strahlendem Sonnenschein über 10 heftige Schauer und Hagel kann innerhalb weniger Stunden alles passieren. Das hält aber niemanden davon ab, die Dinge zu tun die er sich vorgenommen hat, und nun, Ende Mai, war das Wetter wunderbar und es gab auch so einige schöne Sonnentage. Das einzige was sich glaube ich nicht verleugnen lässt ist der Wind, und dadurch gefühlt etwas kältere Temperaturen. Aber dafür hat man die Küste 30 Minuten vor der Haustür. Mit einer Regenjacke und guten Schuhen ist man auf jeden Fall gewappnet. Organisatorisches: Preise und Wohnen, Essen & Co Eine normale Studentenunterkunft ist ein Zimmer mit einem Bett und einem Schreibtisch in einem Haus, das man sich mit anderen Studenten teilt. Für eine normale berliner Monatsmiete kann man in Preston nicht allzu viel erwarten, die meisten Häuser sind ein bisschen feucht und durch das ein oder andere Fenster zieht es, aber damit kann man sich gut arrangieren. Wer bereit ist mehr zu zahlen (etwa 90 Pfund pro Woche) kann auch in die Studentenwohnheime von UCLAN ziehen. Dort sind die Zimmer zwar modern, aber ebenfalls sehr klein, und alle Mediziner meines Jahres zogen es vor als WG ein Haus zu beziehen. Mein Zimmer war gerade groß genug für ein schmales Bett und einen Kleiderschrank, Kostenpunkt 300 Pfund im Monat, also etwa 420€. Man zahlt wöchentlich, und es gibt ein großes Angebot an freien Zimmern in Preston. Die anderen Mediziner, die sich ihre Häuser und Mitbewohner selber gesucht haben, zahlen in der Regel weniger oder haben größere Zimmer. Dafür sind in der Regel alle Nebenkosten, Strom und Internet inbegriffen, was die Organisation sehr erleichtert. Wer ein Zimmer von einer Privatperson mietet wie ich kommt in eine bestehende WG, in der alle Mitbewohner vom Eigentümer zusammengesteckt wurden. Das war in unserem Fall ein bunt gemischter Haufen von internationeln und britischen Studenten aller Fachrichtungen und ganz lustig. Insgesamt ist vieles teurer als in Deutschland. Lebensmittel bei Aldi und Lidl sind aber ähnlich erschwinglich wie hier. Man kann durchaus günstig leben wenn man weiß, wo man einkaufen kann und wo es eher teuer ist. Auswärts essen ist leider ziemlich kostspielig wie ich finde. In den Pubs gibt es aber oft Happy Hour und gute Angebote. Ein Pint kostet etwa 3,50 Pfund, also rund 5€ (aber das ist es wert). Es gibt allerdings viel günstige und gute indische, asiatische und karibische Küche! Und studentische Pubs haben verlockende Angebote an bestimmten Wochentagen. Öffentliche Verkehrsmitteln sind leider für Studenten nicht kostenlos, auch wenn die Briten pro Jahr 9000 Pfund Studiengebühren zahlen, nicht-europäische Studenten sogar 30.000 Pfund. Es gibt aber Monatstickets, die mit einer Bescheinigung des Krankenhauses günstiger sind, und die ich empfehlen würde wenn man kein Rad hat. Preise für Museen und Galerien sind ebenfalls nicht ohne, aber da man in Preston aufgrund des sehr geringen Angebots ohnehin nicht Gefahr läuft zu häufig ins Museum zu gehen spielte das für mich keine so große Rolle. Interessanter wird es, wenn man nach Manchester, Liverpool oder Edinburgh fährt! Dort gibt es aber auch zahlreiche kostenlose Ausstellungen und Museen die sich lohnen. Zwei Kinos hat Preston noch zu bieten, und in den gängigen Bekleidungsgeschäften in der Stadt bekommen Studenten häufig Rabatt. Alles in Einem ist es finanziell aufwendiger als in Deutschland, aber nicht so viel teurer wie ich gedacht hatte. Organisatorisch noch ein kleiner aber leider wichtiger Hinweis: die europäische Auslandsversicherung über die gesetzlichen Krankenkassen, die automatisch greift und keine Zusatzkosten verursacht, ist in England nur mäßig hilfreich. Über das NHS wird jeder behandelt, und diese Kosten übernimmt dann die Kasse daheim auch ohne zu zögern. Wenn allerdings etwas akut gemacht werden muss (wie z.B. eine Zahnbehandlung) und man dank des doch etwas überlasteten NHS erst in mehreren Wochen einen Termin bekommen kann bleibt einem nur die Behandlung durch einen privaten Arzt. Das übernimmt die Kasse nicht, auch wenn es die einzige Möglichkeit ist überhaupt eine Behandlung zu bekommen. Eine private Zusatzversicherung ist also mehr als sinnvoll. Sprache Die hat sich selbstverständlich enorm verbessert. Dadurch, dass man den ganzen Tag im Klinikalltag eingebunden ist und auch niemand deutsch spricht ging dies extrem schnell. Die ersten Tage eines jeden Moduls waren etwas schwieriger, weil viele neue Vokabeln auftauchten, aber die gehen einem nach wenigen Tagen in Fleisch und Blut über. Ich habe nie Vokabeln oder Medical English bewusst gelernt oder geübt. Ein Kurs vor dem Ausland mag bestimmt hilfreich sein, aber es geht auch wunderbar ohne. Außerdem sind alle, von den Studenten bis hin zu den Ärzten, Koordinatoren und Patienten alle so hilfsbereit, dass man sich auch schnell an schwierige Aufgaben wagt und sich nie dumm fühlt. Immer daran denken: Der Durchschnittsengländer ist unheimlich beeindruckt, wenn man fließend eine zweite Sprache spricht. Wenn ich nun Resumé ziehe nach meinen fünf Monaten in Preston muss ich sagen, dass ich eine großartige Zeit hatte. Ich bin sehr dankbar für das Erasmus-Programm, das mir eine solche Erfahrung einfach so ermöglicht, ohne große finanzielle Hindernisse oder bürokratische Mammutaufgaben. Ich habe wunderbare Menschen kennen gelernt, unglaublich viel von diesem wunderschönen rustikalen und landschaftlich beeindruckenden Land gesehen, die Gepflogenheiten ins Herz geschlossen und würde jederzeit wieder nach England gehen. Durch den Klinikalltag habe ich einen ganz anderen Blick auf das deutsche Gesundheitssystems bekommen, auf das Arbeitsklima und den Umgang aller Personalgruppen im Krankenhaus untereinander, die Kommunikation mit Patienten und Angehörigen, und ganz nebenbei habe ich auch noch medizinisch viel gelernt. Man vergleicht automatisch den Unialltag und das System in England mit dem Gewohnten von zuhause, und natürlich gab es auch sehr viele Punkte, die ich in England ungünstig geregelt fand. Aber aus jedem Punkt konnte ich etwas für mich mitnehmen, weiß nun was ich gut finde und wieso, bin unendlich froh, dass ich diese fünf Monate erleben durfte und kann einen Erasmus-Aufenthalt in Preston nur jedem wärmstens ans Herz legen.
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