CHEFSACHE Die Orthopädietechnik erfordert gut ausgebildetes Fachpersonal mit großem Einfühlungsvermögen. (Fotos: Salitaris) Kompetenz und Vertrauen Kritische Erfolgsfaktoren im Sanitätshaus (Teil 5): Erfolgsfaktoren Orthopädietechnik. Von Rainer Volkmer Die Orthopädietechnik (OT) ist für viele Sanitätshausunternehmen ein originärer und bedeutender Geschäftsbereich. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der Benennung vieler Unternehmen, die dieses Attribut in ihrer Firmierung führen. Geprägt durch die handwerkliche Kunst, das ausgeprägte Fachwissen und die Notwendigkeit steter Weiterentwicklung fordert die OT zusätzlich zum besonderen Gespür für den Kunden ebenso hohe Kompetenz im Umgang mit vielen Werk10 GESUNDHEITSPROFI 06/2015 stoffen und Technologien. Der Orthopädietechniker meistert die Schnittstelle zwischen moderner Technik und hilfsbedürftigem Menschen. Zudem wird die intersektorale Zusammenarbeit immer wichtiger: Orthopädietechniker beraten mit Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften über die Versorgungen. Vorteil: Dieser Mix an Anforderungen bringt hohe Markteintrittsbarrieren mit sich. Neue Marktteilnehmer aus anderen Branchen können kaum „mal eben neu einsteigen“. Je nach strategischer Ausrichtung und der Wettbewerbssituation vor Ort sind die Bereiche „vorkonfektionierte Handelswaren“ und „handwerkliche Leistung“ unterschiedlich ausgeprägt: Während die Handelswaren in fast jedem Sanitätshaus zum Standardportfolio gehören, konzentriert sich die individuell gefertigte Orthetik und Prothetik in immer weniger Häusern: Konzentrationsprozesse führen zur Bildung von Kompetenzzentren, die solche Versorgungen regelmäßig, in größerer Zahl und hoher Qualität ausführen. CHEFSACHE Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit ist die OT bei richtiger Organisation und Führung ein attraktiver Geschäftsbereich. So gibt es in der Regel kaum Ausschreibungen, und die Kunden fühlen sich „ihrem Sanitätshaus“ eng verbunden. Andererseits aber ist der Fachkräftemangel in besonderem Ausmaß spürbar. Grund genug, die Erfolgsfaktoren in der OT genau zu analysieren: Denn wenn man weiß, worauf es ankommt, können die Ressourcen optimal eingesetzt werden, um zukünftig zu den Gewinnern auf diesem Geschäftsfeld zu gehören. Wichtig zu wissen: Neben den Erkenntnissen aus 25 Jahren Beratungsarbeit in Sanitätshäusern floss der wertvolle Input der Salitaris-Netzwerkpartner in die Erarbeitung der Erfolgsfaktoren ein. Erfolgsfaktoren in der OT Je nach Stellenwert von Handelsware oder handwerkliche Leistung haben die einzelnen Erfolgsfaktoren unterschiedliche Bedeutung für die einzelnen Betriebe. ■ Die richtigen Mitarbeiter Die Orthopädietechnik erfordert gut ausgebildetes Fachpersonal mit einem großen Maß an Einfühlungsvermögen, hohem Engagement und der Bereitschaft sich stetig weiterzubilden: Der Beruf verbindet technisches Interesse und handwerkliches Geschick mit biomechanischem Know-how und Einfühlungsvermögen. Der Fachkräftemangel ist hier bereits deutlich spürbar. Die Bundesagentur für Arbeit hat den Orthopädietechniker sogar zum Mangelberuf erhoben. Dementsprechend wird es zunehmend schwieriger, den „richtigen Mitarbeiter“ zu finden. Diese Situation verschärft sich weiter: 2013 schlossen nur 222 neue Gesellen ab – während es 2003 noch knapp 400 waren! Auch bei den Meistern waren es 2013 nur 111 Abschlüsse, während Schätzungen zufolge circa 75 Meister in die Rente gingen – und dabei ein enormes Erfahrungswissen mit sich nehmen. Hieraus ergeben sich wichtige Anforderungen, denen sich jedes Unternehmen stellen muss, wenn es RAINER VOLKMER Rainer Volkmer ist Gründer und Inhaber von Volkmer Management in Nürnberg und seit 25 Jahren als Berater im Hilfsmittelmarkt aktiv. Zudem ist er Autor verschiedener Fachartikel, in die er seine Expertise in den Bereichen Unternehmens- und Mitarbeiterführung sowie Marktbearbeitung einbringt. E-Mail: [email protected] - Die niedergelassenen Ärzte, die aktiv eine hohe Anzahl von Verordnungen für orthopädietechnische Versorgungen generieren. - Auch die Therapeuten dürfen nicht vernachlässigt werden. Insgesamt bietet das Produktportfolio vielfältige Anknüpfungspunkte zu Mittlern und Verordnern – von der Versorgung aktueller Volkskrankheiten wie Rückenleiden, Schlaganfall und Diabetes, die ein Engagement in „indikationsbezogenen Netzwerken“ interessant werden lassen, bis hin zu den traumatischen Verletzungen. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit entstehen stabile und abgestimmte Versorgungswege mit hohem Nutzen für die Patienten bzw. Anwender. in der Orthopädietechnik weiterhin erfolgreich sein will: ■D ie Ausbildung im eigenen Betrieb und die Bindung der „fertigen Gesellen“ verstärken – sich also den eigenen Nachwuchs heranziehen ■ Fokus auf die Wichtigkeit einer gezielten Gewinnung qualifizierter „A-Mitarbeiter“ mit den geeigneten, zeitgemäßen Maßnahmen und Wegen ■ Die Bindung der vorhandenen Leistungsträger nicht vernachlässigen ■ Insbesondere: Angebote und Förderung der Weiterbildung der wichtigen Mitarbeiter ■ Stabile Kundenbindungen Im Bereich der vorkonfektionierten Handelsware gibt es häufiger auch Einmalversorgungen, die der Kunde nach Beendigung seiner Therapie nicht mehr benötigt. In der technischen Orthopädie begleiten die Betriebe ihre Kunden im Normalfall während deren gesamten weiteren Lebenswegs. Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Anwender und „seinem Techniker“ ist die Voraussetzung zur Erreichung der Therapieziele und im Sinne der Qualitätssicherung (auch gemäß der Regelungen des Medizinproduktegesetzes). Ihre Pflege beinhaltet den regelmäßigen Kontakt über Terminerinnerungen und Zufriedenheitsabfragen sowie das „zur Verfügung stehen“ bei Fragen und Problemen, z.B. für Anpassungen und Reparaturen. Erlebter Service, die enge Bindung und eine hohe Zufriedenheit führen zu Stammkunden und gewährleisten den Versorgungserfolg. ■ Die Anzahl der aktiven Mittler Für die OT sind stabile und vertrauensvolle Bindungen zu relevanten Mittlern unerlässlich. Dies sind vor allem: - Kliniken, insbesondere die Fachbereiche Chirurgie und Orthopädie. Die aktive Beteiligung und Kooperation beim Entlassmanagement der Kliniken wird mehr und mehr zukunftsweisend. ■ Vertrauensvolle, aktive Zusammenarbeit mit dem Kostenträger Der Kostenträger sollte als wichtigster Kunde angesehen und auch so behandelt werden. Damit die Versorgungen zur Zufriedenheit aller Beteiligten erfolgen können, ist ein partnerschaftliches Zusammenarbeiten mit den Kostenträgern enorm wichtig. Umso mehr, als sich Kostenträger an den stei06/2015 GESUNDHEITSPROFI 11 CHEFSACHE Das Eintakten und Steuern der Versorgungen beeinflusst deren Wirtschaftlichkeit in großem Ausmaß. genden Anspruch der immer besser informierten und eigenverantwortlicheren Patienten gewöhnen müssen. Eine tragfähige Vertrauensbasis basiert auf: - einem kontinuierlichen, glaubwürdigen Beziehungsmanagement - e rlebtem integren Verhalten und positiven Erfahrungen -D arstellung der Kompetenz und der Versorgungsphilosophie. Dazu gehören nachvollziehbare Begründungen der Kostenvoranschläge insbesondere hinsichtlich der Mobilitätsgrade. Ziel ist es, dass der Kostenträger weiß: „Wenn die das so vorschlagen, dann ist es auch in Ordnung“. ■ Aktuelle Kompetenz Um sich authentisch bei allen Zielgruppen – von den Mittlern über die Kostenträger bis hin zu den Anwendern – als hochkompetenter Versorger positionieren zu können, ist es unerlässlich, stets „up to date“ zu sein über neue Technologien, Materialien und Fertigungstechniken. Nur so können alle Versorgungsoptionen angeboten und die am besten geeignete ausgewählt werden. Dafür benötigt man die erforderlichen Zertifikate der Hersteller – ausreichend 12 GESUNDHEITSPROFI 06/2015 verteilt auf mehrere Mitarbeiter, um nicht zu sehr abhängig zu sein. Ebenso ist eine ausreichende „Fallzahl“ erforderlich, um die Kompetenz beibehalten und weiterentwickeln zu können. ■ Straffe Fertigungsprozesse Hohen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der OT-Versorgungen hat das Eintakten und Steuern der Aufgaben und Arbeitsschritte. Im Idealfall gibt es dafür einen „Leitstand“, der sowohl die Verteilung vornimmt als auch die Erledigung im Tagesgeschäft nachhält und durchsetzt. Hier sind neben den fachlichen Fähigkeiten auch Führungskompetenzen gefragt, um Prozessdurchlaufzeiten zu optimieren und die termingerechte Fertigstellung zu erreichen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist das Schnittstellenmanagement: von der Zustandserhebung mit einer sauberen Dokumentation und der Übergabe an die richtigen Mitarbeiter bis zur Kommunikation über die Fertigstellung. Klare Prozessbeschreibungen und Regelungen zu Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten (also: „wer macht was wann wie…“) sind die Basis. Unter der Maxime „Konzentration auf das Wesentliche“ stellten die Erfolgsfaktoren in der OT einen Leitfaden für die „richtige Weiterentwicklung“ des Bereichs dar: Die Unternehmen müssen sich die kritischen Erfolgsfaktoren bewusst vor Augen führen, um zielführend und ohne sich zu verzetteln ihre Chancen bestmöglich zu nutzen. Das ist die OT übrigens auch den Kunden schuldig. Schließlich trägt sie ganz besonders zu deren Lebensqualität bei. GP „ERFOLGSFAKTOREN“ IM ÜBERBLICK Teil 1: Einführung Teil 2: Generelle Erfolgsfaktoren Teil 3:Erfolgsfaktoren Orthopädieschuhtechnik Teil 4:Erfolgsfaktoren Rehatechnik Teil 5:Erfolgsfaktoren Orthopädietechnik Teil 6: Erfolgsfaktoren Sonderbau Teil 7: Erfolgsfaktoren Sanitätshaus Teil 8: Erfolgsfaktoren Care Teil 9: Erfolgsfaktoren Vertrieb Teil 10:Unternehmensindividuelle Erfolgsfaktoren Teil 11:Abschluss/Zusammenfassung
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