BERATUNGS- UND GESUNDHEITSDIENST FÜR KLEINWIEDERKÄUER SERVICE CONSULTATIF ET SANITAIRE POUR PETITS RUMINANTS SCHAFE Neues Konzept der ModerhinkeÜberwachung in den Kantonen Glarus und Graubünden Die Bekämpfung der Moderhinkekrankheit der Schafe beruhte in der Vergangenheit auf der jährlichen klinischen Untersuchung der Klauen. Mit neuen Erkenntnissen über die Verbreitung (Epidemiologie) und mit der Entwicklung eines neuen Labortests hat man nun eine wertvolle Weiterentwicklung geschaffen. Dieser Fortschritt soll nun bereits in die Frühlingskontrollen 2016 der Kantone Glarus und Graubünden einfliessen. Zudem soll das neue Kontrollkonzept auch die Tatsache berücksichtigen, dass die beiden Kantone bereits flächendeckend saniert und damit seit Jahren grundsätzlich frei von Moderhinke sind und der Infektionsdruck folglich geringer ist als in anderen Gegenden. Ausgangslage Seit 1990 wird im Kanton Graubünden die Moderhinke (MH) bekämpft und seit 2011 werden jährlich flächendeckend alle Schafhaltungen des Kantons Graubünden einer Frühlingskontrolle unterzogen. Für diese Kontrolle musste jedes Schaf gekippt und jede Klaue einzeln beurteilt werden. Im Kanton Graubünden werden 47’075 Schafe in 823 Betrieben gehalten, was einem Durchschnitt von 57 Schafen pro Betrieb entspricht (Stand Strukturerhebung 2015 durch Amt für Landwirtschaft und Geoinformation, ALG). Im Kanton Glarus besteht seit 2013 ebenfalls eine Sanierungspflicht. Dort werden in 74 Betrieben 2’009 Schafe gehalten. Zusätzlich sömmern jährlich aus anderen Kantonen in Graubünden ca. 12‘000 Schafe und in Glarus ca. 2’000 Schafe. Aktuell erarbeitet das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) Grundlagen für eine schweizweite Bekämpfung der Moderhinke. Das neue Überwachungskonzept Auswahl der Betriebe Bisher wurden in den Kantonen Graubünden und Glarus nur diejenigen Schafhaltungsbetriebe als MH-frei anerkannt, die aufgrund einer jährlichen Kontrolle keine klinisch kranken Tiere aufwiesen. Alle anderen Betriebe, die diesen Nachweis nicht erbringen konnten, galten als MH-infiziert und wurden bis zur erfolgreichen Sanierung gesperrt. Ab 2016 sind grundsätzlich alle korrekt registrierten und wegen MH nicht gesperrten Schafhaltungen Moderhinke-frei und benötigen damit auch keine schriftliche Bestätigung der MH-Freiheit mehr. Das Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit (ALT) bestimmt die zu beprobenden Betriebe. Es werden jährlich 30 % der Betriebe zur Kontrolle ausgewählt. Die Auswahl umfasst alle Betriebe, welche im Vorjahr eine Reinfektion hatten und ergänzend eine zusätzliche, zufällige Auswahl. Die Überwachung der Moderhinke mittels Tupferproben beginnt Ende Januar und muss bis Mitte April abgeschlossen sein. Auswahl der Kontrollorgane Die Probenahme mittels Tupfer erfolgt durch ausgebildete Fachleute. Es sind dies KontrollTierärzte oder vom Beratungs- und Gesundheitsdienst für Kleinwiederkäuer (BGK) anerkannte Klauenkontrolleure, welche eine entsprechende Weiterbildung besucht und bestanden haben. Diese Kontrollorgane können vom Tierhalter nicht selber ausgewählt werden, sie werden dem jeweiligen Betrieb vom Amt zugeteilt. Auswahl der zu beprobenden Schafe Pro Betrieb müssen nicht alle Tiere untersucht werden. Es genügt, wenn eine statistisch berechnete Anzahl Schafe beprobt wird. Je nach Betriebsgrösse sind dies bis zu maximal 30 Tiere, dies gilt auch für grosse Bestände. Wichtig ist vielmehr die richtige Auswahl der Schafe: So sollen Tiere mit hohem Risiko für die Krankheit zwingend beprobt werden: hinkende Tiere, solche mit veränderten Klauen, Zukäufe, Widder und Ausstellungstiere. In Schafhaltungen mit verschiedenen Ställen müssen alle Abteile für die Beprobung berücksichtigt werden. Probenahme, Untersuchung und Beurteilung Herde mit Auslauf zwecks Auswahl der zu beprobenden Tiere. Gregge in uscita per la selezione degli animali da cui prelevare un campione. (Photo: G. Bearth) Jedes ausgewählte Schaf wird mit einem Tupfer an allen vier Klauen beprobt. Für das Einfangen und Kippen der Schafe sowie für die Mithilfe bei der Beprobung und für die Dokumentation stellt der Tierhalter die nötigen Helfer zur Verfügung. Die Laboruntersuchungen erfolgen anschliessend in 10er-Pools im Biologie-Labor des ALT in Chur. Der Prüfbericht enthält nur das GesamtResultat pro Pool und keine Einzeltierresultate. Anhand der Ohrmarkennummern kann ein mögliches Infektionsgeschehen aber unter Umständen eingegrenzt werden. Es haben alle Bestände die Kontrolle bestanden, bei welchen die virulente 1/2 | 2016 25 BGK SSPR (bösartige) Form von Dichelobacter nodosus nicht nachgewiesen werden konnte (Fachartikel, Seite 6). Als MH-infiziert werden Bestände beurteilt, bei welchen in mindestens einer Pool-Probe der virulente Dichelobacter nodosus vorkommt. Kosten Anlässlich der jährlichen Stichproben-Kontrolle werden dem Tierhalter nur die Aufwendungen der Kontrollorgane, nicht aber die Kosten für die Laboruntersuchungen in Rechnung gestellt. Das neue Überwachungskonzept hat folglich für den Tierhalter langfristig eine deutliche Kostenreduktion bei verbesserter Qualität zur Folge. Für die Sanierung nach einer Reinfektion respektive nach nicht bestandener Frühlingskontrolle übernimmt der Tierhalter jedoch weiterhin alle Kosten (inkl. Laborkosten, Bademittel). Sömmerung von Schafen aus anderen Kantonen Die Überwachung aller in den Kantonen GR und GL gesömmerten Schafe aus anderen Kantonen wird in den Weisungen zur Sömmerung wie folgt geregelt: Wenn der Alpverantwortliche nicht zwingend das neue Überwachungskonzept vorschreibt, kann der Verbreitung (Epidemiologie) Der Erreger der Moderhinke «Dichelobacter nodosus» ist ein strikt anaerobes Stäbchen-Bakterium, welches nur unter Luftabschluss leben kann. Das Klima hat einen grossen Einfluss auf das Überleben des Bakteriums. Trockenheit, Hitze und Kälte (<10 Grad Celsius) reduzieren die Überlebenszeit von Dichelobacter nodosus in der Umwelt. In Klauenhornmaterial, das beim Klauenschneiden anfällt, kann der Erreger bis mindestens 6 Wochen nachweislich überleben. Folglich ist es wichtig, dass der Klauenschnitt auf einer trockenen Unterlage durchgeführt wird, wo es einfach ist, das anfallende Klauenhornmaterial zusammenzuwischen und im Kehricht zu entsorgen. Im Boden ist der Erreger bei unseren klimatischen Bedingungen bis zu 24 Tagen nachweisbar. Eine Weide, auf welcher Schafe mit klinischer Moderhinke gehalten wurden, sollte während mindestens 4 Wochen, besser noch 6 Wochen nicht bestossen werden. Neu ist die Erkenntnis, dass Schafe den Erreger der Moderhinke über längere Zeit auf sich tragen können, ohne daran klinisch zu erkranken. Trockene Bedingungen und Klauendesinfektionsbäder können die Ausbildung von klinischen Anzeichen unterdrücken. Solche Tiere können eine Infektionsquelle für andere Herden darstellen und werden nur mit dem Labortest erkannt. Tierhalter zwischen der herkömmlichen, klassischen Einzeltierkontrolle aller Tiere eines Bestandes und dem neuen Überwachungskonzept wählen. In allen Fällen muss der Bestösser eine vom Beratungs- und Gesundheitsdienst für Kleinwiederkäuer (BGK) ausgestellte schriftliche Bestätigung der MH-Freiheit dem Alpverantwortlichen vorweisen können. Kippen eines Schafes zur Beprobung. Disposizione corretta di una pecora per il prelievo del campione. (Photo: G. Bearth) 26 1/2 | 2016 Zusammenfassung • Grundsätzlich gelten ab 2016 alle Schafhaltungen aus den Kantonen GR und GL als frei von Moderhinke und benötigen auch keine schriftliche Bestätigung der MH-Freiheit. • Es werden nicht mehr jährlich alle Schafhaltungen überwacht, sondern nur noch eine definierte Stichprobe gemacht. • Die Überwachung der ausgewählten Betriebe erfolgt nur noch mit der Labormethode und nach genau definierten Vorgaben. Gesunde Klaue. Unghione sano. (Photo: G. Bearth) Klaue mit klinischer Moderhinke. Unghione affetto da zoppina clinica. (Photo: G. Bearth) • Der Verdacht auf Moderhinke ist immer meldepflichtig. Die Abklärung erfolgt insbesondere mit dem Labortest. • Betriebe mit Moderhinke werden mittels Verfügung gesperrt und müssen auf eigene Kosten saniert werden. Dr. med. vet. Giochen Bearth Kantonstierarzt-Stellvertreter Adresse Beratungs- und Gesundheitsdienst für Kleinwiederkäuer BGK Postfach 3360 Herzogenbuchsee Tel: 062 956 68 58, Fax: 062 956 68 79 E-Mail: [email protected] BGK SSPR Vorgehen Mögliche Fixierung eines Schafes und Beprobung. Possibile fissaggio di una pexora e prelievo di un campione. (Photo: G. Bearth) Teilen Sie dem Kontrolleur bei der Fixierung des Kontrolltermins mit, wie viele Tiere Ihre Herde zählt, wo gesömmert wird und welche Kontrollmethode Sie bevorzugen. Mit diesen Angaben kann der Kontrolleur das notwendige Material termingerecht bereithalten. Bitte erkundigen Sie sich beim Alpverantwortlichen, ob unter Umständen eine risikobasierte Kontrolle verlangt wird. Anders als in den Kantonen Graubünden und Glarus müssen Betriebe aus den übrigen Kantonen, welche in den Kantonen GR oder GL sömmern, jährlich kontrolliert werden. Der BGK stellt aufgrund der Tierliste resp. des negativen Laborresultates weiterhin die Bestätigung «anerkannt Moderhinke-freier Bestand» aus. Betriebe in den ersten beiden Sanierungsjahren haben ebenfalls die Möglichkeit, nach einer ersten Klauenkontrolle des gesamten Bestandes die zweite Kontrolle mittels Tupferproben durchzuführen. Betriebe, die nicht in GR und GL sömmern Herden, die 2016 nicht in einem der beiden erwähnten Kantone sömmern, machen weiterhin die klassischen Klauenkontrollen der gesamten Herde je nach Sanierungsjahr, d.h. Kontrolle aller Klauen jedes einzelnen Tieres ohne Tupferproben. Entnahme einer Tupferprobe. Prelievo con un tampone. (Photo: G. Bearth) Eintauchen und Auswringen einer Tupferprobe im Nährmedium. Intingere e strizzare un tampone nel terreno di coltura. (Photo: G. Bearth) Moderhinke-Kontrollen übrige Schweiz • Risikobasierte Klauenkontrolle, d.h. Kontrolle und Entnahme von Tupferproben von 16-30 Tieren je Herde. Die neue Methode bedeutet eine Arbeitserleichterung vor allem für Tierhalter mit grossen Herden. Zudem bietet der Labortest eine höhere Sicherheit, da infizierte Tiere bereits entdeckt werden, bevor die typischen Symptome von Moderhinke sichtbar sind. Die Beurteilung der Herde im Auslauf sowie die Auswahl der Tiere, die kontrolliert und beprobt werden, erfolgt durch den Klauenkontrolleur. Die Kosten für die Laboranalyse übernimmt im Jahr 2016 der BGK. Die Portokosten für den Probenversand wird der Kontrolleur dem Tierhalter mit dem Aufwand für die Kontrolltätigkeit verrechnen. Wie aus dem Artikel von G. Bearth (Seite 25) hervorgeht, erfolgt die Moderhinke-Überwachung in den Kantonen Graubünden und Glarus neu mit Unterstützung der neuen Labormethode. Was bedeutet das nun für Betriebe aus der übrigen Schweiz? Betriebe, die in GR und GL sömmern Betriebe, die ihre Tiere lediglich zur Sömmerung in die Kantone GR und GL verbringen und deren Herden in der Moderhinke-Überwachung sind (d.h. ab 3. Sanierungsjahr), haben zwei Möglichkeiten: • Weiterhin Kontrolle jeder einzelnen Klaue durch den Klauenkontrolleur, gemäss den aktuellen Technischen Weisungen für das Moderhinke-Sanierungsprogramm des BGK. Wo können Tupferproben ebenfalls eingesetzt werden? Tupferproben können als Kontrollinstrument eingesetzt werden. Beispielsweise • beim Tierzukauf • bei unklaren klinischen Anzeichen • beim Abschluss der Sanierung einer Herde, auch nach Reinfektionen Die Laborkosten gehen in diesen Fällen zu Lasten des Tierhalters. Rita Lüchinger 1/2 | 2016 27
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