Gewaltfreie Kommunikation – GFK lernen Autor: Johannes Löffler-Dau, [email protected] Zuerst einmal die gute Nachricht, dass wir nicht perfekt und keine Heiligen sein müssen. Und wir müssen auch nicht geduldig sein. Wir müssen kein positives Selbstwertgefühl haben; wir müssen kein Selbstvertrauen haben. … Was nötig ist?... Wir brauchen ein sehr hoch entwickeltes Bewusstsein darüber, wie wir uns mit anderen menschlichen Wesen verbinden möchten. Für mich selbst muss ich jeden Tag Pausen einlegen – zwei-, drei-, viermal –, um mich daran zu erinnern, wie ich mich mit anderen Menschen in der Welt verbinden möchte. Marshall B. Rosenberg1 Erinnern Sie sich noch, wie Sie Auto fahren gelernt haben? Welche Lernphase(n) Sie da durchlaufen haben? Vielleicht waren Sie auch in einer ersten Phase „unbewusst inkompetent“. Sie haben sich an das Lenkrad eines Autos gesetzt, „Brumm, brumm“ gemacht, daran gedreht – und auch wenn das Lenkradschloss eingerastet war, stellte das kein Problem dar – und waren davon überzeugt, sie führen Auto. Als Sie dann größer wurden, ist Ihnen klar geworden, dass Sie Auto fahren erst noch lernen müssen. Sie waren damit „bewusst inkompetent“. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, um Schritte einzuleiten, wirklich kompetent zu werden. Für viele ist die Anmeldung zur Fahrschule bei entsprechendem Alter dann naheliegend. Sie lernen die Grundfähigkeiten des Fahrens, so dass es zur Führerscheinprüfung reicht. Die konkrete Fahrpraxis mit Schalten, Kuppeln, Blinken usw. erfordert aber auch dann noch sehr viel bewusste Aufmerksamkeit und manches Nachdenken. Doch das nächste Stadium ist erreicht: Sie sind „bewusst kompetent“. Mit zunehmender Erfahrung werden Sie schließlich „unbewusst kompetent“. Vieles, was Sie vorher noch überlegen mussten, läuft automatisch ab und Sie fragen sich jetzt auch gar nicht mehr, ob Sie Auto fahren können. Menschliche Lernprozesse, die sich auf emotionale, persönliche oder zwischenmenschliche Entwicklungen beziehen, wie es beim Erlernen der GFK der Fall ist, verlaufen oft nach diesem Muster. Sie hören dann aber nicht auf. Wichtig ist die Offenheit und Neugier und die Bereitschaft, sich auf weitere Zyklen einzulassen – nicht um perfekt zu werden, sondern nur „etwas weniger dumm“. 1 Marshall B. Rosenberg, Wie ich dich lieben kann, wenn ich mich selbst liebe. Ein praktischer Ratgeber zu einer neuen Art von Beziehungen, Junfermann Verlag, Paderborn 2006, 60 f. (gekürzt) 1 Gewaltfreie Kommunikation – GFK lernen GFK-Lernen ist ein Übungsweg Neue Kommunikationsformen … einzuführen erfordert Übung. Das vergessen wir oft. Häufig handeln wir, als ob wir in der Lage sein müssten, eine neue Fähigkeit sofort und mühelos zu übernehmen. Wir neigen dazu, an Wunder zu glauben und halten es für möglich, verstandene Konzepte auch sofort umsetzen zu können. Es besteht jedoch ein großer Unterschied zwischen Verstehen und Anwendung von Verstandenem. Wir müssen uns normalerweise zuerst durch eine Lernphase hindurcharbeiten, bis wir uns beim Beschreiten neuer Wege wohlfühlen. Die Gewaltfreie Kommunikation ist da keine Ausnahme. 2 In seinem Buch „Worte, die im Business wirken“, aus dem das o.g. Zitat stammt, gibt I. K. Lasater Anregungen zum Üben für den GFK-Lernprozess.3 Er unterscheidet „stille Fähigkeiten üben“ und „Fähigkeiten laut üben“. Zum Ersten gehört das Übung von „Selbstempathie“. Sie kann fast überall und zu jeder Zeit geübt werden. Ich habe dann die Möglichkeit, dem nachzugehen, was gerade an Gefühlen und Bedürfnissen in mir wach ist. Auch die „stille Empathie in andere“ kann so geübt werden: Wenn ich mich an eine Situation erinnere, in der ich mich im Kontakt mit einer anderen Person nicht wohl gefühlt habe, übe ich zunächst Selbstempathie. Ich frage mich, welche Gefühle und Bedürfnisse mir jetzt bewusst werden, wenn ich daran denke. Dann versuche ich, dazu eine lebendige innere Verbindung zu kommen. Gelingt dies, zeigt sich dies oft darin, dass ich mich „entspannt“, „gelassen“ oder „satt“ fühle – und dann wie von selbst die Bereitschaft und der Impuls entsteht, Empathie für den anderen zu entwickeln. Damit ist der nächste Schritt erreicht: ich vermute, welche Gefühle und Bedürfnisse die oder der andere (jetzt Abwesende) gehabt haben könnte. Auch hier ist mein Ziel, darüber eine gute Verbindung zu ihr oder ihm zu erspüren. Auch wenn dieser Mensch nicht direkt gegenwärtig ist, verändert diese Übung die Beziehung zu ihr oder zu ihm und wirkt sich auf kommende Begegnungen mit anderen aus. Bei allem gilt „die gute Nachricht, dass wir nicht perfekt und keine Heiligen sein müssen.“ (MBR) Zur zweiten Unterscheidung „Fähigkeiten laut üben“ schreibt Lasater: „Es ist hilfreich, mit anderen laut zu üben. So bekommen wir anhand der Reaktionen unmittelbares Feedback und Übung darin, die eigenen Reaktionen wahrzunehmen. Es hängt jedoch viel davon ab, wer unser Übungspartner ist. Dies kann entscheidend dafür sein, ob man kontinuierlich übt und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten entwickelt oder aber aufgibt, bevor man es ernsthaft versucht hat.“4 Wie komme ich nun an und in „die richtigen Kreise“, um GFK üben zu können? 2 Ike K. Lasater, Worte, die im Business wirken. Gewaltfreie Kommunikation – bewährte Techniken für den Arbeitsalltag, Junfermann Verlag, Paderborn 2011, 37. 3 Vgl. Ike K. Lasater, Worte, die im Business wirken. Gewaltfreie Kommunikation – bewährte Techniken für den Arbeitsalltag, Junfermann Verlag, Paderborn 2011, 37 – 47. 4 Ike K. Lasater, Worte, die im Business wirken. Gewaltfreie Kommunikation – bewährte Techniken für den Arbeitsalltag, Junfermann Verlag, Paderborn 2011, 38. 2 Gewaltfreie Kommunikation – GFK lernen Lasater beschreibt drei konzentrische Kreise, in denen unsere menschlichen Beziehungen existieren. Den inneren Kreis bilden die Menschen, mit denen wir häufig und „nahe“ kommunizieren. Im mittleren Kreis gibt es häufige Kontakte, sie werden aber weniger vertraut und persönlich gestaltet. Der äußere Kreis schließlich zeichnet sich darin aus, dass wir mit diesen Menschen zwar zu tun haben, sie aber nicht persönlich kennen. Lasater empfiehlt das Üben mit Personen aus dem inneren und dem äußeren Kreises. Dabei ist das Üben von Empathie und Selbstausdruck innerhalb des äußeren Kreises relativ „ungefährlich“. Wir sind mit diesen Personen nicht bekannt und es besteht keine Erwartungen an die Art und Weise der Kommunikation. Dies ist mit Menschen aus dem inneren Kreis schon ganz anders. „Man kennt sich“ und eine Veränderung im Kommunikationsverhalten kann Befremdung und Irritation auslösen. Deshalb ist es ratsam, dass aus diesem Kreis Menschen, bei denen ich mich sicher fühle, Übungsvereinbarungen zu treffen. „Sie können zum Beispiel zu jemandem aus Ihrem innersten Kreis sagen: ‚Ich interessiere mich für Gewaltfreie Kommunikation und ich möchte sie häufiger anwenden. Darum werde ich mich in Zukunft oft anders ausdrücken als bisher. Wenn du dich dabei irgendwann unwohl fühlst oder meine Äußerungen nicht magst, dann wäre es mir wichtig, dass du mir das sofort sagst, damit wir darüber reden können.‘ Dann enden Sie mit der Bitte: ‚Wärst du bereit, es mir zu sagen, wenn dir meine Art mit dir zu reden nicht gefällt?‘ Wenn die andere Person einverstanden ist, gehen wir von dieser Vereinbarung aus.“5 Eine solche Vereinbarung kann zwei Vorteile haben: - für den Übungspartner ist er eine Ermutigung, sein Unbehagen mitzuteilen (und vielleicht auch das, was er an der neuen Art der Kommunikation schätzt), - für mich selbst, dass ich seine Kommentare nicht als Kritik auffasse, und meine mich verteidigen zu müssen, sondern als Unterstützung, um GFK zu lernen. Natürlich gibt es noch viele andere Formen und Arten GFK zu üben, die so unterschiedlich sein können, wie wir Menschen sind. Unterstützend für den Lernprozess kann sein: • Lektüre von Artikel oder Büchern zur GFK (Nähere Hinweise u.a. bei: http://www.conexbooks.de/index.php ) • Anhören von Hörbüchern bzw. Anschauen von Hör-CDs oder DVDs. (Manchmal günstig bei: www.jokers.de ) • Teilnahme an GFK-Einführungskursen und Jahrestrainings, GFK-Tagen und Seminaren (Auch mehrere Einführungen bei verschiedenen Trainer-innen können sich lohnen. Siehe Links) • Besuch von Übungsgruppen, die es in unterschiedlichen Formaten gibt. • … 5 Ike K. Lasater, Worte, die im Business wirken. Gewaltfreie Kommunikation – bewährte Techniken für den Arbeitsalltag, Junfermann Verlag, Paderborn 2011, 38 f. 3 Gewaltfreie Kommunikation – GFK lernen Anregungen zum Üben: (Stille) Selbstempathie Überlegen Sie, bei welchen regelmäßigen alltäglichen Situationen, Sie Selbstempathie üben können und wie Sie sich daran erinnern können! (Welches Bedürfnis erfüllen Sie sich damit und wie lautet Ihre Bitte an sich selbst?) Fähigkeiten laut üben Überlegen Sie, mit wem aus Ihrem inneren Kreis Sie eine Übungsvereinbarung treffen möchten! (Und üben Sie schon mal im Stillen, wie Sie diese Bitte aussprechen möchten!) Welche Weise des GFK-Lernens ist die Ihnen Passendste? Können Sie mit sich darüber eine Vereinbarung treffen? 4
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