Die Reform des Unionsmarkensystems 2016 – Wesentliche

März 2016
Gewerblicher Rechtsschutz
Die Reform des Unionsmarkensystems 2016 – Wesentliche Änderungen der Gemeinschaftsmarkenverordnung im Überblick
von Dr. Thomas Nägele und Dr. Anke Fuchs
Nach langjährigen Verhandlungen wurde am
16. Dezember 2015 das Reformpaket für das
europäische Markenrecht verabschiedet. Einen Teil dieses Paketes bildet die so genannten
Unionsmarkenverordnung
(EU
2015/2424), die am 23. März 2016 in Kraft
getreten ist. Ziel der Unionsmarkenverordnung („UMV“) ist es zum einen, die bestehenden Regelungen im Markenrecht zu verbessern und zu modernisieren sowie die Koexistenz und Komplementarität der Markensysteme auf nationaler und EU-Ebene sicherzustellen. Zum anderen sollen die Verfahren künftig
einfacher und weniger bürokratisch werden.
Hierfür soll unter anderem eine Straffung und
Harmonisierung der Eintragungsverfahren
auch auf Ebene der Mitgliedstaaten sorgen
sowie eine erleichterte Zusammenarbeit zwischen den Markenämtern der Mitgliedsstaaten
und der EU-Agentur für Marken (bisher: Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt,
HABM).
Im Vergleich zu dem bisher gültigen Gemeinschaftsmarkenrecht von 1996 wird die UMV
erhebliche Veränderungen mit sich bringen.
Neben begrifflichen Änderungen – so wird das
bisherige HABM in Alicante künftig die Bezeichnung "Amt der Europäischen Union für
geistiges Eigentum (EUIPO)" tragen, die bisherige "Gemeinschaftsmarke" wird als "Unionsmarke" bezeichnet, aus der Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV) wird künftig
die Unionsmarkenverordnung – enthält die
Verordnung auch zahlreiche inhaltliche Neuerungen, die nachfolgend in einem kurzen
Überblick dargestellt werden.
I.
Erweiterung des Markenbegriffs
Zunächst stellt Art. 4 UMV klar, dass ab dem
1.Oktober 2017 das Erfordernis der grafischen
Darstellbarkeit der Marke entfällt. In Zukunft
wird es ausreichend sein, wenn das Zeichen
eindeutig bestimmbar ist, d.h. es im Register
derart dargestellt werden kann, dass die zuständigen Behörden und das Publikum den
Schutzgegenstand der Marke eindeutig bestimmen können. Folglich dürfen Marken dann
in jeder geeigneten Form unter Verwendung
allgemein zugänglicher Technologie dargestellt werden, soweit die Darstellung eindeutig,
präzise, in sich abgeschlossen, verständlich,
dauerhaft und objektiv ist. Hiermit soll den bekannten Problemen bei der Anmeldung nichtkonventioneller Marken wie etwa Hör- oder
Geruchsmarken begegnet werden.
Ferner wird es künftig mit der Unionsgewährleistungsmarke eine neue Markenart geben
(Art. 74 a ff. UMV), die dazu dient, die Waren
und Dienstleistungen, die der Inhaber der
Marke hinsichtlich der geografischen Herkunft,
des Materials, der Art und Weise der Herstellung der Waren oder der Erbringung von
Dienstleistungen, der Qualität, Genauigkeit
oder anderer Eigenschaften gewährleistet, von
solchen zu unterscheiden, für die keine solche
Gewährleistung besteht. Hierzu muss die Gewährleistungsmarke bereits bei der Anmeldung als solche bezeichnet werden. Zudem
muss innerhalb von zwei Monaten nach dem
Anmeldetag eine Satzung zu der Gewährleistungsmarke vorgelegt werden, die die Nut-
-2-
zung, die Gewährleistungsanforderungen sowie deren Überwachung regelt.
II.
Weitere materiell-rechtliche
rungen der Rechtslage
Ände-
Eine weitere wesentliche inhaltliche Änderung
stellt insbesondere die Erweiterung der absoluten Schutzhindernisse dar, die nunmehr gemäß Art. 7 Abs. 1 lit j, k UMV auf unionsrechtlich geschützte geographische Angaben, traditionelle Weinbezeichnungen und traditionelle
Lebensmittelspezialitäten erstreckt wurden.
Gleiches gilt für das Verbot der Durchfuhr von
Waren entgegen bestehendem Markenschutz
im Transitland (Art. 9 Abs. 4 UMV). Hintergrund der Transitregelung ist die Stärkung des
Markenschutzes sowie die Gewährleistung
eines effektiven Schutzes von Unternehmen
gegen Markenpiraterie. Hierzu erhält der Inhaber von Unionsmarken nun das Recht, die Einfuhr rechtsverletzender Waren und ihre Überführung in alle zollrechtlichen Situationen, einschließlich Durchfuhr, Umladung, Lagerung,
Freizonen, vorübergehender Verwahrung, aktiver Veredelung oder vorübergehender Verwendung, zu verhindern, und zwar auch dann,
wenn diese Waren nicht dazu bestimmt sind,
in der Union in Verkehr gebracht zu werden.
Darüber hinaus sieht die UMV auch Änderungen im Zusammenhang mit der Markenbenutzung vor. Während bei der Einrede der Nichtbenutzung für den Beginn der 5 Jahres-Frist
bisher der Tag der Veröffentlichung der Eintragung maßgeblich war, ist künftig für den
Fristbeginn auf den Anmelde- bzw. Prioritätstag abzustellen (Art. 42 Abs. 2 UMV). Hingegen reicht für eine Markenbenutzung zukünftig
auch die Benutzung der Marke in einer Form
aus, die von der Eintragung in einzelnen Bestandteilen abweicht, ohne dass hierdurch die
Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst
wird (Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2a UMV). Dies
gilt unabhängig davon, ob die Marke in der
benutzen Form auf den Namen des Inhabers
eingetragen ist.
Weitere inhaltliche Änderungen betreffen das
Verbot der Benutzung einer geschützten Marke als Handelsname (Art. 9 Abs. 3 lit.d UMV)
sowie die Begrenzung der Schutzschranke der
lauteren Benutzung auf Personennamen (Art.
12 Abs. 1 lit. a UMV).
III. Änderung der Gebührenstruktur und
Gebührenhöhe
Ferner bringt die UMV auch Änderungen der
Gebühren für Markenanmeldungen und sonstige Verfahren vor dem Amt mit sich, die sich
sowohl strukturell wie der Höhe nach niederschlagen.
Während Gemeinschaftsmarken bisher in bis
zu drei Klassen im Rahmen des E-Filing
(elektronische Anmeldung) für 900,00 € zzgl.
150,00 € für jede weitere Klasse angemeldet
werden können, wird ab Inkrafttreten der
Unionsmarkenverordnung allein für die erste
Klasse eine Gebühr von 850,00 € fällig, die
zweite Klasse kostet 50,00 € sowie jede weitere 150,00 €, was also Anmeldungen ab drei
Waren-/Dienstleistungsklassen künftig teurer
machen wird.
Im Gegenzug werden allerdings andere Gebühren verringert. Dies gilt etwa für die Verlängerungsgebühr, die derzeit im E-Filing
1.350,00 € zzgl. 400,00 € für jede weitere
Klasse ab der 4. Klasse beträgt und künftig
nur noch 850,00 € für die erste, 50,00 € für die
zweite und wiederum 150,00 € für jede weitere
Klasse. Ein Widerspruch kostet in Zukunft statt
350,00 € nur 320,00 €. Auch Anträge auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit werden günstiger – 630,00 € statt 700,00 €. Gleiches gilt für die Beschwerdegebühr, die von
800,00 € auf 720,00 € sinkt.
IV. Formale und verfahrensrechtliche Änderungen
Jenseits dieser materiell- und gebührenrechtlichen Gesichtspunkte bringt die UMV
auch bedeutende verfahrensrechtliche Änderungen mit sich.

Während die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke bisher nach Wahl des Anmelders beim HABM oder bei der Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz eines Mitgliedstaats oder beim
BENELUX-Amt für geistiges Eigentum
eingereicht werden konnte (Art. 25 Abs. 1
GMV), wird die Anmeldung der Unionsmarke künftig nur noch über das EUIPO
möglich sein, Art. 25 Abs. 1 UMV.

Eine wesentliche Änderung betrifft zudem
die mögliche Anpassung des Schutzbereichs von Marken, da gemäß Art. 28 UMV
-3-
Waren und Dienstleistungen in einer bestimmten Nizza Klasse künftig nur noch
dann durch Nennung der in den Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation
enthalten Oberbegriffe abgedeckt werden,
wenn die Ware oder Dienstleistung eindeutig von der wörtlichen Bedeutung des
Oberbegriffs umfasst wird. Bei der Verwendung aller Oberbegriffe einer Klasse
ist zudem künftig eine Klarstellung erforderlich, ob sich die Anmeldung auf alle
oder nur einige der in der Liste aufgeführten Waren und Dienstleistungen bezieht.
Im letzteren Fall ist eine Benennung der
betreffenden Waren und Dienstleistungen
erforderlich.
Zu beachten ist hierbei, dass diese Regelung rückwirkend gilt: Markeninhaber, die
ihre Gemeinschaftsmarke bereits vor dem
22. Juni 2012 angemeldet haben, müssen
gegebenenfalls gegenüber dem Amt erklären, in welchem Umfang Markenschutz
beansprucht wird, sofern sie keinen Verlust bzw. Einschränkung des Schutzumfangs ihrer Marken riskieren wollen. Die
Schonfrist hierfür besteht bis zum 24. September 2016. Marken, für die diese Erklärung ausbleibt, gelten ab diesem Stichtag
nur noch für die Waren und Dienstleistungen, die eindeutig von der wörtlichen Bedeutung der Überschriften erfasst sind.
V.
Ausblick/Stellungnahme
Die UMV ist, insbesondere was die abgestrebte Fortführung der Harmonisierung der nationalen Markenrechtssysteme und die Modernisierung der bestehenden Regelungen betrifft,
weitgehend gelungen. Dies gilt insbesondere
auch für das Ziel der Verbesserung des
Schutzes gegen die Durchfuhr von Plagiatsware. Gleichwohl besteht an vielen Punkten
auch noch weiterhin Optimierungs- und Regelungsbedarf, was insbesondere der Umstand
zeigt, dass auch die neue UMV keine Regelung zu den Sanktionen in Fällen von Markenverletzungen enthält. Maßgeblich bleibt daher
Art. 102 Abs. 2 UMV, der für Schadensersatz-,
Auskunfts-, und Vernichtungsansprüche – mit
den bekannten Folgeproblemen – auf das materielle Recht des Mitgliedstaates verweist, in
dem die Verletzungshandlung begangen wurde oder droht. Keine Regelung sieht die UMV
zudem für den Schutz notorisch bekannter
Marken gegen unberechtigte Benutzung vor
sowie zu einem umfassenden Schutz bei der
Benutzung von Marken zur Bezeichnung von
Unternehmen. Auch fehlen grundsätzliche Erwägungen zur Zweckbestimmung des Markenrechts, die als Auslegungshilfe und zur Förderung der Rechtssicherheit wünschenswert gewesen wären.
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