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Kerstin Protz, Managerin im Sozial- und Gesundheitswesen, Email: [email protected]
Lebensqualität von Menschen mit chronischen Wunden
Eine chronische Wunde bedeutet für den Betroffenen zusätzlich zu den körperlichen Beschwerden
immer auch eine Einschränkung seiner Lebensqualität. Oftmals geht mit einer Belastung der
sozialen Kontakte ein Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben einher. Zusätzlich mindert sich
das Selbstwertgefühl des Betroffenen, da sich der selbst bestimmte Lebenswandel nicht mehr wie
gewohnt führen lässt. Die Fokussierung auf diese Aspekte verdeutlicht auch der DNQP
Expertenstandard (2009), insbesondere durch den Titel “Pflege von Menschen mit chronischen
Wunden“. Im Vordergrund steht also der Patient und nicht die Wunde, auf die sich Betroffene oft
reduziert fühlen. Dieses Empfinden wirkt sich negativ auf die Adhärenz (Adherence to therapy =
„Ausmaß, mit welchem das Verhalten eines Patienten mit den Empfehlungen übereinstimmt, die er
von einer Person aus dem Gesundheitsbereich erhalten und mit denen er sich einverstanden erklärt
hat“ WHO 2003) aus; der Patient sperrt sich gegen die Behandlung. Im weiteren Verlauf wird sich
die Uneinsichtigkeit, die aufgrund von Informationsmangel entstanden ist, womöglich sogar bis zu
einer grundsätzlichen Ablehnung der Therapie auswachsen. Dem kann mit einem verständnisvollen
Umgang vorgebeugt werden.
Was ist Lebensqualität?
„Lebensqualität ist die subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung im Leben in
Relation zur Kultur und den Wertsystemen in denen sie lebt und in Bezug auf ihre Ziele,
Erwartungen, Standards und Anliegen.“ (WHO 1993)
…“ist ein multidimensionales psychologisches Konstrukt mit mind. vier der folgenden
Komponenten: körperliche Verfassung, psychisches Befinden, soziale Beziehungen und funktionale
Kompetenz“ (Bullinger, 1997)
Lebensqualität ist eine individuelle Größe, die von Mensch zu Mensch unterschiedliche Inhalte
haben kann, z.B.: Urlaub, wandern gehen, leckeres Essen, Geselligkeit, Freunde treffen, Sport,
Freizeitaktivitäten, Hobbys, „shoppen“ gehen.
Welche Beeinträchtigungen der Lebensqualität geben Patienten mit chronischen Wunden an?
Für den Patienten stehen häufig nicht seine Wunde bzw. deren Abheilung im Vordergrund sondern
die Beeinträchtigungen, die sich aus seiner Situation ergeben. Belastend sind nicht nur die wundund therapiebedingten Einschränkungen, wie Schmerzen, Geruch- und Exsudatbelästigungen,
Mobilitäts- und Aktivitätsminderungen, Einschränkungen in der Kleider- und Schuhauswahl sowie
der persönlichen Hygiene. Auch in der Entfaltung seiner Persönlichkeit und der Gestaltung des
gewohnten alltäglichen Ablaufes ist der Patient begrenzt. Diese Einschränkungen, Probleme und
Herausforderungen resultieren häufig in einer Reduzierung der sozialen Kontakte, da die
eigenverantwortliche Lebensführung dem Betroffenen nicht mehr vollumfänglich möglich ist.
Freizeitaktivitäten mindern sich, und Termine orientieren sich an der Therapie und nicht mehr an
eigenen Entscheidungen. Der Patient wird zunehmend abhängig von Anderen und empfindet sich
als Last. Folgenschwerstes Resultat ist manchmal die soziale Isolation des Betroffenen. Damit
verbunden sind Ängste und Sorgen, z. B. vor weiteren Schädigungen, oder schwerwiegendere
psychische Effekte: Frustration und Traurigkeit bis hin zur Depression oder Aggression. Die
Beeinträchtigung der Lebensqualität verstärkt sich durch Schlafstörungen und Antriebslosigkeit.
Hinzu kommen berufliche Probleme und finanzielle Belastungen.
Wie sollte die Pflegefachkraft reagieren?
Entscheidende Grundlage der Patientenedukation ist das Verständnis der Situation und der
Bedürfnisse des Betroffenen. Die Pflegefachkraft ermittelt, welche Einschränkungen der Patient hat
und was Wunde und Therapie für seine Lebensqualität bedeuten. Dabei geht sie in Zusammenarbeit
mit Patienten/Angehörigen verständnisvoll, kompetent und einfühlsam vor. Darauf aufbauend
erfolgt die Erfassung der Selbstmanagementfähigkeiten und die Abfrage des individuellen
Beratungs-/Unterstützungsbedarfs. Ein Patient, der sich aktiv in die Versorgung einbringen kann,
dessen Bedürfnis dafür bestärkt und der in dem Möglichsten was er dazu leisten kann, angeleitet ist,
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wird zum Partner in der Versorgung. Die versorgende Einrichtung stellt hierfür die notwendigen
Rahmenbedingungen und Materialien zur Verfügung. Dazu gehört auch die Koordinierung aller an
der Versorgung beteiligten Berufsgruppen, die nach gleichen Standards auf Augenhöhe
zusammenarbeiten. Unter Berücksichtigung der Probleme aus Patientensicht wird somit der häufig
geäußerten Empfindung „auf die Wunde objektiviert zu werden“ gemeinsam entgegengearbeitet.
Hier ist insbesondere die kommunikative Kompetenz der Pflegefachkraft gefordert. In der
Zusammenarbeit mit Patienten und Angehörigen ist Fachsprache möglichst zu vermeiden und
Begriffe, die nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Laien entsprechen, sollten erklärt und
die Therapiemaßnahmen dem Patienten in einer für ihn verständlichen Sprache vermittelt werden.
Manche Patienten bringen Fachbegriffe wie „Trauma“, als Ursache für ein Ulcus am Bein, mit
psychischen Traumata durcheinander und halten ein „Ulcus“ für ein Magengeschwür. Auch die
Bezeichnung „venös“ nutzt dem Betroffenen wenig, der seine Wunde als „offenes Bein“
bezeichnet. Auch verstehen Patienten nicht, warum Wundexsudat, das von ihnen oft als Eiter
interpretiert wird, durch die Kompression scheinbar ins Bein zurückgedrückt wird.
Schulung und Beratung – Ablauf und Inhalte
Dem Patienten werden neben allgemeinen Inhalten, wie bedarfsgerechter Ernährung, Hautpflege
sowie ein hygienischer und sachgerechter Umgang mit den Materialien auch kranheitsspezifische
Inhalte vermittelt. Dazu gehören unter anderem die Wundursache und zeitliche Erwartung der
Wundheilung, die Bedeutung von Schmerz und Exsudat, der Umgang mit Beschwerden, wie
geschwollenn Beinen, Juckreiz oder Schmerzen sowie eine Beratung in Pflege- und
Hilfsmittelauswahl sowie deren Nutzung (zum Beispiel Einsatz und Farbe von
Kompressionsstrümpfen sowie Anziehhilfen oder angepasste orthopädische Schuhe). Nachfolgend
werden einige Schulungsinhalte exemplarisch dargestellt.
Wundgeruch
Dieser kann zu sozialer Isolation und Körperbildstörungen führen. Die Pflegefachkraft könnte hier
zum Beispiel folgende Maßnahmen planen:
 Ursächliche Behandlung von Wundgeruch, zum Beispiel Infektsanierung
 Lokale Unterstützung durch den Einsatz von Aktivkohleauflagen
 Kein Einsatz von Duft-/Aromalampe, da dies zu einem unangenehmen Geruchsmix mit dem
der Wunde führen kann
 Ggf. unterstützend Schälchen mit geruchsbindendem Kaffeepulver aufstellen
 Regelmäßiges Wechseln von Kleidung und Bettwäsche sowie Belüftung des Raumes
 Wertschätzende Kommunikation
Wundexsudat
Dieses beeinflusst durch dicke Verbände, ggf. Hautschädigungen, Einschränkungen bei der Schuhund Kleidungsauswahl sowie daraus folgend einer Mobilitätsminderung, die Lebensqualität des
Patienten. Die Pflegefachkraft könnte hier zum Beispiel folgende Maßnahmen planen:
 Patienten über Hintergründe des Exsudats aufklären, z.B. Infektion oder Stauung bei
chronisch venöser Insuffizienz
 Ursächliche Behandlung von Exsudat, z. B. Infektsanierung oder Kompression
 Einsatz von stark absorbierenden Verbandmaterial
 Anpassung der Kleidung (lang und dunkel)
 Einsatz eines angepassten Hautschutzes
Fazit
Das Vertrauen des Patienten in seine Fähigkeiten zu einer zweckmäßigen Umsetzung der Pflege
und Therapie ist gestärkt. Ergänzend ist die Vermittlung von Kontakten zu Selbsthilfegruppen für
den Patienten eine wichtige Unterstützung. Durch die Förderung des gesundheitsbezogenen
Selbstmanagements des Patienten, sollte unter Berücksichtigung seiner Wund- und der
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individuellen Lebenssituation eine bestmögliche Lebensqualität erreicht werden.
Kerstin Protz
Krankenschwester, Projektmanagerin Wundforschung im Comprehensive Wound Center (CWC)
am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, Mitglied des DNQP Expertenstandards „Pflege von
Menschen mit chronischen Wunden“, Vorstandsmitglied Wundzentrum Hamburg e.V.
Quellen
Bullinger, M. (1997): Gesundheitsbezogene Lebensqualität und subjektive Gesundheit.
Psychotherapie Psychosomatik und Medizinische Psychologie, 47, 76-91.
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) Hrsg. (2009):
Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden. Osnabrück
Klug Redman B. (2009, 2. Aufl.): Patientenedukation. Kurzlehrbuch für Pflege- und
Gesundheitsberufe. Huber Verlag. Bern
Panfil E. M., Schröder G. (2010, 2. Aufl.): Pflege von Menschen mit chronischen Wunden. Huber
Verlag. Bern
Protz K. (2011): Moderne Wundversorgung. 6. Auflage. Elsevier Verlag. München
Sailer M. (2007): Die Rolle der pflegerischen Patientenedukation in der Wundversorgung. Journal
of Wound Healing 2, 110-113
Weltgesundheitsorganisation (WHO): www.who.int
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