Dezember 2015 ADAC Wegweiser Mobilität Umweltaspekte, Fahrzeugdaten, Junge Fahrer, Mobilitätstrends, Luftrettung, Autotourismus Sehr geehrte Leserinnen und Leser, „Währung ist geronnenes Vertrauen“ – so umschreibt es jedenfalls der Politologe Dieter Freiburghaus in der F.A.Z. vom 14. Juli 2015. Der triviale Umkehrschluss: Ein Kurssturz am Aktien- oder Devisenmarkt muss als erhebliches Misstrauen gewertet werden. Zumindest bei VW scheint sich diese These im September 2015 bewahrheitet zu haben. Welche Auswirkungen ein solcher Vertrauensverlust auf die eigene Arbeit haben kann, das mussten auch der ADAC und seine Mitarbeiter vor knapp zwei Jahren schmerzhaft erfahren. Ein Beitrag der vorliegenden Ausgabe setzt sich mit hohen Abweichungen bei Abgastests auseinander und zeigt, wie sich durch transparente Tests Glaubwürdigkeit zurückgewinnen lässt. Viel Vertrauen verlangt uns auch die Welt des automatisierten Fahrens ab. Wer nimmt bei hohen Geschwindigkeiten schon gerne die Hände vom Lenkrad? Der Vertrauensvorschuss gilt aber nicht nur der Technik. Auch die Frage, welche Daten unser Auto sammelt und an wen sie weitergegeben werden, sollte uns zumindest nachdenklich stimmen. Zwei Beiträge behandeln das Thema aus technischer wie verkehrspolitischer Sicht. Wohin das Auto fährt, entscheidet aber immer noch der Fahrer. Auf Seite 9 lesen Sie, welche Ziele die ADAC Mitglieder bei ihrem diesjährigen Sommerurlaub mit dem Aus dem Inhalt Seite Stickoxidemissionen 3 Kooperative Systeme 5 Daten im Auto 7 Junge Fahrer 9 eigenen Auto angesteuert haben. Weniger ein Problem mangelnden Vertrauens als vielmehr eine Herausforderung aufgrund überbordenden Selbstvertrauens zeigt sich bei vielen jungen Fahrern. Im Interview erklärt Ulrich Chiellino, Leiter Interessenvertretung Verkehr beim ADAC, warum gerade Fahrer im Alter zwischen 18 und 24 im Verkehr besonders gefährdet sind. Außerdem setzt sich die vorliegende Ausgabe mit der Beziehung junger Menschen zum Auto an sich auseinander: Besitzen oder Teilen – das ist die Frage, die sich viele Junge heute stellen. Wie tickt die Besitzen statt Teilen 11 junge Generation, wenn es um das eigene Fahrzeug geht? Drohnen und Luftrettung 13 Vom Asphalt geht es auf Seite 13 über die Wolken. Allerdings ist die grenzenlose Freiheit Autourlaub 2015 15 hier längst Illusion: Immer mehr Drohnen erobern den Luftraum und werden zunehmend zum Sicherheitsrisiko, insbesondere für tieffliegende Rettungshubschrauber. Die ADAC Luftrettung richtet einen Appell an die Politik. Eines bleibt sicher: Wer Vertrauen hat, erlebt jeden Tag Wunder. Dr.- Ing. Andrea David, Leiterin Ressort Verkehr Impressum: Herausgeber: Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V., Ressort Verkehr Hansastraße 19, 80686 München Internet: www.adac.de/ratgeber-verkehr Blog: forummobilitaet.wordpress.com Kontakt: verkehr @adac.de Vertrieb: Der ADAC Wegweiser Mobilität kann mit Angabe der Artikelnummer 2830671 direkt beim ADAC e.V., Ressort Verkehr, Hansastraße 19, 80686 München, Fax (0 89) 76 76 45 67, E-Mail: [email protected] bezogen werden. Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des ADAC e.V. © 2015 ADAC e.V., München 2 ADAC Wegweiser Mobilität | Dezember 2015 5,8 Mio. Umweltaspekte | Fahrzeugdaten | Junge Fahrer | Mobilitätstrends | Luftrettung | Autotourismus Stickoxidemissionen: Hohe Abweichungen bei Abgastests Bestand an Diesel-Pkw nach Emissionsklassen am 1. Januar 2015 Diesel-Pkw sind in Deutschland wegen ihres niedrigen Verbrauchs und des günstigen Kraftstoffs sehr beliebt. Ihre hohen Stickoxidemissionen sind jedoch eine Herausforderung. Der ADAC spricht sich gegenüber den Herstellern für den Einsatz wirksamer Abgasminderung über alle Betriebszustände aus und erwartet vom Gesetzgeber eine Zulassungsprüfung, die realitätsnahe Fahrmuster nachbildet. Die EU gibt strenge Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid vor. Diese werden jedoch an 4,0 Mio. vielen innerstädtischen Messstellen überschritten. Die Folge: Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland stehen zur Diskussion. Das Problem hat zwei Dimensionen: Zum einen sind die derzeitigen Grenzwertüberschreitungen problematisch, zum anderen erweist sich das bestehende Instrumentarium zur Verbesserung der Luftqualität als wirkungsschwach. Die Umweltzonenregelung ist inzwischen ausgereizt und selbst eine mögliche Verschärfung mit einer neuen Plakette für Euro-6-Diesel wird das Problem kaum lösen können: Obwohl viele neue Diesel-Pkw die strengen Normen mit niedrigen Grenzwerten im Typgenehmigungszyklus erfüllen, stoßen sie im realen Fahrbetrieb sehr viel mehr Stickoxid aus – die Immissionsbelastung sinkt kaum. Die Abweichung zwischen den Abgasemissionen im realen Betrieb und den Typprüf werten ist ein herstellerübergreifendes Problem. Die realitätsnahen Messungen des ADAC EcoTest, die seit 2003 jährlich an etwa 150 Fahrzeugen durchgeführt werden, zeigen, dass vor allem die Stickoxidemissionen (NOx) außerhalb des Prüfzyklus deutlich über dem Typgenehmigungsgrenzwert liegen. Saubere Fahrzeuge sind – auch das zeigen die 2,3 Mio. Messungen – durchaus möglich. So können moderne Abgasreinigungsverfahren wie die SCR-Technologie, bei der die Harnstofflösung AdBlue in den Abgasstrang eingespritzt wird, bei optimaler Auslegung den NOx-Ausstoß auch im realen Betrieb wirksam verringern. 0,4 Mio. 0,4 Mio. Demnächst werden neue Abgasprüfverfahren eingeführt: ein realistischer Prüfzyklus niedriger Übereinstimmungsfaktor (Conformity Factor CF, zulässige Abweichung der realen 0,1 Mio. Wert von max. 1,5, d.h. es wäre allenfalls ein Anstieg der realen Emissionen von 50 Pro- UR 5 E E E E Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt UR 4 UR 6 O UR 3 O UR 2 O E zent gegenüber dem Prüfstandsgrenzwert akzeptabel. O O E nach Einschätzung des ADAC schnellstmöglich erfolgen. Wichtig ist, dass für RDE ein Emissionen zum Prüfstandsgrenzwert) festgelegt wird. Analog zu Lkw empfiehlt sich ein O UR 1 (WLTP) und direkte Messungen der Emissionen bei Fahrt auf der Straße (RDE). Dies sollte Ansprechpartner: [email protected] 3 ADAC Wegweiser Mobilität | Dezember 2015 Umweltaspekte | Fahrzeugdaten | Junge Fahrer | Mobilitätstrends | Luftrettung | Autotourismus Ermöglichen kooperative Fahrzeuge die totale Überwachung? Neben der Automatisierung der Fahraufgabe soll vor allem die umfassende Vernetzung der Fahrzeuge den Verkehrsablauf verbessern und die Verkehrssicherheit erhöhen. Dazu werden permanent und mit hoher Frequenz fahrzeug- und damit auch personenbezogene Ortskoordinaten und Zustandsdaten ausgetauscht und verarbeitet. Aus datenschutzrechtlicher Perspektive ein Risiko? Straftaten im Bereich der Cyberkriminalität 2014 Cybercrime (gesamt) 49.925 Computerbetrug 22.308 Ausspähen/Abfangen von Daten 11.887 Intelligente, kooperative Fahrzeuge sollen den Fahrer in bestimmten Situationen informieren oder vor potenziellen Konflikten mit anderen Verkehrsteilnehmern warnen. Langfristig sollen sie selbständig die Fahrtrichtung korrigieren oder bremsen. Dazu ist es erforderlich, dass die Fahrzeuge bis zu zehnmal in der Sekunde ihre aktuelle Position, Fahrtrichtung, Geschwindigkeit und weitere besondere Merkmale austauschen. Das Interesse der Strafverfolgungsbehörden an derartigen Daten zeigt sich am deutschen Lkw-Mautsystem. Bereits das schlichte Speichern solcher Informationen könnte ein potenzielles Risiko darstellen. Denn Interessenten gäbe es genug. Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich darauf verlassen können, dass die empfangenen Nachrichten integer und authentisch sind, also von echten Fahrzeugen stammen, die sich zu der angegebenen Zeit am angegebenen Ort befinden. Die Anforderungen an Datensicherheit und -schutz sind entsprechend hoch. Befristete Zertifikate sollen ausschließen, dass Unberechtigte gefälschte Nachrichten verschicken. Pseudonyme wiederum sollen verhindern, dass Bewegungsprofile gebildet oder das Fahrverhalten ausgewertet werden kann. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass heute von keinem Service-Provider Fälschung beweiserheblicher Daten, Täuschung im Rechts verkehr bei Datenverarbeitung 8.009 Datenveränderung, Computersabotage absolute Datensicherheit gewährleistet werden kann. In Brüssel berät gegenwärtig ein Expertengremium die EU-Kommission, wie die Einführung kooperativer Verkehrssysteme beschleunigt werden könnte. Eine allgemeine Ausrüstungsvorschrift steht dabei zur Option. Der einzelne Verkehrsteilnehmer könnte dann 5.667 nicht mehr selbst entscheiden, ob er dieses Sicherheitssystem nutzen möchte oder Betrug mit Zugangsberechtigungen zu Kommunikationsdiensten nicht. Der Gesetzgeber sollte daher besonders sorgsam zwischen der möglichen 2.054 Quelle: Bundeskriminalamt: Cybercrime Bundeslagebild 2014 Schutzwirkung und dem Risiko potenzieller Eingriffe in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung abwägen. Ansprechpartner: [email protected] 5 ADAC Wegweiser Mobilität | Dezember 2015 Umweltaspekte | Fahrzeugdaten | Junge Fahrer | Mobilitätstrends | Luftrettung | Autotourismus Datensammler auf dem Asphalt? Nicht ohne Regeln! Dass Autos Daten sammeln, verarbeiten und verschicken, ist bereits bei vielen Modellen selbstverständlich. Für die Verbraucher kann dies Vorteile bringen. Demgegenüber stehen jedoch Risiken, die die TechnologieOffensive im Fahrzeug mit sich bringt. ADAC Schichtmodell für elektronische Steuergeräte im Auto Für den ADAC gelten fünf Prämissen: Transparenz, Datensparsamkeit und Zweckbindung, Wer kann welche Schichten auslesen? Verbraucher erfahren können, welche Daten im Fahrzeug erhoben, übertragen, gespeichert Wahlfreiheit und Datensicherheit. Unter Transparenz ist der Anspruch zu verstehen, dass und empfangen werden. Dies gilt auch für Daten von primär technischer Natur, die über die Fahrzeug-Identifikationsnummer dem Halter oder Fahrer zugeordnet werden können. Es handelt sich somit um personenbezogene Daten, die ohne ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen nicht von Dritten ausgelesen und genutzt werden dürfen. So verlangt es das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Neben den unmittelbar für den Betrieb des Fahrzeugs erforderlichen Daten werden auch Informationen gesammelt, aus denen auf den Fahrstil und die Nutzung rückgeschlossen werden kann. Der ADAC empfiehlt drin- OBD-Standard (nur abgasrelevante Infos; herstellerübergreifende Codes) freie Mehrmarken-Diagnose-Geräte (mehr Steuergeräte erreichbar, Konfigurieren möglich – Zahl der Marken und Modelle abhängig vom Diagnosegerät-Hersteller) Diagnose-Geräte in HerstellerWerkstätten (mit Online-Funktionen – etwa für Steuergeräte-Tausch mit Diebstahlschutz oder SchlüsselNachbestellung) Hersteller-Entwicklungsabteilung (u.a. mit Speichern für gewisse Ereignisse, z.B. Umgebungsbedingungen bei Airbag-Auslösung) Zulieferer (z.B. um Beweise für unsachgemäßen Einsatz des Steuergerätes durch den Hersteller zu liefern) gend, die Hersteller zu verpflichten, für jedes Modell eine kostenlos einsehbare Auflistung aller im Fahrzeug erhobenen, verarbeiteten und genutzten Daten öffentlich anzubieten. Eine neutrale Stelle sollte dabei die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen überprüfen können. Ein weiterer Grundsatz des ADAC: Nicht alles, was erhoben werden kann, wird auch benötigt! Deshalb sollten bereits bei der Entwicklung der Anwendungen die Gebote der Datensparsamkeit und der Zweckbindung zwingend beachtet werden. Gleichzeitig setzt sich der ADAC dafür ein, dass der Nutzer die Wahlfreiheit besitzt, ob und wem er seine personenbezogenen Daten zugänglich machen möchte – ausgenommen davon ist die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Datenverwendung (vgl. eCall). Zudem sollte die Datenverarbeitung und -weiterleitung unkompliziert abgeschaltet werden können. Der Fahrer muss die Option haben, erfasste Daten durch drahtlose Kommunikation für sich selbst zu erhalten oder an Dritte seiner Wahl weiterzugeben. Für den ADAC ist hierzu ein offener, standardisierter und diskriminierungsfreier Zugang zum Fahrzeug unerlässlich. Quelle: ADAC e.V. Eine Selbstverständlichkeit sollte die Datensicherheit sein: So muss die Datenverarbeitung im Auto zeitgemäß gegen Manipulation und illegale Zugriffe geschützt werden. Dieser Schutz ist von neutraler Stelle zu bestätigen, etwa per Common-Criteria-Zertifizierung. Ansprechpartner: [email protected] 7 ADAC Wegweiser Mobilität | Dezember 2015 Umweltaspekte | Fahrzeugdaten | Junge Fahrer | Mobilitätstrends | Luftrettung | Autotourismus „Weniger Perfektion, mehr Risikobewusstsein!“ Interview mit Ulrich Chiellino, neuer Leiter des Bereichs Interessenvertretung Verkehr beim ADAC e.V. über Verkehrssicherheit, junge Fahranfänger und die Unterschiede beim Rad- und Autofahren. Frage: Herr Chiellino, seit April 2015 leiten Sie den Bereich Interessenvertretung Verkehr beim ADAC e.V. Zu den wichtigsten Aufgaben der Abteilung zählt die Verbesserung der Verkehrssicherheit: Welche drei Themen stehen bei Ihnen ganz oben auf der Agenda? UC: In der Tat, Verkehrssicherheit zählt zu den Kernkompetenzen meiner Abteilung wie auch Tödlich verunglückte 18- bis 24-Jährige nach Art der Verkehrsteilnahme und Geschlecht 2014 236 der Name ADAC ganz grundsätzlich für Verkehrssicherheit steht. Den Fokus sehe ich im kommenden Jahr insbesondere auf den Themen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr, den Risiken für schwächere Verkehrsteilnehmer sowie einer Reform der Fahranfängerausbildung. 84 Frage: Welches dieser Themen sticht aufgrund seiner Relevanz dabei besonders hervor? Pkw UC: Das lässt sich nicht eindeutig beantworten. Die Themen hängen vielmehr miteinander 93|5 zusammen. Geht man von der Anzahl der Getöteten aus, dann stellt aber sicherlich Motorräder die Gruppe der jungen Kraftfahrer die größte Herausforderung dar. Jeder fünfte Unfall mit Personenschaden wird durch einen jungen Fahranfänger verursacht. 33|9 Fußgänger Frage: Hat das Begleitete Fahren mit 17 (BF17) also versagt? UC: Auf keinen Fall! BF17 senkt nachweislich das Risiko bei Fahranfängern. Es ermöglicht 12|3 ihnen, nach Erhalt der Prüfbescheinigung zusätzliche Fahrpraxis zu erwerben. Leider wird Fahrräder dieses gute Angebot noch zu wenig genutzt – derzeit nur von etwa jedem zweiten Fahran- 1|1 fänger. Alleine kann BF17 die Probleme aber offensichtlich nicht lösen. Insofern müssen wir Mofa/Moped uns Gedanken machen, was im Prozess der Fahranfängerausbildung verändert werden kann. 18|1 Sonstige Quelle: Statistisches Bundesamt Männlich Weiblich Frage: Was empfiehlt denn der ADAC? UC: Sie können sich das vereinfacht so vorstellen: Als wir in der Jugend gelernt haben, Fahrrad zu fahren, mussten wir recht schnell feststellen, dass risikoreiches Fahren sehr schmerzhaft sein kann. Beim Autofahren ist die Situation teilweise vergleichbar: Die Lernkurve geht in der ersten Zeit hinter dem Steuer steil nach oben: Schalten, Kuppeln, Überholen und Bremsen. Das Selbstbewusstsein steigt parallel zur Lernkurve, bei vielen – insbesondere bei jungen Männern – wird es zur Selbstüberschätzung. Das Problem: Fehler passieren! Auf dem Fahrrad führt das zu aufgeschürften Knien, im Auto kann es sehr schnell tödlich enden. Was wir also brauchen, sind erzieherische Maßnahmen, die weniger eine Perfektionierung von Fahrfähigkeiten verfolgen, als vielmehr Defizite offenlegen und die Fahrer gedanklich einbremsen. Dann könnte sich bei den Fahranfängern auch ein besseres Risikobewusstsein einstellen. 9 ADAC Wegweiser Mobilität | Dezember 2015 Umweltaspekte | Fahrzeugdaten | Junge Fahrer | Mobilitätstrends | Luftrettung | Autotourismus Besitzen statt Teilen? Was uns neue Studien lehren. Seit einigen Jahren kaufen junge Erwachsene – vor allem in Großstädten – immer später ein eigenes Auto. Eine Abkehr vom Auto? Eher nicht, dafür wohl mehr ein neuer Pragmatismus bei der Verkehrsmittelwahl und eine neue Lust am Teilen. Ein Beispiel für das Prinzip „Teilen statt Besitzen“ ist Carsharing. Aber welche Auswirkungen hat dies auf Verkehr und Umwelt? Im Januar 2015 präsentierten TÜV Rheinland und BBE Automotive die Studie „CarSharing Prognose für das Jahr 2020 26.000 Carsharing-Fahrzeuge versus 45.000.000 private Pkw Quelle: TÜV Rheinland und BBE Automotive, „CarSharing in Deutschland – Modeerscheinung oder Herausforderung für die Branche?“ in Deutschland – Modeerscheinung oder Herausforderung für die Branche?“. Die Autoren kommen darin zu dem Schluss, dass sich der Carsharing-Markt unter derzeitigen Bedingungen bis 2020 auf zwei Millionen Kunden verdoppeln wird. Bis dahin sollen 26.000 Carsharing-Fahrzeuge unterwegs sein, ein sehr kleiner Teil gegenüber den prognostizierten 45 Millionen Pkw. Eine weitere Studie, „Urbane Mobilität im Umbruch“, publizierte die Beratung Civity 2014. Im Mittelpunkt stand die Bewertung ökonomischer und verkehrlicher Relevanz des stationsfreien Carsharing. Am Beispiel Berlin wurde deutlich, dass dieses lediglich einen Anteil von 0,1 Prozent am Modal Split hat. Zudem wird es in hohem Maße für kurze Distanzen genutzt, also für Strecken, die auch mit ÖPNV oder Fahrrad zurückgelegt werden können. Die Autoren bezeichnen das stationsfreie Carsharing deshalb als „motorisierte Bequemlichkeitsmobilität im Nahbereich“. Keine verkehrliche Relevanz von Carsharing Anteil am Modal Split (Berlin) 0,1 1 % Taxi 13 % 26 % Fahrrad ÖNV % Free-Floating Carsharing Im Oktober 2014 hat das Allianz Zentrum für Technik die Studie „Jung und urban“ ver öffentlicht. Eine Online-Befragung von 1.200 Personen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren ergab, dass 89 Prozent der jungen Erwachsenen einen Führerschein besitzen, wovon nahezu alle auf einen Pkw zugreifen können. Von allen befragten jungen Führerscheininhabern, die derzeit noch kein eigenes Auto besitzen, wollen nur drei Prozent zukünftig kein eigenes Auto haben. Bei 94 Prozent der Befragten steht das Auto nach eigenen Angaben hoch im Kurs, lediglich sechs Prozent der jungen Leute halten es für unzeitgemäß. Ein 32 % Fazit der Studie: Führerschein- und Autobesitz hängen stark von ökonomischen Faktoren ab. Pkw 29 % zu Fuß Damit wird auch die These vom jungen Erwachsenen als „Autoverweigerer“ widerlegt: Nicht ein gestiegenes Umweltbewusstsein oder gar ein Wertewandel („Nutzen statt Besitzen“) sind es, die den Verzicht auf den Pkw überwiegend erklären, sondern ökonomische Quelle: Civity, „Urbane Mobilität im Umbruch“ und lebensbiografische Gründe. 11 Bis ins Jahr 2035 schauen die Forscher des ifmo Instituts. In den Szenarien „Die Zukunft der Mobilität“ wird dem Auto auch in Zukunft eine zentrale Rolle attestiert, wenngleich die Bevölkerung multimodaler wird. Car- und Bikesharing sollen zusammen mit dem Car pooling und diversen ÖPNV-Spielarten eine flexiblere, spontanere und situativere Mobilität ermöglichen. Das eigene Auto wird den Autoren nach im Jahr 2035 häufiger stehen gelassen – aber nur selten abgeschafft. Der ADAC sieht in Carsharing einen sinnvollen Baustein eines stadtverträglichen Verkehrs. Es ergänzt den ÖPNV und dient – insbesondere beim „Carsharing 2.0“ – als Schaufenster für E-Mobilität. Allerdings sollten die Effekte auf Verkehr und Umwelt aufgrund des geringen Anteils am Wegeaufkommen nicht überbewertet werden. Ansprechpartner: [email protected] 12 ADAC Wegweiser Mobilität | Dezember 2015 Umweltaspekte | Fahrzeugdaten | Junge Fahrer | Mobilitätstrends | Luftrettung | Autotourismus Drohnen versus Rettungshubschrauber: Neue Regeln für den Luftraum? Ob Paketdienst oder Hobbyfotograf: Unbemannte Flugobjekte erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Doch was Spaß macht und Effizienzsteigerungen für die Wirtschaft bedeutet, birgt auch erhebliche Risiken. Auf EU-Ebene wurde vereinbart, bestehende nationale Regelungen durch eine einheitliche Direktive zum Umgang mit Drohnen abzulösen. Die EASA hat ihren Entwurf vorgelegt. Erwartete globale Wachstumsrate im UAV-Markt pro Jahr bis 2020: 32 % Quelle: Research und Markets: UAV Drones Market Wird der Rettungshubschrauber bestellt, muss es schnell gehen. Doch wo den Rettern am Boden Blaulicht und Martinshorn den Weg frei machen, fliegt der Heli auf Sicht. Bisher war dies kein Problem. Jedoch wird die rasant steigende Zahl von unbemannten Flug objekten (UAV, ugs. Drohnen) zu einer Herausforderung. Günstige Drohnen können bereits mehrere 100 Meter aufsteigen. Gleichzeitig verursachen schon kleine, schwer erkennbare Geräte bei einer Kollision große Schäden. Neue Regeln sind daher für ein sicheres Mit einander im Luftraum nötig. Die EASA hat einen Vorschlag veröffentlicht, der die Regeln für den Drohneneinsatz neu festlegen soll. Der Entwurf weist inhaltlich in vielen Punkten in die richtige Richtung, beispielsweise durch die Ausweichpflicht gegenüber der bemannten Luftfahrt. Auch die Einrichtung von Flugverbotszonen für Drohnen scheint sinnvoll, jedoch sollten im ersten Schritt Drohnenaktivitäten nur in speziell ausgewiesenen Bereichen erlaubt sein. Weiterhin empfiehlt die ADAC Luftrettung dringend, den Betrieb von Drohnen ausschließlich in Sichtweite zu erlauben, solange keine zugelassenen „Sense-and-Avoid“-Systeme vorhanden sind. Zudem sollte die Ausstattung aller Drohnen mit Anti-Kollisionslichtern und einer Identifikationsmöglichkeit des Halters am Gerät verpflichtend sein. Auch die Limitierung des Gewichts 52.500 47.000 Mehr als Einsätze mit über versorgten Patienten pro Jahr an 37 Stationen Quelle: ADAC auf zehn Kilogramm und eine technisch begrenzte Maximalflughöhe für private Drohnen würden das Risiko für Hubschrauber reduzieren. Damit insbesondere Privatpersonen grundlegende Kenntnisse des Luftrechts erlangen, sollten die Geräte einen Beipackzettel mit notwendigen Informationen enthalten – vor allem den Hinweis auf die Versicherungspflicht. Mithilfe eines offiziellen behördlichen Online-Tests könnten die Grundkenntnisse abgefragt werden. Der Einsatz von Drohnen soll nicht verhindert werden. Im Gegenteil: Kluge Regelungen ermöglichen ihre sichere Integration in den Luftraum. Voraussetzung dafür bleibt ein sicherer Betrieb der bemannten Luftfahrt. Ansprechpartner: [email protected] 13 ADAC Wegweiser Mobilität | Dezember 2015 Umweltaspekte | Fahrzeugdaten | Junge Fahrer | Mobilitätstrends | Luftrettung | Autotourismus Autourlaub 2015: Gewinner und Verlierer stehen fest. Autoreisen 2015: Die beliebtesten Urlaubsländer der ADAC Mitglieder 1,18 Mio. ausgewertete Routen der Pkw-Fahrer im Zeitraum von Mai bis September 2015 j Deutschland 33,4 % 18 % c Italien Kroatien 8,2 % j 8,8 % c Türkei Österreich 6,8 % j Das beliebteste Urlaubsland der ADAC Mitglieder im Reisesommer 2015 ist Deutschland, die beliebteste Urlaubsregion heißt Istrien. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Auswertung von 1,18 Millionen Routen planungen, die bis Ende September 2015 in ADAC Geschäftsstellen und Regionalclubs für Mitglieder erstellt wurden. Wie in den vergangenen Jahren steht Deutschland bei der Auswertung der Routenplanungen nach Ländern mit einem Anteil von 33,4 Prozent wieder ganz oben. Mit einem Zuwachs von 0,5 Prozent zählt es auch eindeutig zu den Gewinnern dieses Autoreisesommers. Um 0,9 Prozent verloren hat hingegen Italien, das mit 18 Prozent unverändert den zweiten Platz belegt. Einen leichten Rückgang im Mitgliederinteresse (- 0,3 Prozent) musste die Türkei hinnehmen, Kroatien erzielte ein leichtes Plus von 0,3 Prozent. Beide Länder Quelle: ADAC e.V. liegen in der Beliebtheit weiter auf Platz 3 und 4, ebenso wie Österreich, das auf Rang 5 seinen Anteil geringfügig um 0,1 Prozent steigern konnte. Zu den Top Ten der beliebtesten Autoreiseländer der ADAC Mitglieder zählen auch noch Frankreich (6. Platz), Spanien (7), die Schweiz (8), die Niederlande (9) und Polen (10). Bei den Urlaubsregionen belegen südliche Gefilde wie schon im Vorjahr wieder die drei ersten Plätze. Istrien gewinnt 0,3 Prozent dazu, der Gardasee 0,1 Prozent, Südtirol auf Autoreisen 2015: Die beliebtesten Urlaubsregionen der ADAC Mitglieder Platz 3 hält seinen Anteil. Als beste deutsche Region behauptet sich das Südliche Ober- 886.000 ausgewertete Routen der Pkw-Fahrer im Zeitraum von Mai bis September 2015 Tirol. Die Plätze 8 bis 10 gehören Schleswig-Holstein, Ostsee/Mecklenburg-Vorpommern Istrien 7,4 % j Gardasee 4,9 % j Südtirol 4,6 % k bayern/Allgäu auf dem 4. Platz. Dahinter folgen mit minimalen Zugewinnen oder Verlusten die Dalmatinische Küste auf Platz 5 sowie – gleich auf auf Rang 6 – Venetien/Friaul und und der Westtürkei. Auch hier gab es in der Reihenfolge keine Veränderungen. Ausgewertet für die Zusammenstellung wurden nur Routenanfragen, die im direkten Mitgliederkontakt und mit einer konkreten Reiseabsicht in den ADAC Vertriebsstellen entstanden sind. In die Auswertung flossen nur Routen ein, deren Reisedatum zwischen Mai und Südl. Ober-gäu 4,4 % j bayern/All Dalmatinische 3,4 % j Küste September 2015 lag. Ansprechpartner: [email protected] Quelle: ADAC e.V. 15 2830671/12.15/2’ Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V. (ADAC) Hansastraße 19 80686 München
© Copyright 2025 ExpyDoc