Bündner Tagblatt, 22.2.2016

GRAUBÜNDEN
M o n t a g , 2 2 . Fe b r u a r 2 0 1 6
«Viele haben die Faust im Sack gemacht»
Etliche Zweitwohnungsbesitzer aus Brigels und Umgebung erwarten von den Behörden mehr Wertschätzung.
Formiert als Interessengemeinschaft, wollen sie das neue Tourismusgesetz noch einmal zur Diskussion stellen.
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▸ S I LV I A K E S S L E R
Ignaz Derungs ist höchst erfreut.
Rund 80 Personen haben sich am
Samstagabend zur Gründung der
Interessengemeinschaft der Zweitwohnungsbesitzer Brigels (IGZWB)
eingefunden. Insgesamt 130 Mitglieder zählt die Vereinigung bereits
(siehe Titelseite). «Wir rechnen damit, dass der IG bis Ende Jahr 200
Mitglieder angehören werden», so
Derungs. Mit einer starken Stimme
soll es gelingen, von den Behörden
besser respektiert und vor allem angehört zu werden. Im Zusammenhang mit dem im Januar in Kraft getretenen Gesetz über die Gäste- und
Tourismustaxen sei dies nicht der
Fall gewesen.
Das neue Gesetz löst die bisherige Praxis der Einzelabrechnungen
ab. Ein Dorn im Auge sind den Mitgliedern der IGZWB die neuen Pauschalen, die pro Quadratmeter
Wohnfläche erhoben werden. «Dadurch erhöhen sich die Taxen für
zahlreiche Haushalte enorm», betont Derungs. Bei der Ausarbeitung
des Gesetzes sei den Beteiligten offenbar entgangen, dass die Zweitwohnungsbesitzer eine grosse
Wertschöpfung in Brigels und Umgebung auslösen würden. «Schön
wäre, wenn sie dafür auch Wertschätzung erfahren würden.»
Gemeinsam zum Dialog
Stattdessen seien im Januar die ersten Rechnungen gemäss dem neuen Gesetz in die Haushalte geflattert. Am Samstag in Brigels sei klar
geworden: «Viele haben die Rechnungen bezahlt und dabei die Faust
im Sack gemacht», fährt Derungs
fort. So mancher habe sich alleine
machtlos gefühlt. «Gemeinsam in
einer IG vereint, stehen die Chancen
sicher besser, den Dialog mit den
Behörden zu suchen und auch zu
finden.»
An der konstituierenden Versammlung wurde der in Tavanasa
aufgewachsene und im zürcherischen Adlikon wohnhafte Ignaz Derungs zum Präsidenten der IGZWG
gewählt. Unterstützt wird er von
den zwei Vorstandsmitgliedern
Giusep Caduff (Unterengstringen)
Voller Tatendrang: Giusep Caduff, Ignaz Derungs (Präsident) und Kurt Frei (von links) bilden den Vorstand
der neu gegründeten Interessengemeinschaft der Zweitwohnungsbesitzer Brigels. (FOTO GION HOSANG/RTR)
und Kurt Frei (Schlieren). Auftrag
des Vorstands sei es nun, Statuten
für die neu gegründete IG auszuarbeiten und den Mitgliedern abzugeben. «Das Ziel, weitere Mitglieder
zu gewinnen, werden alle Versammlungsteilnehmenden verfolgen», so der IGZWB-Präsident.
Derungs möchte bei den kommunalen Behörden «die Sorgen der
Zweitwohnungsbesitzer anbringen,
damit wir im Dialog gemeinsam
nach Lösungen suchen können».
Der Wunsch der IG-Mitglieder sei
es, auf Augenhöhe mit den Gemeindebehörden diskutieren zu können.
Schliesslich betreffe das neue Tou-
rismusgesetz die Zweitwohnungsbesitzer in besonderem Masse,
«stimmberechtigt sind sie aber leider nicht». Er selber werde schon
bald ein Schreiben an den Brigelser
Gemeindepräsidenten Clau Schlosser verfassen.
«Mitsprache war möglich»
Gelegenheit zur Mitsprache habe es
für die Zweitwohnungsbesitzer sehr
wohl gegeben, meint hingegen Marcus Caduff, Verwaltungsratspräsident der Surselva Tourismus AG und
CVP-Grossrat aus Morissen, auf Anfrage. Etliche Interessierte hätten
sich an Informationsveranstaltun-
Verteidigt das neue Tourismusgesetz: Marcus Caduff, Verwaltungsratspräsident der Surselva Tourismus AG. (FOTO OLIVIA ITEM)
gen und auch im Zuge der Vernehmlassungsfrist geäussert, und so habe
das im Frühjahr 2014 vorgelegene
Gesetz denn auch noch Änderungen
erfahren. So zum Beispiel die von
den IG-Mitgliedern kritisierte Abrechnung pro Quadratmeter in Ferienwohnungen. «Das ursprünglich
festgelegte Maximum der verrechenbaren Grösse von Ferienwohnungen wurde von 180 auf 150 Quadratmeter herabgesetzt.»
Durch die Gesetzesänderung
kämen nun etwas mehr Mittel für
den Tourismus herein, «kostendeckend werden die Einnahmen aber
nicht sein», so der Tourismuspräsident. Die auch in Leserbriefen von
Kritikern gestreuten Anschuldigungen, wonach gerade die Gemeinde
Brigels die Mehreinnahmen «zur Erhaltung der eigenen Pfründe» einsetzen werde, weist Caduff vehement von sich. «Die Rechnung wird
transparent ausgewiesen, selbst die
Personalkosten der im Tourismus
Tätigen sind einsehbar.» Eine
Zweckentfremdung der Tourismusgelder sei ausgeschlossen.
Caduff mahnt zudem daran,
dass touristische Infrastrukturen
wie zum Beispiel die Beschneiung
bis anhin weitgehend von den
Steuerzahlern getragen worden seien. «Die Brigelser haben lange Zeit
mehr bezahlt, als es die Zweitwohnungsbesitzer jetzt tun müssen.»
B ü n d n e r Ta g b l a tt
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Wahlen bei Kirchgemeinde
Vorder- und Mittelprättigau
SCHIERS Die römisch-katholische Kirchgemeinde
Vorder- und Mittelprättigau hat an ihrer Versammlung kürzlich in Schiers den Kirchgemeindevorstand neu besetzt. Nebst der Präsidentin, Priska
Klaas (Jenaz), traten auch Toni Flury (Jenaz) und
Christian Boner (Seewis) nach langen Jahren der
Vorstandstätigkeit zurück. Ihre Leistungen wurden
unter Applaus verdankt, wie es in einer Mitteilung
heisst. Als Ersatz für die drei Ausscheidenden wurden Belinda Battaglia (Fanas), Daniel Venzin (Jenaz)
und Florian Fraiss (Schiers) neu in den Kirchgemeindevorstand gewählt. Zudem konnte der in den
letzten Jahren vakante Vorstandssitz mit der Wahl
von Francisco Mir (Fanas) wieder besetzt werden.
Roger Grass (Schiers), welcher wie Simona Giger
(Valzeina) seit einem Jahr im Kirchgemeindevorstand tätig ist, wurde von der Versammlung zum
neuen Präsidenten gewählt. Die mit einem Ertragsüberschuss präsentierte Jahresrechnung 2015 sowie das Budget 2016 wurden genehmigt. Roger
Grass erläuterte, dass anstehende Unterhaltsarbeiten an verschiedenen Liegenschaften und Neuanschaffungen, deren finanziellen Tragweiten noch
nicht bekannt seien, erstmals in einen zu erarbeitenden Finanzplan einfliessen würden. (BT)
Faszination Rothirsch
im Nationalparkzentrum
ZERNEZ Diesen Mittwoch, 24. Februar, eröffnet der
Schweizerische Nationalpark um 19 Uhr in seinem
Besucherzentrum in Zernez die neue Sonderausstellung «Der Rothirsch – ein Dauerläufer mit feinen Sinnen». Die Ausstellung verschafft einen allgemeinen Überblick über die grösste im Kanton lebende Huftierart und geht auch auf seine Entwicklung im Schweizerische Nationalpark ein. Laut Besucherumfragen gehört der Rothirsch zu den beliebtesten Arten im Nationalpark. Anhand von Präparaten, Modellen und Originalobjekten beleuchtet
die Ausstellung in ihrem Hauptteil die Biologie des
Königs der Wälder. Ergänzende Tafeln informieren
über die Entwicklung im Nationalpark.
Dass der Rothirsch allerlei Emotionen auslösen
kann, zeigte sich etwa in den 1950er-Jahren, als mit
zunehmenden Rothirschbeständen im Kanton der
Begriff «Hirschproblem» geprägt wurde. Intensive
Forschungstätigkeit und die enge Zusammenarbeit
zwischen den kantonalen Behörden und dem
Schweizerischen Nationalpark hätten dazu geführt,
dass die Erkenntnisse 1989 ins neu revidierte Jagdgesetz eingeflossen seien, schreibt das Nationalparkzentrum in ihrer Mitteilung. (BT)
Blick in die Sonderausstellung zum Rothirsch im
Nationalpark-Besucherzentrum in Zernez. (ZVG)
In diesem Frühling muss nicht mehr jedes Schaf herhalten
Der Kanton Graubünden nimmt bei der Bekämpfung der Moderhinke der Schafe eine Pionierrolle ein. Jetzt führt er zusammen
mit dem Kanton Glarus ein neues Überwachungskonzept ein. Die Kontrollen werden einfacher und die Resultate zuverlässiger.
Im Kanton Graubünden werden seit
2011 jährlich alle Schafhaltungen einer Moderhinke-Kontrolle unterzogen.
Laut Strukturerhebungen werden im
Kanton rund 50 000 Schafe gehalten. In
Anbetracht der Tatsache, dass bei der
Moderhinke-Kontrolle jeweils im Frühling bislang jedes Schaf fixiert und jede
Klaue einzeln beurteilt werden musste,
ist es nachvollziehbar, dass diese Massnahme mit einem grossen Aufwand
verbunden ist. Ausgelöst wird die Klauenerkrankung durch eine Infektion mit
Bakterien. Während die benigne (gutartige) Form dieses Bakteriums nur geringe Veränderungen im Zwischenklauenbereich verursacht, kann die virulente (bösartige) Form das Klauenhorn zerstören und ablösen.
Dank neuer Erkenntnisse über die
Verbreitung der Krankheit und der Entwicklung eines Labortests wird nun ein
neues Konzept in der Moderhinke-Überwachung in den Kantonen Graubünden
und Glarus bereits in diesem Frühling
eingeführt. Mit diesem neu entwickelten Test kann im Labor die Erbsubstanz
(DNA) des Erregers nachgewiesen werden. Der Test vermag auch zwischen
gutartigen und krankheitserregenden
Bakterien zu unterscheiden. Die Probeentnahme erfolgt mit einem Tupfer an
allen vier Klauen im Zwischenklauenbereich. Der Tupfer wird anschliessend
in eine Flüssigkeit eingetaucht, die
dann im Labor ausgewertet wird. Die
Proben werden ab Ende Januar bis Mitte April entnommen.
Neu jeder dritte Betrieb
Das kantonale Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit (ALT) bestimmt die zu beprobenden Bündner
Schafbetriebe. Gemäss dem neuen
Konzept sollen jährlich 30 Prozent der
Betriebe ausgewählt werden. Darin
sind auch jene Betriebe eingeschlossen,
die im Vorjahr eine Reinfektion hatten.
Pro Betrieb werden (je nach Grösse) bis
zu maximal 30 Tiere beprobt. Die Probeentnahme erfolgt von ausgebildeten
Fachleuten – Tierärzten oder anerkannten Klauen-Kontrolleuren. Für das Einfangen und Kippen der Schafe sowie bei
der Mithilfe der Beprobung stellt der
Tierhalter die notwendigen Helfer zur
Verfügung. Die Kontrollorgane können
nicht vom Schafhalter selber ausgewählt werden, sondern werden vom
ALT zugeteilt. Dem Tierhalter werden
die Kosten für die Aufwendungen der
Kontrollorgane in Rechnung gestellt.
Die Kosten für die Laboruntersuchungen gehen zu Lasten des Kantons.
Wie Giochen Bearth, stellvertretender Kantonstierarzt, auf Anfrage aus-
führte, haben zwei Überlegungen das
Amt zur Einführung des neuen Konzepts zur Moderhinke-Überwachung bewogen: ein geringerer Aufwand einerseits und zuverlässigere Resultate aufgrund der Labortests andererseits. Die
bisherigen Kontrollen waren insofern
subjektiv, als diese – etwas vereinfacht
gesagt – mit dem Auge und der Nase erfolgten. Das ändere aber nichts daran,
dass die Kantone Graubünden und Glarus aufgrund der flächendeckenden
Kontrollen grundsätzlich frei von Moderhinke seien, erklärte Bearth.
Da in anderen Kantonen bislang
keine flächendeckende ModerhinkeSanierung durchgeführt wurde, kann
dies grundsätzlich nur für Graubünden
und Glarus gesagt werden. Für alle in
Graubünden und Glarus gesömmerten
Schafe aus anderen Kantonen verlangt
das ALT aus diesem Grund eine Bestäti-
gung der Moderhinke-Freiheit durch
den Beratungs- und Gesundheitsdienst
für Kleinwiederkäuer (BGK).
Die Schafe im Auge behalten
Christian Egli, Vizepräsident des Schafzuchtverbands Graubünden, begrüsst
das neue Konzept zur Bekämpfung der
Moderhinke-Krankheit. «Ausschlaggebend sind aber die Schafhalter», betonte der Furner. «Wenn sie ihre Tiere im
Winter zu Hause und im Sommer auf
der Weide, insbesondere in den Alpen,
im Auge behalten, dann ist das die beste Vorsorge.» Mehr Sorgen bereite ihm
aktuell der Herdenschutz, der in den
vergangenen Jahren immer aufwendiger geworden sei. «Wenn das so weitergeht, dann könnten in absehbarer Zukunft zahlreiche Alpweiden nicht mehr
von Schafen genutzt werden», betonte
Egli. EDY WALSER