Foto: Dortmund Agentur/Thomas Kampmann Foto: Willi Weber/FFP New Media Adolf Winkelmann (m.) mit Charly Hübner (re.), Drehbuchautor Till Beckmann (li.) und dem jungen Oscar Brose beim Dreh auf Zeche Zollern Adolf Winkelmann mit Kameramann David Slama Adolf Winkelmann Eine Jugend im rauen Revier Der Regisseur aus Dortmund bringt die Rothmann-Verfilmung I ch habe schon vor drei Jahren mit Charly Hübner in der Küche gesessen und über ›Junges Licht‹ gesprochen«, erinnert sich Regisseur Adolf Winkelmann, der gerade Ralf Rothmanns Ruhrgebietsroman mit autobiografischen Zügen verfilmt hat. Voraussichtlich im nächsten Frühjahr soll er bundesweit in die Kinos kommen. In »Junges Licht« geht es um den zwölfjährigen Julian, der um 1960 mit seiner Familie in einer Bergarbeitersiedlung lebt. Weil das Geld nicht reicht, verbringen die Mutter und die kleine Schwester die Sommerferien bei den Großeltern, Julian bleibt mit dem Vater zu Hause. Während der Vater unter Tage schuftet, erlebt der Junge in der Siedlung kleinere Abenteuer und Gewalt, auch erste erotische Funken sprühen. Charly Hübner spielt den Vater. Der bekannte Darsteller ist im »richtigen Leben« mit Lina Beckmann aus der Re- 62 vier-Schauspielfamilie Beckmann verheiratet. Lina spielt in »Junges Licht« die Mutter. »Ich habe Lina in einem Workshop kennengelernt, den ich mal an der Schauspielschule gegeben habe, und wollte seitdem immer schon mit ihr drehen«, erzählt der Regisseur. »Und Peter Lohmeyer ist zu mir gekommen und hat gefragt, ob ich ihn nicht besetzen wolle.« Winkelmann wollte, so stellt Lohmeyer jetzt den Besitzer des Hauses dar, in dem Julians Familie lebt. Der Regisseur und der Schauspieler kennen sich schon viele Jahre: »Peter ist der Sohn des ehemaligen Pfarrers der Dortmunder Reinoldi-Kirche. Gegenüber hatten wir unser Produktionsbüro, als wir ›Jede Menge Kohle‹ gedreht haben. Da hat Peter damals mit großen Augen zugeguckt.« Ganz entscheidend war natürlich die Rolle des Julian. Die Wahl fiel auf den 13-jährigen Schüler Oscar Brose aus Wetter an der Ruhr. »Er war ein echter Glücksfall. Ich wollte für die Rolle kein Filmkind haben, sondern ein Ruhrgebietskind. Nur das kann so sprechen. Nicht so plakativ wie Jürgen von Manger, sondern Hochdeutsch, aber mit einer klaren Farbnuance, bei der man hört, wo es herkommt.« Gedreht wurde u. a. in Dortmund, Bochum, Bottrop und Witten. Szenen unter Tage entstanden 800 Meter unter der Erde, auf Zeche Auguste Victoria in Marl. »Ich versuche, Realität in meine Filme zu bekommen. Charly Hübner ging bis an den Rand der Belastbarkeit. Er hat mit dem Abbauhammer wie mit einem Maschinengewehr losgelegt. In der Dunkelheit sieht man nur noch die aufgerissenen Augen und die weißen Zähne.« Auch bei »Jede Menge Kohle« 1981 hätten sie wochenlang unter Tage gedreht, erzählt der Regisseur und langjährige Professor für Film an der Fachhochschule Dortmund. »Aber das Filmmaterial war Westfalenspiegel 6-2015 »Junges Licht« ins Kino. damals noch nicht so lichtempfindlich. Bis man eine Einstellung im Kasten hatte, war ein Tag vergangen.« Unter seinen vielen Filmen war »Jede Menge Kohle« der größte Publikumserfolg. Der Spruch des coolen Loosers Katlewski, der eine Woche unter Tage umherirrt und nach seiner gescheiterten Ehe eine besondere Form der Gütertrennung praktiziert, als er meint »Es kommt der Tag, da will die Säge sägen«, entwickelte sich zum geflügelten Wort. Seinen Spielfilm »Die Abfahrer« (1978), von der Kritik hoch gelobt und aufgenommen in die Liste der wichtigsten deutschen Filme, hält Winkelmann selbst für das bedeutendere Werk. Zweifellos wichtig zur Aufarbeitung eines Skandals war der TV-Spielfilm »Contergan« (2007). »Der Hersteller des folgenschweren Schlafmittels, die Firma Grünenthal, wollte den Film verbieten beziehungsweise in 32 Punkten ändern lassen. Aber das Bundesverfassungsgericht hat in allen Punkten für uns entschieden. Denn es gehe um die Freiheit der Kunst«, so Winkelmann. Ausgezeichnet wurde der Film mit der Goldenen Kamera und dem Deutschen Fernsehpreis. Überhaupt kann der Regisseur in seiner langen Karriere auf unzählige Ehrungen zurückblicken, von Adolf-Grimme-Preisen über den Deutschen Filmpreis (»Nordkurve«) bis zum Bundesverdienstkreuz. Von spannungsgeladenen Thrillern wie dem »Letzten Kurier« mit Sissi Perlinger bis zu den experimentellen »Fliegenden Bildern« am Dortmunder »U«, die als Filminstallation den oberen Teil des Gebäudes zum Aquarium oder Taubenschlag werden lassen, hat Winkelmann die Möglichkeiten bewegter Bilder ausgelotet. Bei so viel Kunstfertigkeit darf man also auch auf Winkelmanns neuen Film gespannt sein. Viel von dem, was in »Junges Licht« erzählt werde, habe er ähnlich auch als Dortmunder Junge erlebt, meint der Regisseur, der im nächsten Jahr 70 wird. »So, wie Ralf Rothmann und ich das Ruhrgebiet noch erlebt haben, wird die nächste Michael Vaupel Generation es nicht mehr kennen.«
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